Deutsche Nationalhymne

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Hallo!

Ich fange grade an mich intensiver mit den Kirchentonleitern zu befassen und habe eine Frage..

Ich habe grade mal aus Spaß die Deutsche Nationalhymne nachgespielt (in G-Dur) und mir fiel aus, das vor dem Refrain statt der Quarte eine übermäßige Quarte vorkommt (statt dem C ein C#)

Meine Frage, wurde also kurz vor dem Refrain das Stück von G-Dur in G- Lydisch abgewandelt? Oder wie nennt man sowas??

Hier der Youtube Link, ca bei 0:45
http://www.youtube.com/watch?v=5q8xvkjqeHQ

Danke :)
 
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Hallo!

Ich fange grade an mich intensiver mit den Kirchentonleitern zu befassen und habe eine Frage..

Ich habe grade mal aus Spaß die Deutsche Nationalhymne nachgespielt (in G-Dur) und mir fiel aus, das vor dem Refrain statt der Quarte eine übermäßige Quarte vorkommt (statt dem C ein C#)

Meine Frage, wurde also kurz vor dem Refrain das Stück von G-Dur in G- Lydisch abgewandelt? Oder wie nennt man sowas??

Hier der Youtube Link, ca bei 0:45
http://www.youtube.com/watch?v=5q8xvkjqeHQ

Danke :)

Die Kirchentonarten waren zu dieser Zeit (damit meine ich die Zeit des Komponisten, nämlich das 18. Jahrhundert) schon eine Seltenheit. Erst Debussy hat sich wieder ausgiebig damit beschäftigt.

Oft ist es so, dass klassische Themen in Quintbeziehungen zueinander stehen.
Das ist am deutlichsten bei der Sonatensatzform, bei der das 2. Thema der Exposition in der Dominante steht.

Es ist auch üblich innerhalb einer (bsp. 8 taktigen) Phrase nach der ersten Hälfte zur Dominante zu gehen und von dort aus wieder zurück zur Tonika.
Die Dominante von G-Dur ist D-Dur.
Der Leitton von D-Dur ist das cis, somit findet an der Stelle eine harmonische Ausweichung statt. Die Dominante wird kurzzeitig tonales Zentrum.

Das kommt wie gesagt häufig vor, hör dir auch mal in dem Zusammenhang den zweiten Satz aus Haydns Paukenschlagsinfonie an. Da ist es noch deutlicher rauszuhören:

http://www.youtube.com/watch?v=lLjwkamp3lI

Das Sicut locutus est von Bach moduliert gleich im Dux:

http://www.youtube.com/watch?v=Jc19f19MGDE

Bei Sonaten gibt es sowas häufig:
http://www.youtube.com/watch?v=dx-34uRWLyg
 
Funktionsharmonisch ist's eine Doppeldominante, die über die Tp, die davor die Tonika ersetzt, im Quintfall sich auf die Tonika wieder zubewegt. Deshalb muß der Melodieton die ursprüngliche Tonleiter verlassen.

Es gibt mehrere Sichtweisen für einen solchen Vorgang.

LordAbstellhaken spricht ja davon, daß die Dominante zum kurzzeitigen tonalen Zentrum wird.
Oder man sieht es so, daß die ursprüngliche Tonika G-Dur subdominantisch gefärbt wird, was nichts anderes bedeutet, allerdings erklärt das besser den Wechsel von der ionischen zur lydischen Tonleiter (über G als tonales Zentrum).
Oder man sieht das unter dem Aspekt des Quintfalls, wobei die Doppeldominante den Spannungsverlauf ausdehnt, weil zwei Dominantseptakkorde im Quintfall hintereinander folgen.

Alle Sichtweisen beschreiben dasselbe, doch aus unterschiedlichen Ohr- äh...- Blickwinkeln...

Was es wohl am wenigsten ist: Eine echte Modulation, denn nach nur zwei weiteren Akkorden sind wir wieder daheim in G und verwenden auch wieder die stinknormale (ionische) G-Dur-Tonleiter.
 
Funktionsharmonisch ist's eine Doppeldominante,
Volle Zustimmung, aber...
Es gibt mehrere Sichtweisen für einen solchen Vorgang.[...]
Was bringen diese Sichtweisen? Ist nicht schon die Qualifizierung "Doppeldominante" eine ausreichend umfassende Beschreibung des harmonischen Vorgangs? Ich meine schon.

Wir sind hier am Ende des Formteils B des AABC-Verlaufs und haben vor der Dominante D-Dur nur Platz für einen weiteren Akkord. In der Wiener Klassik ist dort das Mittel der Wahl die Doppeldominante, und genauso kommt's - wenn man das als Quintfallsequenzausschnitt, Verschiebung des tonalen Zentrums, funktionale Neugewichtung der bisherigen Tonika o.ä. qualifiziert, überbewertet man diesen kurzen Moment, IMHO. Oder bringen diese Aspekte irgendwas wichtiges Neues für die Analyse?

Harald
 
Die Doppeldominante stammt aus der Funktionstheorie. "Doppeldominante" beschreibt - wie der Name schon sagt - diese harmonische Konstellation unter dem Aspekt, daß das "globale" tonale Zentrum bestehen bleibt, hier G-Dur. Gleichzeitig wird klar, daß hier ein doppelter dominantischer Quintfall vorliegt.

Was der Befriff "Doppeldominante" unterschlägt: Hier wird die Tonika anders - subdominantisch - gefärbt, was ich schon klanglich als wesentlich empfinde.

Man kann es aber auch als eine Verschiebung des tonalen Zentrums zur Dominante hin ansehen, wie es LordAbstellhaken dargestellt hat. Damit kann man erklären, warum die Tonika subdominantisch gefärbt wird, was meines Erachtens besser erklärt, warum sich die Tonleiter ändert. Diese Sichtweise macht dann auch klar, daß die DD hier keine (eingefügte) Zwischendominante ist, sondern den Spannungsverlauf entscheidend mitprägt.

Alle Aspekte sollte der Musiker im Kopf haben. So bekommt man auch ein besseres Gefühl dafür, was da überhaupt passiert, zumal das ja keine exotische harmonische Wendung ist...
 
Was der Befriff "Doppeldominante" unterschlägt: Hier wird die Tonika anders - subdominantisch - gefärbt, was ich schon klanglich als wesentlich empfinde.

Ah okay, verstehe. Wirkt auf dich die nur bisherige Tonika subdominantisch (also der G-Dur-Akkord im bisherigen Verlauf des Werks) oder auch die wieder erreichte (also die kommenden G-Dur-Akkorde, z.B. beim Beginn des C-Teils)?

Für mein harmonisches Empfinden wiegt die starke Leittonwirkung der DD und der D wesentlich stärker als eine Färbung der T hin zur S, daher meine Gewichtung im vorigen Posting. In meinen Ohren bringt die DD die entscheidende Kraft, die die T zu Beginn des C-Teils im neuen und gleichzeitig alten Glanz erstrahlen lässt.

Ist für dich die T als harmonischer Spannungsfaktor relevant, während zwei so starke gegenteilige Faktoren wie die DD und die D wirken? Wäre interessant, denn für mich stellt sie keinen Spannungsfaktor dar.

Harald
 
Wirkt auf dich die nur bisherige Tonika subdominantisch (also der G-Dur-Akkord im bisherigen Verlauf des Werks) oder auch die wieder erreichte (also die kommenden G-Dur-Akkorde, z.B. beim Beginn des C-Teils)?
Nein, denn die Tonika wirkt für mich im ganzen Stück stinknormal wie eine Tonika, sogar im klassischsten Sinn... :)

Nur an der Stelle, an der die DD vorkommt, bekommt die Tonika G-Dur eine subdominantische Färbung, vielleicht sogar wirkt sich das noch bis auf die einfache Dominante aus.
Die subdominantische Färbung merkst du auch daran, daß die DD immer "heller" empfunden werden kann als eine einfache Dominante. Es wird sozusagen die Tonika kurz hell angestrichen.

Für mein harmonisches Empfinden wiegt die starke Leittonwirkung der DD und der D wesentlich stärker als eine Färbung der T hin zur S, daher meine Gewichtung im vorigen Posting. In meinen Ohren bringt die DD die entscheidende Kraft, die die T zu Beginn des C-Teils im neuen und gleichzeitig alten Glanz erstrahlen lässt.
Während gleichzeitig über der Tonika eine lydische Skala entsteht, die sich sogar auf den Melodieton auswirkt.
Das, was du feststellst, ist die Verschiebung des diatonischen Systems auf die Dominante, was ich in sonst bei meiner Betrachtungsweise als Verschiebung des "Systemtons" bezeichne.

Ist für dich die T als harmonischer Spannungsfaktor relevant, während zwei so starke gegenteilige Faktoren wie die DD und die D wirken? Wäre interessant, denn für mich stellt sie keinen Spannungsfaktor dar.
Ich beobachte immer die Tonika, denn sie ist bei solchen Vorgängen immer noch die Referenz, weil sie das ganze Stück trägt und hier keine Modulation vorliegt.
Als einen wesentlichen Spannungsfaktor sehe ich da auch den doppelten Quintfall.

Wie gesagt, ich kann mich da auch nicht auf eine allgemeingültige Position zurückziehen, alle Sichtweisen zusammen ergeben wohl das präziseste Bild. Wenn ich ein buntes Bild von dieser Welt bekommen kann, bin ich mit einem Schwarz-Weiß-Bild nur begrenzt zufrieden... :)
 
Es sei noch (ganz unabhängig von diesem konkreten Beispiel) angemerkt, dass die Tonart in welcher ein Stück steht so gut wie nie einen absolut begrenzen Tonvorrat angibt. Es gibt keinen Ton der chromatischen Skala der in einem Stück in G-Dur nicht vorkommen könnte, es kommt nur auf den konkreten harmonischen Kontext an. (Komponisten wie Bach und auch der späte Mozart machten sich sogar oft ein "Spielchen" daraus, alle 12 chromatischen Töne innert kürzester Zeit in einem Thema, einer Melodie, oder einem Bassverlauf unterzubringen, ohne dabei die Stammtonart zu verlassen. Zum Beispiel im Hauptthema gleich zu Beginn dieses Mozart Klavierkonzerts: Mozart, Klavierkonzert Nr. 24 in c-Moll, 1. Satz)
 
Klar gehören alle Töne zusammen. Daher gibt es ja so etwas wie Musiktheorie, um hörmäßige Zusammenhänge erkennen zu können bzw. um ein System zu bekommen, diese 12 Töne in ein musikalisch sinnvolles Verhältnis zueinander zu bringen.
 

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