Dann überlegen wir ob er mit einem Buch lernen wird (...) oder per App Flute Master ...
Buch oder App ist zunächst eine durchaus ernsthaft zu überdenkende "kulturphilosophische" Grundsatzfrage, die ich im Zweifelsfall mit "sowohl, als auch" beantworten würde. Da ein sechsjähriges Kind einer kompetenten Anleitung bedarf, um die jeweils unterschiedlichen Möglichkeiten einer App und eines Printmediums adäquat nutzen zu können, Unterricht im Moment aber offensichtlich nicht möglich ist, und in eurer Familie (außer der flötenspielenden Großmutter) niemand über musikalische Kenntnisse verfügt, habe ich bezüglich einer App sowohl methodische, als auch ergonomische Bedenken.
Erstens: Nicht alles, was an hektischen Animationen und Interaktionen heute technisch möglich ist, ist auch lerntechnisch sinnvoll - so ist die Annahme, dass neue Informationen besser verarbeitet werden, wenn sie auf möglichst vielen Sinneskanälen parallel dargeboten werden, inzwischen relativierend widerlegt.
Die App arbeitet zudem mit farbigen Notenköpfen, was vielleicht zum Abrichten pawlowscher Hunde taugen mag, nicht aber zum Erlernen des Spiels nach konventionellen Noten, weil die Farben die zum Notenlesen notwendigen Mustererkennungsprozesse auf falsche Kanäle umleiten (Zuordnen von willkürlich gesetzten Farbreizen statt Erkennen von regelhafen Raumpositionen im Liniensystem).
Und -
last not least - halte ich die Blockflöte, gerade wegen ihrem unmittelbaren Bezug zur Atmung, für ein "ruhiges", vielleicht sogar etwas "introvertiertes" Instrument. Dem kann die hektische Bildschirm-Zappelei einer auf "Spiel, Spaß und Spannung" getrimmten App einfach nicht gerecht werden. Wenn etwas zum Flötenspiel völlig konträr ist, dann die quietschbunte Ballerspiel-Ästhetik der meisten Apps.
Zweitens: Die Flöte ist ein atemgesteuertes Instrument, daher sollte sie grundsätzlich aufrecht stehend gespielt werden - was beim klassischen Printmedium durch einen entsprechend hoch eingestellten Notenständer problemlos zu bewerkstelligen ist.
Wie im Werbetrailer von "Flute Master" jedoch unschwer erkennbar ist, sitzen alle Probanten wie die nassen Säcke mit hängenden Schultern und eingesunkenem Brustkorb vor der App. Das ist nicht verwunderlich, da die verwendeten Bildschirme (Tablet oder Smartphone) ergonomisch ungünstig auf Tisch- oder gar Kniehöhe plaziert werden.
Bei der Verwendung einer App wären daher zwei Mindestanforderungen zu erfüllen:
Erstens sollte als Hardware mindestens ein 10 Zoll-Tablet zur Verfügung stehen, dass in Schulterhöhe (stehend!) stabil auf einem Notenständer plaziert werden kann, zweitens sollte in der Familie jemand befähigt sein, das Kind bei der abwechselnden Nutzung der App in Kombination mit einem Buch anzuleiten.
Ist eine der beiden Minimalanforderungen nicht gegeben, würde ich auf das von der örtlichen Musikschule verwendete Buch zurückgreifen.
Dass sich ein Sechsjähriger allerdings ohne jegliche Unterstützung, d.h. selbstorganisiert das Flötenspiel beibringen könnte, halte ich für illusorisch - egal ob mit App oder mit Buch! Aber da du ja bereits in einem älteren Thread erwähnt hast, dass die Großmutter Flöte spielt, ist von ihrer Seite her ja vielleicht Hilfe zu erwarten.