Ein Presseartikel aus "Der Zeit": Die Metalbürokratie lebt weiter

Mr.513
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Die Metalbürokratie lebt weiter.

Meine Freunde vom "Zwilight Magazin" haben diesen Artikel auf ihrem Facebook-Profil verlinkt gehabt.

Slayer ist nicht meine Welt, ich wurde nie Fan. Ich finde, deren Videoclip zur Single Repentless fehlt die Altersbeschränkung. Die Gewaltdarstellung (Cutthroats, Augen in die Höhlen pressen, Enthauptung), die konsequenterweise den Songtitel wörtlich umsetzt, erinnert durch die explizite Gewaltdarstellung an die mediale Inszenierung von Hinrichtungen einer Vereinigung von Schwerstkriminellen, die ihr Handel religiös legitimiert.

Als ich selber in einer Band war (u. a. mit Redaktionsmitgliedern des Zwilight Magazins), wurde ich als "Mucker" tituliert, weil ich keinen True Metal hörte, sondern Pantera als meine Idole ansah.

Maiden und Bruce Dickinson kamen später als Endzwanziger. Mein Musikgeschmack ist weitgefächert: Auf der einen Seite sind es In Flames, Killswitch Engage, Pantera, Down, Superjoint Ritual, Black Label Society, Machine Head, Dream Theater, Metallica, Megadeth, Tieflader, downset, Deftones, Stone Sour, Slipknot, Maiden, Grip Inc., Farmer Boys, Anthrax, Rage Against The Machine usw., es geht dann über den "Mischbereich" Van Halen, Rammstein, Oomph!, A Life Divided, Within Temptation, Paradise Lost, The Gathering, Tarja, Rush, Audioslave, Chicken Foot, Die Happy, Guano Apes, Dacia & The WMD, Pearl Jam, Alice in Chains zu Rolling Stones, AC/DC, Scorpions, The Police, Depeche Mode, Sting, Bonamassa, ZZ-Top, Freischlader, Gary Moore, Layla Zoe, Donots, Biffy Clyro, Anneke van Giersbergen, Esbjörn Svensson Trio, Billy Joel, Tori Amos, Tommy Emmanuel, Micheal Hedges mit einem kleinen Schlenker in Rap/Hip-Hop Gefilde (Curse, Blumentopf, Fanta 4, Beasty Boys, Cypress Hill) sogar in die "Klassik" (am dort Barock).

Extremmetall von Unleashed, Strapping Young Lad, Samael, Cannibal Corpse kenne ich auch, aber ein Albumdurchlauf reichte. Auch Judas Priest haben mich nie gereizt, selbst Ozzy und Black Sabbath nicht. Iced Earth, die ich noch - obwohl US-Band, in die Tradition des NWoBHM verorte, habe ich zu Zeiten "Burnt Offerings" kennengelernt, dann beiseite gelegt und später - als ich ein paar Fachbücher über den US-Bürgerkrieg las - noch mal mit "The Glorious Burden" kurzfristig wiedergeholt, aber Fan wurde ich trotzdem nicht mehr.

Deutsche Metalvertreter wie Rage, Blind Guardian, Morgoth, Sodom, Grave Digger, Tankard, Helloween und Co. haben mich nie erreicht, wobei ich "The Bard´s Song" von Blind Guardian und das Live-Duett von Hansi Kürsch und Rage "All I want" sehr gelungen finde.

Ob nun die Alben von Slayer und Iron Maiden ein Zeichen von Stagnation sind, bleibt dem individuellen Geschmacksnerv vorbehalten.
Was ich aber mitunter feststelle, ist, dass das Schubladendenken gerade im Genre Metal nicht wenig verbreitet ist, die Progression von Metallica in der Phase von Load/Re-Load (dass sie schon in der Hochzeit des Grunge 1991 mit einer Ballade begann, ist meine Meinung) als bekanntestes Indiz herhält, weil sehr viele Die Hard-Fans das als Bruch mit den guten Metal-Sitten werteten. Weg die Kutte, weg die Dauerwellen-Matte.

Mit einer gewissen Ironie könnte ich sagen: Maiden hat die Ausnahmestimme eines Bruce Dickinson und den Trademarks der Gitarren- und Bassarbeit und man wird einen Maiden-Song immer als Maiden Song bei einer Blindverkostung entdecken.
Für Slayer könnte ich universelle Trademarks nicht benennen, die mir bei einem Blindtest im Ohr angezeigt werden: Die Härte?

Der Spagat ist für eine Band sicherlich immer die Erwartungshaltung der Bestandskundschaft zu bedienen, aber auf der anderen Seite auch neue Fans erschließt. Nehme ich jetzt die beiden Bands des Zeit-Artikels als Beispiel, macht Maiden "altbewährte" Kost, Slayer macht es durch Kontroverse und Provokation (siehe Clip zur Single).
 
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Ich hab den Artikel jetzt auch mal mit einer Mischung aus Querlesen und Überfliegen durch. Ich glaube ich habe selten so einen schlecht geschriebenen Artikel gelesen. Provokant sein um jeden Willen, fällt mir da nur ein. Die Grundaussage liest sich irgendwie ala "Die Metalfans sind so engstirnig, dass ihre Lieblingsbands am besten 15 ma das gleiche Album rausbringen müssen, damit sie zufrieden sind" :nix:

Selbstverständlich gibt es Schubladendenken im Metal und auch die Stagnation einiger Bands kommt vor. Aber wenn jetzt Iron Maiden das neue Slayer-Album rausgebracht hätten und umgekehrt. Da wäre doch auch keiner glücklich. Weiterentwicklung ist okay und vermutlich von den meisten auch durchaus gewünscht. Man darf dabei nur nicht aus den Augen verlieren, wo man angefangen hat. Die Fans der damaligen Stunde sind es doch, die einen groß gemacht haben. Wenn man sich langsam weiterentwickelt und seinen Stil immer weiter verfeinert, wie es z.B. Behemoth (die ja auch im Artikel fallen) tun. Immer gerne, obwohl es auch da Leute gibt, die sich drüber beschweren, dass alles nach dem reinen Black-Metal nur noch Müll ist. Ich finde jedoch erst alles ab Demigod so richtig gut und grade das aktuelle Album ist für mich ein Meisterwerk.

Im etwas abweichenden Genre: Billy Idol. Den gibts auch gefühlt ewig (schon deutlich länger als mich zum Beispiel), aber sein aktuelles Album ist vermutlich eins der Besten, das er je gemacht hat und trotzdem ist es unverkennbar Billy Idol. Weiterentwickelt: JA, Wegentwickelt: Nein.

Warum sollten Bands, die seit 30 Jahren oder länger unterwegs und durchaus gefragt sind auf einmal große Änderungen machen? Auf Konzerten werden doch meist eh 80% alte Lieder gespielt. Ich stelle mir grade ein Slayer-Konzert vor, auf dem nach einem "Raining Blood" auf einmal "Run the the Hills" gespielt wird. :D

Kann auch sein, dass ich an deiner Diskussionsgrundlage komplett vorbeigeschrieben habe. Vielleicht magst du noch einmal etwas genauer erläutern, in welche Richtung dieses Thema hier gehen soll. :)
 
@Fabian93, ich hatte einerseits die Absicht, den Zeitungsartikel vorzustellen, andererseits Angaben über meinen eigenen Musikgeschmack zu machen, bevor ich meine eigene Meinung über die beiden Bands mitteile.
Slayer hat mich nie musikalisch gepackt, aber für viele andere sind sie die Größten.

Richtig oder falsch gibt es hier in meinen Augen nicht. Die Meinung des Journalisten ist durch unterschiedliche Lebenswelten und Geschmäcker geprägt und das gilt für uns auch. Ob hier innerhalb einer Diskussion die Fetzen fliegen wie beim Thema "Gibson 2015" oder "Röhre - Ja oder Nein", spielt für mich keine Rolle. Man könnte sicherlich darlegen, wie man individuell seine Kaufentscheidung für eine Veröffentlichung trifft und was man bei einer neueren Veröffentlichung erwartet (oder eben nicht).

Musik (wie Kunst allgemein) kann man schlecht für die Ausprägung gut oder schlecht operationalisieren, so dass es allgemeingültig ist.
Verkaufszahlen sagen nur etwas über die kommerzielle Wertigkeit (sicherlich in Relation zum Massengeschmack) aus, aber sind polyrhythmische komplexe Songstrukturen besser als ein ganz einfach arrangierter, aber aus tiefstem Herzen kommender Delta-Blues Vortrag mit Begleitung auf einer verstimmtenten Gitarre?

Wenn mir ein Album eines Künstlers gefallen hat (Singles spielen für mich keine Rolle), habe ich mir in der Regel auch das Nachfolgealbum gekauft.

Für mich ist maßgeblich: Der Gesamtsound/das Arragement, bei Sängern/Sängerinnen die Stimme (Melodie), Hooklines, Refrains o. ä., Groove, Gitarrenarbeit...

Was ich allgemein gesprochen nicht will, ist die Wiederholung. Und auch das Beispiel Metallica zeigt - vielleicht sind Festivals da nicht die besten Referenzen -, dass die Setlist dominiert wird von alten Standards. Das mag vielleicht anders sein, wenn man ein neues Album bewirbt. Die Erwartungshaltung der Fans.
 
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Ich denke, dass was du geschrieben hast, kann ich durchaus unterschreiben. Sehe ich alles ganz ähnlich. Angefangen bei der Einstellung zu Slayer, bis hin zu deiner Einschätzung was "gute Musik" ist und ausmacht.

Ich finde jedoch, dass man grade bei dem Wort "Wiederholung" immer differenzieren muss, für den einen klingen auch (um bei Metallica zu bleiben) Ride the Lightning und Death Magnetic gleich und diese merken erst dann eine Entwicklung, wenn man Lulu in den Player schiebt.
Ich persönlich finde auch, dass Slayer eigentlich auf jedem Album gleich sind, aber andere sehen schon eine Entwicklung oder Verfeinerung des Stils.

Weiterhin spielt natürlich die Erwartungshaltung der Fans eine große Rolle. Ich würde es mir als mittelmäßig erfolgreiche Band auch zwei mal überlegen, ob ich mit meinem neuen Album eventuell einen Großteil der Fans vergraule, nur weil man ja nicht zweimal das gleiche machen darf. Sicherlich kann man damit auch neue Fans finden, aber riskant ist der Schritt allemal.

Dass nun eine Band wie Slayer oder Iron Maiden nach 30-40 Jahren keine allzugroßen Sprünge in Sachen Weiterentwicklung macht finde ich auch nachvollziehbar. "Never change a running system." Allerdings fallen auch mir als Gelegenheits-Maiden-Hörer Unterschiede zwischen den Alben auf. Klar ist das alles typisch Maiden, aber Veränderung (eventuell ja sogar Fortschritt/Weiterentwicklung) ist da definitiv vorhanden.

Ich persönlich freue mich auch, wenn eine Band mit einem super Album ein neues Album rausbringt, welches in die gleiche Richtung schlägt, wie der Vorgänger. Dann wird es mir auf jeden Fall gefallen. Das hab ich lieber, als z.B. die Entwicklung von Linkin Park. Ob sie nun Lust auf die Veränderung hatten oder einfach vom Management vorgegeben bekommen haben, dass sie nun auch andere Zielgruppen ansprechen müssen, spielt dabei für mich keine Rolle. Wenn ich die Weiterentwicklung nicht gut finde, trenne ich mich eben an dem Punkt von der Band und finde eine andere oder bleibe eben bei den alten Sachen, die mir gefallen haben.

Weiterentwicklung ist sicherlich wichtig, aber ich finde, man sollte dabei den Rahmen beliebig groß stecken dürfen. Auch kleine Verfeinerungen führen zum Ziel.
 
Witzig, dass Du Linkin Park erwähnst. Meteora kaufte ich mir, danach war Schluss. Filter, zwei Alben, aus. Papa Roach, zwei Alben, kein Interesse mehr.
Mit Limp Bizkit war das was anderes, da war die ganze musikalische Abteilung im Songwriting anders unterwegs - bis heute höre ich die immer noch sehr gerne.
Sepultura ist auch ein Beispiel: Chaos a. D. war grandios (Arise habe ich auch), Roots ebenfalls, nach Nation war es für mich vorbei. Die Songs von Chaos a. D. und Roots sind für mich ausreichend. Bei Pantera mag ich alle Alben von Cowboys from Hell bis Reinventing the Steel. Da machte der Tod Dimebags die Zukunft zunichte. Gerüchte über Zakk Wyldes Integration gibt es. Ist es dann noch Pantera?
Ist Queen ohne Freddy Mercury (und John Deacon) Queen? Ist Guns´n´Roses noch Guns´n´Roses? Urbesetzungen und Wechselbesatzungen unter gleichem Bandnamen sind ein anderes Kapitel.

Wie Du schreibst, manchmal klappt man das Buch zu, widmet sich neuen Impulsen.
 
Boah, da weiss man fast garnicht wo man anfangen soll. Der Artikel ist schlecht recherchiert, der Autor hat keinerlei Ahnung von Hintergründen und beurteilt eine komplette Szene von Millionen Fans weltweit mittels hohler Phrasen. Der große Gleichmacher....
Dummerweise hat er teilweise recht, ohne aber den Kern auch nur ansatzweise zu streifen.

Im Metal ist es noch ein Verkaufsargument, dass das neue Album "unverwechselbar Slayer" sei oder zu "hundert Prozent nach Iron Maiden" klinge. Stilistische Starrköpfigkeit ist im traditionellen Metal ein Zeichen von Standhaftigkeit – und diese ist, der Name sagt es schon, dem Metal wichtig gegen die allerorts erwartete Flexibilität.

Das ist auf der einen Seite wahr, auf der anderen Seite aber wieder totaler Bullshit. Gerade Maiden als Beispiel für stilistische "Starrköpfigkeit" zu bringen, ist Schwachsinn hoch zehn. Man kann von der Truppe und ihren letzten 10 Veröffentlichungen halten was man will. Kreativ hat sich die Band aber nie einbremsen lassen. Im Gegenteil. Wer sich die Mühe macht Seventh Son oder Somewhere in Time mit der Frühphase der Band zu vergleichen, wird doch einige heftige Unterschiede erkennen.
Nur wer von Musik und Metal keine Ahnung hat, wie der Autor hier, der kommt zum Schluss "klingt alles gleich". Auch Slayer haben eine stetige Entwicklung durchgemacht. Allein die ersten 5 Alben inkl. der Haunting The Chapel Maxi klingen alle unterschiedlich.
South of Heaven war nach Reign in Blood schon fast ein Stilbruch.
Dazu gab/gibt es massenweise Bands, bei denen der Stilbruch von Album zu Album schon fast erwartet wurde. Opeth und Voivod wären da mal kurz zu nennen.

Fakt ist aber auch, dass wenn man ein Album einer Band gern hat, man natürlich erwartet beim nächsten Mal etwas zumindest ähnliches oder qualitativ gleichwertiges vorgesetzt zu bekommen. Wenn das nicht der Fall ist, ist der Fan gnadenlos. Aber das ist nun wirklich kein Alleinstellungsmerkmal der Metalszene. Ich denke erinnere da gern an das Verhauen von Madonna oder Michael Jackson in der Presse, wenn ein neues Album rauskam.

Und doch erscheint es schwer vorstellbar, dass eine Band wie Maiden ein solches Experiment, einen solch großen Schritt vom vorherigen Material, wie es sich Miley Cyrus gerade mit dem psychedelisch-quietschbunten und sehr weggetretenen neuen AlbumMiley Cyrus and Her Dead Petz erlaubt hat, wagen könnte und würde.

Sollen Maiden jetzt die Gitarren wegschmeissen und einen auf Kraftwerk machen? Na, das wäre mal wirklich extrem :ugly:

Und beide Alben, so viel war zu erwarten, klingen so offensichtlich nach beiden Bands, dass man entweder die Konsequenz bewundern kann oder sich darüber ärgern, wie das Progressive, das Extreme und Subversive dieses Sounds mittlerweile zur Marke geworden ist wie Coca Cola.

Der nächste Bullshit. Jede Band groovt sich nach 10-20 Jahren im Business irgendwann in ihrem Signaturesound ein. Das nennt man "Stil". Nicht jede Band auf diesem Planeten ist die Beatles. Es muss auch AC/DC geben. Solange die Qualität stimmt, passt doch alles. Und jede neue Band einer neuen Strömung ist erstmal subversiv und extrem. So wie die Sex Pistols. Man höre sich mal heutzutage Punk an. 40 Jahre später ist davon auch nicht mehr viel übrig geblieben. Überspitzt gesagt: 3 Akkorde, Bier, Bier, Bier und haut die Bullenschweine. Nun gut ;)

In Berlin-Kreuzberg wurden kürzlich die Werbeplakate von Iron Maiden, die das Untotengesicht des Bandmaskottchens Eddie zeigten, mit anderen Plakaten überklebt. Auf denen beschwerten sich besorgte Eltern, dass solche Bilder nicht auf Schulwegen hängen dürften, weil sie die Kinder ängstigten. Das war ein letztes Aufbäumen der weltfremden Spießer in der Raumstation Kreuzberg. Im Grunde sind die Ästhetik und der Sound des Metal seit Jahrzehnten ein kanonisiertes Kulturgut, und es war kaum vorstellbar, dass es überhaupt noch Menschen gibt, die das schockiert.

Und genau das ist das Hauptproblem. Was der Autor einfach nicht realisiert ist, dass wir nicht mehr das Jahr 1983 haben sondern 2015. Und dabei geht es noch nicht mal darum, dass mittlerweile Tattoos, lange Haare und Bärte zum normalen Alltagsbild in Großstädten gehören und auch nicht, dass man überall Metal zu hören bekommt (wobei das "überall" so eine Sache ist), sondern einfach darum, dass die Gesellschaft bei weitem nicht mehr so spießig und konservativ ist, wie vor 30 Jahren.
Womit will man denn bitte schön noch anecken, wenn es heutzutage kein Problem mehr ist, mit pinkfarbenen Haaren und Nasenpiercing zum Vorstellungsgespräch zu gehen?

Eine Weile waren Slayer so etwas wie die böseste Band der Welt. Nun, 30 Jahre später ist es erstaunlich, wie satt und wie langweilig ihr ehemals extremer Metal sein kann

Da bin ich dummerweise mit ihm einer Meinung. Man muss aber auch sehen, dass Kerry und Tom über 50 Jahre alt sind. Wird man mal so alt, sieht die Welt anders aus und man setzt andere Prioritäten. Tom ist Katholik und Familienvater. Über Tod und Teufel singen und die Welt schockieren, zählten vielleicht mal als 20jähriger zu seinen Topprioritäten, aber doch jetzt nicht mehr. Er denkt eher darüber nach, wie er die Krankenversicherung, das Haus und das College für seine Kinder bezahlen kann und was wird, wenn er mal in Rente geht. Irgendeiner hat mal gesagt, dass man mit über 30 keinen RocknRoll mehr spielen kann/sollte. Ist zwar am Ende auch Bullshit, aber ist doch klar, dass man mit 20 noch wild war und die Welt aus den Angeln heben wollte, mit einer Mischung aus Arroganz und Unbekümmertheit. Wäre schlimm, wenn man das mit 50 immer noch wäre.

Bemerkenswert scheußliche Soli
Noch immer stört ganz besonders das Streberhafte, das Virtuose, das sich bloß nie der Atmosphäre unterordnen will oder auch nur: dem Song. Die Gitarrensoli sind eine Ansprache: Guckt mal, was ich kann! Schneller, komplexer, usw. Es nervt maßlos. Die bestimmende Idee des Punk, dass jeder Mensch ein Musiker ist, spielt in der Selbstoptimierungs-Metal-Maschine der Hochgeschwindigkeitsgitarristen (es sind wirklich nur Männer) keine Rolle. Hier kommt das Konservatorium zurück in die Popkultur.

Ein Punk schreibt für das Feuilleton über Metal. Hier könnte ich richtig kotzen. Dann hör halt Slime, aber gehe mit deinem musikalischen Nationalsozialismus niemandem auf den Sack. Auf der einen Seite beschrei(b)t der Schreiberling hier den Stillstand der musikalischen Kreativität und ausgerechnet das Gitarrensolo, richtig gespielt der Inbegriff des Kreativen, ist sein Hassbild. Albern.

Seit Jahrzehnten hat der Metal mit dem Problem zu kämpfen, dass die besonders treuen Fans jede zu große Distanzierung von den Wurzeln und der eigenen Tradition als Blasphemie verstehen. Im Metal ist die Treue zur Tradition und zum Standard – mitunter ist der selbstgesetzt, siehe Iron Maiden und Slayer – die wichtigste Währung.

Hier muss man verstehen, wo der Metal herkommt und warum etwas so ist wie es ist. Ende der 70er Anfang der 80er hast du in Deutschland (ich gehe mal davon aus, in dem Rest der Welt war es ähnlich) mit langen Haaren keine Arbeit bekommen.
Zumindest nichts hochbezahltes. Mit Kutte bist du von Verkäufern ignoriert und nicht bedient worden (selbst oft genug passiert) und du bist auf offener Straße für dein Aussehen und deinen Musikgeschmack offen angefeindet worden. Gehasst oder gefürchtet, was wie ein schlechter Böhse Onkelz Song klingt, war für uns Realität.
Das hat dazu geführt, dass man sich zusammengerottet hat. Gleichgesinnte mit gleichem Schicksal. Eine Szene der "Aussortierten" ähnlich wie im Punk. Mit entsprechendem Zusammenhalt, aber durchaus auch mit Blick über den Tellerrand.
Da hat man direkt hintereinander AC/DC, Uriah Heep und Dead Kennedys gehört. Gestört hat das keinen. Gestört bzw. argwöhnisch beäugt wurden andere, die nicht so aussahen wie man selbst (Optikkodex lange Haare, Leder, Jeans, Kutte). Nach den Erfahrungen mit "Nicht-Metallern" aber auch kein Wunder.
Man blieb unter sich, hörte seine Mucke und alles was nach Mainstream roch, oder sich dem "breiten Geschmack" anbiederte, war verhasst und wurde spöttisch in den Mülleimer geworfen. Turbo von Priest war so ein Fall. Zu Metallica kommen wir gleich...


Die Anekdote, dass Metallica zu Zeiten des Albums Load dafür scharf kritisiert wurden, dass sie sich die Haare abgeschnitten hatten, sagt durchaus etwas über die Engstirnigkeit und die Regression innerhalb des Metal aus.

Metallica waren der Inbegriff der Metalszene. Der ausgestreckte Mittelfinger gegen den radiotauglichen Mainstream und auch sonst gegen die Gesellschaft. Die Band hat es innerhalb von nur 3 Alben geschafft, die komplette Metalszene hinter sich zu bringen und "ohne jegliches Airplay oder Werbung" in Toppositionen der Charts (die damals wirklich noch was bedeutet haben) eingezogen. Die Message war "wir sind da, wir sind wer und wir sind viele...".

Metallica haben all diese Werte der frühen Metalbewegung später mit Füßen getreten. Sei es durch ihr persönliches Verhalten gegenüber Fans der ersten Stunde (Ende 80er vielfach besungen), welches im totalen Kontext zu ihren eigenen Aussagen stand, als auch ihre Aussage "Wir machen nie ein Video", nur um dann doch eins zu drehen. Hier geht es nicht um die Qualität von dem Song One oder dem Video (was schon immer herausragend war) sondern schlicht darum, dass die Verweigerung eines Videos zu Zeiten von MTV einer grundsätzlichen Verweigerung von Marketing und damit der Verweigerung von Mainstream und damit Kommerz stand.
Es gab damals vor allem zwei Gesichtspunkte im Metal. Musik aus den "richtigen" Beweggründen (aus Liebe und Leidenschaft zum Metal/zur Musik) und Musik um zu verkaufen. Letzteres war/ist nur ein seelenloses Produkt. Und genau in die Richtung hatte es Metallica verschlagen.
Angefangen mit dem Video mit dem Teil der Musikindustrie wurde, über das radiofreundliche schwarze Album bis hin zur Load Phase und den kurzen Haaren. Die Szene hat ihre Helden an den Mainstream verloren. DAS war das Problem, nichts anderes.
Es war als würde der beste Freund mit der eigenen Freundin schlafen und genau deswegen schlugen Metallica soviel Ablehnung und Hass entgegen.

Während der zeitgenössische Pop sich an einer Zerstreuung des ganzen Identitätsfetisches versucht, während er bei unzähligen Künstlern bis zum Mainstream Lady Gagas und Miley Cyrus‘ Grenzen einzureißen versucht und Möglichkeiten potenziert, ist der traditionelle Metal bloß die Feier des unangepassten und sich selbst ewig treuen Ichs. Seine Kulturkritik zeigt sich als starrköpfige Opposition zum Rest der angeblich so angepassten Gesellschaft.

Muahahaa, ausgerechnet die mainstreamige Industrie, die mehr Wert auf Marketing und Auffallen um jeden Preis legt, anstatt mal eher Wert auf die Förderung von Künstlern und die Produktion wertvoller Musik zu legen, wird hier als Vorbild angeführt.
Eine Lady Gaga die lieber Metal oder Punkrock machen würde, aber diesen Mummenschanz auffährt, weil sie sonst nichts zu beißen im Kühlschrank hat, ist genau das, was in den 80ern so verhasst war.
Sei wer du bist und zeige es und trage die Konsequenzen mit Stolz. Alles andere sind Poser :p

Die "angepasste" Gesellschaft gibt es in dieser Form nicht mehr. Früher war "angepasst" mit konservativ und bloss nicht auffallen gleichzusetzen. Heute haben wir eine Kultur die bunt und vielfältig ist. Ihr zum Opfer gefallen sind die vielen Szenen.
Goth, Metal, Punk, Rockabilly usw. gibt es in dieser Form nicht mehr. Früher waren Szenen wie Gangs. Man musste ein bestimmtes Aussehen aufweisen und musste sich seine Mitgliedschaft verdienen. Dann erntete man aber jede Menge Akzeptanz und Respekt.
Heutige "Szenen", sofern es sie noch gibt, sind eher lose Zusammenkünfte. Interessengemeinschaften ohne innere Werte, aber auch ohne den großen Druck von außen, der sie zusammenschweißen lässt.

Fahrt mal nach Wacken. Die Unterschiede zu Disneyland, Oktoberfest oder Ballermann sind verschwindend gering.
 
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Metallica vs Napster oder kostenpflichtiges Textnachricht Voting für faninduziertes interaktives Setlistjustieren fallen mir nach Deinen Ausführungen zu Metallica noch ein.
 
Metallica vs Napster

Ehrlich gesagt muss ich zu diesem Thema meine damalige Meinung revidieren. Ich habe früher selbst viel filesharing betrieben und dadurch unglaublich viele Bands erst kennengelernt. Anschließend natürlich immer wenn es gefiel die CDs gekauft.
Die Nachfolgeplattformen zu Napster sind beispielsweise Spotify (hier kriegt der Künstler zumindest ein paar Brotkrumen) und Youtube (hier kriegt niemand was ausser youtube bzw. Google).

Filesharing hat den Popbereich gekillt. Was mir persönlich egal ist, da ich diesen Musikbereich insgesamt für Wegwerfware halte und damit als künstlerisches Produkt wertlos. Aber das Streaming hat wohl mittlerweile eine ganze Generation versaut.
Keiner kauft mehr, da man im Netz eh jederzeit alles hören kann.
Ob Lars das jetzt als Visionär vorausgesehen hat, oder er schlicht nur auf seine Kohle geachtet hat (wie Smaug), kann ich nicht beurteilen. Was garnicht ging, war seine eigenen Fans (Nutzer von Napster) gleich mitzuverklagen. Das Metallica das überlebt haben, spricht entweder für die Band an sich oder gegen die willfährigen Fans. Keine Ahnung.

Bezeichnend für den Weg von Metallica in den 90ern war aber (zumindest für mich) dass Mainstream Rockfans alle die Load überschwenglich lobten (das waren Leute die normal Dire Straits und Reamonn gehört haben), aber beim Anhören von Ride The Lightning sich mit Grausen abwendeten.
Aber wir sollten mal den Pfad vom Metallica-Bashing wieder verlassen. 1. OT und 2. ist mir meine Zeit zu schade. :D
 
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Es geht um intellectual property, Verwertungsrechte. Ich kann das Engagement nachvollziehen. Ich kaufe brav die Tonträger, die mich interessieren.
 
Solche Artikel in den großen Mainstream-Medien laufen doch immer auf das Gleiche hinaus. Schlecht recherchiert, etwas Name Dropping um Kompetenz vorzutäuschen und großspurig irgendwelche Halbwahrheiten herausposaunen. Guter Journalismus geht anders.

Der Vergleich zwischen Iron Maiden und Slayer auf der einen und Miley Cyrus und Lady Gaga auf der anderen hinkt auch. Iron Maiden und Slayer haben in der Musikwelt sehr viel bewegt und eine Weiterentwicklung gab es auch, dafür muss man als genrefremder Hörer aber vielleicht etwas genauer hinhören. Demnach müssten Iron Maiden noch so klingen wie zu "Piece Of Mind"-Zeiten und Slayer wären noch nicht mal bei "Reign In Blood" angekommen. Natürlich haben diese Bands ihren Signature-Sound und das ist auch gut so. Ich mag Iron Maiden z.B., weil sie so klingen wie sie klingen, wenn auch auf jedem Album etwas anders.
Was sollen sie denn auch machen? Vielleicht mit Electro-Sounds experimentieren oder eine Kollaboration mit einem isländischen Indie-Folk-Duo starten? Vielleicht mal ein Auftritt auf Ibiza mit den Weltstars der DJ-Szene?
Provokation wäre das natürlich, aber nicht die allgemeine Öffentlichkeit würde provoziert, sondern die Fans.
Obwohl, Slayer haben bereits 1993 auf dem Judgment Night-Soundtrack einen Song mit Ice-T aufgenommen :D. Iron Maiden haben "Can I Play With Madness" sogar als Werbesong für die PS3 hergegeben (2010).

Ich persönlich bin nicht so im Mainstream- und Pop-Bereich zuhause, aber eine Miley Cyrus provoziert für mich nicht durch ihre Musik, sondern nur durch ihr öffentliches Auftreten. Obwohl Nacktheit und das Zurschaustellen von Geschlechtsteilen (wenn auch nur angedeutet) im Promisektor auch ein alter Hut ist. Lady Gaga fällt auch nur durch extravagante Kleidung auf. Für besonders innovativ halte ich diese Musik nicht. Vielleicht fehlt mir auch nur der Zugang zu dieser Musik.
Der Autor hat sich wenigstens keinen ganz großen Klops geleistet und Helene Fischer mit ins (Farben)Spiel gebracht.

Metal ist schon lange keine Provokation mehr. Das war er aber meiner Meinung auch schon seit den 90ern nicht mehr, als ich erstmals Zugang zu härterer Musik gefunden habe. Sonderliche Blicke hat niemand mehr auf sich gezogen, wenn er ein Bandshirt oder eine Kutte anhatte. Es ist längst akzeptiert worden, wenn auch nicht wirklich Mainstream. Obwohl, wenn auch in abgeschwächter und aufpolierter, massentauglicher Form, die Rocker- und Metallermode Einzug in den Mainstream gefunden hat. Totenköpfe, mit Nieten besetzte Lederkleidung, selbst ein Herrenausstatter hatte vor einigen Jahren die Bandshirts von Amplified im Programm und man hat in der Stadt Leute mit Motörhead-, AC/DC-, Iron Maiden und Ramones-Shirts rumlaufen sehen, die nicht mal wirklich wussten, dass das Bands sind :D.

Wie wir nun wissen, der Autor steht eher auf Pop, mag Iron Maiden etwas mehr als Slayer, weil sie etwa melodiöser sind. Wenn man keinen Bock hat über etwas zu schreiben, sollte man es sein lassen oder man hängt sich richtig in das Thema rein und wahrt wenigstens etwas Objektivität.

Aber mal ehrlich, ich bin auch nicht wirklich verärgert, wenn meine bevorzugte Musik in den Kultursparten der großen Mainstream-Medien "schlecht" wegkommt. Stellt euch mal vor, Metal wäre auf einmal das große Ding und auf den Konzerten drittklassiger Rumpel-Metaller-Kapellen treiben sich die ganzen "coolen" Trendsetter rum und trinken uns die ganze Club Mate und vollmundigen, aromatischen Rotwein weg :igitt:.
Da ist es mir persönlich lieber, die alten Hasen machen so weiter wie jetzt.

Vielleicht möchte der Autor aber auch nur absichtlich provozieren, um die Aufmerksamkeit auf seine Person zu lenken.
 
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