Aber findest du nicht, dass diese Methode einen Anfänger bei weitem überfordert? Zumal sie auch nur in den heimischen 4 Wänden Sinn macht. Wenn er später mal auf der Bühne stehen sollte, wird er eh einen Tuner verwenden, da er dort wohl kaum die Zeit und Ruhe dazu hat.
Ich finde, man kann garnicht früh genüg damit anfangen, per Gehör zu stimmen. Das ist auch normalerweise das erste, was man lernt, wenn man bei einem ernstzunehmenden Lehrer Unterricht hat. Wie soll man denn jemals ein gutes musikalisches Gehör bekommen, wenn man nichtmal merkt, ob das eigene Instrument verstimmt ist? Das Gehör ist für einen Musiker das Kapital.
Heutzutage wird viel zu wenig Wert auf Gehörbildung gelegt. Das ist auch der Grund dafür, dass viele nichtmal die einfachsten Lieder raushören können. Ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, dass Leute, die ihre Gitarre regelmäßig ordentlich per Gehör stimmen viel weniger Probleme beim Raushören, beim Gedanken-aufs-Griffbrett-übertragen oder beim Den-richtigen-Ton-treffen-beim-Bending haben, als Leute, die sich überhaupt nicht um ihr Gehör kümmern.
Auf der Bühne ist ein Tuner zwar nützlich, jedoch muss das eigene Instrument ja eh schon gut gestimmt sein, bevor man die Bühne überhaupt betritt, sodass man mit dem Stimmgerät nur mal nachbessern braucht. Davon abgesehen, hab ich es schon öfters (vorwiegend bei Akkusik-Klampfern) beobachtet, dass einer mitten im Song, wenn die Anschlaghand mal kurz nicht beschäftigt ist, zu den Mechaniken greift, um mal kurz etwas nachzujustieren. Zugegeben, das ist dann schon ein höheres Level, immerhin muss man dazu sehr genau wissen, wie sich die verschiedenen Intervalle anhören, aber das war ja nur ein Beispiel dafür, dass man auch auf der Bühne nicht unbedingt auf ein Stimmgerät angewiesen ist.
Da dies auch die allerbesten Guitarplayer so machen, kann der Unterschied dieser Stimmtechniken doch eigentlich nicht der Rede wert sein.
Die allerbesten Gitarristen haben gewöhnlich aber auch sehr viel teureres Equipment und nicht solche ungenauen billig Dinger für 30 Euro. Außerdem glaube ich nicht, dass sich Studiogitarristen bei Aufnahmen auf ihr Stimmgerät verlassen. Da wird knallhart nach Gehör gestimmt, bis es auf das Cent genau stimmt. Live kann man sich kleine Ungenauigkeiten vielleicht noch erlauben, aber im Studio wird so lang gestimmt, bis es 100%ig richtig ist.
Da kommt noch hinzu, dass unser westliches Tonsystem blöderweise grundsätzlich immer ein kleines bisschen vom Optimum abweicht, damit wir in allen Tonarten spielen können. Auch auf sowas wird hin und wieder im Studio Rücksicht genommen; d.h. die Stimmung wird auf die zu spielende Tonart optimiert, wobei ich jetzt nicht weiß, ob man bei der Gitarre aufgrund der feststehenden Bundabstände dabei viel rausholen kann. Das ist eher fürs Klavier oder so von Bedeutung.
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Fazit: Ich finde es falsch, Anfängern zum Stimmgerät zu raten. Das mag zum Überprüfen der Stimmung fürs erste ok sein, sollte aber das eigentliche Stimmen nicht vollständig ersetzen. Ich zumindest kann von mir behaupten, dass das regelmäßige Gehör-stimmen einen nicht geringen Teil zu meiner Gehörbildung beigetragen hat, auch wenn ich nebenbei auch noch richtiges Gehörtraining mache. Und ohne jetzt angeberisch wirken zu wollen: Auch, wenn ich nicht der schnellste Shredder oder so bin, bin ich ziemlich Stolz auf mein Gehör. Ich glaube, dass es mich musikalisch weiter gebracht hat, da Zeit reinzuinvestieren und dass es mir eine Menge Möglichkeiten eröffnet hat. Das sollte sich meiner Meinung nach keiner entgehen lassen, auch wenn es vielleicht etwas umständlich wirkt. Ihr werdet es wirklich nicht bereuen. Gitarre stimmen ist kein Hexenwerk. Das hat man nach kurzer Zeit drauf, man muss es nur tun.
So.. Genug geplappert. Viel Spaß noch am Eierschneider!

doschdn