Es ist so kalt

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Es ist so kalt

Es ist so kalt, ich hauch die Hände an
und schau umher nach einem Glühweinstand,
obwohl ich’s mir nicht wirklich leisten kann.
Die Glühweinpreise sind exorbitant.
Ein kleines Mädchen zupft am Mantel mir,
das Geld reicht nicht für einen Kinderpunsch.
Ein Euro fehlt, na gut, ich schenk ihn ihr.
Sie hüpft davon, vergessen ist der Wunsch.

Ich frage mich, was ich hier such,
man möchte fast den Aufstand proben.
Zu Haus bei Tee und einem Buch
wär ich viel besser aufgehoben!


Der Bratwurstduft macht mich noch ganz verrückt.
Bis ich ihm nicht mehr widerstehen kann.
Ein Greis am Tresen lächelt sehr bedrückt.
Und geht mich gleich um einen Euro an!
Aus großen Boxen schallt es „Stille Nacht“
bis in den letzten Winkel, wie gebrüllt.
Ob so ein Krach das Volk besinnlich macht?
Ich jedenfalls bin eher von Schreck erfüllt.

Ich frage mich, was ich hier such,
man möchte fast den Aufstand proben.
Zu Haus bei Tee und einem Buch
wär ich viel besser aufgehoben!


Der Weihnachtsengel mit dem Info-Schild
meint voller Sorge, dass ich Hilfe brauch.
Ich wäre blass wie so ein Jammerbild
und blaue Lippen, sagt er, hätt ich auch.
Er hält mir seine Sammelbüchse hin,
„Brot für die Welt“. – Okay, ich hab ein Herz,
auch wenn ich nun tatsächlich pleite bin.
Er sieht den Schein und denkt, es sei ein Scherz.

Ich frage mich, was ich hier such,
man möchte fast den Aufstand proben.
Zu Haus bei Tee und einem Buch
wär ich viel besser aufgehoben!
 
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Darf ich dir eine "Übung" vorschlagen? Streiche gedanklich in jeder Strophe dieser Songidee exakt die letzte Zeile und spüre dem Empfinden nach, wie die innere Musikalität durch die Kürzung des Textes gewinnt. Also, die Spannung aushalten, dass maches eben nicht durch einen Reim aufgelöst wird. Und ungesagt bleibt.
Diese Übung könnte auch bei weiteren deiner Texte wertvoll sein. Ich weiß, Du textest ohne paralleles Musizieren. Die uralte Regel "weniger ist mehr" geht irgendwann ins Blut über.😀
 
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Darf ich dir eine "Übung" vorschlagen? Streiche gedanklich in jeder Strophe dieser Songidee exakt die letzte Zeile und spüre dem Empfinden nach, wie die innere Musikalität durch die Kürzung des Textes gewinnt
Probiere ich nachher aus. Muss nur erst mal los. Danke für den Tipp. :)
 
Erinnert mich zu Teilen an die Geschichte vom Sterntaler: Das Mädchen gibt aus Mitleid alles was sie hat.
Im Märchen wird sie (unerwartet im Kontext des normalen Lebens, erwartbar im Kontext des Märchens) für ihr uneigennütziges Verhalten und ihre Menschlichkeit belohnt. Wie es hier ist, bleibt offen.

In anderen Teilen erinnert es mich an einen Rummelbesuch: Viel Glitzer, Lautstärke, Geklingel und Gedöns - ob es auch so viele Almosen erfragende Menschen auf dem Rummel gibt, weiß ich nicht, da ich schon ewig nicht mehr auf einem Rummel oder einer Kirmes war. Heißt: die Erwartung an eine eigentlich "christliche" Veranstaltung oder den wirklichen Anlass und Beweggrund wird nicht erfüllt - und das wird geschildert. Das LI ist am falschen Ort und merkt es.

Herzliche Grüße

x-Riff
 
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Ich frage mich, was ich hier such,
man möchte fast den Aufstand proben.
Das erste nehme ich dem LI ab - das zweite nur bedingt. Ich glaube, dass es sich so fühlt - dass es diesen Aufstand aber nie machen würden - in dem Wort "proben" steckt ja schon die Distanz zum eigentlichen tun.

Vielleicht ist dies ja auch die eigentliche Thematik: Mitleid kann das LI und als mildtätig erweist es sich. Der Rest bleibt aber beim Registrieren und letztlich im Persönlichen. Sicherlich wäre ein "Aufstand" an solcher Stelle ähnlich aufsehenerregend wie die Vertreibung der Händler aus dem Tempel durch Jesus - und im Unterschied zu letzterem wäre die Person, die auf einem Weihnachtsmarkt den "Aufstand probt" sicherlich eine skurrile, aus der Zeit gefallene Person, eher einem Don Quichotte als Jesus ähnlich.

Herzliche Grüße

x-Riff
 
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Natürlich werde ich nicht den Aufstand proben, sonder einfach nur nicht hingehen. :)
 
Ach herrjeh - wenn mein Stift nur so schnell wie meine Assoziationen wäre ...
Gerade kommen mir unter dem Titel "Putsch und Punsch" Szenen eines Aufstandes auf einem Weihnachtsmarkt vor die Augen - rauschhafte Exzesse, revoltierende Gläubige und marodierende Besoffene und dazwischen plündern die ohne Geld die Stände und suchen mit der erworbenen Habe das Weite ... nachdem sich der Rauch verzogen hat, sieht man inmitten der Trümmer ein in Mitleidenschaft gezogenes großes Lebkuchenherz mit der Aufschrift "Liebe für Alle" ...

x-Riff
 
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Für Leute mit wenig Geld ist so ein Weihnachtsmarkt der absolut verkehrte Ort.

Genau wie für Leute wie mich, die Menschenmassen in grotesken Steppjacken, die sich am Tresen reiben, nicht ertragen können.:)

....
 
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