Ich finde es bemerkenswert, wieviel Zulauf dieser Verschwörungsthread hat. Wahrlich bemerkenswert, darum will ich auch von Zeit zu Zeit wieder einmal etwas anmerken:
Laut Zollner ist nachgewiesen, dass es messbare Unterschiede gibt. (...)
Streit gibt es nur darüber, ob die Unterschiede auch hörbar sind. Hier behauptet er nein, während andere sagen schon. Indizien dafür sind zahlreiche dokumentierte aber unwissenschaftliche Erfahrungen
Natürlich ist der Unterschied nicht nur messbar, sondern auch hörbar. Es ist längst bewiesen, dass Holz Einfluss auf den Klang einer E-Gitarre hat. Offensichtlich aber nicht von den Naturwissenschaften. Aber das liegt an der Unzulänglichkeit der Experimentatoren und der Unfähigkeit der Wissenschaftler. Das ändert aber nichts daran, dass es phänomenologisch längst klar ist.
Das beobachtbare Phänomen, dass Dinge, die man in die Luft wirft, auch wieder herunter kommen, war auch vor Galileo Galiei und seinen Experimenten zum freien Fall allgemein bekannt. Auch war jenes wahrnehmbare Phänomen Bestandteil der Allgemeinbildung, dass Obst von den Bäumen auf den Boden fällt und sich nicht in den Himmel verflüchtigt, bevor Isaac Newton seine Gesetzte der Schwerkraft in der Philosophiae Naturalis Principia Mathematica veröffentlichte. Newton hat sich zweifelsohne bemüht, aber Einstein hat dann doch gezeigt, dass Newton die Kiste noch nicht voll umfänglich verstanden hat. Wie man heute weiß, lässt sich bei aller wissenschaftlichen Anstrengungen die Bewegung von Galaxien mit dem wissenschaftlichen Verständnis noch immer nicht verstehen. Da kommt zur Unzulänglichkeit der Physiker noch eine gehörige Portion Überheblichkeit und Allmachtsphantasien hinzu. Zum Debakel der Galaxienrotation liest man nämlich mitunter: Die Realität entspricht nicht unseren Modellen. Als ob die Realität es notwendig hätte, sich den wissenschaftlichen Modellen zu beugen? Etwas reflektierter müsste es heißen: unsere Modelle entsprechen nicht der Realität, wir verstehen die Kiste prinzipiell nicht und können daher auch keine validen Modelle entwickeln.
Nun ist es aber so, dass das Phänomen Klang einer E-Gitarre sich aus einem hochkomplexen Zusammenspiel von unterschiedlichen Materialien zusammensetzt. Das Material des Korpus, des Halses, des Griffbretts, der Brücke, des Tremoloblocks bei Strats, der Saiten, dem Magneten und den Wicklungen der PUs, der Position der PUs, der Bauform, um nur einige zu nennen. Darüber hinaus sind auch die raumakustischen Bedingungen und die Klangfärbung des Amps zu berücksichtigen. Spielerische Faktoren kommen noch hinzu. Und ja, das kritische Hinterfragen überzogen wirkender Zuschreibungen ist berechtigt, wenn jemand behauptet, dass er leicht Einzelkomponenten heraushören und eindeutig identifizieren könne, oder dass der Gesamtklang aufgrund der Reduktion auf eine einzelne Komponente zu erklären wäre.
Wie auch immer. Wie dargestellt ist das Phänomen, dass E-Gitarren unterschiedlich klingen und es unterschiedliche Nuancen im Klang einer E-Gitarre gibt, nicht etwas, dass jeder X-Beliebige beurteilen könnte, wie etwa das Phänomen: what goes up must come down. Nicht jedem ist es gegeben, Unterschiede und Nuancen zu hören. Es braucht schon Talent, Erfahrung und Übung, um Unterschiede heraushören zu können. Wer seine Gitarre ohne Stimmgerät nicht stimmen kann, wem für die Zieltöne seiner Bendings ein Stimmgerät nahegelegt wird, wer seine Gitarre nicht selbst einstellen kann, wer seine Parts nicht mit gleicher Anschlagstärke reproduzieren kann, wer es nicht schafft, innerhalb von fünf Minuten auf einem fremden Equipment einen brauchbaren Sound einzustellen oder nur bei bestimmten Griffbrettradien oder Halsstärken spielen kann, der sollte nicht unbedingt erste Wahl sein, um an einem validen Experiment teilzunehmen. Und nebenbei bemerkt, sich zurückhaltend verhalten und sich nicht dem Kreis der Talentierten, Erfahrenen und Geübten zurechnen.
Es ist verständlich und nachvollziehbar, dass es frustrierend ist, wenn man zu jenen gehört, die Unterschiede nicht wahrnehmen können. Da gibt es die einen, die sagen, ok, wird wohl an mir liegen. Dann gibt es aber auch jene, die sich selbst für das Maß aller Dinge halten: was ich nicht kann, kann nicht sein. Nun haben wir alle das Recht auf freie Meinungsäußerung. Und so kommt es mitunter auch vor, dass auch so manche sich bemüßigt fühlen, Gebrauch davon zu machen, die nicht in der Lage sind, Unterschiede wahrnehmen zu können. Es braucht aber schon ein gewisses Maß an Überheblichkeit und Arroganz, unzähligen Gitarrebauern, Herstellern, Gitarre Designern, Custom Shop und Master Buildern weltweit zu unterstellen, sie hätten eine Wahrnehmungsstörung und das was sie an Überlegungen zum Klang-Design anstellen, sei alles Humbug, weil Holz keinen Einfluss haben könne, wenn es nicht jeder hören kann.
Bevor Johannes Gensfleisch zur Laden zum Gutenberg den Buchdruck erfunden hat, war es schwierig, diese Verschwörungstheorie in die Welt hinaus zu tragen. Im Zeitalter des Internets ist es dagegen zur Kür geworden, etablierte Wahrheiten in Frage zu stellen und sich ein lauschiges Plätzchen zu suchen, in dem man auf Gleichgesinnte trifft und sich an regem Zulauf und Zuspruch erfreuen kann. Man spricht es nicht direkt aus, dass man selbst das Maß aller Dinge ist und renommierte Gitarrenbauer und -designer weltweit einer Fehlwahrnehmung aufsitzen. Damit würde man sich argumentativ ins Out spielen. Aber indem man auf Wissenschaftlichkeit pocht, kann man ganz subtil allen wahrnehmungsbegabten Experten ihre Wahrnehmungs-Kompetenz absprechen und sie als inkompetent hinstellen, ohne es direkt formulieren zu müssen.
Mit diesem Statement überlasse ich euch jetzt wieder eurer öffentlich zur Schau gestellten Hilflosigkeit auf der Suche nach einem validen wissenschaftlichen Experiment zur Verifizierung des ohnedies längst bewiesenen Umstandes, dass Holz Auswirkungen auf den Ton einer E-Gitarre hat.
Halten wir zwischendurch einfach mal wieder fest: Solange nicht eindeutig und nachvollziehbar bewiesen wird, dass die Wissenschaft irrt, gehe ich weiter davon aus, dass das Holz einer E-Gitarre keinen hörbaren Einfluss auf den Klang hat. Und vertraue lieber meinen eigenen Ohren
Bleib dran! Du bist da etwas ganz Großem auf der Spur. Mit deiner investigativen Hartnäckigkeit wirst du dieses weltumspannende Netz einer gemeinen, hinterlistigen Verschwörung, dass alle Gitarristen weltweit in Geiselhaft nimmt, zu Fall bringen.
