Friedman JJ Jr. versus Bogner Ecstasy 3534 - ein Vergleich

  • Ersteller Saitenhexer0711
  • Erstellt am
S
Saitenhexer0711
Registrierter Benutzer
Zuletzt hier
13.12.24
Registriert
02.12.21
Beiträge
73
Kekse
813
Hallo zusammen,

vergangenen Winter habe ich meine Leidenschaft zur E-Gitarre wiederentdeckt und dabei eine lange Odyssee bei der Suche des - für mich - „idealen Sounds“ hinter mich gebracht. Früher waren der Diezel VH4 (noch einer der ersten Exemplare) sowie der Mesa Boogie Dual Rectifier meine Steckenpferde, die über ein Bogner Überkab für ordentlich Druck gesorgt hatten. Zunächst habe ich diverse Transistor-Kombos ausprobiert (u.a. Vox VT20, Blackstar HT-5R, Laney Cub-Super 12), anschließend diverse Topteile (Orange Dark Terror, Engl Ironball, Diezel Paul, Diezel VH2) sowie Boxen (Orange 112, Mesa Recto Compact, Marshall 1936 Vintage) und Speaker (Celestion Vintage 30, Celestion G12 Vintage, Celestion G12T-75, WGS ET-65, WGS Veteran 30, Celestion Neo Creamback). Mein Anspruch an das Setup war ein guter Hardrock- bis Heavy-Sound, welcher sich jedoch bereits bei geringer Lautstärke hören lassen kann. Schließlich bin ich bin ich beim Diezel VH2 gelandet, den ich über eine Marshall 1936 Vintage 2x12er Box, bestückt mit dem Celestion Neo Creamback + WGS Veteran 30, gespielt habe. Nachdem die Tage wieder länger und wärmer wurden, hat sich meine Interessenlage wieder etwas geändert.
Als es wieder Winter wurde, widmete ich mich wieder mehr der Musik. Mit dem Setup war ich grundsätzlich zufrieden, allerdings wurde der Wunsch nach etwas Neuem laut. Der Diezel VH2 ist zudem ziemlich sperrig, der Transport eine entsprechende Tortur. Leider wurde der sich vielversprechend anhörende Lunchbox-Amp von Diezel ("VH Mini") nicht auf den Markt gebracht.

Friedmann JJ Jr.
Durch einen Bekannten bin ich schließlich auf den Friedman JJ Jr. gekommen. Dave Friedman hat sich unter anderem mit der Modifikation von Marshall-Amps einen Namen gemacht, weshalb ich mit einer gewissen Erwartungshaltung an die Sache herangegangen bin. Tatsächlich war ich sofort begeistert. Schätzt man den typischen Sound von Marshall, wird man hier vermutlich nicht enttäuscht, wer die Kopie eines Plexi oder JCM 800 sucht, liegt hingegen falsch. Der Friedman klingt wesentlich ausgeglichener und besitzt deutlich weniger Fizz. Nicht zuletzt deshalb ist der Sound auch viel differenzierter (perfekte Saitentrennung auch bei höheren Gainstufen), zudem wirkt alles sehr dynamisch. Paradoxerweise kann der JJ Jr. den Ton auch relativ stark komprimieren (insbesondere im sogeannnten "JBE Mode"), dennoch klingt er dabei noch unheimlich offen. Das ist wirklich große Kunst der Verstärkerbaus. Spaß machen auch die unheimlich Straffen, aber niemals übertriebenen Bässe, knackige Power-Chords, auch mit gedämpften Saiten, kommen damit perfekt "auf den Punkt". Sehr schön finde ich auch den Clean-Kanal, dieser erinnert ein wenig an den Vox AC30. Es scheint tatsächlich geradezu unmöglich, eine schlechte Klangeinstellung zu finden. Weniger gut gefällt mir die Mittenlastigkeit, wobei das Geschmackssache ist. In der Regel steht der Mittenregler bei mir vor der 12 Uhr-Position. Nach ein paar Wochen habe ich die erste Vorstufenröhre (von JJ) gegen eine 7025-WA getauscht, davon hat der Amp nochmals profitiert. Im Vergleich zum Diezel VH2 besitzt der Friedman auch deutlich weniger Tiefmitten, wobei ich diese nicht vermisse. Leider bietet der JJ Jr. auch keinen separaten Gain-Regler für den Clean-Kanal, dezent angezerrte Sounds sind damit nur möglich, wenn man potentiellen Hörschäden in Kauf nimmt, wobei sich die Sounds, die (entfernt irgendwo) Richtung Plexi gehen sollen, auch im zweiten Kanal verwirklichen lassen. Apropos: Der Lautstärkeregler des Zerrkanals verrichtet sein Werk wenig linear. Gerade im Spektrum der Zimmerlautstärke ist ein ruhiges Händchen gefragt. Zwischen einer "Frau und Kleinkinder zu Hause"- sowie "allein zu Hause"-Lautstärke liegen allenfalls 0,3 - 0,5. Ab dem ersten Indexstrich (= 1,1; komische Skalierung, Anm.) wird der Amp ganz schön laut.

Bogner Ecstasy 3534
Da ich offen für neue Amps bin und gerne über den Tellerrand hinausblicke, bin ich über diverse Beispielvideos auf den neuen "kleinen" Bogner Ecstasy 3534 gestoßen. Nachdem ich ein Exemplar ohne große Wartezeit ergattern konnte, habe ich den XTC vergangene Woche in Empfang genommen. Reizvoll fand ich die Tatsache, dass der Amp einen "typischen Bogner-Klag" im noch kompakten Format sowie darüber hinaus zahlreiche Einstellmöglichkeiten bietet. Gute Voraussetzungen also, um den bereits ziemlich guten Friedman zu beerben.
Tatsächlich sehe ich den Amp mit gemischten Gefühlen. Der Sound ist zweifellos gut, das Voicing finde ich auch sympathisch. Allerdings klingt der 3534 - im direkten Vergleich zum Friedman - wesentlich "bedeckter" und dunkler. Vermutlich sind die Grundtöne unter 100 - 150 Hertz viel prominenter vertreten. Für einen, meinem Empfinden nach, offenen, klaren Sound sind vergleichsweise höhere Treble- und Presence-Einstellungen notwendig.
Die Vielzahl an Einstellmöglichkeiten ist zweifellos eine nette Spielerei, man kann beispielsweise die Charakteristik bzw. Gegenkopplung der Endstufe einstellen, zudem können die Höhencharakteristik (Clean-Kanal) und das Voicing (Zerrkanal 2 + 3) angepasst werden. Überdies bieten Kanal 2 und 3 einen (Gain-)Boost. Allerdings kann die Vielzahl der Einstelmöglichkeiten (9 Soundmodi im Cleankanal sowie jeweils 18 Soundmodi in den beiden verzerrten Kanälen) auch eine Überforderung mit sich bringen. Nach viel Experimentierarbeit beschränkt sich das Ganze auf 1-2 brauchbare Sounds je Kanal. Ebenso wie beim Friedman kann man hier auch sehr viel mit dem Gain-Regler erreichen. Insgesamt bietet der kleine Ecstasy aber vielseitige Soundmöglicheiten, deutlich mehr als seine Konkurrenten. Schön ist die Tatsache, daß der Lautstärkeregler der Effektschleife zur Regulation der allgemeinen Lautstärke herangezogen werden kann, d.h. die Kanallautstärke lässt sich damit gröber bzw. besser einstellen. Der Clean-Kanal ist im Übrigen auch brauchbar, kommt jedoch nicht an jenen des JJ Jr. heran. Leider sorgt das viele Licht auf für Schatten: Die Vielseitigkeit des Sounds geht meines Erachtens ganz klar zu Lasten der Soundqualität. Isoliert betrachtet klingt der Bogner gut, keine Frage. Im direkten Vergleich zum Friedman ist der Unterschied jedoch klar hörbar. Der Bassbereich ist beispielsweise deutlich "matschiger", vor allem bei High-Gain, zudem ist der Amp, wie beschrieben, weniger offen und weniger dynamisch (wobei ich mich nicht so weit aus dem Fenster lehnen und behaupten möchte, dass man mit verbundenen Augen hier eher einen Transistor-Amp vermuten könnte). Dreht man den Gain-Regler im dritten Kanal auf mehr als 10:00 Uhr, wird der Klang (mit eingeschaltetem Boost) ziemlich undifferenziert. Der größte Minuspunkt liegt bei den Nebengeräuschen. Während der Friedman allenfalls ein ganz dezentes Rauschen aufweist und auch der Diezel VH2 noch einigermaßen leise ist, nimmt man beim Bogner ein wirklich lautes(!) Grundrauschen und Brummen wahr (ungeachtet dessen brummen die Trafos auch relativ laut). Zunächst ging ich von einem Defekt der Röhren aus, allerdings habe ich nach kurzer Recherche in Erfahrung bringen können, dass dies ein typisches Phänomen ist. Selbst zwei Highgrade-Röhren in V1 und V2 werden da wohl nichts bringen. Ebenso wenig konnte ich damit erreichen, das Master Volume der Effektschleife herunterzudrehen. Das empfinde ich bei einem 2.450 Euro teuren Topteil als Frechheit und dies wird keinesfalls dem Renommee von Bogner gerecht. Die Verwendung eines Noise-Gates wäre zwar möglich, aber das sehe ich

Pro und Contra
A.) Friedman JJ Jr.
Pro:
- Absolut hochwertige Zerrsounds
- Dynamik, Differenziertheit, Saitentrennung
- Generelles Voicing
- Sehr guter Clean-Kanal
- Für einen Röhrenamp erstaunlich geringe Stör-/Nebengeräusche
- Einfache Bedienung/Einstellung
- IR-Ausgang (sofern man ihn überhaupt braucht).
Contra:
- Lautstärke des zweiten Kanals sehr schlecht regulierbar
- Übermäßig mittenreicher Sound (Geschmackssache, kann zumindest auch reguliert werden).

B.) Bogner Ecstasy 3534:
Pro:
- Vielseitige, gute Zerrsounds (von Plexi-like bis Ultra-Heavy)
- Markentypisches, gefälliges Voicing
- Sehr gute Lautstärkeregelung, ideal für Spielen bei Zimmerlautstärke.
Contra:
- Eher zu viele Einstellmöglichkeiten, teilweise sind die Sounds unbrauchbar.
- Starkes, fast schon inakzeptables Grundrauschen/"weißes Rauschen" und Brummen.

Fazit
Wird der kleine Bogner Ecstasy meinen Friedman beerben? Grundsätzlich hat er das Potential dazu. Die von mir gewüschte Vielseitigkeit bringt er definitiv mit, wenngleich sich das Ganze am Ende auf 1-2 gute Sounds je Kanal beschränkt. Auch das markentypische, gefällige Voicing macht Spaß. Empörend sind jedoch die starken Neben-/Störgeräusche. Dies wird einem Boutique-Amp nicht gerecht. In den nächsten Tagen werde ich beide Amps nochmals ausführlich vergleichen und eine Entscheidung treffen.
Ein kompakter, leichter, nebengeräuscharmer (Röhren-)Amp mit hochwertigen, differenzierten und vielseitigen Sounds würden meiner Idealvorstellung entsprechen. Leider scheint der große Markt dies aktuell nicht herzugeben.

Je nach Interessenlage kann ich hier auch ein paar Soundbeispiele zur Verfügung stellen.

Es grüßt euch:

Der Saitenhexer


97E136C2-65F8-4379-ABB9-401A57352B7D.jpeg
 
  • Gefällt mir
  • Interessant
Reaktionen: 15 Benutzer
Hallo zusammen,

hier mal wieder ein kleines Update:

Grundsätzlich spielen beide Amps auf sehr hohem Niveau, dennoch konnte sich keiner von beiden einen dauerhaften Platz in meinem Musikzimmer erkämpfen.

Mit 100 Watt-Topteilen - wie z.B. dem „großen“ Bogner Ecstasy oder Überschall, einem „großen“ Friedman JJ oder gar einem BE-/SS-100 sowie dem Diezel VH4 - können (nicht nur) diese beiden Lunchbox-Amps sowieso nicht mithalten. Das wollen sie aber vermutlich auch nicht, bezogen auf die Größe und das Gewicht bietet das Duo dennoch sehr viel, wenngleich das Preisniveau natürlich auch deutlich über jenem von Marshall, Engl, Peavy und EVH liegt.

Vielmehr lag das Problem im Detail. Beide Amps sind etwas zu „langweilig“.
Was einen tollen Zerrsound angeht, hat der Friedman die Nase vorn. Insbesondere mit aktiviertem „JBE“-Schalter sind Dynamik und Druck absolute Klasse. Leider mangelt es dem Amp jedoch an Vielseitigkeit.
Der Bogner hingegen bietet - seiner drei Endstufen- sowie auch jeweils drei Kanal-Settings - zahlreiche Klangmöglichkeiten, allerdings sind hiervon nur sehr wenige brauchbar. Während es beim Friedman nahezu unmöglich ist, „schlechte“ Sounds einzustellen, bedarf es beim 3534 mehr Geduld.
Ein sehr großes Manko beim Bogner sind die starken Nebengeräusche. Mit deaktiviertem Effekt-Loop sind diese im Rahmen, aktiviert man diesen jedoch (um das Topteil beispielsweise besser bei geringer Lautstärke betreiben zu können), stört ein lautes Rauschen, was insbesondere im Clean-Betrieb zum Tragen kommt. Auch andere Vor-/Endstufenröhren haben nur geringfügige Besserung erbracht. Für mich mit der Zeit ein K.o.-Kriterium.

Ich habe nun den Suhr PT-15, den Soldano SLO-30 sowie den neuen Mesa Mark VII im Fokus. Bei Diezel hätte mich auch der bereits länger angekündigte VH Mini gereizt, von diesem geistern allerdings nur Prototypen durchs Netz.

Einen guten Start in den Mai wünscht

der Saitenhexer
 
  • Gefällt mir
  • Interessant
Reaktionen: 6 Benutzer
*edit*
Hi, ich kann Deine ausführlichen Berichte nur bestätigen, Bogner ist halt generell etwas dunkler gevoiced als selbst die schon etwas "glattgeschmirgelten" Friedmänner. Ich hab hier einen Bogner Shiva EL34, einen Goldfinger 90, einen BE100, BE100DLX und einen Twin Sister und diese Generalisierung kann ich bestätigen. Alles feine Amps!
Mesa MkV ist auch hier, aber ich weiss nicht ob Du glücklich mit Mesa wirst nachdem Du scheinbar eher in Marshall-Gefilden unterwegs bist. Ist halt was völlig anderes, muss man ausprobieren.

Falls es interessiert, ich bin gerade auf dem Trip, die lokalen Builder zu unterstützen, und bin für meinen ultimativen M-Style Amp bei Bernhard Schröter hängengeblieben. Hab vor ein paar Jahren seinen Studio 10 ergattert und war von dem EL84-Combo so begeistert, dass ich nach Gesprächen mit Bernhard eine Neuentwicklung vorbestellt habe, für die er sich dann auch fast 1,5 Jahre Zeit genommen hat, die ist jetzt gerade als Roughneck erschienen und ich hab den ersten Production Amp nach dem Prototypen. Bernhard macht hier alles richtig, Point-to-Point verdrahteter Signalweg und trotzdem hohe Flexibilität mit zwei sehr unterschiedlichen Kanälen, die extrem flexibel sind und intelligent fussschaltbar (plus Solo boost). Kannst ja mal googeln, dicke Empfehlung und nicht so teuer dank lokaler Herstellung. Etwas Wartezeit sollte man bei Bernhard aber immer einkalkulieren, er lötet so schnell er kann aber die Schlange ist immer lang.
 
Grund: edit by C_Lenny -> Vollzitat Vorpost
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Also ich besaß beide, wobei jeder Amp seine Stärken hat. Mein Fazit, auch bezogen auf den 100 Watt XTC und 100 Watt JJ ist, das man sich das Geld für die beiden Boliden sparen kann und mit dem 3534 und dem JJ jun. bestens bedient ist.
 
[...]Ich habe nun den Suhr PT-15, den Soldano SLO-30 sowie den neuen Mesa Mark VII im Fokus. Bei Diezel hätte mich auch der bereits länger angekündigte VH Mini gereizt, von diesem geistern allerdings nur Prototypen durchs Netz[...]
Hallo,
was für ein Amp ist es jetzt geworden? Der Suhr PT-15 interessiert mich auch total, wobei ich mit meinem JEL-20 gerade recht zufrieden bin, allerdings hätte ich gerne wieder drei Kanäle.. ..schauen wir einmal wie lange ich dem Ruf des PT-15 wiederstehen kann! Würde mich sehr interessieren, wie es bei dir weiter gegangen ist.
Grüße, George
 
Grund: Vollzitat reduziert
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Mir ging es ja ähnlich, sowohl der JJ Junior wie als auch der 3534 waren nicht lange im Haus. Zur Zeit nutze ich als low wattage Amps für kleinere Gigs einen ca. 10 Jahre alten Elmwood M20 und zuhause einen 1986er Marshall Studio 15.
Den SLO30 finde ich interessant, aber preislich absolut überzogen. Und nachdem ich auf Dauer weder mit einem SLO50, einem Reverb-O-Sonic und einem Astroverb16 warm wurde lass ich SOLDANO lieber außen vor.
 
Hallo zusammen,

entschuldigt die späte Rückmeldung, ich habe gar nicht mitbekommen, dass es weitere Nachrichten in diesem Thread gab.

Vergangenes Jahr habe ich einen Soldano SLO 30 gefunden, der Friedman und der Bogner mussten dann gehen.
Zugegeben, ich habe mich ein Stück weit von den Werbeparolen („King of High Gain“) beeinflussen lassen. Der Amp klingt gut, keine Frage, auch das Voicing sagt mir zu (da der Sound ebenfalls in Richtung Marshall tendiert). Interessanterweise wurden hier Erinnerungen an den EVH 5150 wach.
Wo Licht ist, finden sich bekanntlich auch Schatten. Der SLO 30 ist zwar ein Lunchbox Amp, was - zumindest mir gegenüber - suggeriert, es sei ein Wohnzimmergerät. Tatsächlich kann man charakteristische Sounds auch bei geringer Lautstärke erzeugen, allerdings klingt dann alles etwas undynamisch und dünn. Das konnten viele andere Amps, die ich zuvor im Besitz hatte, definitiv besser.
Der SLO (100) hat sich zweifellos seine Meriten verdient und war, bei seinem Erscheinen, 1987(!) seiner Zeit ein ganzes Stück voraus. 2023/2024 sind weitaus mehr Amps am Markt verfügbar, als es vor gut 35 Jahren der Fall war. Viele Amps besitzen ihre besonderen Qualitäten. Und dies ist das Problem. Der Verstärker ist „ganz nett“, kann alles gut, aber eben nichts wirklich überragend gut. Unter der Prämisse, dass dieses Empfinden bei niedrigen Lautstärken besonders zum Tragen kommt und der SLO 30 kein Schnäppchen ist, habe ich mich recht zügig nach etwas anderem umgesehen.

Beflügelt von der Tatsache, dass im Laufe des Jahres zunehmend mehr Mesa/Boogie Amps auch in Deutschland verfügbar geworden sind und der (Single/Dual) Rectifier noch zu Schulzeiten für mich der Verstärker schlechthin gewesen ist, habe ich mir dann einen Badlander 25 gegönnt.
Definitiv ist der Amp ganz klar als Mesa zu erkennen, die Zerrsounds unterscheiden sich also deutlich von Marshalls und seinen Derivaten. Soweit ich dies aus der Erinnerung heraus überhaupt sagen kann, empfinde ich den Badlander - der auf dem Front-Panel groß den Schriftzug „Rectifier“ trägt - vom Voicing etwas komprimierter und „schärfer“, aber auch deutlich dunkler als die Rectos aus den 1990ern und 2000ern. Der etwas präsentere Ton ist einem breiteren Mittenspektrum geschuldet, was mir grundsätzlich zusagt. Dies mag sicher auch an den EL84-Endstufenröhren liegen.
Der eher dunkle Sound zeigt beim Betrieb an einer Box, der Amp kann zudem, ganz zeitgemäß, auf Basis von Impulsantworten diverse Cabs emulieren bzw. simulieren. Ich mag es eher puristisch, interessehalber habe ich den Amp dennoch mal mit dem Computer verbunden. Dabei klang lediglich die „4x12 Recto Standard“-Emulation recht dunkel und tiefmittenlastig; die anderen Optionen fand ich deutlich besser (z.B. die viel „dreckiger“ und offener klingende „4x12 Recto Traditional“).
Da der Amp eigentlich gar nicht viel mit den traditionellen Rectos am Hut hat, dabei aber (trotzdem) den Anspruch erhebt, ein echter Metal-Verstärker zu sein und auch entsprechend darauf ausgerichtet ist, hatte ich meine Endstation weiter nicht erreicht. Mein Herz schlägt doch eher für die british gevoicten Amps.

Letztlich bin ich wieder zum Diezel VH2 zurückgekehrt. Der Nachteile des Amps bin ich mir bereits zuvor bewusst geworden (sehr hohes Gewicht, opulente Maße), zweifellos überwiegen beim VH2 die Vorteile. Der Cleansound ist erstaunlich gut, das Highlight sind für mich aber die Overdrive-Töne. Selbst bei hohem Zerrgrad ist der Klang deutlich artikuliert, die Saitentrennung also vorbildlich. Im höheren Frequenzspektrum ist der Amp dabei keineswegs dünn, auch das kann der Diezel deutlich besser als viele Mitbewerber (wie der SLO 30). Auch die geringen Nebengeräusche sind vorbildlich; dies war mitunter mein K.-o.-Kriterium für den Bogner 3534.
Man könnte dem VH2 unterstellen, er sei wenig vielseitig. Der ganz cleane und der Mid-Gain-Sound (mit Gain-Regler auf 12:00 bis 13:00 Uhr) sind definitiv seine Steckenpferde, Crunch und High-Gain beherrscht er aber auch ziemlich gut. Mit den „Deep“- und „Presence“-Reglern sowie mit dem Lautstärkeregler der Gitarre und der Anschlagsdynamik kann man durchaus großen Einfluss nehmen.
Auch bei geringer Lautstärke bleibt der Sound druckvoll und voluminös, was für mich eine entscheidende Rolle spielt.
Der VH2 wird aktuell mit KT77-Röhren ausgestattet, ich könnte mir vorstellen, mit 6L6ern wäre das Mittenspektrum etwas lebendiger bzw. „dreckiger“. Dies wäre aber das i-Tüpfelchen.
Aktuell bin ich mit dem Amp zufrieden, mal sehen, wann der VH Mini lanciert wird.

Bezüglich der Lautsprecher hat sich auch noch etwas getan. Bei der Mischbestückung der 2x12er Box sowie dem UK-Greenback bin ich geblieben, jedoch musste der Neo Creamback dem Alnico Cream, ebenfalls aus dem Hause Celestion, weichen.
Der Grundcharakter der Lautsprechers ist absolut ausgewogen, im oberen sowie auch im unteren Frequenzspektrum bleibt er defensiv, dennoch besitzt er ein schönes Tiefmittenfundament und dymanische Höhen. Er bringt aber weder den Raum zum Wummern, noch sind die Höhen übermäßig offen oder gar schrill. Seine Stärke sind die vielschichtigen, komplexen Mitten, wobei diese aber auch nicht übermäßig dominant sind.
Mit geringen Lautstärken geht der Alnico Cream gekonnt um, auch wenn das Tiefenspektrum dann etwas nachgibt.
Die Kombination ist für den Solisten daheim optimal, für mehr Durchsetzungskraft im Bandkontext würde ich den Greenback durch einen Vintage 30 ersetzen.

Es grüßt:

Der Saitenhexer
 
  • Interessant
  • Gefällt mir
Reaktionen: 3 Benutzer

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben