Der erlebnislose Kauf eines Klaviers oder Schuhe kaufen ist aufregender

TE335
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Worum geht es? Wir haben ein Klavier gekauft. Ein neues, echtes, groß, schwarz, laut, schwer – und es ist toll. Es steht hier, alles hat reibungslos geklappt, keine Probleme, kein Garantiefall und der Stimmer kommt auch in 3 ½ Monaten nach Lieferung.

Aber worum geht es? Nun, um meine Erwartung bzgl. des Kauferlebnisses eines Klaviers. Wie oft in seinem Leben kauft man ein Klavier? Die meisten wahrscheinlich nur einmal im Leben und daher dachte ich, dass bei so einer Entscheidung, mehrere tausend Euro in die Hand zu nehmen, dass Kauferlebnis und das drumherum doch besonders sein müsste.

Ich habe mich vor dem Kauf schlau gemacht, Budget festgelegt, Bauart (Upright) und Farbe und am Ende kam eine sehr konkrete Festlegung zustande. Mit dieser Festlegung bin ich (ich heißt auch Familie) zum nächsten Klavierhaus gefahren und dort hieß es "hier stehen die Klaviere der Marke xyz" und ihr Modell.

Und dann war der Verkäufer weg. Wir standen allein zwischen 100+ Klavieren und Flügeln und wir standen konkret vor dem von uns genannten Modell.
Meinte der Verkäufer nun, dass wir keine Fragen mehr haben? Sollen wir uns erst mal probieren und testen? Vom angefragten Modell standen 3 Klaviere bereit, bereits alle verkauft, 3 verschiedene Farbvarianten und alle 3 klangen unterschiedlich – weil keines wirklich gestimmt war bzw. wohl so angeliefert wurde. Also ein Vergleich bzw. einen echten Eindruck konnte man sich nicht machen.

Ein paar Meter weiter standen Pianos derselben Marke, nur eine Nummer kleiner und die waren ebenfalls nicht top gestimmt. Im Raum gab es auch andere Uprights und Flügel und die Steinway waren schon toll gestimmt, aber die Serienmodelle – keines konnte einen wirklichen Eindruck seiner Fähigkeiten vermitteln, aufgrund leichter Unschiefen in den Stimmungen.

Man liest doch immer, dass man ins Pianohaus gehen und vergleichen soll, aber einen echten Eindruck von der Qualität konnte man sich nicht machen. Nach ca. 45 Minuten gingen wir Richtung Ausgang, der Verkäufer kam raus und wünschte einen guten Tag.
Auf meine Frage hin, ob er sich melden könnte, wenn lieferbare Klaviere des Wunschmodells reinkommen, nickte er, notierte sich meine Nummer und wir gingen raus.


Hier kam nun kein Frust bei mir auf, aber ich hatte doch echt erwartet, dass der Verkäufer sich mal kümmern würde, Fragen stellt, unser spielerisches Niveau erkundet, das ausgewählte Modell vorstellt und seinen Eindruck wiedergibt – nichts. Keine verkäuferische Tätigkeit oder der Wunsch, mir das Modell anzupreisen. Smalltalk? Wir waren übrigens die Einzigen im Laden.

Nun, der Anruf kam 2 Wochen später, das gewünschte Modell sei da und wir könnten vorbeikommen.

Gesagt, getan – und wir standen vor einem wirklich tollen Klavier. Trotz kürzlich erfolgter Anlieferung aus Übersee war es gut gestimmt, toller Sound, Optik klasse (Silberbeschläge). Und nun hat uns der Händler überrascht und meinte, wir würden sogar den Vorjahrespreis erhalten, 400€ weniger als auf dem Schild – er hat sich an uns erinnert.

Tatsächlich hatten sich über den Jahreswechsel die Preise bei dem Klavier überall erhöht, Online wie auch bei den Händlern. Dieses Entgegenkommen war jetzt echt eine Überraschung und ein Service, die norddeutsche Reserviertheit war wie weggeweht vom Nordseewind.

Gesehen, gespielt, gekauft – und da war sie wieder, die nüchterne Kaufmannsseele des Händlers, ein A4 Zettel, Rechnung im Titel, Kontoverbindung aufgeschrieben und tschüß.

Hey, wir haben gerade tausende Euro ausgegeben und der Händler zeigt weniger Begeisterung als die Bedienung an der Käsetheke. Kein Glückwunsch zum neuen Klavier, kein "viel Spaß und ich hoffe, ihr Sohn wird der nächste Herbie Hancock" oder so.
Die freundlichsten Worte waren "demnächst wird sich die Spedition bei ihnen melden".

Die Anlieferung hat geklappt – alles gut. Aber werden Klaviere so vollkommen unverpackt, ohne schützende Noppenfolie im LKW, dann über die Straße, dann durchs Treppenhaus holterdipolter angeliefert? Ich dachte, das Klavier würde wenigstens in Pappe oder Folie eingewickelt, um die Oberfläche halbwegs zu schonen. Aber das Klavier wurde auf einem Rollbrett durch die Gegend gerockt, ich sah es schon an Kanten und Treppengeländer stoßen – aber Glück gehabt.

Nun – ich bin zufrieden, aber den Kauf selbst hätte ich mir aufregender vorgestellt. "Ein Klavier, ein Klavier" – wie es bei Loriot heißt, ich wollte euphorisch sein, bei der Auswahl und beim Kauf begleitet werden, ähnlich wie beim Autokauf, wo man sich heftig wehren muss, damit der Verkäufer nicht noch bei einem in die Wohnung einzieht.

Schuhe kaufen ist aufregender, da werde ich beraten, die Größe wird für mich hervorgeholt, mir werden Pflegemittel/Schuhspanner angeboten, eine andere Farbe oder ich möge doch 2 Paar nehmen, weil man die Schuhe schonen muss – so dachte ich an den Kauf eines Klaviers, nicht 2, aber doch Zubehör.

"Brauchen sie eine Klavierbank?" "Soll es eine Leuchte sein, die brauchen sie unbedingt" und "nehmen sie auch diese Bücher mit, für Anfänger besonders gut geeignet". Im Pianoladen gab es Bänke, Leuchten, Klavierbänder, Literatur, Staublappen und Pianomodell, aber wurde ich auch nur einmal gefragt, ob eine Klavierbank benötigt wird? Nein – die kam nun online.

Wie gesagt, das Klavier hier zu Hause ist toll und wenn der Stimmer in 3 Monaten kommt, wird es noch besser, aber ich kaufe demnächst wieder lieber ein Paar Schuhe, das ist aufregender.

Also, nicht weiter als eine Anekdote zur Belustigung und die Frage in die Runde, wie ihr den Kauf eines Klaviers erlebt habt? Ebenfalls so ereignislos oder war das bei euch aufregender?
 
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Das Problem liegt doch nicht bei dem Klavier!
Einzig und Alleine ist hier der Verkäufer in einer Bringschuld,
liegt auch ganz stark am Chef und dem Team.

Und ja, ich selber als selbstständiger Handwerksmeister, darf nicht nur Produkte sondern auch meine Arbeit, bzw. die meiner Mitarbeiter bewerben.

In vielen Geschäften, ob im täglichen Leben oder bei etwas Besonderen, ist die Herzlichkeit mit aller dazu gehörigen Empathie verloren gegangen.
Ich meide solche Begegnungen ob ich der Kunde bin oder mir ein Kunde so entgegentritt.

Der Newcomer II
 
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@TE335 so du ein unvergeßliches Erlebnis beim Klavierkauf brauchst, kaufe ein gebrauchtes und transportiere es mit vier Schreibtischleuten (aka PC Nerds) in die erste Etage ohne Klaviergurte. Das wirst du garantiert nicht so schnell vergessen... 🥵 :m_piano2:
 
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Das einfachste wäre gewesen, ihr hättet den Verkäufer gerufen und hättet selbst Fragen gestellt.

Warst denn du und dein Sohn bereits Klavier erfahren und wusstest, worauf man beim testen achten muss?

Hätte der Klavierlehrer mitkommen können?

Was habt ihr bezahlt, welche Marke? (mehrere 1000)

Mein Verkäufer hier ist auch ein Muffkopf, aber dafür kann man in Ruhe testen und ich berate selbst als Lehrer.

War enttäuscht, was Schüler letztens für 3000 eur als Pianogegenwert bekommen haben. Da wäre ich lieber mitgekommen.

Und dieses Lampe und Klavierbank aufschwatzen mag ich persönlich nicht (oder im Schuhgeschäft Schuhcreme) Wer das braucht, kann es doch sagen.

Das hier war bekannt?:

https://www.amazona.de/marktuebersicht-die-besten-und-bekanntesten-klavierbauer/
 
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Hallo @TE335 (nebst der ganzen Familie) und herzlichen Glückwunsch zum neuen Klavier!
Möge es ein Leben lang gut klingen und Du immer schmunzeln, wenn Du an diesen "wunderbaren" Verkäufer denkst! :great:

LG, Anderl

P.S. Und Danke für den tollen Beitrag!
 
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Nun – ich bin zufrieden, aber den Kauf selbst hätte ich mir aufregender vorgestellt. "Ein Klavier, ein Klavier"
Glückwunsch und viel Spaß! :great: In meiner Altbauwohnung ist ein echtes Klavier/Flügel leider nicht ganz realistisch...
Man liest doch immer, dass man ins Pianohaus gehen und vergleichen soll,
Ne ne nee, da verwechselst Du was. Das ist nur bei den Gitarren so... :whistle:

Gruß,
glombi
 
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Das Problem liegt doch nicht bei dem Klavier!
...
Es gibt kein Problem, ganz im Gegenteil. Der Beitrag ist auch zum Schmunzeln gedacht, soll keine Beschwerde oder so sein.

Das einfachste wäre gewesen, ihr hättet den Verkäufer gerufen und hättet selbst Fragen gestellt.

Warst denn du und dein Sohn bereits Klavier erfahren und wusstest, worauf man beim testen achten muss?

Hätte der Klavierlehrer mitkommen können?

Was habt ihr bezahlt, welche Marke? (mehrere 1000)

Mein Verkäufer hier ist auch ein Muffkopf, aber dafür kann man in Ruhe testen und ich berate selbst als Lehrer.

...

Ich hatte mich im Vorfeld tatsächlich sehr detailliert mit allen Fragen auseinandergesetzt und meine Frau schon mit Details genervt, verjüngter Resonanzboden, Kiefernholz, Mechanik, lange Tasten, hier und dort - so gab es meinerseits keine offenen Fragen mehr. Ich kenne das aus dem Gitarrenbereich (da komm ich eigentlich her) und ich bin gewohnt, selbst zu recherchieren was Funktionen angeht.

Einen Klavierlehrer mitzunehmen kam nicht in Betracht, der Besuch im Pianohaus war mit Anmeldung und Termin wegen Corona und es war ja ein Neu-Kauf. Bei einem Gebrauchtkauf hätte ich jemanden vom Fach mitgenommen.

Ach ja - zum Klavier: ein neues Kawai K-300.

...Und dieses Lampe und Klavierbank aufschwatzen mag ich persönlich nicht (oder im Schuhgeschäft Schuhcreme) Wer das braucht, kann es doch sagen.
...
Ja, das nervt tatsächlich, aber wenn es fehlt, dann ist es plötzlich auch nicht richtig :D.
 
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Aber es scheint mir du hast dich von den Daten her informiert, aber war ausreichend Klaviererfahrung zum testen vor Ort anwesend?

Welche Stücke habt ihr zB ausprobiert.

Kawai, gute Wahl (Yamaha war auch da?)

Meine Schwester war früher im Reisebüro tätig, da sollte sie immer sagen: "Da haben Sie jetzt was schönes gebucht"

Das ist dieses neurolinguistische programmieren, bin froh, wenn das keiner bei mir anwendet.

Küchenverkäufer sollen da auch schlimm sein.

Habe meinen Klavierverkäufer mal imitiert, die Sprachaufnahme ist der Renner bei allen, denen ich's vorspiele.

Muss mal sehen ob ich das hier hochladen kann.
 
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Glückwunsch zum Klavier.
Was lernt man daraus? Nächstes mal Online kaufen. 5 Modelle bei Thomann bestellen und zu Hause testen
;)
 
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...Welche Stücke habt ihr zB ausprobiert.
...

Meine Frau hat 'Because' von den Beatles, Let it be und Hey Jude gespielt. Und 'Nobody Home' von Pink Floyd. Ich habe einen Blues und Boogie Woogie zum Besten gegeben.

Krass ist der Unterschied in einer Halle, wo 100+ Klaviere stehen und im Wohnzimmer. Es ist wirklich erstaunlich, wie laut ein Klavier ist. In der Halle dachte ich mir, dass das lauter sein könnte und habe schon zum Preisschild des K-500 geschaut und zu Hause bin ich fast sicher, dass das K-200 gereicht hätte :D.

Klaviererfahrung war vorhanden durch mehrere Klaviere in unserem Umfeld, meist alte Knochen bzw. ein Flügel bei Bekannten.
 
Es ist wirklich erstaunlich, wie laut ein Klavier ist. In der Halle dachte ich mir, dass das lauter sein könnte und habe schon zum Preisschild des K-500 geschaut und zu Hause bin ich fast sicher, dass das K-200 gereicht hätte :D.
Wer hat 2 Daumen und sagt immer zu Hause testen ist das einzig wahre? :D
 
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Ich stimme dir allgemein zu. Die Qualität der Beratung vor Ort ist mittlerweile unterirdisch. Die Händler (=Kaufhaus, Fachhändler etc.) verstehen einfach nicht, dass man den Kunden nur im Geschäft hält, indem man den Kauf zum (positiven!) Erlebnis macht. Meine Zeit bei Thomann (Gitarrenabteilung) hat mir gezeigt, dass das auch noch anders funktioniert, und man durchaus motivierte Mitarbeiter haben kann, wenn die Umgebung passt. Hier war aber der Vorteil, dass das Ladengeschäft als reine Novelty geführt wurde, weil der Online-Handel im Hintergrund das Ganze mitfinanziert. Ich habe dort aber sowohl als Kunde als auch als Angesteller (ich darf das Wort Mitarbeiter nicht mehr benutzen, siehe anderer Thread) die Kollegen als motiviert und engagiert erlebt. Klar, ausreißer gibt es hier auch, aber im schlechten Laden nebenan ist der Ausreißer halt der motivierte Mitarbeiter, der aber auch schnell merkt, wie das Tagesgeschäft aussieht, und was sich lohnt und entweder geht (juhu!) oder bleibt und auch verbittert (buuuh!).

Das zweite Problem beim Laden um die Ecke ist, dass die Bezahlung als Verkäufer (Stationär) einfach mies ist. Mein Ausbildungsbetrieb (Musikalienhändler in der Oberpfalz mit Hauptgeschäft und Filialgeschäft, man war also definitiv nicht schlecht aufgestellt) hatte mit nach Ende der Ausbildung (wo ich 550€ im Monat vor Steuer verdient habe) einen Arbeitsvertrag zu 1500€ Brutto angeboten. Ich war schneller weg als ich den Arbeitsvertrag vorgelegt bekommen habe. Aber nicht nur wegen der Bezahlung, da gab es noch etliche Gründe.

Jahre später habe ich noch mal 6 Monate (oder eher 5 1/2) bei einem großen Elektronikhändler gearbeitet, wo ich für 1800 Brutto mich in meiner Freizeit zu sämtichen Produkten, Verkaufsschulungen und Tehmen informieren / teilnehmen "durfte". Habe dort auch innerhalb der Probezeit gekündigt, weil man mir Dinge mündlich zugesichert hat, die nie umgesetzt wurden, und die versprochene Verkaufsprovision ein schlechter Witz war.

Beides hat mir zu dem Thema die Augen geöffnet, und gezeigt, dass die meisten Mitarbeiter einfach keinen Anreiz haben, gute Umsätze zu fahren. Das (schlechte) Grund-Gehalt kommt so oder so, und jeder der sich mal ein(+/-) Jahr den Arsch aufgerissen hat (meist in der Freizeit, weil unterm Tagesgeschäft wird sowas wie Fortbildung/Informationsbeschaffung ungern gesehen) bemerkt, dass man mit Dienst nach Vorschrift besser fährt, weil die Provisionen meist für den Arsch sind und man mehr vom Leben hat. Außer man steht total darauf Versicherungen von Sinfonia, Wertgarantie, Finanzierungen der Santander und Co. zu verkaufen, wo man pro Abschluss einen mittleren Einstelligen (kein Witz!) Betrag an Provision bekommt. Das wird noch versteuert, versteht sich. Ich hätte rund 70-80 solcher Zusatzleistungen verkaufen müssen, um die mir beworbenen Provisionsbereiche zu erreichen. Und das ist einfach Betrug am Mitarbeiter.

Somit bleibt aber auch der Kunde der Blöde, dem ein schlechtes Gewissen gemacht wird mit "Lokale Geschäfte sichern Arbeitsplätze" - ja aber für wen? Verwaltungsorgane, Manager und Angehörige des Familienbetriebs die davon gut leben können. Unterm Strich bin ich nun soweit dass ich mir denke: Wenn ihr es nur über die Schuld-Tour schafft noch ein Geschäft zu machen, habt ihr keine Daseinsberechtigung.
Jedes Geschäft wo ich sowas wie du erlebt habe, landet bei mir auf der schwarzen Liste, und wird einfach nicht mehr besucht. Unser Fressnapf vor Ort ist z.B. das genaue gegenteil, tolles gut informiertes Personal, versuchen immer was mitzuverkaufen (aber das sehr freundlich) und bieten sinnvolle Produkte zusätzlich an. Da kaufe ich gerne ein, obwohl es bei z.B. Bitiba im Schnitt billiger ist.

Sorry wenn der Thread nun ein wenig entgleist, es hat einfach gut zu deinem Thema gepasst und gibt ein wenig Einblick, wie es dem Mitarbeiter unter Umständen geht.
 
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Wir haben ein Klavier gekauft. Ein neues, echtes, groß, schwarz, laut, schwer – und es ist toll.
Herzlichen Glückwunsch! Ein echtes Klavier, das hat schon was. Da so ein Instrument ein klein wenig transportresistent ist, hat es auch was von: Ich bin dort angekommen, wo ich bleiben will, wer mein Klavier wieder raustragen will, muss zuerst mich hinaustragen. Wo mein Klavier ist, fühle ich mich wohl und da bleibe ich. :giggle:
Wie oft in seinem Leben kauft man ein Klavier? Die meisten wahrscheinlich nur einmal im Leben und daher dachte ich, dass bei so einer Entscheidung, mehrere tausend Euro in die Hand zu nehmen, dass Kauferlebnis und das drumherum doch besonders sein müsste.
Ich hätte es, ehrlich gesagt, nicht viel anders erwartet, als so, wie Du es geschildert hast. Da ich Dich auch vom Gitarrenbereich her kenne: Ich vermute, dass wir als (auch) Gitarristen ein viel libidinöseres Verhältnis zum Equipment gewöhnt sind bzw. praktizieren, als die Musiker anderer Sparten. Vielleicht weiß der gewöhnliche Klavierspieler zwar den Hersteller, aber nicht die genaue Typbezeichnung seines Pianos, liest keine Klavierzeitschriften und hat auch keine Kaffeetasse, auf der "Steinway" oder "Schimmel" drauf steht. Und führt keine endlosen Diskussionen darüber, welche Klaviermarke die bessere sei :biggrinB:. Sondern klimpert einfach. :m_piano2:

Außerdem: Innerhalb der Bevölkerungskreise, für die überhaupt der Kauf eines Klavizimbels in Frage kommt, ist doch immer noch relativ viel Geld in Umlauf - ob angespart, ausgeliehen oder ererbt. Der Kauf eines echten Pianos ist zwar vielleicht auch der Marker, der den letzten Schritt ins Bildungsbürgertum flankiert und den Kindern, die in der Schule vom Klavierunterricht erzählen, den Übergang zur höheren Schule erleichtert- aber was soll der Verkäufer den Kaufwilligen denn noch sagen - die haben doch schon ihre Entscheidung getroffen, haben das Geld und wollen sowieso kaufen. Und es besteht kaum die Gefahr, dass der Kunde das Preisschild knipst und dann das gleiche Klavier im Internet kauft.

Ich vermute, Klaviere werden immer noch vorwiegend stationär verkauft. Und das weiß der Verkäufer auch.
Ein paar Meter weiter standen Pianos derselben Marke, nur eine Nummer kleiner und die waren ebenfalls nicht top gestimmt.
Die nüchterne Zweckrationalität des Verkaufsgespräches setzt sich hier fort. Vermutlich lässt man den Stimmer kommen, wenn der eine oder der andere Kunde unbedingt eines der verstimmten Tastenkästen ausprobieren oder kaufen will - sie ständig in Schuss zu halten hieße auch, sie ständig wienern zu müssen und Krümel zu entfernen, die die lästige Kundschaft beim Anspielen hinterlässt.

Bei vielen Geschäften mit "großer Auswahl" steht viel Kram herum, den nie jemand kauft. Weil niemand in einem Laden kaufen würde, in dem nur drei Klaviere stehen. Auch wenn das die drei Modelle sind, die 95% der Kunden kaufen wollen und können. Man kann die restlichen Instrumente als (teure) Deko betrachten. Ansonsten wären die Klaviere gestimmt. Mit Sicherheit.
aber ich hatte doch echt erwartet, dass der Verkäufer sich mal kümmern würde, Fragen stellt, unser spielerisches Niveau erkundet, das ausgewählte Modell vorstellt und seinen Eindruck wiedergibt – nichts. Keine verkäuferische Tätigkeit oder der Wunsch, mir das Modell anzupreisen. Smalltalk? Wir waren übrigens die Einzigen im Laden.
Wenn keines der drei sich von selbst verkaufenden Klaviere gefragt ist, wird es anstrengend für alle. Das will der Verkäufer nicht provozieren, indem er unnötigerweise auf die weniger gefragten (und verstimmten) Exemplare hinweist. Das macht viel Arbeit und am Ende kaufen die Leute ja doch eins der drei Schnelldreher.
Gesehen, gespielt, gekauft – und da war sie wieder, die nüchterne Kaufmannsseele des Händlers, ein A4 Zettel, Rechnung im Titel, Kontoverbindung aufgeschrieben und tschüß.
Was soll er sonst tun? Der "gnädigen Frau" in den Mantel helfen, die Ladentür beim Rausgehen aufhalten? Wir sind im 21. Jahrhundert und nicht im Jahre 1965.
Nun – ich bin zufrieden, aber den Kauf selbst hätte ich mir aufregender vorgestellt. "Ein Klavier, ein Klavier" – wie es bei Loriot heißt, ich wollte euphorisch sein, bei der Auswahl und beim Kauf begleitet werden, ähnlich wie beim Autokauf, wo man sich heftig wehren muss, damit der Verkäufer nicht noch bei einem in die Wohnung einzieht.
Das hängt von der Autogröße und der damit verbundenen Marge ab. An einem Kleinwagen ohne Extras verdient der Verkäufer praktisch nichts. Diese Autos verkaufen sich von selbst. Aufdringlich werden Autoverkäufer erst, wenn Interesse an einem Auto mit unnützen und unnötig teuren Extras in ökologisch unvernünftiger Größe signalisiert wird. Ansonsten verhalten sie sich wie der Klavierverkäufer, wenn man eines der drei o.g. Modelle erstehen will.
"Brauchen sie eine Klavierbank?" "Soll es eine Leuchte sein, die brauchen sie unbedingt" und "nehmen sie auch diese Bücher mit, für Anfänger besonders gut geeignet".
Das wundert mich nun doch etwas. Am Druckerkabel verdient Media Markt das Doppelte wie am Drucker sebst, und auch im Musikalienhandel bringen normalerweise die Kleinteile den Gewinn. Na ja, vielleicht bleiben beim Klavierkauf heute doch noch ein paar Taler beim Händler, da er keine Online-Konkurrenz fürchtet (s.o.).
und die Frage in die Runde, wie ihr den Kauf eines Klaviers erlebt habt?
Ein echtes Klavier stand bei uns nie zur Debatte; der Kauf des Digitalpianos meiner Frau in einem großen Geschäft in der Großstadt verlief ähnlich prosaisch. Obwohl das Kawai auch nicht ganz billig war. Aber man bekam wenigstens noch ein Anfängerheft zum Klavierspielen hinzu. Brauchte meine Frau nicht, aber eine nette Geste, immerhin.

Meine launischen Kommentare bitte nicht böse nehmen! Freue Dich an Deinem/Euren Klavier, aber erwarte nicht zu viel von Musikalienhändlern oder -verkäufern. Über die netten und engagierten Menschen in diesem Bereich sollten wir viel öfter schreiben, denn die gibt es ja auch!
 
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Tja - wie überall im Einzelhandel gibt es unter den Verkäufern schlechte oder gute sowie unter den Kunden kaufwillige oder nicht kaufwillige. Das macht schonmal vier mögliche Kombinationen, welche Typen aufeinander treffen können. Und beide Seiten gehen mit Erwartungen, Vorturteilen oder Befürchtungen in die Situation rein. Manchmal passen die beteiligten Personen und Erwartungen zusammen, aber manchmal eben auch nicht - wie in deinem Fall.

Klavier-Beratungsgespräche sind definitiv eine schwierige Sache, weil der Händler in kurzer Zeit den Kunden richtig einschätzen muss. Gleichzeitig gibt es in so einem Laden sehr viel im Backoffice zu regeln. Vielleicht wirktet ihr auf den Berater ausreichend kundig, erfahren und fähig, um weitere Beratung nur auf Nachfrage zu brauchen. Berater hören aus dem Backoffice, wie die Kunden die Instrumente anspielen und können daraus den Erfahrungsstand mit Klavieren abschätzen. Wenn von eurer Familie dann keine Nachfragen kamen, kann es durchaus sein, dass der Berater darin kein Problem gesehen hat.

Beratungsgespräche leiden oft unter dem Internet-Wissen des Kunden, das oft aus Spezial(Halb-)wissen über bestimmte Sachverhalte, persönlichen Empfehlungen und Sternchenbewertungen besteht. Dagegen als Berater anzukommen, ist schwierig. Manche resignieren dabei.

Ich bin momentan auf Flügelsuche und gelegentlich in ähnlichen Situationen. Ich bin heilfroh, aktuell nicht auf Gebrauchtwagensuche zu sein, denn Beratungsgespräche mit ausgefuchsten Gebrauchtwagenhändlern sind der Horror im Vergleich zur ziemlich moderaten Klavierbranche.
 
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Danke schon mal für die vielen ausführlichen Antworten.

Ich denke, am Ende bin ich eher über mich selbst erstaunt - darüber, dass ich selbst nach Jahrzehnten des Kommerz und so mancher großer Anschaffung immer noch betütelt, gepimpt und umsorgt werden möchte, obwohl ich es selbst objektiv am besten weiß, wie es abgeht.

...
Sorry wenn der Thread nun ein wenig entgleist, es hat einfach gut zu deinem Thema gepasst und gibt ein wenig Einblick, wie es dem Mitarbeiter unter Umständen geht.

Kein Problem. In unserem Fall war der Verkäufer auch der Inhaber.

Ich denke aber auch, dass er unser Klavierspiel im Hintergrund gehört und sich sein Bild gemacht haben wird. Und wer ins Haus kommt und sagt "zeigen sie mir das Produkt x" wird sich nicht um Produkt y kümmern oder um deutlich teurere Modelle.
 
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Ja Klavierkäufer sind ein sensibles Völkchen.

Da gibt es welche, die bringen einen Stapel Noten mit (Für Elise, Regentropfenprelude, Kinderszenen) und probieren stundenlang alle möglichen Pianos aus. Einige davon möchten oft nicht wirklich etwas kaufen, sondern erhoffen sich ein dankbares Publikum.
Man muss wissen, Klavierspieler (Klassik) sind ein ein einsames Völkchen, mehr noch als Bassisten (die dürfen wenigstens mit Musikern zusammen proben). Sie üben (so etwas braucht der Bassist nicht) täglich stundenlang Jahr um Jahr allein ohne die Chance auf einen Auftritt, denn wer will schon Für Elise oder Mondscheinsonate von einem Hobbypianisten hören.

Dies ist also die Chance endlich mal jemandem vorspielen zu können, der nicht der eigene Lehrer, generfter Nachbar oder die Familie ist. Beifall vom Verkäufer ist hier ausdrücklich erwünscht, dann klappt es auch mit dem Verkauf.

Allerdings haben viele dieser Pianisten mit den Noten auch Angst gehört zu werden, meißt Spätanfänger, die auf dem Epiano mit Kopfhörer angefangen haben um niemanden mit den Edüden zu quälen (zu recht) und nun ernsthaft den Schritt in die akustische Welt wagen wollen. Die würden zusammenzucken, wenn ein Verkäufer oder irgendwer sie anspricht. Diese scheuen Exemplare sind sehr häufig. Die freuen sich über ein Nachgespräch im Nebenraum.

Dann gibt es die Unkundigen, die für die Kinder ein Piano kaufen möchten. Die kommen mit dem Lehrer und brauchen auch keine Beratung. Der Lehrer holt sich seine Provision später ab.

Und dann die, die genau wissen was sie wollen, sozusagen aus dem Katalog kaufen. Solche darf man nicht vergraulen, also lieber wenig Kontakt, das vermindert die Gefahr etwas falsches zu sagen.

Wie man sieht, Klavierverkäufer haben es nicht einfach. Wahrscheinlich einer der schwersten Berufe überhaupt ;)
 
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Ein Klavier, ein Klavier. Musste bei der Anlieferung auch an Ihre Frau Mutter Berta Panislowski aus Massachusetts denken :) Nix fürs Lagerfeuer, trotzdem stellvertretend für den Verkäufer meinen Herzlichen Glückwunsch!
 
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Beratungsgespräche leiden oft unter dem Internet-Wissen des Kunden, das oft aus Spezial(Halb-)wissen über bestimmte Sachverhalte, persönlichen Empfehlungen und Sternchenbewertungen besteht. Dagegen als Berater anzukommen, ist schwierig. Manche resignieren dabei.

Verblueffend - erlebe das oft umgekehrt :D Gerade im Bereich Elektronik u. Instrumente. Bei konkreten Fragen zum Produkt : "Augenblick, ich schau im PC nach" (= googeln). Die Antwort die man dann bekommt, ist i.d.R. falsch.
Bei ca. 90% der VK besteht das Fachwissen aus: 'ganz toll', 'super', 'aktuell das beste'. Trifft dieses VK-Fachwissen auf gleichnivelliertes Kunden-Fachwissen und befindet man sich zufaellig unausweichbar in Hoerreichweite, bekommt man ein Entertainment geboten, das selbst Loriot verblassen laesst :)
 
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Also, nicht weiter als eine Anekdote zur Belustigung und die Frage in die Runde, wie ihr den Kauf eines Klaviers erlebt habt? Ebenfalls so ereignislos oder war das bei euch aufregender?

Erster Versuch ging bei uns beim örtlichen Klavierhändler in eine ähnliche Richtung; anschließende Recherche hagt mir dann gezeigt: Zu einem gesetzten Budget unter 5K ist die Auswahl an NEUEN Klavieren eh' nicht so groß, was soll man da auch groß an Beratung erwarten?

Auf Empfehlung aus dem Musikerboard haben wir uns dann in Richtung gebraucht/restauriert orientiert, einen Klavierbauer im Odenwald besucht (zweimal), sind dort zweimal sehr freundlich und umfangreich betreut worden (vermutlich so ähnlich, wie Du es Dir gewünscht hattest) und haben am Ende auch dort gekauft.

Der Inhaber hat uns gezeigt, was in unsere Zielpreisklasse verfügbar war, aber auch, was man für deutlich mehr oder deutlich weniger Geld bekommt. Das klangliche Spektrum war schon recht breit, die Erkenntnis auch. Wir hatten auch genug Zeit, mal in Ruhe verschiedene Instrumente zu testen.

Am Ende haben wir unser Budget sehr spontan um mehr als 50% erhöht, auch auf Basis von beratung und Testmöglichkeit. Bereut haben wir es nicht, sind immer noch sehr glücklich mit dem Instrument!
 
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