Hallo dadu,
noch ein paar Anmerkungen zu verschiedenen schon genannten Punkten.
Das
Absprechen: Stücke, die man absprechen muss, sind mal generell nicht so geeignet, denn Konfusion ist vorprogrammiert, wenn nicht alle Beteiligten das Stück wirklich gut kennen. Beliebte Problemzonen sind wie Night in Tunisia Stücke, die in unterschiedlichen Formen gespielt werden (z.B. Corcovado ... "kurze" oder "lange" Form), oder Stücke, deren Solochorus sich vom Thema unterscheidet (Stolen Moments wurde genannt, betrifft z.B. auch Goodbye Pork Pie Hat, generell viele Moll-Blues). Absprechen sollte auf jeden Fall in Ruhe in der Pause passieren und nicht auf der Bühne, das ist fürs Publikum nicht so toll. Aber grau ist alle Theorie, in der Praxis siehts oft anders aus.
Die
Rolle des Pianisten: ... ist auch oft die, einfach Stücke mitspielen zu müssen, die sich andere wünschen. Der Nachteil ist, man muss ein gewisses Grundrepertoire haben, um sessiontauglich zu sein, am besten die Stücke, die auch üblicherweise auf der Session gespielt werden, die man ins Auge gefasst hat. Da gibts durchaus erhebliche stilistische und regionale Unterschiede. Der Vorteil ist wiederum, man muss nicht überall die Themen können, die spielt defacto immer ein Bläser. Auch kann man ein Solo abwinken, wenn man sich auf dem Stück nicht so sicher fühlt. Solange man es vom Hören einigermaßen kennt und mit den Changes auf dem Blatt was anfangen kann, ist alles in Butter. Hier ist McCoys Hinweis entscheidend zur Begleitung (Comping)!
Die
Session: Schau dir die konkrete Location vorher als Zuschauer an, wenn möglich. Finde raus, wer sind die Platzhirsche. Es gibt auf jeder Session Leute, die immer oder häufig kommen, quasi die Stammeinsteiger. Wenn du etwa weißt, was die vom Stil her so spielen und was die häufigsten Stücke sind, kannst du dich heimlich vorbereiten und dann locker ausm Handgelenk spielen. Das braucht vielleicht ein paar mehr Besuche, ist aber auch weiterhin empfehlenswert, falls du da schon mitgespielt hast. Gut zu wissen ist auch der lokale modus operandi, also gibts einen Sessionleiter, wie werden üblicherweise die Positionen durchgewechselt, etc. Das hilft dann, mit den eigenen Lieblingsstücken an der richtigen Stelle zu spielen und nicht am Piano nehmen zu müssen, was übrig bleibt.
Das
Auftreten: Du bist jung, da werden Fehler verziehen. Nutze das. Nichts öffnet Türen schneller, als wenn du dich interessiert zeigst und bereit bist, von gestandenen Größen zu lernen. Ganz falsch wäre wiederum die Platz-da-hier-komm-ich-Attitüde. Brauche ich wahrscheinlich nicht weiter zu erklären, du wirst auf fast jeder Session jemanden sehen, der dir das demonstriert.

Hab auch Verständnis, wenn ein paar gute Jungs es mal richtig krachen lassen wollen und dafür vielleicht nicht unbedingt den "Neuen" am Klavier brauchen können.
Die
Jazzpolizei: Die wirst du auch treffen. Es wird immer jemanden geben, der dir sagt, dass man diese oder jene Sachen entweder viel cooler oder überhaupt besser spielen kann und dass dieses oder jene Stück ja überhaupt nicht geht. Und zwar nicht um dir zu helfen, sondern um seine Überlegenheit im Genre zu demonstrieren. Ignorier das einfach und "lächle es weg".

In dem Moment, wo du am Instrumemt sitzt, bestimmst auch du, was darauf gespielt wird. In erster Linie sollte das Musik sein und keine Technikdemonstration. Und wenn der ganze Raum voller Pianisten sitzt, die alle "besser" sind als du, das spielt keine Rolle. Im Jazz gehts auch um die persönliche Note, und während du spielst, ist das nur deine ganz allein.
Die
Wundertüte: Auf einer Session kann alles passieren. Oder nix. Im Guten wie im Schlechten. Also auf jeden Fall mehrmals hingehen, egal, obs lief oder nicht. Nur wenn Leute und Stil dir überhaupt nicht passen, dann wirds vielleicht nix auf die Dauer.
Das
Netzwerk: Musiker, die Sessions spielen, trifft man i.d.R. nicht nur auf einer Session. Wenn du einmal ein paar Leute kennst (deren Stil, Stücke) und hier und da wiedertriffst, wirds um so einfacher, auch auf anderen Sessions als deiner Einstiegssession "reinzukommen". Das anfänglich schier unerschöpfliche Füllhorn an Musikern wird sich als überschaubare Runde entpuppen.
Zum Abschluss noch etwas Humor, offensichtlich aus Amerika:
http://www.allowe.com/Humor/book/The Jazz Jam Session Primer.htm
Ist nicht überall so hart wie da.
