ich habe da das eine oder andere Thema und wollte, bevor ich in der Schule aufschlage, hier mal um Rat fragen.
Einen
Rat kannst du hier aber erst bekommen, wenn auch genügend Fakten vorliegen, z.B. wekche Konzepte im Unterricht deiner Tochter verfolgt werden. Erst dann kann man ja sehen, ob das überhaupt erreichbar ist und mit welchen Methoden.
Solange du aber selbst die pädagogischen Randbedingungen des Unterrichts selbst nur unzureichend kennst, kannst du sie hier ja auch nicht schreiben, und entsprechend mager wird der Rat ausfallen. Dann können hier nur Vermutungen und persönliche Anekdoten kommen.
Unsere Tochter [...] hat jetzt die Gitarre zugewiesen bekommen.
Ganz so "zugewiesen" war die Instrumentenwahl ja wohl nicht, wie du später auch schreibst - die Wahl war ja offensichtlich freiwillig:
[...]kann ich sagen, dass es ihr Wunsch war, auf diese Schule in eine Musikklasse zu gehen. Da gab es weder von mir, noch von meiner Frau irgendeine Tendenz in irgendeiner Richtung. [...] Ihr erster Wunsch war die Gitarre,
Das ist schon ein wesentlicher Unterschied, ob der Wunsch eines Kindes erfüllt wurde, oder ob eine Fremdbestimmung vorliegt.
In dieser Schule ist es so, dass die Musikklassen quasi zwei Jahre lang laufen und die Kinder danach die Möglichkeit haben, eine AG zu besuchen bzw einer Bigband beizutreten.
Das ist dann ein spezieller Fall einer Musikklasse. Viele Schulen, speziell Gymnasien, profilieren ihre schulische Arbeit durch Schwerpunkte. Neben sprachlichen, naturwissenschaftlichen oder gesellschaftswissenschaftlichen Schwerpunkten gibt es im Musikbereich immer mehr Schulen, die den Musikunterricht in den Stufen 5 und 6 als musikpraktischen Unterricht machen, d.h. die Schüler lernen ein (in Grenzen gewähltes) Instrument und spielen in einem Ensemble. Das populärste Modell dieser Sorte ist die
Yamaha-Bläserklasse, es gibt aber auch
Streicherklassen, Orchesterklassen, Bandklassen etc. . Der Regelfall ist: 1 Stunde Instrumentalunterricht pro Woche und 1 Stunde Ensemblespiel.
Das Modell an der Schule deiner Tochter ist von der Organisation her sehr vergleichbar mit anderen Schulen, nur der stilistische Schwerpunkt "Big Band" ist besonders.
Da die Länder bzw. Bezirksregierungen als Arbeitgeber der Lehrkräfte keine Instrumentallehrer beschäftigen, muss diese Leistung durch Dienstleister bzw. Kooperationspartner erbracht werden. Das sind i.d.R. die örtlichen kommunalen oder privaten Musikschulen, manchmal auch freiberufliche Instrumentallehrer. Die allgemeinbildende Schule (oder deren Förderverein) schließt also Verträge mit z.B. einer Musikschule (oder Freiberuflern) über die Erteilung von Instrumentalunterricht. Da muss natürlich eine Qualitätskontrolle erfolgen - etwas, was im Fall deiner Tochter interessant werden könnte.
Bei bisher besuchten Auftritten der Bigbands und auch der ehemaligen Musikklassen Mitte des Jahres ist mir schon aufgefallen, dass die Kinder an der E-Gitarre, diese sehr seltsam halten und auch nur mit dem Daumen spielen. Im übrigen haben sie auch nur Single Notes gespielt und keinen einzigen Akkord.
Musikklassen sind - wie jedes Musikmachen in einer Band und jeder Gruppenunterricht - immer
kompromissbehaftet:
- viele Leute sollen mitmachen, daher darf das Niveau nicht zu hoch sein - aber es soll ein ordentliches Ergebnis geben, daher darf das Niveau nicht zu niedrig sein
- die Lerngeschwindigkeiten sind (auch bzw. gerade im Alter deiner Tochter) teilweise dramatisch unterschiedlich - gleichzeitig soll sich keiner zu sehr langweilen oder überfordert sein
- die Eltern wollen ein filmbares Ergebnis sehen für ihr Geld, aber die Schüler sind evtl. die ersten zehn Jahre ihres Lebens mit aktivem Musikmachen nicht in Berührung gekommen
- Talent, Motiviation und Geduld sind sehr, sehr, sehr ungleich und oft ungerecht verteilt
Das alles sollst du nicht unmittelbar auf deine Situation oder die deiner Tochter beziehen, dazu kenne ich die konkrete Situation natürlich überhaupt nicht. Aber diese Randbedingungen sind sicherlich auch an der Schule deiner Tochter vorhanden. In diesem Spannungsfeld ist die Lernsituation deiner Tochter grundsätzlich zu sehen. Daraus ergeben sich Möglichkeiten und Grenzen.
Es gab doch sicher ein Vorgespräch vor der Musikklasse (Tag der offenen Tür, Beratungsgespräch, Elternabend)? Da sollten Möglichkeiten und Grenzen der Musikklasse besprochen worden sein. Hast du eine solche Beratung mitbekommen? Insbesondere die Grenzen sollten da besprochen worden sein. Wenn nicht, solltest du Gesprächsbedarf anmelden.
Es ist und war schon immer so, dass Kinder aus musiknahen Familien in einer Musikklasse nicht zwangsläufig gut aufgehoben sind, da dort für viele Mitschüler eine
erste Begegnung mit aktivem Musikmachen stattfindet. Wer in einem musiknahen Elternhaus aufwächst, hat diese Phase schon mit 3-5 Jahren gemacht und braucht die Musikklasse für diese Erfahrung nicht mehr. Umso wichtiger, wenn deine Tochter sich trotzdem dafür entschieden hat: gerade wenn der Instrumentalunterricht evtl. mäßig ist, ist es wichtig,
warum sie sich damals für die Musikklasse entschieden hat und ob sie zu ihrer Entscheidung steht. Kann ja auch sein, dass es ihr wichtig ist, mit Freundinnen zusammen zu lernen und dass die Gitarre an sich nicht so wichtig ist - immerhin spielt sie ja wohl schon zwei Instrumente.
Im übrigen zahlen wir monatlich 35€ für Unterricht bei einem externen Lehrer (so die Aussage der Schule), scheinbar übernimmt den Part jedoch ein fest angestellter Lehrer, der die Kinder eigentlich in einer Fremdsprache unterrichtet. Und der Punkt, dass wir jetzt 10€ pro Monat an Miete für eine Squier Gitarre bezahlen, die nach einer Weile vom Mietpreis her uns gehören könnte, nervt mich ehrlich gesagt auch.
Wie sieht der Vertrag aus, auf dem diese Zahlungen beruhen? Schriftlich oder mündlich? Ist Vertragspartner die Schule, der Förderverein oder der Instrumentallehrer direkt?
Und natürlich möchte ich nicht als Spaßbremse gelten, aber wenn dem wirklich so ist, dass wir den Betrag monatlich für so etwas ausgeben, finde ich das schon recht bescheiden. Da kann ich die Kohle auch thermisch verwerten.
Tja, musikalische Bildung ist nicht direkt in Euro umzurechnen. Und Bildung ist das Ziel bei der Veranstaltung, nicht alleine das Gitarrespielen.
Natürlich ist es dein Geld, und wenn du rein Preis-Leistungsmäßig urteilst und als Leistung die richtig getroffenen Töne nimmst, könnte es sein, dass du dein Geld verschleuderst. Wenn deine Tochter aber davon auf die eine oder andere Weise etwas lernt, etwas mitnimmt und hinterher schlauer als vorher ist, ist das Geld vielleicht doch halbwegs gut angelegt.
Wie sehen die Kündigungsfristen aus?
Schön wäre es zu erfahren, ob andere User evtl auch mal ein Kind an solch einer Schule hatten und wir es dort war. Vielleicht habe ich auch eine komplett falsche Vorstellung davon.
Ich hatte keine Kinder an so einer Schule, war aber Musikschulleiter einer kommunalen Musikschule, die Kooperationspartner eines Gymnasiums für eine gemeinsame Bläserklasse war.
Auch etwas seltsam, die Schule lässt ihre Schüler privat von Musikschulen ausbilden, und schmückt sich mit ihrer Schul-Big-Band mit fremden Federn...?
Es ist andersherum: die Schule/Schulleitung will das aktive Musikmachen fördern, gibt dafür Lehrkräften für Ensembleleitung Stunden (was sie nicht müsste), setzt zur langfristigen Sicherung dieses/dieser Ensembles ein Musikklassen-Konzept um (was sie nicht müsste) und beschäftigt im Rahmen dieses Konzepts Instrumentallehrer. Das spricht erstmal für eine aktive Schulleitung, die ihre (geringen) Gestaltungsspielräume nutzt.
Ich find's ja gut, wenn in der Schul-Bigband auch Kinder mit machen können, die nur mit einem Finger ein paar Noten auf dem Klavier drücken können, oder gerade auf ihrem Instrument anfangen.
Das sollte aber doch Kinder, die mehr lernen wollen, nicht auf diesem Niveau ausbremsen und festhalten.
Nein, Kinder sollen natürlich nicht ausgebremst werden, daher ist es wichtig, dass musikaffine Kinder rechtzeitig den Wechsel in andere Lernformen schaffen. Deswegen ist es für Kinder aus musiknahen Familien so wichtig, die Kündigungsfristen zu kennen, um eine bestmögliche Förderung der eigenen Kinder auf anderen Wegen fortzuführen. Jetzt sind wir aber gerade mal ein paar Wochen im neuen Schuljahr und Rookie77s Tochter im Gitarrenunterricht, da kann man von "ausbremsen" noch nicht sprechen.