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Echo abgeschafft

Was er tut, ist, die KZ-Gefangenen als provokanten Vergleich herbeizuziehen. Keine Frage, das ist geschmacklos. Aber eben auch nicht viel mehr.
So. so, geschmacklos, aber nicht viel mehr.

Wo sind wir denn angekommen, wenn es nicht mehr einfach nur klar und selbstverständlich ist, dass es gewisse Grenzen gibt, die einfach nicht überschritten werden dürfen? Und wo soll diese pseudo-tolerante Verharmlosung enden?
Die Rapper hätten schlicht von selber darauf kommen müssen, dass es ein absolutes ´No-Go´ ist, "die KZ-Gefangenen als Provokanten Vergleich heranzuziehen", es hätte für sie selbstverständlich sein müssen. Auch Provokation hat ihre Grenzen.

Dass der elende, menschenverachtende und bösartige Sexismus im Rap ebenso abzulehnen ist, sollte ebenfalls klar sein. Ich höre solchen Schrott jedenfalls nicht und kritisiere dieses Gebaren, wo immer dieses Thema in meiner Gegenwart auftaucht. Mich wundert, dass es nicht überhaupt schon lange einen Sturm der Entrüstung gibt darüber.

Wenn ich den Erfolg, den diese und vergleichbare Rapper mit ihren unsäglichen Texten haben vergleiche mit der Entrüstung, die an der Alice-Salomon-Hochschule über Gomringers Gedicht "avenidas" entstanden war (wozu es erst erheblicher interpretatorischer Klimmzüge und Unterstellungen bedurfte, um ihm Sexismus zu vorzuwerfen), dann bin ich nicht nur über die zweierlei Maße irritiert, mit denen hier gemessen wurde (jedenfalls bis zum Eklat der Echo-Verleihung), sondern auch über die offensichtliche Gleichgültigkeit, ja möglicherweise sogar Bewunderung, die Rappern entgegengebracht wird, die ihren unverblümten Klartext mit offensichtlich menschenverachtenden und verletzenden Inhalten dreist öffentlich absondern.

Aber vielleicht ist der Eklat ja wirklich der Beginn einer größeren gesellschaftlichen Debatte, es wäre wünschenswert.

Nachtrag:
Ich fühle mich im übrigen nicht provoziert (zu was auch?), sondern vertrete mit Leidenschaft meinen Standpunkt, dass Respekt und Anstand im Umgang der Menschen untereinander das würdigere und vorbildlichere Verhalten ist.
 
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Wo sind wir denn angekommen, wenn es nicht mehr einfach nur klar und selbstverständlich ist, dass es gewisse Grenzen gibt, die einfach nicht überschritten werden dürfen?
Wir sind dann in der Demokratie angekommen, in der Meinungsfreiheit herrscht. Das ist der Preis, den wir dafür zahlen - auch wenn es manchmal weh tut. Und ich mein das gar nicht provokant, das ist für mich wirklich der Zusammenhang.

Ich versteh noch nicht, was du mit 'dürfen' meinst. Juristisch erlaubt es es ja, aber das war sicher nicht das Kriterium, das dir wichtig ist, oder? Bist du der Meinung, dass solche Äußerungen verboten sein sollten? Dann wären wir in diesem Fall verschiedener Meinung. Du stimmst mir sicher zu, dass Meinungs- und Redefreiheit ein wichtiges Gut sind, und dass es sorgfältig abgewogen werden muss gegen andere Interessen.

Ich fühle mich im übrigen nicht provoziert (zu was auch?), sondern vertrete mit Leidenschaft meinen Standpunkt, dass Respekt und Anstand im Umgang der Menschen untereinander das würdigere und vorbildlichere Verhalten ist.
Das finde ich super, und mache ich auch! :)

Absolut, Respekt ist wichtig. Mit Anstand kann ich dagegen weniger anfangen - das klingt für mich nach gesellschaftlich geprägten Moralvorstellungen, die sich einer Überprüfung an der Realität entziehen. Dem Begriff des Anstands möchte ich entgegensetzen: Kunst muss Tabus brechen dürfen, ohne jegliche Rücksicht auf Anstand. Nicht dass ich Kollegah hier edle Motive unterstellen würde - kein bisschen. Aber eine Gesellschaft muss es aushalten, wenn unanständige Kunst gemacht wird, denn die Alternative wäre Zensur. Die beste Antwort auf menschenverachtende Texte sind meiner Meinung nach nicht Anfeindungen, sondern: bessere Texte.

Wer mit dem erhobenen Zeigefinger argumentiert, offenbart unfreiwillig, dass er tief im Herzen denen, die er anspricht, nicht zutraut, selbst ein moralisches Urteil zu fällen. Dabei muss man ihre Empathie nur wecken - und die steckt wirklich in jedem Menschen (echte Soziopathen ausgenommen). Das funktioniert am besten auf Augenhöhe.
 
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@_pole, wir sind da im großen und ganzen d´accord.
Wir sind dann in der Demokratie angekommen, in der Meinungsfreiheit herrscht. Das ist der Preis, den wir dafür zahlen - auch wenn es manchmal weh tut. Und ich mein das gar nicht provokant, das ist für mich wirklich der Zusammenhang.
Aber sicher, Meinungsfreiheit ist ein sehr hohes Gut und es dürfte nicht zu übersehen sein, dass ich selber dieses hohe Gut vehement in Anspruch nehme.
Der Preis ist tatsächlich hoch, was man u.a. auch daran erkennt, dass eine Partei wie die AfD in den Bundestag gewählt werden konnte und dort jetzt ganz legal sitzt.

Bist du der Meinung, dass solche Äußerungen verboten sein sollten?
Ein gesetzliches Verbot widerstrebt mir auch, das würde tatsächlich einer Zensur Tür und Tor öffnen. Was ich meine, wird vielleicht in meiner Replik auf das nächste Zitat deutlicher:
Mit Anstand kann ich dagegen weniger anfangen - das klingt für mich nach gesellschaftlich geprägten Moralvorstellungen, die sich einer Überprüfung an der Realität entziehen.
Wenn ich mich mal für einen Moment in die Situation eines provozierenden Rap-Texters versetze und mir eine Zeile wir der unsägliche Vergleich mit den "Auschwitzinsassen" in den Sinn käme, dann kämen mir gleichzeitig die Bilder in den Sinn, die jene auf äußerste geschundenen und ausgemergelten Gerippe zeigen, die Berge von Toten, die in den Asservatenkammern angehäuften und den Vergasten entwendeten Reste von Eigentum, Berge abgeschnittener Haare, herausgeschlagenes Zahngold und, und, und ...
Und dann würde es mir schlagartig klar, dass es der "Anstand" (wie auch immer man ihn definieren mag) absolut verbietet, so eine Zeile auch nur zu Ende zu denken. Moral kann sich zwar durchaus in Gesetzen abbilden, Gesetze können aber die Moral nicht ersetzen. Anstand ist für mich in diesem Sinne verinnerlichte Moral.
Diese Grundhaltung kann und sollte man dann auch auf den Sexismus und die Verherrlichung von Kriminalität ausdehnen. Dann würden sich wahrscheinlich ganze Texte von selbst verbieten. Aber ich bin ja auch kein Rapper geworden.

Kunst muss Tabus brechen dürfen, ohne jegliche Rücksicht auf Anstand. Nicht dass ich Kollegah hier edle Motive unterstellen würde - kein bisschen. Aber eine Gesellschaft muss es aushalten, wenn unanständige Kunst gemacht wird, denn die Alternative wäre Zensur.
Auch hier grundsätzliche Zustimmung. Aber mit Tabubrüchen in der Kunst habe ich auch so meine Erfahrungen gemacht. Allzuoft hat sich der beabsichtigte Tabubruch nur als dumme Provokation entpuppt, Provokation um ihrer selbst willen, ohne jeden (Hinter-)Sinn und ohne eigene Perspektive. Wenn mir jemand mit einem Hammer auf den großen Zeh schlage und er das dann als Provokation verkaufen will, dann ist mir das zu billig.
Ich bin selber Künstler und behaupte, dass diese Art Rap keine Kunst ist, sondern billiger kommerzieller Ramsch verpackt in ein Mäntelchen wohlfeiler Pseudo-Provokation.

Überhaupt Provokation und Tabubruch. Was im Rap (jedenfalls in dem hier kritisierten) stattfindet, ist jenseits jeden guten Geschmacks, überschreitet grund- und ziellos moralische Grenzen, ist abstoßend und widerwärtig.
Aber im Grunde doch auch nur lächerliches Geschwätz, und gemessen an dem, was ich aktuell wirklich als Tabubruch empfinde, nur müdes Geschwafel.

Heftigste Tabubrüche sehe ich in der realen Welt haufenweise:
Wenn den offensichtlich unfähigen Investmentbankern der Deutschen Bank für 2017 noch Millionen-Boni hinterher geworfen werden.
Wenn die ultra-hoch bezahlten Manager der deutschen Automobilindustrie staatliche Kontrollgremien und ihre eigenen Kunden zig-hundertausendfach hinters Licht führen und betrügen und dann zumindest hierzulande von der Politik erst gar nicht in die Pflicht genommen, sondern sogar nach wie vor noch hofiert werden, anstatt in den Knast zu wandern.
Wenn ein bayrischer Ministerpräsident das christliche Kreuz für Wahlkampfzwecke ausschlachtet. (Als konservativer Christ, der er vorgibt zu sein, müsste Söder eigentlich wissen, dass so etwas Blasphemie ist und das Blasphemie nach der alten Tradition eine Todsünde ist und er somit später dafür in der Hölle schmoren wird :evil:.)
Wenn ein Zucker-Bubi mit Unschuldslamm-Mine, der mit seinem Fratzen-Buch Milliarden Umsatz macht so tut, als wüsste er im Grunde von nichts was den Fluss der Daten in seinem Imperium angeht - und ihm dann immer noch Milliarden User lammfromm folgen.
Wenn ...
Wenn ...
Wenn ...
... ad libitum zu vervollständigen.

Es gäbe so viele Debatten, die auf schärfste zu führen werden!

Hey, ihr Battle-Rapper, macht Euch doch mal wirklich stark und legt die Finger in die richtigen Wunden, greift die wirklich wichtigen Themen auf. Hört auf, Ichlinge zu sein, die nur um sich selber kreisen und die nur sich selber wichtig sind (darin im übrigen D. Trump vergleichbar).
Legt euch mit den Mächtigen an und setzt euch für die Ohnmächtigen ein, dann könnt ihr auch spüren, was Provokation wirklich bedeutet. In anderen Ländern wandern kritische Geister ins Gefängnis, werden gefoltert oder sogar ermordet. Reich wird man damit jedenfalls eher nicht. Wie wär´s ?!


Ergänzend muss ich aber zugeben, dass ich absolut kein Kenner der Rap-Szene bin, es ist auch einfach nicht meine Musik. Falls es diesen von mir eingeforderten engagierten Rap gibt, möge man mich darüber aufklären und vielleicht auch ein paar Beispiele bringen.

Noch eine Ergänzung:
Ein Künstler, der wirklich intelligent und damit auch durchaus wirkungsvoll zu provozieren wusste war Christoph Schlingensief - leider viel zu jung gestorben.
 
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Aber im Grunde doch auch nur lächerliches Geschwätz, und gemessen an dem, was ich aktuell wirklich als Tabubruch empfinde, nur müdes Geschwafel.
Hey, das hätte ich ja schreiben können! :D Ja, seh ich genauso.

Hey, ihr Battle-Rapper, macht Euch doch mal wirklich stark und legt die Finger in die richtigen Wunden, greift die wirklich wichtigen Themen auf. (...) Falls es diesen von mir eingeforderten engagierten Rap gibt, möge man mich darüber aufklären und vielleicht auch ein paar Beispiele bringen.
Das gibts, aber leider zu wenig. Und es kommt in der Hauptzielgruppe (beeindruckbare Kinder und Jugendliche) nicht so gut an wie Sexismus und Musikvideos mit gemieteten Autos.
 
Hi,

Ich kann zum Thema nicht wirklich Neues beitragen, aber ich freue mich, dass hier mal eine vernünftige und sachliche Diskussion geführt wird. Das hab ich, gerade bei heiklen Inhalten, hier im Forum schon oft ganz anders gesehen und Leute sind sich direkt an die Gurgel gegangen.
Deswegen besonders @_pole und @LoboMix von mir Respekt und Danke dafür. Kann gerne so weiter gehen. :great:

Bin dann auch schon wieder weg. :D

Gruß
Golo
 
@Golo, danke für das Kompliment! Ich bemühe mich stets, niemanden anzugreifen oder zu beleidigen. Auch das fällt für mich unter "Anstand". Außerdem würde es mir das Forum vergällen, wenn man sich "an die Gurgel" gehen würde.
Nichtsdestotrotz habe ich ja klar und deutlich Position bezogen was die unsägliche Entgleisung dieser und vergleichbarer Rapper angeht. Auch Toleranz kann man übertreiben, dann wird sie schlicht zu Gleichgültigkeit, Wegduckerei, Kopf-in-den-Sand-stecken und nicht zuletzt kann aus übertriebener Toleranz Dummheit werden und Gefahr erwachsen. Gerade rechtem, menschenverachtendem und antisemitischem Gedankengut gegenüber ist Toleranz nicht angebracht.

Das gibts, aber leider zu wenig. Und es kommt in der Hauptzielgruppe (beeindruckbare Kinder und Jugendliche) nicht so gut an wie Sexismus und Musikvideos mit gemieteten Autos.
Für den nur an Quoten, Verkaufszahlen und Profiten orientierten ist es natürlich der Horror an sich, wenn sein "Produkt" nicht ankommt. Und einem Produzenten/Verkäufer, dem es an Moral und Ethik mangelt und der nur an seinem "Reibach" interessiert ist, ein solcher Produzent/Verkäufer wird natürlich alles verkaufen ohne Ansehen, um was es sich eigentlich handelt und ohne sich wie hier um die Inhalte und Texte zu kümmern. Die Grenze zum Dealer ist für mich hier fließend.

Dass die erwähnte Hauptzielgruppe der "beeindruckbaren Kinder und Jugendlichen" so ein Zeugs (anscheinend oder offensichtlich) kritiklos konsumiert, wirft für mich ein bezeichnendes Bild auf den Zustand der Bildung dieser Kinder und Jugendlichen. Es gibt Erhebungen darüber, das ein sehr großer Teil davon mit dem Begriff "Auschwitz" und seiner ganzen Tragweite nichts oder zumindest nicht viel anfangen kann (wobei sich dann gleich die Frage stellt, wie man sie dann damit provozieren kann?). Normalerweise sollten Jugendliche mit dem entsprechenden Background selber darauf kommen, dass die kritisierten Texte ein No-Go sind.

In vergangenen Zeiten flogen auch schon mal faule Eier und Tomaten auf die Bühne als Zeichen des Missfallens. Gleiches hätte ich mir auch bei der Echo-Verleihung gewünscht. Der Skandal wäre gleich noch größer gewesen, aber das ablehnende Statement wäre auch sofort klar gewesen.
War das dort anwesende Publikum zu dumm, desinteressiert, leidenschaftslos, zu übertrieben tolerant, oder fanden das viele dort selber sogar gut, ´cool´, hip oder so?

Ich mag hier als sehr konservativ, intolerant und altbacken ´rüber kommen. Das wäre mir aber einerlei, man kann und sollte als Erwachsener seine sorgfältig abgewogenen und über viele Jahre gereiften Positionen und Einsichten Jugendlichen gegenüber ruhig standfest vertreten I(aber nicht dogmatisch und ohne Empathie). Das gibt eine Reibungsfläche, die nötig ist, ebenso wie die Möglichkeit einer Orientierung.
Respekt und achtungsvoller Umgang miteinander ist nicht verhandelbar.

Ein Einwand wie "lass sie doch, die wollen nur Spielen" lasse ich hier nicht gelten. Mit dem Verletzen von Gefühlen spielt man nicht und mit mangelndem Respekt vor den ermordeten und misshandelten Opfern der Nazis (und nicht nur diesen) schon gar nicht!
 
Für den nur an Quoten, Verkaufszahlen und Profiten orientierten ist es natürlich der Horror an sich, wenn sein "Produkt" nicht ankommt. Und einem Produzenten/Verkäufer, dem es an Moral und Ethik mangelt und der nur an seinem "Reibach" interessiert ist, ein solcher Produzent/Verkäufer wird natürlich alles verkaufen ohne Ansehen, um was es sich eigentlich handelt und ohne sich wie hier um die Inhalte und Texte zu kümmern. Die Grenze zum Dealer ist für mich hier fließend.
Das stimmt natürlich alles, beschriebt aber nicht wirklich die Rap-Szene. Gerade dort herrscht die Vorstellung vor, dass man sich von unten nach oben kämpft, ohne sich von den Türstehern der Industrie aufhalten zu lassen. Produzenten und Verkäufer sind daher weniger ein Faktor.

Dass die erwähnte Hauptzielgruppe der "beeindruckbaren Kinder und Jugendlichen" so ein Zeugs (anscheinend oder offensichtlich) kritiklos konsumiert, wirft für mich ein bezeichnendes Bild auf den Zustand der Bildung dieser Kinder und Jugendlichen.
Für mich nicht. Ich bin vorsichtig dabei, vom Medienkonsum auf den Zustand einer Generation zu schließen. Zumal die Erfahrung zeigt, dass es in jeder Generation solche gibt, die über die jeweilige "Jugend von heute" urteilt. Demnach müsste ja alles schlechter werden - das Gegenteil ist aber der Fall. Gute Gedanken zu dem Thema gibts von dem amerikanischen Psychologen Steven Pinker, kann ich nur empfehlen!

Es gibt Erhebungen darüber, das ein sehr großer Teil davon mit dem Begriff "Auschwitz" und seiner ganzen Tragweite nichts oder zumindest nicht viel anfangen kann
Wie du selbst sagt, sagt das weniger über die Jugendlichen und viel mehr über das Bildungssystem.

Ich mag hier als sehr konservativ, intolerant und altbacken ´rüber kommen. Das wäre mir aber einerlei, man kann und sollte als Erwachsener seine sorgfältig abgewogenen und über viele Jahre gereiften Positionen und Einsichten Jugendlichen gegenüber ruhig standfest vertreten I(aber nicht dogmatisch und ohne Empathie).
Hm, naja. Du sagst das jetzt, dass du deine Position nicht dogmatisch vertrittst, aber du argumentierst sehr viel mit Dogmen. Das meine ich nicht als Beleidigung, lass mich genauer erklären, was ich damit meine:

Ich komme ja zu vielen der gleichen Schlüsse wir du, zum Beispiel dass man nicht mit dem Verletzen von Gefühlen spielen sollte. Aber für mich ist das das Ergebnis einer Überlegung, und nicht die Grundlage. Für dich hingegen ist es das Argument, mit dem du den Post beendest. Für mich ist es überhaupt kein Argument, sondern schlicht ein Statement. Und ich stemme dem Statement auch zu, aber mir sagt das, dass deine Denkstruktur grundsätzlich dogmatisch geprägt ist. Und dogmatisches Denken ist mir befremdlich. Wie ich schon im letzten (glaub ich?) Post meinte, ist das Problem dabei, dass sich Dogmen der Überprüfung an der Realität entziehen (also: Was ist wirklich das Ergebnis einer Handlung? Wer leidet eventuell darunter? P.S.: Die wenigsten KZ-Insaßen hören Gangsta Rap). Nein, mir reicht es nicht wenn du sagst "Man darf das nicht!" und mein Bauchgefühl stimmt dir zu, und damit ist alles geklärt. Ich versuche aber auch meine eigenen Argumente genau so zu hinterfragen und mich nicht auf ein Bauchgefühl zu verlassen. Schon klar, das ist mehr geistige Arbeit. Aber mir ist es das wert.

Ich hoffe du kannst was damit anfangen. Wir sind ja schon echt weit vom Anfangsthema entfernt. :D Ich schätze auf jeden Fall den Austausch mit dir!
 
Hm, naja. Du sagst das jetzt, dass du deine Position nicht dogmatisch vertrittst, aber du argumentierst sehr viel mit Dogmen. Das meine ich nicht als Beleidigung,
Keine Sorge, die höfliche, sachliche und respektvolle Art in der du schreibst ist gar nicht geeignet, jemanden zu beleidigen!
Und so schnell wäre ich auch nicht beleidigt, ich kann schon was ab wenn es sein muss. Außerdem kann man sich auch respektvoll "fetzen" - wenn man es kann.
Zum Thema "dogmatisch" schreibe ich weiter unten.

Das stimmt natürlich alles, beschriebt aber nicht wirklich die Rap-Szene. Gerade dort herrscht die Vorstellung vor, dass man sich von unten nach oben kämpft, ohne sich von den Türstehern der Industrie aufhalten zu lassen. Produzenten und Verkäufer sind daher weniger ein Faktor.
Wenn Protest und Provokation aber so viel "Erfolg" hat, dass er zur Konsumware wird, was ist dann noch daran Protest? Das wäre eine Art inverser "Erfolg", keiner in der Sache, aber einer auf dem "Markt". Eigentlich sogar eine Perversion von "Erfolg".
Tatsächlich ist es ein bizarrer Wesenszug der aktuell stark vorherrschenden neoliberalen Denkwelt, die Leute sich austoben zu lassen auf ´Nebenkriegsschauplätzen". Ob Gender-Debatte oder Subkultur-Protest, man ´gönnt´ den Leuten diese Spielwiesen gerne, denn dann sind sie beschäftigt, können sich dort in endlosen Debatten oder ´bösen´ Tiraden austoben - und ganz schamlos werden dann kaum noch hinter Kulissen versteckt von den eigentlichen Drahtziehern die eigentlichen Geschäfte gemacht.

Für mich nicht. Ich bin vorsichtig dabei, vom Medienkonsum auf den Zustand einer Generation zu schließen. Zumal die Erfahrung zeigt, dass es in jeder Generation solche gibt, die über die jeweilige "Jugend von heute" urteilt. Demnach müsste ja alles schlechter werden - das Gegenteil ist aber der Fall.
Jein, ich hätte eigentlich genug Anlass, mir selber zu widersprechen, denn in meinem Beruf als Musikschullehrer komme ich genug mit Jugendlichen zusammen und kenne viele, die kritisch denken und sich engagieren. Die aktuelle Protestbewegung vieler Jugendlicher in den USA gegen die Waffengeilheit der NRA und ihrer Anhänger stimmt auch hoffnungsfroh, auch wenn es gerade mit Trump und seiner hochegoistischen und reaktionären maximal-Absahner-Truppe eine eher düstere Zeit dort ist.
Aber übertriebene Ich-Bezogenheit, Gleichgültigkeit und reine Konsumorientierung begegnen mir halt ebenso.

Wie du selbst sagt, sagt das weniger über die Jugendlichen und viel mehr über das Bildungssystem.
Sicher, für die Defizite des Bildungssystems kann man nicht die Jugendlichen verantwortlich machen, sie sind ja die eigentlichen Opfer dieser Defizite.

Für mich ist es überhaupt kein Argument, sondern schlicht ein Statement. Und ich stimme dem Statement auch zu, aber mir sagt das, dass deine Denkstruktur grundsätzlich dogmatisch geprägt ist.
Würde es helfen, statt von Dogmen von Überzeugungen, einer (inneren) Haltung, Konsequenz und Geradlinigkeit im Denken, von Gewissheiten und Erkenntnissen zu sprechen? Und davon, diese klar und deutlich auszusprechen?

Wer leidet eventuell darunter? P.S.: Die wenigsten KZ-Insaßen hören Gangsta Rap
Aber sicher, es leben ja auch nur noch sehr wenige der ehemaligen KZ-Insassen und von denen wird kaum jemand oder wahrscheinlich niemand Rap hören. Aber muss es denn konkret Betroffene geben und muss man erst mit ihnen konfrontiert sein, um inne zu halten und sich Formulierungen wie die der beiden Rapper zu untersagen?
Ist es nicht eher gerade das Wesen von Empathie, dass ich mir vorstellen kann, dass ich jemanden mit meinen Texten verletze, sogar zutiefst verletze und auf das übelste beleidige? Und wenn in absehbarer Zukunft gar niemand mehr von den KZ-Überlebenden auf der Welt sein wird, wäre das der Freifahrtschein für solche üblen Texte bzw. Texter?
Es ist eben genau anders herum. Im Gedenken an die Opfer des 3. Reichs geht es doch gerade um den Respekt der Toten, Ermordeten gegenüber. Aller Toten, Ermordeten und Opfer gegenüber. Um die eigene Vorstellung des unendlichen und unsäglichen Leids.

Es ist wie mit dem Vorsatz "Nie wieder Krieg!". Nach zwei Weltkriegen war das sicher die tiefe Erkenntnis und ein tiefes Bekenntnis so gut wie aller Überlebenden und Nachgeborenen für lange Zeit und wirkt durchaus erkennbar bis heute nach. Aber mit dem zunehmenden Abstand zu den Kriegen in Europa scheint dieses Bekenntnis bei manchen zu schwinden und die in vielen Ländern zunehmende Abgrenzungspolitik beschreitet für mich einen unheilvollen Weg hin zu immer tiefer werdenden Gräben zwischen den Ländern. Und aus Abgrenzungen und Gräben werden schnell Grenzverletzungen und Schützengräben!

Es ist nicht nur Trump mit seinem "America first", Orban verfolgt schon lange denselben Gedanken für Ungarn, ebenso ist es in Polen und überhaupt in all den rechten Köpfen, sei es Wilders in Holland, Le Pen in Frankreich oder hier bei uns die AfD, die kaum noch verblümt erkennen lässt, dass sie den "Biodeutschen", den weißen Einheimischen, den ´gesunden Volkskörper´ als Ideal sieht. Wenn man sie gewähren ließe, käme ´arisch´ womöglich auch bald wieder aus dem braunen Sumpf hervor gekrochen.

Ich habe nie einen Krieg persönlich erlebt, kenne und weiß aber genug von Krieg und Zerstörung, dass ich mir vorstellen kann, welches Unheil Krieg bedeutet.
Mit der Klimakatastrophe geht es mir ebenso. Ich brauche nicht den letzten Beweis für deren Existenz. Aufgrund der vorliegenden Fakten, Thesen und Prognosen kann ich mir sehr gut ausmalen, dass damit ein unbeherrschbares Desaster auf die Menschheit zukommt und dass man alle Anstrengungen unternehmen muss, die Richtung zu ändern. Argumente habe ich genug beisammen wie ich denke, und hinterfragt habe ich auch vieles, aber es ist doch gerade mein "Bauchgefühl" das mich besonders stark auffordert und animiert so zu denken wie beschrieben, die Zweifel zu hegen und zu äußern, zu mahnen und vehementer meine Überzeugungen zu vertreten.

Ich versuche aber auch meine eigenen Argumente genau so zu hinterfragen und mich nicht auf ein Bauchgefühl zu verlassen.
So schlecht ist das Bauchgefühl im übrigen nicht. Unser Gehirn ist noch genauso gestrickt wie vor zigtausend Jahren. Wenn es im Unterholz hinter der steinzeitlichen Jagdgruppe laut knackte war keine Zeit für Nachdenken und Analyse ob es nur ein herunter fallender Ast war oder ein Mammut. Die Reaktion war "Scheißegal, was es ist, erst mal nur schnell weg hier!".
Auch wenn das Bauchgefühl für den ´modernen´ Menschen ein überkommenes Relikt zu sein scheint das bitteschön dem Verstand den Vortritt lassen sollte, ist es doch nach wie vor eine Stimme, die wir nicht überhören sollten, sondern die wir in unsere Überlegungen ernsthaft einbeziehen sollten.
Gerade ein kritischer Geist sollte diese innere Stimme nicht zum Schweigen bringen. Nur wer ohne Verstand daher schwadroniert gibt sich seinem Bauchgefühl ohne Hinterfragen hin, lässt es sinnlos gewähren und merkt nicht einmal, wie er zum sehr leicht manipulier- und steuerbaren Spielball anderer wird.

Dem Kundigen, dem Aufmerksamen, Hellhörigen und Wachen jedoch kann diese innere Stimme ein wertvoller Ratgeber sein.

P.S.
... wirklich weit ab vom Thema ...
... oder doch in Wirklichkeit ganz nah dran?
 
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Wenn Protest und Provokation aber so viel "Erfolg" hat, dass er zur Konsumware wird,...
Ich sehe in diesem Absatz von dir nicht den Zusammenhang zu dem Zitat von mir, das davor steht. Aber ja, es ist so wie gewohnt: Das, was den Nerv der Zeit trifft, hat Erfolg - selbst wenn der Erfolg den Protest ad absurdum führt. Diese Rapper haben ein großes Glaubwürdigkeitsproblem, aber das sieht man erst mit der nötigen Medienkompetenz. Die fehlt den Kindern noch.

Würde es helfen, statt von Dogmen von Überzeugungen (...) zu sprechen?
Nein, das Wort selbst ist mir nicht wichtig. Was mir wichtig ist, ist der Gedankenprozess, der dahinter steckt, nämlich dass diese Überzeugungen gedankliche Abkürzungen sind, und gedankliche Abkürzungen sind Fehlerquellen. Wenn jemand etwas kritisiert, und die einzige Begründung warum das, was ich getan habe, schlecht ist ist "Weil man das nicht macht", dann reicht mir das nicht. Ich will konkret wissen, wem es schadet, und warum. Ich will die Zusammenhänge verstehen. Anstand ist kein Argument. Gepflogenheit ist kein Argument. Tradition ist kein Argument.
So schlecht ist das Bauchgefühl im übrigen nicht. Unser Gehirn ist noch genauso gestrickt wie vor zigtausend Jahren. Wenn es im Unterholz hinter der steinzeitlichen Jagdgruppe laut knackte war keine Zeit für Nachdenken und Analyse ob es nur ein herunter fallender Ast war oder ein Mammut. Die Reaktion war "Scheißegal, was es ist, erst mal nur schnell weg hier!".
Und genau das ist doch die Wurzel von so viel Schlechtem. Gerade Angst ist der denkbar schlechteste Ratgeber. Kurzfristig mag sie Vorteile haben - wie in deinem Beispiel. Aber das entspricht doch nicht mehr unserer Lebenswelt. Wir haben den Luxus, dass wir langfristig planen können, aber wir laufen mit einem Gehirn herum, das auf stumpfe Reflexe optimiert ist. Die evolutionär vorteilhafte Angst vor dem Unbekannten drückt sich genau in dem Fremdenhass aus, den du kritisierst. Deswegen ist es nicht so ratsam, einem Fan von Trump, Orban oder Weidel zu sagen "Hör auf dein Herz / deinen Instinkt". Stattdessen glaube ich, dass Bildung und Rationalität das beste Gegenmittel sind. Alle Studien zu politischer Haltung und Bildungsstand scheinen das zu bestätigen. Falls ich da falsch liege, weil ich in meiner Filterblase nur das mitkriege, was ich eh schon denke: Belehr mich eines Besseren!

Gerade ein kritischer Geist sollte diese innere Stimme nicht zum Schweigen bringen.
Nein, geht ja auch gar nicht. Aber er kann sich eben auch nicht auf sie verlassen, wie du dann selbst schreibst. Und ich finde es wichtig, genau das auch zu kommunizieren und vorzuleben. Um auch den Anschluss nochmal zu machen: Das ist eins der Dinge, die im Bildungssystem oft fehlen. Es hilft nicht, wenn Schüler 10 Mal hören "Die Nazis waren schlimm!" und in diesem Zusammenhang auch "Witze darüber darf man nicht machen, und Profit daraus schlagen erst recht nicht, das ist tabu." Stattdessen einmal die wirklichen Zusammenhänge zeigen, das hilft. Und auch, einen Bezug zur Gegenwart herzustellen. Wie konnte es zu den Naziverbrechen kommen? Ein Grund war die lange europäische Tradition der Judenfeindlichkeit. Ein anderer (damit verwandter) der Instinkt des Menschen, zu unterscheiden zwischen Menschen "in der Gruppe" und "außerhalb der Gruppe".

Dass dein Instinkt dir sagt, dass Trump gefährlich und destruktiv ist, spricht für dich, aber nicht für den Instinkt. Das was Trump so gefährlich und destruktiv macht, ist, dass er nur nach seinem Instinkt geht.
 
Nein, das Wort selbst ist mir nicht wichtig. Was mir wichtig ist, ist der Gedankenprozess, der dahinter steckt, nämlich dass diese Überzeugungen gedankliche Abkürzungen sind, und gedankliche Abkürzungen sind Fehlerquellen. Wenn jemand etwas kritisiert, und die einzige Begründung warum das, was ich getan habe, schlecht ist ist "Weil man das nicht macht", dann reicht mir das nicht. Ich will konkret wissen, wem es schadet, und warum. Ich will die Zusammenhänge verstehen. Anstand ist kein Argument. Gepflogenheit ist kein Argument. Tradition ist kein Argument.
Da reden wir irgendwie aneinander vorbei, ich habe mich aber sicher auch allzu verkürzt ausgedrückt. Meine knappen Statements sind das Ergebnis langen Nachdenkens und vieler Erfahrungen. In der Knappheit der Formulierung, in der ich versucht habe, meine Gedanken auf den Punkt zu bringen, kann das aber sicher wie ein Dogma erscheinen.

Du hast natürlich vollkommen recht, dass es beileibe nicht reicht und nicht sinnvoll ist, einfach nur "man macht das nicht" den Leuten, gar den Jugendlichen, vor den Latz zu knallen. Sie haben selbstverständlich ein Recht auf Begründung und die Darstellung der Zusammenhänge (aber ich sehe da auch eine Verpflichtung, sich mit den Gründen und Zusammenhängen dann auch zu beschäftigen und sich damit auseinanderzusetzen). Den Schluss "so etwas macht man nicht" kann am Ende nur jeder für sich selber ziehen, oder vielleicht auch nicht. Erzwingen lässt sich diese Einsicht nicht, hier nicht und grundsätzlich nicht, in keinem Zusammenhang. "Anstand" kann auch nur jeder für sich selber entwickeln.
Dennoch sehe ich es als selbstverständlich an, diese meine Überzeugung klar und deutlich als meine Haltung darzustellen und zu vertreten, wenn ich mit diesen Themen konfrontiert werde.

Gepflogenheiten sind bedeutungslos ("... haben wir immer so gemacht!" - Antwort: "Na und?") und "Tradition ist Schlamperei" wie der Komponist und Dirigent Gustav Mahler einst sagte.

Das ist eins der Dinge, die im Bildungssystem oft fehlen. Es hilft nicht, wenn Schüler 10 Mal hören "Die Nazis waren schlimm!" und in diesem Zusammenhang auch "Witze darüber darf man nicht machen, und Profit daraus schlagen erst recht nicht, das ist tabu." Stattdessen einmal die wirklichen Zusammenhänge zeigen, das hilft. Und auch, einen Bezug zur Gegenwart herzustellen. Wie konnte es zu den Naziverbrechen kommen?
Aber sicher, zumal es wirklich nicht schwer ist, zu begründen, warum "die Nazis schlimm waren".
Tabus werden heute von vielen negiert und abgelehnt, aber auch hier wiederhole ich noch mal das oben schon geschriebene: was man als "Tabu" erkennt und was nicht, liegt im eigenen Erkennen.
Andererseits: Sollte es nicht auch für Investmentbanker "Tabus" geben? Für Manager? Für Zuckermann und co? Und wenn sie es als überaus reiche und mächtige Personen negieren, sollte man es ihnen nicht begreiflich machen?

Dass dein Instinkt dir sagt, dass Trump gefährlich und destruktiv ist, spricht für dich, aber nicht für den Instinkt. Das was Trump so gefährlich und destruktiv macht, ist, dass er nur nach seinem Instinkt geht.
(Hervorhebung von mir)
Immerhin ist er damit aus seiner Sicht und aus der Sicht seiner Anhänger verdammt gut gefahren. Mit seinem Instinkt ist er immerhin amerikanischer Präsident geworden, was als der mächtigste Posten weltweit und überhaupt gilt, und alle kritischen Geister haben sich massiv verschätzt. Mein Instinkt mag noch so gut sein und mein Verstand noch so klar (ich gebe mir jedenfalls Mühe), amerikanischer Präsident werde ich nicht, nicht mal Bundeskanzler (vielleicht auch, weil mein Instinkt und mein Verstand so geartet ist, wie er ist).

Der Instinkt muss gezähmt und gebildet werden, aber gilt für den Verstand nicht dasselbe? Die Entwicklung der Atombombe wäre ohne den Einsatz von logischem Denken und enormer intellektueller Fähigkeiten nicht möglich gewesen. Aber wo blieb da die Moral, oder zumindest ein moralischer Instinkt?
Der Massenmord im 3. Reich wurde von den Nazis bekanntlich sehr rational und zutiefst bürokratisch durchorganisiert und von maßgebenden Scharfmachern auch sehr rational begründet, wie auch der Krieg selber. Der Instinkt und das Gefühl, etwas zutiefst verbrecherisches, bestialisches und abscheuliches zu tun wurde von vielen Mitläufern, Helfern Tätern und Mittätern mit Hilfe der Ratio weggedrückt ("... habe nur die Befehle ausgeführt", ganz besonders Eichmanns Begründungen, Ausflüchte und Schutzbehauptungen waren unfassbar).

Wie man es auch dreht und wendet: ohne Ethik und Moral laufen sowohl der Verstand als auch der Instinkt Gefahr, gefährlich zu entgleisen.
Wir brauchen Orientierung um die gute Richtung zu finden.
 
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Viel bedenklicher (und eindeutiger) als die meist zitierten "Auschwitzinsassen" ist der antisemitische Verschwörungsglauben von Kollegah, den er schon vor einiger Zeit in seinem Video zu "Apokalypse" verkündete, wie der Religionswissenschaftler Michael Blume, neuer Beauftragter der Landesregierung gegen Antisemitismus in Baden-Württemberg, auf seinem lesenswerten Blog kürzlich schrieb. Als jemand, der sich auch nur wenig mit Hip-Hop - besonders mit dem hier angesprochenen "Gangsta-Rap" - befasst, kannte ich diesen Text nicht. Kollegah verbreitet darin die Verschwörungsmythologie der "13 Illuminaten-Familien" eines amerikanischen Verschwörungs"theoretikers", dessen Werk schon zu Osama bin Ladens Lektüre zählte. Darin beherrschen 13 jüdische Familien seit Babylon die Welt und am Ende bleiben Buddhisten, Christen und Moslems übrig, von Juden ist nicht mehr die Rede. Zufall? Das konnte man schon vor über einem Jahr lesen, wenn man solche Preise zu vergeben hat, eigentlich Pflicht.
 
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Du hast natürlich vollkommen recht, dass es beileibe nicht reicht und nicht sinnvoll ist, einfach nur "man macht das nicht" den Leuten, gar den Jugendlichen, vor den Latz zu knallen. Sie haben selbstverständlich ein Recht auf Begründung und die Darstellung der Zusammenhäng
Find ich gut, dass du das so siehst! ich schätze es ist ein Effekt der Kommunikation hier im Forum, dass es auf mich anders gewirkt hat. Du hast jedenfalls viele Dinge (mit denen ich einigermaßen einer Meinung bin) gesagt als wären sie selbsverständlich. Und das sind sie offensichtlich nicht, denn sonst würde sie ja jeder verstehen.

Immerhin ist er damit aus seiner Sicht und aus der Sicht seiner Anhänger verdammt gut damit gefahren.
Das bezweifel ich. :D Trump will doch gar nicht Präsident sein. Er ist wie ein Hund, der ein Auto jagt und es tatsächlich erwischt hat. Aber glücklich wirkt er damit nicht. "Gut fahren" ist für mich was anderes. Er hat doch nichtmal richtige politische Überzeugungen. Und wenn er kein Präsident mehr ist, hat . Also das ist jedenfalls meine Einschätzung der Situation.

Der Instinkt muss gezähmt und gebildet werden, aber gilt für den Verstand nicht dasselbe?
Nein, absolut nicht! Also ich seh es so (halt dich fest, ich schreibe jetzt schon 2 Stunden an dem Post, das wird voll das Manifest :prost:):

Der Instinkt muss durch den Verstand gezähmt werden.

Das ist er auch schon größtenteils, das ist uns vielleicht nicht bewusst. Wir leben in der Zeit nach der Aufklärung, in einer Gesellschaft, die Bildung wertschätzt. Das Ergebnis ist eine unglaubliche Explosion von weltweitem Wohlstand. Heute sterben jährlich weniger Menschen an Unterernährung als vor 100 Jahren. Und zwar nicht prozentual - das wäre ja schon schön - nein, absolut, und das bei dem Bevölkerungswachstum in dieser Zeitperiode. Es gab zwei große Kriege, aber es werden immer weniger, und die Kriege, die wir führen, fordern immer weniger Opfer. Die Zahlen sind erschreckend positiv! Aber weil sich das nicht für die Nachrichten eignet, weiß das nicht jeder. Um so wichtiger, sich ab und zu vor Augen zu führen wie unglaublich glücklich wir uns schätzen können, jetzt zu leben. Und das verdanken wir dem Verstand.

Der Verstand muss durch den Verstand gezähmt werden.

Die Atombombe ist die logische Schlussfolgerung aus Einsteins Erkenntnis, dass Masse und Energie äquivalent sind - das ist die Grundlage der kompletten modernen Physik. Jetzt hätten die Amerikaner sich sagen können "Lasst uns lieber keine Atombombe entwickeln, das ist zu gefährlich" - aber hätte das die Sowjetunion davon abgehalten? Das ist ein echtes Dilemma. Game Theory und so. Die Atombombe zu entwickeln war natürlich motiviert vom zweiten Weltkrieg, aber ich glaub das muss man eher als den Anlass verstehen als den Grund. Denn langfristig war es unvermeidbar, wenn man das Gleichgewicht der Mächte in Betracht zieht.

Die Bomben auf Hiroshima und Nagasaki abzuwerfen war dagegen natürlich ein ungeheuerliches Verbrechen. Aber Problem war die Handlung, nicht der Verstand. Was hätte helfen können, die Amerikaner davon abzuhalten? Vielleicht der Verstand, nämlich die Erkenntnis, dass der Krieg sowieso kurz vor dem Ende stand, und dass die Atombomben ein vollkommen übertiebenes Mittel zu einem fast schon erreichten Zweck waren. Das meine ich mit dem Zähmen des Verstands durch den Verstand.

Das Streben nach mehr Erkenntnis selbst ist nicht das Problem. Ein mögliches Problem ist, wenn das Gleichgewicht fehlt (Atombombe: Das Gleichgewicht zwischen dem Wissen der Physik und dem der Dimplomatie). Und ein anderes mögliches Problem sind unethische Handlungen, die dem Wissensgewinn dienen. Ein Beispiel dafür wären Tierversuche, wobei ich auch da eine differenziertere Haltung zu habe. Wiederum: Das Problem ist nicht der Verstand, sondern eine konkrete Handlung.

Und zu guter Letzt:

Das Streben nach Wissen und Verständnis ist auch ein Instinkt des Menschen; vielleicht der, der ihn am meisten von den andern Tieren unterscheidet.

Und das ist auch gut so! Wir konnten uns dadurch aus einer Welt befreien, in der der Stärkere den Schwächeren frisst. Vielleicht sind wir noch nicht ganz fertig damit. Im Endeffekt ist Verstehen immer besser als Nichtverstehen.
 
:mampf:

... eigentlich wollte ich mich nicht in den Disput einbringen, weil ich glaube, die Beendigung des Echos ist einer längeren Gegenbewegung geschuldet. Eine Bewegung, die eine Schlussstrich unter Vorurteile machen will. In der Kunst und insbesondere hier in der Musik sind viele Äusserungen in der Vergangenheit gemacht wurden, die als Provokation oder unmoralische Wertvermittlung bewertet wurden. Was einst der Rock´n Roll war, ist nun der Rap. ...

..nun habe ich aber euren Thread verfolgt, und möchte nicht alles unreflektiert belassen. ...

n vergangenen Zeiten flogen auch schon mal faule Eier und Tomaten auf die Bühne als Zeichen des Missfallens. Gleiches hätte ich mir auch bei der Echo-Verleihung gewünscht. Der Skandal wäre gleich noch größer gewesen, aber das ablehnende Statement wäre auch sofort klar gewesen.
War das dort anwesende Publikum zu dumm, desinteressiert, leidenschaftslos, zu übertrieben tolerant, oder fanden das viele dort selber sogar gut, ´cool´, hip oder so?
Das Allheilmittel der Politik der vergangenen Jahrhunderte war der Krieg. Mal werden Schuhe geworfen, mal Tomaten, mal Eier, es soll sogar schon Zeiten gegeben haben, da wurden Steine geworfen. Die Fragen können ja offensichtlich gestellt werden. Eine Ablehnung erwächst aus einer inner Haltung. Es gab Äusserungen gegen Tabubrüche, ich erinnere mich wie aufgewühlt der Sänger/Sprecher der Toten Hosen seine Sätze vom Blatt vorlaß und ich zuerst dachte, da sind die Nerven stark ruiniert oder abgeraucht. Worum es konkret ging, ahnte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht.

Wenn es im Unterholz hinter der steinzeitlichen Jagdgruppe laut knackte war keine Zeit für Nachdenken und Analyse ob es nur ein herunter fallender Ast war oder ein Mammut. Die Reaktion war "Scheißegal, was es ist, erst mal nur schnell weg hier!".
Auch wenn das Bauchgefühl für den ´modernen´ Menschen ein überkommenes Relikt zu sein scheint das bitteschön dem Verstand den Vortritt lassen sollte, ist es doch nach wie vor eine Stimme, die wir nicht überhören sollten, sondern die wir in unsere Überlegungen ernsthaft einbeziehen sollten.

Spätetstens seit den Gladiatorenkämpfen im Kollossäum weiss wohl jeder Jäger, dass ein Entkommen nicht mehr möglich ist. Der Kasus Knacktus ist wohl vielmehr, wenn Rationales Abwegen Ethik und Moral überstimmt hat.

Wir haben den Luxus, dass wir langfristig planen können, aber wir laufen mit einem Gehirn herum, das auf stumpfe Reflexe optimiert ist. Die evolutionär vorteilhafte Angst vor dem Unbekannten drückt sich genau in dem Fremdenhass aus, den du kritisierst.

Die Reflexe sind antrainiert. In der Enge der Großstadt, mit ihren elektrischen Lichtern, Tönen, werden sie eher geblockt als gereizt. Und Training ? Es gibt viele unterschiedliche Reflexe und unterschiedliche Gegenheiten, auf die reagiert werden könnte.
Angst vor dem Unbekannten und Fremdenhass höre ich eher als Kurzschluss . Nicht jede Ablehnung und Selbstschutz ist Hass. Es ist eben auch davon abhängig, wieviele Enttäuschungen dass eigene Bauchgefühl vertragen kann.

Die Entwicklung der Atombombe wäre ohne den Einsatz von logischem Denken und enormer intellektueller Fähigkeiten nicht möglich gewesen. Aber wo blieb da die Moral, oder zumindest ein moralischer Instinkt?

Gewiss, aus dem Umstand, dass die Suche nach neuen Elementen über das Radon zum Uran geführt, kann man logisches Denken ableiten. Wer sich die Forschungsbreichte der Curie , und insbesondere die bildliche Dokumentation ihrer Alterung angeschaut hat, hat auch Ahnung zu den schädlichen Umstände bekommen. Aber gleichzeitig mit dem Phänomen der Strahlenwirkung, ging auch die Euphorie um die Bildgebung in der Bevölkerung um.

Die Atombombe ist die logische Schlussfolgerung aus Einsteins Erkenntnis, dass Masse und Energie äquivalent sind - das ist die Grundlage der kompletten modernen Physik

Einstein hat massgeblichen Anteil an folgenden Forschungen gehabt. Die Erkenntnis das prozentual weniger Sprengstoffmasse benötigt wird, um einen ums vielfache größer Felsmassiv zu zerstören, ist aber auch schon nach der Erfindung des TNT vorhanden gewesen.

ein anderes mögliches Problem sind unethische Handlungen, die dem Wissensgewinn dienen. Ein Beispiel dafür wären Tierversuche

Ja, Tierversuche und Ethik sind schwer auf einen Nenner zu bringen. Der Umstand, das in der Musik unethische Handlungen eine Bühne finden können,ist erschreckend und macht sie somit als ausgeschrieben Wissensquelle unbrauchbar.
Aber die Musik hat ja kein Alleinstellungsmerkmal. Die Griechisches Theater, Shakespeare, Göthe... haben dem Mord am Menschen oder unsittliche Handlungen zumindest denkbar und erklärbar gemacht, weit vor einer Filmvorführung. Der Schauspieler unterscheidet sich vom Musiker im Hinblick auf Erziehungsanspruch und Unterhaltungswert kaum. Folgerung daraus wäre vielleicht eine Überlegung, ob die Gesellschaft in ihrem Bestehen überhaupt in der Lage ist, sittliches Handeln vorzuleben, ohne der Scheinheiligkeit überführt zu werden. Eintauchen in die Psychologie und die Überprüfung moralischer Grundbegriffe in der Philosophie auf ihre Eckpfeilerwerte bedeuteten aber ein Abkehr vom Musikinstrument.

Altruismus vs. Egoismus :bang:
 

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