Ich bin zwar kein Musikstudent, aber dennoch würde ich gerne meine Ansichten mit Euch teilen:
1. Du solltest nicht nur einen Übungsplan habe, sondern Dir auch bewusst lang- mittel- und kurzfristige Ziele setzen. Ich hatte mir z. B. vor einiger Zeit das Ziel gesetzt, den Stil von D. Betts auf dem berühmten Fillmore-Album der Allman Brothers genau zu analysieren und war mir ziemlich im Klaren darüber, dass dies sehr viel Zeit in Anspruch nehmen wird (dies war mein langfristiges Ziel). Als nächstes habe ich mir als mittelfristiges Ziel vorgenommen, die schönsten Songs und Dickeys beste Improvisationen (Whipping Post, In Memory of Elisabeth Reed) zu lernen. Die kurzfristigen Ziele bestanden dementsprechend darin, die einzelnen Licks zu lernen. Du musst Dir hier immer vor Augen halten, dass Dein langfristiges Ziel einen Berg von Arbeit und eine lange, lange Reise darstellt und der Frust sich praktisch unvermeidbar einstellt, wenn Du es nicht schaffst, die Masse in kleine, leicht erlernbare Stückchen zu zerteilen. Als Faustregel galt für mich immer, dass ich mir die kurzfristigen Ziele so stecke, dass ich nach jeder Übungseinheit mich musikalisch ein wenig reicher fühle.
2. Du solltest die jeweiligen Übungseinheiten immer abwechslungsreich gestalten. Zu einem deshalb, weil es sonst unvermeidbar zu Langeweile und Frust führt, zu anderem deshalb, weil Du so schneller lernst. Ich zumindest habe die Erfahrung gemacht, dass mein Gehirn dazu nicht imstande ist, einen riesigen, monotonen Brocken langfristig jeden Tag zu verdauen. Mit meinem Beispiel: wenn Du über einen längeren Zeitraum 4 Stunden am Tag immer nur Liz Reed spielst, wirst Du zu einem den Song ziemlich schnell hassen (was nicht gerade förderlich ist), und zu anderem stellt sich - ähnlich wie beim Sport - ein Übertrainings-Effekt ein. Um Abwechslung in Dein Spiel zu bringen, solltest Du - wie bereits von Fretboardjunkie detailliert beschrieben - Dich immer für eine gewisse Zeit auf einen bestimmten Aspekt konzentrieren. Solche Aspekte sind z. B. Aufwärmübungen, Musiktheorie, Technik, Songs und (ganz wichtig) Transkribieren.
3. Auch dann, wenn von vielen etwas anderes behauptet wird: versuche, Deine Übungseinheiten überschaubar zu halten und ziehe nicht jeden Tag eine riesige Marathon-Übungssession durch. Wir kennen dieses Phänomen ja aus unserer Schüler- oder Studentenzeit: es waren meist nicht die am erfolgreichsten, die wie Wilde non-stop gelernt haben, sodern eher die, die es geschafft haben, ihr Material übersichtlich zu strukturieren. Versuche also immer, Dich während des Übens hundertprozentig auf das zu konzentrieren, was Du gerade machst. Genau gesagt: nicht hirnlos die gleichen Licks wieder und wieder spielen, sondern vielmehr Dich bei jeder Wiederholung intensiv darauf konzentrieren, was Deine Hände machen und was das Resultat ist. Einige Gitarristen geben zwar gerne damit an, dass sie 10 bis 12 Stunden am Tag üben, aber ich stelle mir bei solchen Statements immer wieder die Frage, ob diese Leute nicht eher "Spielen" und nicht üben. Ich persönlich bin auf jeden Fall nach etwa 4 bis 5 Stunden völlig fertig und möchte eigentlich keine Musik mehr hören oder spielen. Auch solltest Du hierbei darauf achten, dass Dich keine äußeren Einflüsse aus dem Konzept bringen. Am besten Handy und Internet ausschalten - unerwartete oder unangenehme Gespräche können Deine Konzentration zerstören und eigentlich die ganze Übungseinheit ruinieren.
4. Selbst dann, wenn Du große Ambitionen hast, solltest Du das Übermaßverbot vor Augen halten. Nach unendlich vielen Übungsstunden hast Du vielleicht flinke Finger, aber Du hast nicht gelebt, und wahrscheinlich wird Dir das fehlen, was für einen Rockmusiker das Wichtigste ist: die Inspiration. Die meisten erfolgreichen Musiker üben zwar sehr viel, aber die besten, die ich kennen gelernt habe, waren die, die dazu imstande waren, ihre Gitarristenkarriere mit ihrem Leben außerhalb der Gitarre zu verbinden und so gelebt haben, dass sie imstande waren, mithilfe der Musik anderen etwas über dieses Leben zu erzählen.
5. Technisches Können und flinke Finger sind zwar super, machen Dich alleine aber noch nicht zu einem guten Gitarristen. Es gibt viele Sachen außerhalb von Technik, die für den Erfolg ebenfalls wichtig sind. Du solltest z. B. bewusst einen Teil Deiner Übungszeit darauf verwenden, Dein Equipment kennen zu lernen bzw. neues Equipment auszuprobieren. Für wirklich gute Musik ist nicht nur entscheidend zu wissen, wie man sie technisch spielt, sondern auch zu wissen, wie man mit seinem Equipment den Sound erzeugen kann, den man sich im Kopf vorstellt. Es hilft z. B. sehr viel, sich mit seiner Gitarre, dem Amp und den Pedalen hinzusetzen und den Sound, den man erzeugt, bewusst zu analysieren. Man sollte z. B. mach einer gewissen Zeit erkennen können, wie sich mehr Mitten, mehr Gain, das Spiel mit Volumen- und Tonepoti der Gitarre oder ein längeres Delay auf Deinen Sound auswirken. Andere sinnvolle Investitionen sind z. B. das genaue Analysieren des Sounds Deiner Lieblingsplatten oder die Auseinandersetzung mit der Technik, mit der Verstärker gebaut werden.
6. Sehr wichtig ist noch die regelmäßige kritische Selbstkontrolle. Du kannst Dich z. B. selbst aufnehmen, die Aufnahmen für einige Wochen weglegen und beim Hören Dir die Frage stellen, ob das, was Du willst, das ist, was Du hörst. Eine sehr gute Übung - sofern man sie als solche bezeichnen kann - ist es auch, sich mit der Gitarre hinzusetzen, einfache und sicher beherrschte Sachen zu Spielen und sich darauf zu konzentrieren, sich selbst zuzuhören. Dies ist nicht einfach, da man zwei Dinge gleichzeitig tun muss, erlaubt aber ein musikalisches "Selbstgespräch", welches sehr förderlich ist, wenn man mit sich selbst im Klaren sein will.
7. Zuletzt ein sehr wichtiger Punkt: der Lernplan muss auch Pausen enthalten, und Du solltest Dir mindestens einmal pro Woche einenkomplett gitarrenfreien Tag gönnen, da Dein Gehirn so Zeit bekommt, das Erlernte zu verdauen.