Es ist ganz einfach:
Das Stück steht in Dur, der Grundton ist beliebig, so wie man es singen kann, da das Stück meines Wissens nach eine traditionelle Überlieferung ist.
Es ist ein 4/4 Takt, hier liegen die Schwerpunkte jeweils auf der 1 und der 3 (Zählzeiten), wobei die 1 schwerer ist als die 3, wie üblich. Allerdings kann man das auch als eine Sonderform des 4/4 spielen, dann wären 1 und 3 gleich schwer.
Außer der Grundtonart bzw. dem Tonikaakkord gibt es auch keine anderen Akkorde, keine Kadenzen, keine anderen Harmonien oder Akkordfolgen.
Als Kanon gesungen hat man mehrere Einsatzmöglichkeiten.
Üblicherweise setzt man nach jedem zweiten Takt ein, also zur 1, 3, 5, 8. Wenn man sich die Melodie anschaut, erkennt man deutlich, daß man auch auf den schweren Zählzeiten einsetzen kann, d.h. auf der 1 und der 3 jeden Taktes, weil das stets die Töne der Tonika sind (Grundton=1, Terz=3 und Quinte=5, in der Reihenfolge |1, 3|1, 3|3, 5|3, 5|5, 3|5, 3|1, 1|1, 1|).
Somit kann man maximal 16 Stimmen übereinanderlagern, also 16 Einsatzpunkte nehmen, wobei es natürlich unsinnig ist, die geraden Takte als Einsatzpunkte zu nehmen, weil die ja stets mit dem Takt davor übereinstimmen. Deshalb gibt es tatsächlich nur 8 Einsatzpunkte für einen Kanon.
Von der Form her ist es eine recht klassische Form:
Es gibt vier Phrasen, eine Phrase ist stets zweitaktig nach der klassischen Definition. Viele Phrasen bestehen aus zwei eintaktigen Gedanken, das sieht man auch in diesem Stück recht deutlich, denn da sind es genau vier verschiedene Eintakter, und jede Phrase enthält hier eine Doppelung des Eintakters.
Erweitert man die Formbetrachtung, erkennt man zwei viertaktige kleine Sätze, die (fast) einen großen Satz bilden.
Nun gibt es doch eine Besonderheit.
Man könnte meinen, daß hier eine Periodenform vorliegt, doch per Definition endet der Vordersatz, d.h. Takt 1-4 normalerweise auf der Dominante (harmonisch), und der Nachsatz (T. 5-8) auf der Tonika. Das ist hier natürlich nicht der Fall, weil es ja keine anderen Akorde außer der Tonika gibt (allerdings endet der Vordersatz auf dem Grundton der Dominante, öffnet also die melodische Weiterentwicklung, denn Quinten sind selten der Ton, auf dem eine Melodie endet, eben weil sie weiterführend wirken).
Dazu kommt aber, daß bei einer Periode die Form A-B-A-C in zweitaktiger Zählweise vorliegt, was hier natürlich nicht der Fall ist, sondern also eine Liedform mit der Form A-B-C-D vorliegt.
Hier ist das Stück:
http://de.wikipedia.org/wiki/Frère_Jacques
Vielleicht schaust du dir nochmal die rhythmische Entwicklung der Melodie an:
Im A-Teil sind schreitende Viertelnoten, der B-Teil und der D-Teil wird durch die halben Noten am Ende der Phrase abgebremst, der C-Teil durch die rhythmischen Achtelnoten beschleunigt und somit als eine Art Höhepunkt wahrgenommen.
Die Version mit den punktierten Achtelnoten am Anfang des C-Teils kenne ich nicht, das ist wohl eine Wikipedia-Erfindung. Normalerweise werden diese Töne auch als einfache Achtelnoten ausgeführt.