Gitarrenvoicings raushören

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Hallo, ich würde gerne ein paar Chord Melody Sachen raushören. Gerade bei den klanglich dichten Gitarrenvoicings fällt mir das allerdings sehr schwer.

Habt ihr spezielle Herangehensweisen, wenn ihr mehr hören wollt als die Melodie?

Momentan höre ich die die Sopranstimme raus (wenn man es so bezeichnen will) und versuche den Bass zu ergänzen, den Rest fülle ich dann mit trial and error auf.
 
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Eeeh, na, da hast du einen Nerv getroffen. Chord Melody Sachen raushören interessiert mich auch. Mit den klanglich dichten Gitarrenvoicings meinst du jetzt nochmal genau was? Bezieht sich deine Beschreibung klanglich dicht auf den knappen Unterschied von Drop D zu Standard?

Eigentlich ist es ja so , dass beim Zuhören immer ein Abgleich zwischen bekannt und unbekannt im Gehirn stattfindet. So in etwa dürfte das auch Helmholtz schon in seiner Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik beschrieben haben.

Meine Art: .. ich leg eine Platte auf und höre, bis ich etwas erkenne, von dem ich denke, es auf der Gitarre spielen zu können. Dann spiele ich zur Plattenmusik etwas bis es passt oder nicht. Ich habe weder das Handtuch geworfen noch die Flinte ins Korn geschmissen, nur erkannt, das mein Können und Wissen im Detail noch nicht ausreicht. Nun sind meine Vorlagen, also das was mein Interesse weckt, selten die Reinform . Für den Sound wurden Spuren gedoppelt, der Ton mit Effekten aufgepeppt und auf das Wah-Pedal getreten. Eigentlich ist nicht die Unfähigkeit schuld am Dilemma, sondern die Fähigkeit, die Qualität der Vorlage.

Vielleicht ist es auch zu viel verlangt. Als Fourier und Helmholtz damals den Beginn der Tonanalyse starteten, galt die Erkennung des Klanges einer Geige schon als Erfolg. Die Tonzuordnung verlangt schon Geduld. Neben Instrumentenerkennung gibt es im heutigen Fall auch noch die Entscheidung zwischen technisch und menschlich erzeugten Klang. Eine Festlegung auf ein Genre gibt dann schon eine Orientierung.

Wenn es um die Frage nach einem Kenntnisgewinn geht, dann seien als Beispiel mal die Realbooks und deren Beliebtheit erwähnt. Mit den Sammlungen wächst auch die Kenntnis zum Gesammelten. Wenn diese Realbooks zur Verunklärung beitrügen , wären sie nicht beliebt.

Also, ich höre mehr als nur eine Melodie. Das ist gewiss. Die Spezialität muss sich vielleicht noch entwickeln.
 
Habt ihr spezielle Herangehensweisen, wenn ihr mehr hören wollt als die Melodie?

Ich persönlich bin da früher, als ich noch Gitarre gespielt habe, so vorgegangen:

Ich habe öfter mal Akkordsoli von Joe Pass oder Wes Montgomery abgehört. Ich habe mich dabei weniger an den einzelnen "Stimmen" oder Tönen orientiert, als am
Gesamtklang der jeweiligen Harmonien.
Es ist ja bei diesem Stil mehr oder weniger jedem Melodieton ein bestimmter Akkord zugeordnet. Wenn man nun den jeweiligen Akkord, oder mindestens die Akkord-Qualität (maj, min, dom7, sus, dim, m7b5) identifiziert, der/de zum jeweiligen Melodieton gehört, und das ganze mit den spieltechnischen Möglichkeiten kombiniert, kommt man in den meisten Fällen gut auf die Lösungen.
Überhaupt dann, wenn man berücksichtigt: "Die kochen auch nur mit Wasser" ... nur, daß sie halt besser kochen als wir ... :)

LG
Thomas
 
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Hallo zusammen,

das Heraushören von Akkordvoicings ist nicht einfach, zumal sich ja auch diverse Obertöne überlagern (z. B. klingt bei jedem Ton relativ deutlich die Oktave und ein bisschen die Quinte mit).

Verschiedene Menschen hören verschieden - manche hören relativ gut Einzeltöne heraus.
Das scheint ja bei Dir, @bluestime , nicht so sehr der Fall zu sein:

Gerade bei den klanglich dichten Gitarrenvoicings fällt mir das allerdings sehr schwer.

Manche nehmen eher den gesamten Klangeindruck wahr, weil sie gelernt haben, wie ein Major 7 klingt oder ein 7(#13) usw., also so, wie es @turko beschreibt:

Ich habe mich dabei weniger an den einzelnen "Stimmen" oder Tönen orientiert, als am
Gesamtklang der jeweiligen Harmonien.


Wenn man das geschafft hat, ist man schon einen großen Schritt weiter.
Ansonsten bescheiden anfangen: Dur und Moll unterscheiden sollte klappen, dann überlegen, ob es einfache Dreiklänge sind oder noch Optionstöne dabei (wenn ja, welche).

Wissen, welche Töne charakteristisch und wichtig sind und welche weggelassen werden können (auf die Quinte im Akkord kann man meist sehr gut verzichten, außer, sie ist vermindert oder übermäßig, aber das hört man dann auch deutlich heraus).

Um dann an die konkret gespielten Voicings zu kommen, sind alle Tricks erlaubt (mit der Zeit und wachsender Erfahrung geht das immer besser):

Eine wesentliche Hilfe versteckt sich in dem Satz
und das ganze mit den spieltechnischen Möglichkeiten kombiniert,

Man nutzt also im Grunde die "Beschränkungen" der Gitarre aus: Man kennt die Saiten und ihre Stimmung (erster Ansatz: Standard-Tuning) und auch Wes Montgomery hatte nur vier Finger an der Hand. Mit der begrenzten Spannweite, Beweglichkeit und den grifftechnischen Möglichkeiten (Finger auf nur einer Saite oder Barré, die Anatomie setzt auch Grenzen) kann man die Voicing-Varianten meist recht gut weiter eingrenzen.
Sehr frei nach Sherlock Holmes: "Wenn man die unmöglichen Griffe aussortiert, bleiben die möglichen übrig".

Auch erlaubt ist es, in hartnäckigen Fällen das Abspieltempo zu drosseln. Bei Spielweise mit Plektrum hört man oft sogar recht gut, wie die Akkordtöne nacheinander kommen und kann sie so viel leichter isolieren und einzeln identifizieren.

Vielleicht wäre es interessant, hier mal ein kurzes Hörbeispiel einzustellen, das man sich erarbeiten kann.

Viele Grüße
Torsten
 
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Ich bin gerade dabei Intro + ersten Chorus von folgendem zu erarbeiten:
Vielleicht könnt ihr mal einen Blick über die ersten Takte werfen, die ich schon gemacht habe.


Mit den klanglich dichten Gitarrenvoicings meinst du jetzt nochmal genau was?
Glaube eher so eine akustische Sache. Drop3 Voicings fallen mir beispielsweise leichter als Drop2.

Ansonsten bescheiden anfangen: Dur und Moll unterscheiden sollte klappen, dann überlegen, ob es einfache Dreiklänge sind oder noch Optionstöne dabei (wenn ja, welche).
Guter Ratschlag, vielleicht sollte ich mich noch ein wenig mit den Klängen vertraut machen wenn es über den Dreiklang hinaus geht :D
 

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Ich würde sagen, die ersten beiden Takte sind ein chromatisch absteigender 7/13-Akkord (also der erste Akkord von oben nach unten: Ab-F-C-Gb)

Weiter will und kann ich mich derzeit nicht vorwagen, weil ich keine Gitarre (mehr) zu Hause habe, und ohne die bin ich mir nicht sicher genug, um anderen Leuten
gute Ratschläge geben zu können.

LG
Thomas
 
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Ich bin gerade dabei Intro + ersten Chorus von folgendem zu erarbeiten:
Vielleicht könnt ihr mal einen Blick über die ersten Takte werfen, die ich schon gemacht habe.
:D

Sehr schön - so wird das was! :great:
Dann haben wir nämlich eine konkrete Arbeitsgrundlage und Du hast Deine Ergebnisse vorgestellt - so stelle ich mir das vor. :)


Was schon mal gut ist:
  • Tonart (Vorzeichen) richtig erkannt
  • Melodie (höchste Stimme) klanglich (fast) richtig erkannt - bis auf das Ende.

Woran Du noch arbeiten musst:
  • Rhythmische Darstellung (wo ist die 1 usw.), das ist aber jetzt sekundär
  • Akkorde an ihrem Klang zu erkennen:

Guter Ratschlag, vielleicht sollte ich mich noch ein wenig mit den Klängen vertraut machen wenn es über den Dreiklang hinaus geht :D

Genau. Fangen wir doch gleich mit dem ersten Akkord an.
Der höchste Ton stimmt, das ist ein As. OK.
Aber klingt das wirklich nach Gb7(9)?

Ich höre da eher einen As6 (als Ausgangsbasis). Evtl. mit Septime. Aber schauen wir mal nach, denn
Jetzt kommen die Gitarren-Beschränkungen:
Höchster Ton as: h-Saite im 9. Bund. OK.
Bei einem AS6-Akkord käme dann darunter ein F, das wäre die g-Saite im 10. Bund. Soweit auch OK.
Wenn man nun aber ein Es spielen möchte, müsste man auf der d-Saite in den 13. Bund kommen.
Das ist (mir) kaum möglich und außerdem ist das sowieso nur die Quinte - also lassen wir das Es weg, obwohl sie für die "Reibung" wichtig wäre! Gibt es adäquaten Ersatz? - JA! (kommt zum Schluss mit der a-Saite, praktisch Drop 2).
Als nächste käme ein C. Das ist auch wichtig, denn als Terz im Akkord unterscheidet es zwischen Dur und Moll-Charakter. Ja, das geht auf der g-Saite: und zwar im 10. Bund.
Was machen wir dann mit der a-Saite? Und hier kommt das Ges ins Spiel, das Du als Akkord-Grundton gesehen hast. Es ist aber eher die Septime des As-Akkords. a-Saite im 9. Bund.

Ergebnis (erster Akkord):

mellow-tone-burrell-1.png


Vergleiche das mal mit Deinem Ergebnis - höre genau nach und berichte.

Übrigens: Auch ohne Bass bzw. expliziter Bass-Stimme ist das ein chromatischer Abgang von As (der Tonika) bis zum Dominante Es. Und auch die Melodietöne sind genau dieser chromatische Abgang (das wäre bei Dir noch melodiös zu korrigieren.

Und weiter geht's zum nächsten Schritt/Versuch. :great:

Viele Grüße
Torsten


Edit: (gerade erst gesehen, das kommt davon, wenn man zu viel parallel macht):
@turkos Interpretation als 13er-Akkord passt ja viel besser als meine 6er-Version, aber an den Tönen ändert es nichts.
Das F ist jedenfalls absolut klangfärbend (egal, ob man es 6 oder 13 nennt).
Ich habe das Ergebnis übrigens mit meiner (Billig-)Konzertgitarre am lebenden Objekt ausprobiert - ist so absolut spielbar und liegt natürlich.
 
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@turko @Be-3 erstmal vielen Dank! Ich denke an diesen Akkorden zeigt sich schon mein Problem, ich habe ungefähr einen Klangeindruck aber gerade die Mittelstimmen kann ich schwierig einordnen. Ich mache mal ein paar Takte weiter und melde mich dann wieder hier! :)
 
Ich denke an diesen Akkorden zeigt sich schon mein Problem, ich habe ungefähr einen Klangeindruck aber gerade die Mittelstimmen kann ich schwierig einordnen.

Genau aus diesem Grund habe ich ja mit meiner vagen F-Idee (6 oder 13) angefangen und über die Beschränkungen der Gitarre und der menschlichen Hand eine Lösung zusammengebaut, die dann "nur noch" den Hör-/Vergleichstest überstehen muss.
Da war zunächst noch nicht einmal die 7 dabei, sie kam automatisch, weil mit Grundton As auf der a-Saite irgend etwas gefehlt hätte.

Eine (gedachte) Bass-Stimme kann da wirklich helfen, denn Deine Akkorde (im ersten Versuch) gehen vom tiefsten Ton als Grundton aus, was nicht immer der Fall sein muss - wegen möglicher Umkehrungen oder rootless voicings (also Voicings ohne Grundton).

Der erste Akkord ist also ein As-irgendwas, das wäre die erste Erkenntnis, noch bevor es an Dur, Moll und Optionstöne geht.
Und eben kein Ges-irgendwas, nur, weil (zufällig) Ges der tiefste Ton im Voicing ist.
Ges ist hier die Septime - der Grundton des Akkords ist As.

@turko hat ja eigentlich schon verraten, wie es weitergeht.

Viele Grüße
Torsten
 

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