Fingersätze in den Unterrichtsheften oft unnötig "akademisch" verkompliziert?

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Zu Grundbass mit Mittelfinger, ich drücke den -bis auf wenige Ausnahmen- nur mit Mittelfinger.
Was soll dagegen sprechen wenn´s Ergebnis stimmig ist?
Genau!! Diese Art, die Bässe zu spielen, war oder ist noch immer bei Akkordeonlehrern verpönt. Ich finde, hier starre Regeln aufzustellen, ist sinnlos. Bass + Akkord mit 3+2 und 4+3 haben beide ihre Vor- und Nachteile. Bei einer Dur-Tonleiter auf der Basseite ist eindeutig 3+2 im Vorteil, weil man mit dem längeren 4. Finger leichter die Terzbässe erreicht als mit dem kurzen 5. Beim Wechselbass dagegen macht 4+3 mehr Sinn weil der 2. Finger dann für den Wechselbass frei ist. Andererseits findet der 3. Finger bei Basssprüngen oft leichter sein Ziel als der 4. Natürlich ist alles eine Frage der Übung, aber wenn ich - wie bei meinen Anfänger-Schüler/Innen - sehe, wie sie sich mit 4+3 herumquälen, warum um Himmels Willen sollte ich da auf der "reinen Lehre" bestehen? Ich möchte ja erreichen, dass die Schüler/Innen Spaß am Akkordeon haben. Virtuosen werden sie, da meist schon im fortgeschrittenen Alter, ja sowieso nicht, und das sollte auch nicht das Ziel des Unterrichts sein, sondern die Freude an der selbstgemachten Musik. Auch manche hergebrachten Fingersätze in den Unterrichtsheften finde ich oft unnötig "akademisch" verkompliziert und muss sie dann praktikabel vereinfachen, nach dem Motto: "wer richtig spielt hat Recht".
 
Eigenschaft
 
Das muß man ein bißchen differenzeirter sehen.

Für viele derartige Regeln gibt es durchaus Gründe, die u.U. nicht sofort einsichtig, aber durchaus plausibel sind.

Beispielsweise verändert der Daumen auf schwarzen Tasten eine Piano-Klaviatur halt einfach zwangsläufig die Handhaltung so, daß das Weiterspielen schwieriger wird. Der Schüler macht den Fehler hier dann meist nicht an der Stelle mit dem Daumen, sondern einige Töne/Takte später (übrigens hat "auf die Tasten schauen" in 90% der Fälle den gleichen Effekt - man beobachte mal in einem beliebigen Schülervorspiel: sobald der Blick nach unten geht, dauert es noch 2-4 Takte, dann verliert das Kind fast sicher die Orientierung auf der Tastatur _und_ in den Noten und bricht ab).

Auch die Regel, möglichst nie zweimal den gleichen Finger hinereinander zu benutzen, hat gute Gründe: Richtig schnelle Repetitionen sind ohne Fingerwechsel sehr viel schwieriger bis unmöglich (man überlege einfach mal vergleichsweise, ob ein Boxer schneller ist, wenn er lauter rechte Haken schlägt oder wenn er rechts-links-Kombinationen schlägt). Und Systematische Fingerwechsel erleichtern später das Zählen langer Repetitionspassagen und das Spiel von Synkopen (indem man den stärksten Finger auf die betonte Zählzeit oder auf die 1 legt).
Das ist aber ein Bewegungsablauf, den man trainieren muß - und deshalb sollte man eben auch bei langsamen Repetitionen die Finger durchwechseln, dann muß man diesen Bewegungsablauf nicht gesondert üben.

Der 3. Finger auf dem Grundbaß allerdings wird nur bei westeuropäischen Akkordeonlehrern als "falsch" angesehen. In Osteuropa und Rußland ist es üblich, Bass-Akkord-Kombinationen überwiegend mit 3-2 zu greifen.

Beide Systeme haben durchaus Vor- und Nachteile, die man sich erschließen kann. Es ist allerdings für eine bewußtere Kontrolle über den Bewegungsablauf IMHO schon ratsam, sich nicht beide Varianten gleichzeitig anzutrainieren, sondern das zeitlich zunächst zu trennen. Sonst läuft man Gefahr, sich da später zu "verlaufen" - insbesondere wenn man vom Blatt spielt.
 
In Osteuropa und Rußland ist es üblich, Bass-Akkord-Kombinationen überwiegend mit 3-2 zu greifen.
wie schon ab und zu erwähnt, kommt das (höchstwahrscheinlich) daher, dass in osteuropäischer/russischer traditioneller Musik Moll-Tonarten vorherrschen und mit 3-2 auf Grundbass und Akkord der Mollterzbass besser erreicht werden kann.
 
Auch manche hergebrachten Fingersätze in den Unterrichtsheften finde ich oft unnötig "akademisch" verkompliziert

Fingersätze in Schulwerken haben nicht oder nicht nur das Ziel, die konkrete Übung möglichst einfach zu gestalten.

Da geht es oft darum, bestimmte Bewegungsabläufe zu trainieren, um sie später auch anderweitig nutzen zu können. Man kann dann natürlich einfachere Fingersätze für die Übung nehmen - nur erreicht man dabei nicht das, was mit der Übung erreicht werden sollte.
 
Sehr schön pädagogisch formuliert.
Die Schwierigkeit liegt immer in der Entscheidung, wie lange und wann genau schleppt man diesen Mühlstein mit sich herum?
Es ist Training für etwas, das man wahrscheinlich vielleicht mal braucht.
Der Pädagoge drängt drauf, der Praktiker versucht es zu vermeiden wenn es andere Wege gibt.
 
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Naja, meistens sind es recht grundlegende Dinge. Und am Ende einfach ein Zielkonflikt.

Wenn man nur das eine Stück jetzt möglicht schnell "fertig" kriegen will, ist natürlich die bequemste Variante die richtige.

Ein Schulwerk ist dazu aber eigentlich nicht da. Das soll dazu dienen, jeenfalls grundlegende Techniken möglichst umfassend zu vermitteln. Und wenn man dieses Ziel verfolgt, ist der "schnelle" Weg am Ende der langsamere, weil man zusätzliches Training für Dinge braucht, die man auch quasi im Vorbeigang lernen könnte.

Gibts übrigens anderswo auch. Wenn Du Kampfsport machst, dann geht es im Training fast nie vorrangig darum, einfach nur den Sparringspartner umzuhauen (der ohnehin die meiste Zeit nur ein Sandsack, ein Beutel, Dein Spiegelbild oder auch nur Deine Vorstellung ist). Die saubere Ausführung der Techniken steht im Vordergrund. Damit Du sie wenns drauf ankommt richtig abrufen kannst. Schulhofprügeleien sind unter Karateka, Judoka oder dergleichen völlig verpönt.
 
Der Pädagoge drängt drauf, der Praktiker versucht es zu vermeiden wenn es andere Wege gibt.
So sehe ich- und praktiziere ich es auch.

Ich arbeite mir i.d.R. den Fingersatz heraus der mich bequem und unfallfrei zum Ziel bringt.
 
Es ist Training für etwas, das man wahrscheinlich vielleicht mal braucht.

Kommt drauf an.

Wenns um stimme Fingerwechsel, Daumenuntersatz oder dergleichen geht, kannst Du "wahrscheinlich vielleicht mal" getrost durch "ziemlich sicher schon nach kurzer Zeit ständig" ersetzen.

Schüler, die dem Lehrer ständig demonstrieren wollen, daß diese Dinge auch "anders" gehen, demonstrieren meistens unfreiwillig aber doch gut hörbar, daß es speziell bei ihnen eben doch nicht geht und zweitens beantworten sie eine Frage, die niemand gestellt hat.

Der Beweis, daß das Lehrbuch falsch liegt, ist der Grat zwischen "Genie" und "Idiot". Bei einem wenig Fortgeschrittenen Lernenden ist man in 99,999% der Fälle auf der"Idiot"-Seite dieses Grats und im verbleibenden Rest handelt es sich um ein Jahrhundertgenie, das mit größter Wahrscheinlichkeit schon vor 20 Jahren entdeckt worden wäre.

Der funktionierende (aber zugegeben laaaaangweilige) Weg zum Erfolg besteht deshalb darin, die Energie für diesen "Beweis" besser dafür einzusetzen, das was im Lehrbuch steht (und schon von hunderten Menschen erarbeitet wurde) richtig umsetzen zu können. Erst danach kann man übrigens wirklich entscheiden, was "bequemer" ist.

Das gilt übrigens überall, nicht nur beim Musizieren. Ein Erstsemester-Student, der Einstein widerlegen will, ist entweder lächerlich oder Nobelpreisverdächtig. Wenn ich Geld setzen müßte, würde ich aber auf "lächerlich" setzen, denn "Nobelpreisverdächtig" hat hier eine Wahrscheinlichkeit im Bereich von 1:100000.
 
Fingersätze in Schulwerken haben nicht oder nicht nur das Ziel, die konkrete Übung möglichst einfach zu gestalten.

Da geht es oft darum, bestimmte Bewegungsabläufe zu trainieren, um sie später auch anderweitig nutzen zu können. Man kann dann natürlich einfachere Fingersätze für die Übung nehmen - nur erreicht man dabei nicht das, was mit der Übung erreicht werden sollte.
Natürlich gibt es jede Menge sinnvoller Fingersätze, die auch geübt werden müssen. Aber es gibt eben auch viel "akademische", nichtsdestoweniger oft unsinnige Fingerakrobatik, die eben nicht notwendigerweise zu besserem Spiel verhilft, weil sie Lernende frustriert und zu unnötigen Fehlern führt. Da gibt es dann oft Alternativen, die einfach besser "laufen", ohne dabei das Ziel, eine gute Fingertechnik zu entwickeln, aus den Augen zu verlieren. Man muss in punkto Fingersatz zwar nicht das Rad neu erfinden, aber ab und zu doch mal den gesunden Menchenverstand walten lassen.
Das sind jedenfalls meine langjährigen Erfahrungen.
beltunaplayer
 
Aber es gibt eben auch viel "akademische", nichtsdestoweniger oft unsinnige Fingerakrobatik, die eben nicht notwendigerweise zu besserem Spiel verhilft, weil sie Lernende frustriert und zu unnötigen Fehlern führt. Da gibt es dann oft Alternativen, die einfach besser "laufen", ohne dabei das Ziel, eine gute Fingertechnik zu entwickeln, aus den Augen zu verlieren.

Du scheinst ja einen großen Überblick zu haben. So wie Du das sagst, kommt das etwas pauschal rüber und hängt in der Luft. Mache doch bitte mal ein konkretes Beispiel, wo wir das Ziel genannt bekommen, die Unsinnigkeit des akademischen Fingersatzes sehen, die dabei auftretenden unnötigen Fehler der Lernenden aufgezeigt bekommen und schließlich Deine bessere Alternative erfahren. Dass es dann weitere solche Beispiele gibt - Du sprichst von vielen - , sei an dieser Stelle mal unterstellt.
 
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Fingersätze sind IMMER nur Empfehlungen weil Hände, Instrumente und Hirne verschieden sind.
Solche Empfehlungen können sehr wertvoll sein wenn es eine ungewöhnliche Lösung für eine schwere Stelle gibt.
Ich hasse es wenn selbstverständliche Fingersätze gedruckt sind, Fingersatz bitte nur ausgeschrieben wenn es unbedingt erforderlich ist.
Der individuelle Fingersatz ist IMMER Teil der Interpretation des Stückes.
Und dann noch der "funktionale Ablauf" was z.B. heisst: machmal muss man irgendwo vorher vom bequemen Standard abweichen und "ungewöhnlich" greifen damit es 2-4 Töne später überhaupt spielbar ist.
 
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Der individuelle Fingersatz ist IMMER Teil der Interpretation des Stückes.
und auch dessen Erarbeitung. Das Thema taucht ja immer wieder auf. Hier die Meinung von Monsieur Debussy dazu. Dankenswerterweise vom Henle-Verlag übersetzt ... :great:

Es kommt natürlich auch auf die Komplexität des Stückes an. Ganz gleich, ob man 3. oder 4. Finger-Grundbassverfechter ist, mit zunehmender Komplexität wird sich weder das eine noch das andere System strikt durchhalten lassen
 
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Guten Tag!

...manche hergebrachten Fingersätze in den Unterrichtsheften finde ich oft unnötig "akademisch" verkompliziert und muss sie dann praktikabel vereinfachen,...

Ich denke, dass eine wichtige Sache auch in dieser Debatte vergessen wurde: In den Unterrichtsheften werden Fingersätze meist für Kinder ausgearbeitet. Ich kann mich irren, aber ich gehe davon aus, dass dieser Brauch seit den 70er und 80er Jahren hiergeblieben ist. Heute ist mMn die Situation etwas anders. Es gibt nur wenige Kinder, die das Akkordeon lernen. Im Gegensatz dazu gibt es eine viel größere Gruppe erwachsener Studenten. Diese haben oft keine hohen technischen und interpretatorischen Ambitionen. Ich habe das Gefühl, dass meine Formbarkeit (aus physiologischer Sicht) in meinem Alter im Vergleich zu Kindern viel geringer ist. Im Erwachsenenalter beginnen auch die körperlichen Fähigkeiten der Schüler zu stagnieren. Daher können die Fingersätze in Lehrbüchern manchmal kompliziert erscheinen. Aber das sind sie nicht. Diese Fingersätze werden wohl nur zur falschen Zeit beurteilt. Als kleines Kind in der Musikschule habe ich nie darüber nachgedacht, ob die Fingersätze akademisch sind. Ich hatte es einfach gespielt.

...unsinnige Fingerakrobatik, die eben nicht notwendigerweise zu besserem Spiel verhilft, weil sie Lernende frustriert und zu unnötigen Fehlern führt...

Und Frustration? Wenn es zur richtigen Zeit und mit der richtigen Menge kommt, hilft es, eine richtige Lösung zu finden. Hilft dem Spieler zu wachsen und zu reifen…

Der 3. Finger auf dem Grundbaß allerdings wird nur bei westeuropäischen Akkordeonlehrern als "falsch" angesehen. In Osteuropa und Rußland ist es üblich, Bass-Akkord-Kombinationen überwiegend mit 3-2 zu greifen.

Wenn wir die Slowakei nach Osteuropa zählen, kann ich diese Informationen nicht bestätigen.

Am Ende ein kleiner Witz: Wenn Sie an akademischen Fingersätzen interessiert sind, füge ich diesen Link zum Spaß hinzu:

http://www.818daily.com/sheets/toccata-and-fugue-in-d-minor

:engel:

Herzliche Grüße, Vladimir
 
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Grundsätzlich finde ich feste Regeln hilfreich, sie erleichtern bisweilen das Leben - wenn man die verinnerlicht hat erkennt man auch besser, wann mal diese verlassen sollte und nicht nach den Regel spielen sollte.

Beim verfolgen dieser Diskussion fällt mir immer wieder ein Spruch ein (ich glaube aus Alexander Spörls "Memoiren eines mittelmäßigen Schülers" wars) - sinngemäß:

Wenn man immer alles nach bekannten Regeln machen würde, säße die Menschheit noch heute auf Bäumen. Deshalb ist es wichtig neue Wege auszuprobieren... aber bis dahin lerne man zunächst , wie man es bisher macht! ;)
 
Grundsätzlich finde ich feste Regeln hilfreich, sie erleichtern bisweilen das Leben - wenn man die verinnerlicht hat erkennt man auch besser, wann mal diese verlassen sollte und nicht nach den Regel spielen sollte.
Das unterschreibe ich voll und ganz! Und mal ganz abgesehen davon: Will ich eine 76-jährige Akkordeon-Anfängerin mit Regeln triezen, oder will ich sie (möglichst noch zu Lebzeiten;)) in den Stand setzen, frei von der Leber weg einfache Stücke zu spielen? Wobei natürlich grundlegende Fertigkeiten und Regeln, wie das Unter- und Übersetzen, trotzdem unabdingbar sind und auch vermittelt werden. Und auf dem Grundbass muss nicht zwanghaft der 4. Finger liegen, wenn es mit dem 3. leichter geht (und es geht oft leichter...). Ich arbeite nach dem Grundsatz, flexibel zu sein und statt Beharren auf starren Regeln öfter mal den gesunden Menschenverstand walten zu lassen.
Ganz anders sieht es natürlich aus, wenn eine Profi-Karriere angestrebt wird, aber das habe ich selbst noch nicht erlebt, besonders nicht bei ganz jungen Schüler-Innen. Da muss man schon froh sein, wenn sie überhaupt bei der Stange bleiben, besonders wenn sie in die Pubertät kommen, wo negative (Vor-)Urteile aus dem Freundeskreis über das Akkordeon eine vielversprechende Laufbahn durchaus zerstören können. Solches habe ich schon von einigen Musiklehrern gehört. Traurig aber wahr!

beltunaplayer
 
.. jetzt fällt mir erst auf das die Ausgangsfrage "Fingersatz in Unterrichtsheften" war, also didaktisch gemeint war. :facepalm1:
Als Kind hab ich 4 - 3 mit 2 für Wechselbass und x7 gelernt .. und das ist bis heute meine "Grundhaltung" alles andere ist "Besonderheit"
 
Als Kind hab ich 4 - 3 mit 2 für Wechselbass und x7 gelernt .. und das ist bis heute meine "Grundhaltung" alles andere ist "Besonderheit"

So wars auch bei mir. Bei den Sachen, die ich heute spiele, kommt es aber öfter vor, dass auch 2, 3 oder 5 für den Grundbass genommen werden. Ich beobachte an mir selber das Folgende: Wenn am Ende eines Basslaufes ein abschließender Basston steht, der sich sehr bequem mit 3 (bzw. 2 oder 5) greifen lässt, dann kostet es mich etwas Konzentration, das auch so zu tun. In unbedachten Augenblicken erwische ich mich, dass ich krampfhaft versuche, den Ton mit dem 4. Finger zu erreichen. Der 4. Finger auf den Grundbässen ist eben festverdrahtet im Rückenmark.

Ein Beispiel, wo man das schön sieht: Natürlich-Moll-Tonleiter im Standardbass, 2x hintereinander aufwärts, 2x hintereinander abwärts. Da muss ich immer aufpassen, dass der 4. nicht unpassend dazwischenfunkt.
 
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Fingersätze in Schulwerken haben nicht oder nicht nur das Ziel, die konkrete Übung möglichst einfach zu gestalten.

Da geht es oft darum, bestimmte Bewegungsabläufe zu trainieren, um sie später auch anderweitig nutzen zu können. Man kann dann natürlich einfachere Fingersätze für die Übung nehmen - nur erreicht man dabei nicht das, was mit der Übung erreicht werden sollte.
Der Pädagoge drängt drauf, der Praktiker versucht es zu vermeiden wenn es andere Wege gibt.

Es war es lange Zeit so, dass meine eigenen Fingersätze unbequemer zu spielen waren, als die meiner Akkordeonlehrerin.
Wenn ich ein neues Lied mit zum Unterricht genommen habe, hat sie eigentlich immer gesagt: „Das geht doch bequemer zu spielen, nimm hier mal soundso...“

Fingersätze wurden für mich so zum Rätselsport. Meine Lehrerin sagt nun immer öfter: „Das würde ich genauso machen.“

Wenn in einem Stück gleiche Abfolgen (auch ganz kurze) vorkommen, entscheide ich mich in der Regel auch für gleiche Fingersätze, auch wenn es dadurch vor oder nach der Stelle unbequemer zu spielen ist, sonst kommen mir bei den Stellen die Fingersätze durcheinander (motorisches Gedächtnis).

Blöd ist, wenn man nach geraumer Zeit merkt, dass der Fingersatz doch nicht so gut war, zum Beispiel zum Schnellspielen nicht so geeignet. Dann muss der neue Fingersatz richtig gut sein, um sich gegen das bereits Antrainierte durchzusetzen.

Von Anfang an habe ich, wenn es gut liegt, gerne den 4. und 5. Finger benutzt - auch im Bass, da musste mich kein vorgegebener Fingersatz dazu „zwingen“.
(Triller bilden da eine Ausnahme - da lege ich weder den 5. noch den 4. Finger drauf, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt.)

Eigene Fingersätze erarbeiten zu können ist, finde ich, eine wichtige Fähigkeit beim Musizieren. Das gelingt gut, wenn immer mal jemand erfahreneres drüber schaut und Alternativvorschläge macht.

Dass es für Berufsmusiker notwendig ist, bestimmte Abläufe zu trainieren, kann ich mir sehr gut vorstellen.

Wahrscheinlich hat wie bei so vielen Dingen beides seine Berechtigung:
Eigene gut spielbare Fingersätze und festgelegte Fingersätze zu Übungszwecken (durch Lehrbuch oder LehrerIn)
 
Man muß halt aufpassen, weil sich wie Du ja auch schon erkannt hast viele Dinge bei Fingersätzen eben nicht sofort erschließen. Was langsam "bequem" erscheint, kann schnell plötzlich unmöglich oder zuminest schwierig sein. Und manche Technik will halt erstmal motorisch antrainiert werden, erlaubt dann aber wenn man sie mal drauf hat eben auch ganz neue Dinge. Auch die Frage "wie gehts weiter?" ist schon wichtig. Was bringt es Dir, die eine Stelle super hinzukriegen, aber dann nicht weiterspielen zu können?

Oft ist es auch so, daß der Schüler selbst das klangliche Problem noch gar nicht bewußt wahrnimmt, der Lehrer aber eben doch genau hört, wenn z.B. stumme Fingerwechsel "umstupft" werden. Der Schüler ist dann stolz drauf, daß er die Repetition auch "ohne" irgendwie hingekriegt zu haben glaubt - der Lehrer hört aber, daß sie verkrampft, unfrei, ungleichmäßig oder mit schwacher Kontrolle gespielt wird - also mehr schlecht als recht bzw. nur formal richtig, aber am Ende ohne die Möglichkeit, musikalische Tiefe zu entwickeln.

Da haben sich echt viele sehr gute Spieler schon lange reichlich Gedanken drüber gemacht. Die sich dann halt zum Teil in den "handelsüblichen" Regeln und Methoden niedergeschlagen haben.

Es gibt auch ein paar Tricks, sich da selbst zu "kontrollieren". Wenn man eine Passage z.B. unabhängig von dem was da sonst so steht nicht in einem sehr sauberen, engen Legato durchspielen kann, ohne zu verkrampfen, dann ist das ein Indiz für Fingersatzfehler, die zu Sprüngen (kein Legato!) oder Verkrampfungen (gibt oft ein sehr schlechtes Legato) führen. Gerade wenn man eine passage später wirklich schnell beherrschen will, können solche "Kontrollversuche" schon eine Hilfe sein.

Trotzdem gilt bei allem Regelwerk auch, daß jede Hand anders ist. Wo der eine einen superbequemen Flow spielen kann, sind dem anderen seine dicken Finger selbst im Weg oder die sind einfach zu kurz oder zu lang. Da muß man - gerade bei den "wilderen" Techniken wie z.B. Übersetzen von 5 auf 4 - genau hinschauen und auch experimentieren. Es ist auch nicht jeder Daumen gleich beweglich und nicht jeder tut sich mit Sprüngen gleich schwer (auch da gitbs Techniken).

Und es gibt eben noch den Zielkonflikt zwischen "schnell dieses Stück irgendwie hinkriegen" und "schnell gut spielen Lernen". Beide sind nicht unbedingt deckungsgleich. Gerade in langsamen Passagen erscheinem einem viele Techniken zu Anfang "überkandidelt", auch wenn sie bei schnellerem Spiel dann plausible werden. Nur: man muß die halt auch antrainieren. Und das kann man halt entweder beim Erarbeiten langsamer Stücke nebenbei mit erledigen - um den Preis, daß man sich etwas länger mit denen beschäftigt (was auch nicht immer musikalisch von Nachteil ist) - oder man muß dann halt irgendwann viele öde Extrastunden mit Etüden zubringen, die die entsprechende Technik gezielt trainieren. Beide Wege führen vordergründig zum Ziel, aber der Letztere ist aus Motivationsgesichtspunkten halt steiniger. Oder man verzichtet ganz auf die spezielle Technik - was man dann allerdings irgendwann später bitter bereuen könnte, denn es geht hier ja um Basistechniken.

Der andere Punkt ist, mit verschiedenen Systemen umzugehen. Im Standardbaß gibts die westliche (Grundbass 4, Dur-Akkord 3, Moll- oder Sept-Akkord 2) und die osteuropäische (Bass-Akkordkombinationen meist 3-2) Schule. Beide führen offensichtlich zu großem Können. Aber ich würde da von Beliebigkeit abraten, sondern wenn sollte man wirklich erst jedes der Systeme durchdringen und danach anfangen, zu kombinieren. Sonst ist die Gefahr, sich zu "verkrabbeln", doch gewaltig groß.
 
Auf der Gitarre ist es auch wichtig, so wie wahrscheinlich auf jedem Instrument, Fingersätze zu können und zu üben. Ich hatte damals sehr schnell erlernt zu spielen. Aber später hatte ich große Nachteile und musste dann nochmal viel Arbeit einsetzen um die Fehler zu korrigieren. Aber dafür war ich dann im Handumdrehen um Längen besser.
Darum bin ich nun beim lernen vom Akkordeon sehr bemüht diese wichtigen Dinge nicht aus dem Focus zu verlieren.
Und ich bin keineswegs angenervt von diesen Sachen wie Fingersatz u.A.
Ich kann nur jedem dazu raten sich von Anfang an eine super Technik an zu eigenen.
Es haben sich immerhin mal die besten einen Kopf darüber gemacht was wie am besten geht. Und das vielleicht über 100 Jahre hinweg. Da sollte man nicht versuchen das Rad neu zu erfinden.
Wer sich eine wichtige Technik
nicht aneignen möchte, der kann ja sein Akkordeon nach seinen Belieben umbauen.:D
 
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