DirkS
Moderator E-Gitarren HCA frühe PRS und Superstrats
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Da der Name Kammler in den letzten Monaten wieder verstärkt in den Fokus des MB gerät, ist es vielleicht einmal an der Zeit, einen eigenen Kammler-Thread einzurichten.
Ich mache einfach mal den Anfang mit einem Review meiner Kammler Mono-Kai Box mit 12"-Celestion Alnico Cream-Speaker.
Vorab: Ich bin kein Boxenbauer und auch nicht so technikaffin, wie manch anderer User im Board. Daher folgt nur eine auf meine Ohren gestützte persönliche Sichtweise und keine technische Analyse, die ich gern den Experten vorbehalte. Genug der Vorrede, auf geht`s:
Die Auswahl der perfekten Gitarrenbox ist eine ziemlich knifflige Sache. Das Vertrackte am diesem Wunsch ist, dass man im Prinzip die eierlegende Wollmilchsau sucht:
Eine Gitarrenbox soll allein gespielt schön klingen, sich andererseits aber auch in den Bandkontext einfügen und dort durchsetzungsfähig sein.
Sie soll völlig verschiedene Spielstile möglichst perfekt abbilden, also etwa clean offene crispige Höhe und tiefe klare Bässe liefern, verzerrt im klassischen Rock durchsetzungsfähige Mitten, aber auch einmal im modernen Rock mit Scoop-Sounds das genaue Gegenteil.
Das Ganze soll natürlich auch bei Zimmerlautstärke ebenso gut funktionieren wie mit voll aufgedrehten 100 Watt-Tops bei Auftritten.
Und mit jeder Gitarre.
Ach ja, lebendig soll`s klingen und nicht matschig.
Und in jedem Raum, egal ob im kleinen Stübchen oder in einer großen Halle.
Allzu schwer und groß darf die Box natürlich auch nicht sein. Bei einigen Anbietern sollte als Zubehör ein Kran mit geliefert werden…..
Eigentlich sollte klar sein, dass das so nicht funktionieren kann. Natürlich gibt es unzählige Stellschrauben, mit denen man eine Box eigenen Vorstellungen annähern kann, von der Wahl des Speakers (Größe und Typ), Anzahl und Anordnung der Speaker, über Größe der Box, Bauweise der Box (offen, halboffen, geschlossen, Thiele-Typ bis hin zu Materialien, Gewicht, usw. Man kann den Standort im Raum aussuchen und die auf den Boden, geneigt auf den Boden oder auf einen Ständer stellen.
Trotz aller Weiterentwicklungen und einiger neuerer Trends (etwa Speakersimulationen für PA-Direktanschließer oder Recorder) ist die Box noch immer äußerst beliebt und die erste Wahl der meisten Gitarristen. Dabei hat sich im Grunde am Aufbau der Box seit den 50er Jahren herzlich wenig geändert.
Umso spannender ist es, wenn ein kleiner Hersteller mit einem ganz eigenen neuen Konzept versucht, zumindest eines der klassischen Probleme zu lösen.
Ich spiele seit 1984 bis heute ein Marshall JCM 800 Fullstack. 100 Watt und 8 12“-Speaker (Celestions) machen bei Bedarf ordentlich Druck und liefern zumindest ab einer gewissen Lautstärke einen schönen Rocksound. Das Problem aber: Dieser Druck und der gesamte Klang verteilen sich völlig uneinheitlich im Raum. Direkt vor den Boxen „knallt es die Birne weg“, der Sound ist schrill, extrem druckvoll. Stellt man sich aber auch nur einen Meter weiter an die Seite, also „raus aus dem direkten Beam der Speaker“, dann klingt es schon völlig anders. Die Höhen sind nicht mehr so präsent. Und dieses Phänomen setzt sich fort, an jedem neuen Standort im Raum klingt der Sound anders, seitlich der Boxen klingt es fast schon mulmig/matschig.
Würde man den Sound an der Box mit einem gut platzierten Mikro abnehmen und alles durch eine starke PA laufen lassen, dann könnte man das lösen. Aber man hat nun einmal nicht ständig eine leistungsfähige PA bei sich.
Und genau da setzte Kammler an. Sein Ziel war es, eine Box zu entwickeln, die überall im Raum gleich klingt, also vor, neben und sogar hinter der Box.
„Wie soll das denn gehen? Kann doch gar nicht funktionieren! Die Physik lässt sich nicht überlisten.“ So habe ich spontan reagiert, als uns unser Admin @hack_meck anlässlich eines PRS-Laney-Treffens erstmals so eine Box präsentierte. Diese Box wurde in den nächsten Tagen von vielen Hobby- und einem professionellen Ausnahme-Gitarristen ausgiebig gespielt, auch ich bekam die Gelegenheit, an dieser Box ein wenig herum zu stümpern. Wir alle waren verblüfft. Es funktionierte tatsächlich zu nahezu 100%. Mindestens 4 der teilnehmenden Gitarristen haben anschließend spontan so eine Box bestellt, auch ich war nach einigem Zögern dabei.
Als sie bei mir an kam, konnte es losgehen. Jetzt standen Vergleichstests zu meinen vorhandenen Boxen an. Sie musste sich neben dem 8 x 12“ Marshall-Stack unter anderem den Combo-Speakern von Bogner Line6 (jeweils 2 x 12“) und Engl (1 x 12“) stellen, sowie den Boxen von Laney (1 x 12“) und als Krönung der Mesa Boogie Lonestar Private Resarch (2 x 12“).
Als Speaker hatte ich mich für den Celestion Alnico Cream Back mit 8 Ohm entschieden, weil der im Ruf steht, von Zimmerlautstärke bis zu vollen 90 Watt einen sehr gleichmäßigen neutralen Klang zu entfalten.
Fazit nach der ersten Vergleichsrunde: Keine der anderen Boxen kam auch nur annähernd an den Raumklang der Kammler heran. Ich würde sie mit der gewählten Speaker-Bestückung als ausgesprochen neutral beschreiben, ein richtig guter Allrounder.
Stelle ich die Box unmittelbar neben einen Combo oder eine andere Box und schließe beides an, dann scheint unmittelbar vor den Boxen stehend zunächst die andere Box etwas lauter. Klar, das erwartete Resultat, „normale“ Boxen klingen halt unmittelbar vor den Speakern als lautesten. Sobald ich mich aber im Raum bewege, ändert sich das. Je weiter ich „aus der direkten Schusslinie“ der Speaker trete, desto mehr schiebt sich die Kammler in den Vordergrund.
Im Simultanbetrieb normale Box / Kammler ist vor allem unmittelbar nach Anschlag der Töne die normale Box etwas lauter. Die normale Box hat den zielgerichteten Druck direkt vor den Lautsprechern, den Punch, der sich immer durchsetzt. Es geht aber wirklich nur um Nuancen, unmittelbar danach sind beide Boxen etwa gleich laut. Auch die Kammler entwickelt guten Druck, es klingt also keineswegs wie ein über FRFR abgespielter Modeler, bei dem mir persönlich trotz guten Klangs immer etwas der Druck fehlt. Der kleine Unterschied kann allerdings auch aus den unterschiedlichen Speakern resultieren, ich wollte die Kammler mit Celestion Alnico Cream und das ist eher ein Allrounder, als ein spezialisiertes „Druckmonster“.
Außerdem hört man das wirklich nur im direkten Simultanvergleich, einzeln gespielt käme man gar nicht auf die Idee, dass bei der Kammlerbox Druck fehlen könnte. Wirklich nicht.
Dieses Klangbild der simultan betriebenen Normalbox mit Kammlerbox ist tatsächlich großartig. Der am Combo/Amp eingestellte Lieblingssound kommt gefühlt plötzlich aus allen Richtungen. Dieser Effekt funktioniert bestens von clean bis metal. Das hat auch einen weiteren Vorteil: Wenn ein zweiter Gitarrist hinzu kommt, dann ist man selbst dann bestens zu hören, wenn der seinen Amp deutlich lauter aufdreht. Sein Klang ist eher „ein Richtungsstrahl, der einen begrenzten Horizont für sich beansprucht und dort alles nieder mäht“, der Kammler-Sound mag in diesem engen Bereich übertönt werden, kommt aber aus allen Richtungen und ist schon dadurch immer sehr präsent. Man kann also bei Bandproben etwas leiser spielen (jaahaa, guter Witz^^) und wird dennoch gehört.
Nimmt man jetzt die Kammler aus dem Simultanbetrieb wieder heraus, dann klingt der Sound zwar nicht viel leiser, aber spürbar dünner. Man schaltet unwillkürlich nach kurzer Zeit die Kammler wieder dazu.
Im Solo-Betrieb, also ohne andere zusätzliche Box, sind die Vorteile einer Kammler-Box ebenfalls offensichtlich. Bei Auftritten ohne PA hören alle Zuhörer genau denselben Gitarrensound. Und zwar genau den, den Du selbst auch hörst. Und das unabhängig von Raumgröße und –form und davon, wo die Zuhörer im Raum stehen. Das allein ist ein unschätzbarer Vorteil, der für mich ausschlaggebend für den Kauf war.
Ich hatte ferner den Eindruck, dass sich der Klang bei unterschiedlichen Lautstärken etwas weniger verändert, als bei anderen Boxen, auch hier allerdings dürfte der verwendete Speaker eine große Rolle spielen.
Mit 14,5 kg ist die Mono-Kai mit dem Alnico Cream 90Watt bestückte Box etwas leichter als die Vorgängerserie (17,5 kg) und gut transportabel. Die Abmessungen sind aber etwas größer als übliche 1x12-Boxen, gut zu erkennen im nachfolgenden Pic mit einem 30 Watt-Topteil. Wer es kleiner mag kann ein kleineres Gehäuse oder gleich eine 1x10“-Box wählen. Bezogen wird das Holz der Box mit Tolex (in verschiedenen Farben auswählbar), auf Wunsch sind auch andere Optionen erhältlich, etwa eine echte Belederung. Von Kammler gibt es auch Boxen mit 2 x 12" oder 4 x 12" Speakern.
Dann der Band-Test. In einer festen Band spiele ich nicht mehr, da sich feste Übungszeiten leider kaum mit meinem Beruf vereinbaren lassen. Aber zum Glück gibt`s ja befreundete Bands, die einem Jam nicht abgeneigt sind. Also hin mit dem „Grundbesteck“, in diesem Fall ein 2x12“ Bogner Line6 Vollröhrencombo mit 40 Watt und zusätzlich die Kammler. Konkurrenten im Soundgefüge der Band: Ein anderer Gitarrist mit Marshall JVM 50Watt auf 4x12“ 1960A und ein Keyboarder, der über die Band-PA hauptsächlich Flächensounds spielte, Musikstil war eindeutig Rock bis noch melodischer Metal (80er Sounds).
Auch hier galt: Isoliert angeschlossen musste ich für die Kammler des Master-Volume am Amp etwas weiter aufdrehen, um die gefühlt gleiche Lautstärke zu erreichen. Dann aber war ich im Übungsraum richtig gut zu hören mit der erhofften Gleichmäßigkeit des Sounds in jeder Ecke des Übungsraums. Ich habe nichts vermisst, auch nicht den Druck. Den allerding konnte ich noch einmal steigern durch Zuschaltung der Combo-Speaker. Ich habe die Kammler in die eine Ecke des Raums gestellt, in die andere mich und den Combo. So war es dann perfekt: Ich selbst hörte mich über den Combo, dessen Speaker ich auf mich gerichtet hatte, lauter, was ja gewünscht ist, ich brauche dann keinen Monitor mehr, die Band hörte in erster Linie den schön ausgewogenen Kammler-Sound. Genau damit hatte ich den für mich idealen Einsatzzweck gefunden:
Allein gespielt, also ohne Bandbegleitung, ist die Kammler eine richtig gute Wahl. Sie allein hat alles, was eine gute Box braucht, klingt prima und hat eben den zusätzlichen Vorteil des überall gleiches Klanges. In der Band verbinde ich sie gern mit einem Combo, wobei die Kammler für den Bandsound ist und die Combo-Speaker zusätzlich für mich. Ich wünschte nur, man könnte die Lautstärken von Combo und Zusatzbox aufeinander abstimmen, dann würde ich bei Simultanbetrieb den Combospeaker etwas zurücknehmen.
Also ein nur positives Feedback? Fast.
Auf der (vermeintlichen!) Negativseite steht der Preis. Ja, Kammler-Boxen sind erst einmal teuer. Es gibt deutlich billigere Boxen, auch von Markenfirmen. Auf dem Gebrauchtmarkt tauchen sie eher selten auf. Allerdings veräußert Kammler selbst von Zeit zu Zeit Showroom-Exemplare günstiger. Wer es möchte, der kann sogar neue Lautsprecher bei Kammler einschwingen lassen. Man muss beim Preis allerdings genau hinsehen, hier sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, etwa die extrem aufwändige Handarbeit (Dietmar Kammler schafft bei vollem Einsatz gerade einmal die Herstellung einer einzigen Box pro Woche!), die wirklich gute Verarbeitungsqualität, der Mehraufwand für den Tunator (das selbst entwickelte Bauteil, das den gleichen Raumklang erzeugt), die Materialien, die Alleinstellung am Markt, sicher auch ein Aufpreis für die Erfindung selbst, außerdem hält Kammler ja einen Showroom vor, alles Kostenfaktoren.
Das Klangbild der Kammler ist mit dem Alnico Cream sehr gleichmäßig, Höhen, Mitten und Bässe kommen neutral an. Wer ernsthaftes Interesse an einer Kammler hat, der sollte die verschiedenen Modelle und Speakerbestückungen im Showroom in Hamburg (eh immer eine Reise wert^^) ausprobieren. Ich selbst mag den Alnico Cream durchaus, hätte im Nachhinein aber vielleicht doch zu einem Celestion Vintage 30 greifen sollen, das ist halt einfach „mein“ Sound.
Die Box hat nur einen zentralen Griff oben auf dem Gehäuse. Für mich reicht das angesichts des Gewichts von 14,5 kg aus, aber noch besser finde ich die Mehrgrifflösungen, wie sie etwa Laney u.a. anbieten. Die Abmessungen sind in Ordnung, halt eine klassische 12“ Box im etwas größeren Gehäuse.
Edit 18.01.2024: Dietmar wird leider zum Jahresende die Neuproduktion von Kammler-Boxen einstellen und in den Ruhestand eintreten. Das relativiert noch einmal den Preis. Man muss sicher kein Prophet sein, um anzunehmen, dass die Preise für gebrauchte Kammler-Boxen hierdurch noch einmal steigen werden, da die immer größere Nachfrage dann nicht mehr mit neuen Produkten befriedigt werden kann.
Fazit: Tolle Box! Wer die Gelegenheit hat, sich eine auszuleihen oder verschiedene Versionen im Kammler-Showroom anzuspielen, sollte das unbedingt ausnutzen!
@hack_meck : Schön, dass du uns dieses Teil vorgeführt (und uns diesen Floh in`s Ohr gesetzt^^) hast!
Freue mich auf das Feedback anderer Kammler-Nutzer und insbesondere auf deren Einschätzungen.
EDIT: Unbedingt ansehen: Unser späterer Besuch bei Kammler mit Bericht, Bildern der Räumlichkeiten und weiteren Eindrücken hier:
https://www.musiker-board.de/threads/kammler-boxen-user-thread.724113/post-9413050
Abschließend weiterführende Links zu anderen interessanten Threads über Kammler:
Erfahrungen zu Kammler Cabinets (spez. LS <-> Gehäuse Verbundsystem) vorhanden? | Seite 5
| Musiker-Board
Räumliche, groß-klingende 1x12 Box, Kammler? Raptor? Barefaced? | Musiker-Board
Welcher deutsche Cabinet Hersteller ist der beste? | Musiker-Board
Ich mache einfach mal den Anfang mit einem Review meiner Kammler Mono-Kai Box mit 12"-Celestion Alnico Cream-Speaker.
Vorab: Ich bin kein Boxenbauer und auch nicht so technikaffin, wie manch anderer User im Board. Daher folgt nur eine auf meine Ohren gestützte persönliche Sichtweise und keine technische Analyse, die ich gern den Experten vorbehalte. Genug der Vorrede, auf geht`s:
Die Auswahl der perfekten Gitarrenbox ist eine ziemlich knifflige Sache. Das Vertrackte am diesem Wunsch ist, dass man im Prinzip die eierlegende Wollmilchsau sucht:
Eine Gitarrenbox soll allein gespielt schön klingen, sich andererseits aber auch in den Bandkontext einfügen und dort durchsetzungsfähig sein.
Sie soll völlig verschiedene Spielstile möglichst perfekt abbilden, also etwa clean offene crispige Höhe und tiefe klare Bässe liefern, verzerrt im klassischen Rock durchsetzungsfähige Mitten, aber auch einmal im modernen Rock mit Scoop-Sounds das genaue Gegenteil.
Das Ganze soll natürlich auch bei Zimmerlautstärke ebenso gut funktionieren wie mit voll aufgedrehten 100 Watt-Tops bei Auftritten.
Und mit jeder Gitarre.
Ach ja, lebendig soll`s klingen und nicht matschig.
Und in jedem Raum, egal ob im kleinen Stübchen oder in einer großen Halle.
Allzu schwer und groß darf die Box natürlich auch nicht sein. Bei einigen Anbietern sollte als Zubehör ein Kran mit geliefert werden…..
Eigentlich sollte klar sein, dass das so nicht funktionieren kann. Natürlich gibt es unzählige Stellschrauben, mit denen man eine Box eigenen Vorstellungen annähern kann, von der Wahl des Speakers (Größe und Typ), Anzahl und Anordnung der Speaker, über Größe der Box, Bauweise der Box (offen, halboffen, geschlossen, Thiele-Typ bis hin zu Materialien, Gewicht, usw. Man kann den Standort im Raum aussuchen und die auf den Boden, geneigt auf den Boden oder auf einen Ständer stellen.
Trotz aller Weiterentwicklungen und einiger neuerer Trends (etwa Speakersimulationen für PA-Direktanschließer oder Recorder) ist die Box noch immer äußerst beliebt und die erste Wahl der meisten Gitarristen. Dabei hat sich im Grunde am Aufbau der Box seit den 50er Jahren herzlich wenig geändert.
Umso spannender ist es, wenn ein kleiner Hersteller mit einem ganz eigenen neuen Konzept versucht, zumindest eines der klassischen Probleme zu lösen.
Ich spiele seit 1984 bis heute ein Marshall JCM 800 Fullstack. 100 Watt und 8 12“-Speaker (Celestions) machen bei Bedarf ordentlich Druck und liefern zumindest ab einer gewissen Lautstärke einen schönen Rocksound. Das Problem aber: Dieser Druck und der gesamte Klang verteilen sich völlig uneinheitlich im Raum. Direkt vor den Boxen „knallt es die Birne weg“, der Sound ist schrill, extrem druckvoll. Stellt man sich aber auch nur einen Meter weiter an die Seite, also „raus aus dem direkten Beam der Speaker“, dann klingt es schon völlig anders. Die Höhen sind nicht mehr so präsent. Und dieses Phänomen setzt sich fort, an jedem neuen Standort im Raum klingt der Sound anders, seitlich der Boxen klingt es fast schon mulmig/matschig.
Würde man den Sound an der Box mit einem gut platzierten Mikro abnehmen und alles durch eine starke PA laufen lassen, dann könnte man das lösen. Aber man hat nun einmal nicht ständig eine leistungsfähige PA bei sich.
Und genau da setzte Kammler an. Sein Ziel war es, eine Box zu entwickeln, die überall im Raum gleich klingt, also vor, neben und sogar hinter der Box.
„Wie soll das denn gehen? Kann doch gar nicht funktionieren! Die Physik lässt sich nicht überlisten.“ So habe ich spontan reagiert, als uns unser Admin @hack_meck anlässlich eines PRS-Laney-Treffens erstmals so eine Box präsentierte. Diese Box wurde in den nächsten Tagen von vielen Hobby- und einem professionellen Ausnahme-Gitarristen ausgiebig gespielt, auch ich bekam die Gelegenheit, an dieser Box ein wenig herum zu stümpern. Wir alle waren verblüfft. Es funktionierte tatsächlich zu nahezu 100%. Mindestens 4 der teilnehmenden Gitarristen haben anschließend spontan so eine Box bestellt, auch ich war nach einigem Zögern dabei.
Als sie bei mir an kam, konnte es losgehen. Jetzt standen Vergleichstests zu meinen vorhandenen Boxen an. Sie musste sich neben dem 8 x 12“ Marshall-Stack unter anderem den Combo-Speakern von Bogner Line6 (jeweils 2 x 12“) und Engl (1 x 12“) stellen, sowie den Boxen von Laney (1 x 12“) und als Krönung der Mesa Boogie Lonestar Private Resarch (2 x 12“).
Als Speaker hatte ich mich für den Celestion Alnico Cream Back mit 8 Ohm entschieden, weil der im Ruf steht, von Zimmerlautstärke bis zu vollen 90 Watt einen sehr gleichmäßigen neutralen Klang zu entfalten.
Fazit nach der ersten Vergleichsrunde: Keine der anderen Boxen kam auch nur annähernd an den Raumklang der Kammler heran. Ich würde sie mit der gewählten Speaker-Bestückung als ausgesprochen neutral beschreiben, ein richtig guter Allrounder.
Stelle ich die Box unmittelbar neben einen Combo oder eine andere Box und schließe beides an, dann scheint unmittelbar vor den Boxen stehend zunächst die andere Box etwas lauter. Klar, das erwartete Resultat, „normale“ Boxen klingen halt unmittelbar vor den Speakern als lautesten. Sobald ich mich aber im Raum bewege, ändert sich das. Je weiter ich „aus der direkten Schusslinie“ der Speaker trete, desto mehr schiebt sich die Kammler in den Vordergrund.
Im Simultanbetrieb normale Box / Kammler ist vor allem unmittelbar nach Anschlag der Töne die normale Box etwas lauter. Die normale Box hat den zielgerichteten Druck direkt vor den Lautsprechern, den Punch, der sich immer durchsetzt. Es geht aber wirklich nur um Nuancen, unmittelbar danach sind beide Boxen etwa gleich laut. Auch die Kammler entwickelt guten Druck, es klingt also keineswegs wie ein über FRFR abgespielter Modeler, bei dem mir persönlich trotz guten Klangs immer etwas der Druck fehlt. Der kleine Unterschied kann allerdings auch aus den unterschiedlichen Speakern resultieren, ich wollte die Kammler mit Celestion Alnico Cream und das ist eher ein Allrounder, als ein spezialisiertes „Druckmonster“.
Außerdem hört man das wirklich nur im direkten Simultanvergleich, einzeln gespielt käme man gar nicht auf die Idee, dass bei der Kammlerbox Druck fehlen könnte. Wirklich nicht.
Dieses Klangbild der simultan betriebenen Normalbox mit Kammlerbox ist tatsächlich großartig. Der am Combo/Amp eingestellte Lieblingssound kommt gefühlt plötzlich aus allen Richtungen. Dieser Effekt funktioniert bestens von clean bis metal. Das hat auch einen weiteren Vorteil: Wenn ein zweiter Gitarrist hinzu kommt, dann ist man selbst dann bestens zu hören, wenn der seinen Amp deutlich lauter aufdreht. Sein Klang ist eher „ein Richtungsstrahl, der einen begrenzten Horizont für sich beansprucht und dort alles nieder mäht“, der Kammler-Sound mag in diesem engen Bereich übertönt werden, kommt aber aus allen Richtungen und ist schon dadurch immer sehr präsent. Man kann also bei Bandproben etwas leiser spielen (jaahaa, guter Witz^^) und wird dennoch gehört.
Nimmt man jetzt die Kammler aus dem Simultanbetrieb wieder heraus, dann klingt der Sound zwar nicht viel leiser, aber spürbar dünner. Man schaltet unwillkürlich nach kurzer Zeit die Kammler wieder dazu.
Im Solo-Betrieb, also ohne andere zusätzliche Box, sind die Vorteile einer Kammler-Box ebenfalls offensichtlich. Bei Auftritten ohne PA hören alle Zuhörer genau denselben Gitarrensound. Und zwar genau den, den Du selbst auch hörst. Und das unabhängig von Raumgröße und –form und davon, wo die Zuhörer im Raum stehen. Das allein ist ein unschätzbarer Vorteil, der für mich ausschlaggebend für den Kauf war.
Ich hatte ferner den Eindruck, dass sich der Klang bei unterschiedlichen Lautstärken etwas weniger verändert, als bei anderen Boxen, auch hier allerdings dürfte der verwendete Speaker eine große Rolle spielen.
Mit 14,5 kg ist die Mono-Kai mit dem Alnico Cream 90Watt bestückte Box etwas leichter als die Vorgängerserie (17,5 kg) und gut transportabel. Die Abmessungen sind aber etwas größer als übliche 1x12-Boxen, gut zu erkennen im nachfolgenden Pic mit einem 30 Watt-Topteil. Wer es kleiner mag kann ein kleineres Gehäuse oder gleich eine 1x10“-Box wählen. Bezogen wird das Holz der Box mit Tolex (in verschiedenen Farben auswählbar), auf Wunsch sind auch andere Optionen erhältlich, etwa eine echte Belederung. Von Kammler gibt es auch Boxen mit 2 x 12" oder 4 x 12" Speakern.
Dann der Band-Test. In einer festen Band spiele ich nicht mehr, da sich feste Übungszeiten leider kaum mit meinem Beruf vereinbaren lassen. Aber zum Glück gibt`s ja befreundete Bands, die einem Jam nicht abgeneigt sind. Also hin mit dem „Grundbesteck“, in diesem Fall ein 2x12“ Bogner Line6 Vollröhrencombo mit 40 Watt und zusätzlich die Kammler. Konkurrenten im Soundgefüge der Band: Ein anderer Gitarrist mit Marshall JVM 50Watt auf 4x12“ 1960A und ein Keyboarder, der über die Band-PA hauptsächlich Flächensounds spielte, Musikstil war eindeutig Rock bis noch melodischer Metal (80er Sounds).
Auch hier galt: Isoliert angeschlossen musste ich für die Kammler des Master-Volume am Amp etwas weiter aufdrehen, um die gefühlt gleiche Lautstärke zu erreichen. Dann aber war ich im Übungsraum richtig gut zu hören mit der erhofften Gleichmäßigkeit des Sounds in jeder Ecke des Übungsraums. Ich habe nichts vermisst, auch nicht den Druck. Den allerding konnte ich noch einmal steigern durch Zuschaltung der Combo-Speaker. Ich habe die Kammler in die eine Ecke des Raums gestellt, in die andere mich und den Combo. So war es dann perfekt: Ich selbst hörte mich über den Combo, dessen Speaker ich auf mich gerichtet hatte, lauter, was ja gewünscht ist, ich brauche dann keinen Monitor mehr, die Band hörte in erster Linie den schön ausgewogenen Kammler-Sound. Genau damit hatte ich den für mich idealen Einsatzzweck gefunden:
Allein gespielt, also ohne Bandbegleitung, ist die Kammler eine richtig gute Wahl. Sie allein hat alles, was eine gute Box braucht, klingt prima und hat eben den zusätzlichen Vorteil des überall gleiches Klanges. In der Band verbinde ich sie gern mit einem Combo, wobei die Kammler für den Bandsound ist und die Combo-Speaker zusätzlich für mich. Ich wünschte nur, man könnte die Lautstärken von Combo und Zusatzbox aufeinander abstimmen, dann würde ich bei Simultanbetrieb den Combospeaker etwas zurücknehmen.
Also ein nur positives Feedback? Fast.
Auf der (vermeintlichen!) Negativseite steht der Preis. Ja, Kammler-Boxen sind erst einmal teuer. Es gibt deutlich billigere Boxen, auch von Markenfirmen. Auf dem Gebrauchtmarkt tauchen sie eher selten auf. Allerdings veräußert Kammler selbst von Zeit zu Zeit Showroom-Exemplare günstiger. Wer es möchte, der kann sogar neue Lautsprecher bei Kammler einschwingen lassen. Man muss beim Preis allerdings genau hinsehen, hier sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, etwa die extrem aufwändige Handarbeit (Dietmar Kammler schafft bei vollem Einsatz gerade einmal die Herstellung einer einzigen Box pro Woche!), die wirklich gute Verarbeitungsqualität, der Mehraufwand für den Tunator (das selbst entwickelte Bauteil, das den gleichen Raumklang erzeugt), die Materialien, die Alleinstellung am Markt, sicher auch ein Aufpreis für die Erfindung selbst, außerdem hält Kammler ja einen Showroom vor, alles Kostenfaktoren.
Das Klangbild der Kammler ist mit dem Alnico Cream sehr gleichmäßig, Höhen, Mitten und Bässe kommen neutral an. Wer ernsthaftes Interesse an einer Kammler hat, der sollte die verschiedenen Modelle und Speakerbestückungen im Showroom in Hamburg (eh immer eine Reise wert^^) ausprobieren. Ich selbst mag den Alnico Cream durchaus, hätte im Nachhinein aber vielleicht doch zu einem Celestion Vintage 30 greifen sollen, das ist halt einfach „mein“ Sound.
Die Box hat nur einen zentralen Griff oben auf dem Gehäuse. Für mich reicht das angesichts des Gewichts von 14,5 kg aus, aber noch besser finde ich die Mehrgrifflösungen, wie sie etwa Laney u.a. anbieten. Die Abmessungen sind in Ordnung, halt eine klassische 12“ Box im etwas größeren Gehäuse.
Edit 18.01.2024: Dietmar wird leider zum Jahresende die Neuproduktion von Kammler-Boxen einstellen und in den Ruhestand eintreten. Das relativiert noch einmal den Preis. Man muss sicher kein Prophet sein, um anzunehmen, dass die Preise für gebrauchte Kammler-Boxen hierdurch noch einmal steigen werden, da die immer größere Nachfrage dann nicht mehr mit neuen Produkten befriedigt werden kann.
Fazit: Tolle Box! Wer die Gelegenheit hat, sich eine auszuleihen oder verschiedene Versionen im Kammler-Showroom anzuspielen, sollte das unbedingt ausnutzen!
@hack_meck : Schön, dass du uns dieses Teil vorgeführt (und uns diesen Floh in`s Ohr gesetzt^^) hast!
Freue mich auf das Feedback anderer Kammler-Nutzer und insbesondere auf deren Einschätzungen.
EDIT: Unbedingt ansehen: Unser späterer Besuch bei Kammler mit Bericht, Bildern der Räumlichkeiten und weiteren Eindrücken hier:
https://www.musiker-board.de/threads/kammler-boxen-user-thread.724113/post-9413050
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