Lebe deinen Traum - oder nicht, oder doch, oder was?

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Sunny_Hunny
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Bin gerade so ein bisschen in einer Sinnkrise. Naja, ist spät geworden gestern Abend und da kommen einem dann oft doofe aber essentielle Fragen in den Kopf…


Mein Problem ist irgendwie: ich krieg’s nicht auf die Kette, dieses Ganze „Lebe deinen Traum!“-Zeug und ich könnt‘ mich selbst dafür ohrfeigen – aber ich kann irgendwie nicht ins kalte Wasser springen und weiß auch nicht so wirklich warum.


Dabei hab ich schon so vieles vergeigt, einfach weil ich mich nicht entscheiden konnte, bzw. zu ‚vernünftig‘ war. Das hört sich jetzt vielleicht blöd an, aber ich habe eigentlich viele Talente, für die mich vielleicht sogar einige beneiden. Ich find das aber mittlerweile frustrierend bis deprimierend, weil mir a) schon so viel durch die Lappen gegangen ist und sich deswegen b) meine Zukunft eigentlich nur noch verschlechtern kann…


In der Pubertät bin ich irgendwie zum Tanzen gekommen und war ziemlich erfolgreich (bis auf Europa-Ebene), habe mich mit meinen Trainern verkracht, das war’s dann. Mit 16, also eigentlich viel zu spät, habe ich mit Ballett angefangen und meine Lehrerin hätte mich fast geohrfeigt, warum ich erst jetzt angefangen habe. Eine Ausbildung im Schnellverfahren war eine ernsthafte Option – aber auch da hat mir meine Familie klar gemacht, dass das auf gar keinen Fall ginge. Einerseits waren sie immer ganz begeistert, wie toll und viel ich kann, aber wenn es darum ging das Ganze wirklich beruflich anzugehen, dann fanden sie das albern und wollten mir die Flausen austreiben.



Anscheinend mit Erfolg. Heute sitz ich an der Uni und studiere was „Normales, Anständiges“ und habe keine Ahnung, wo es hingehen soll. Ach ja, mach immer noch Musik, laut Aussage vieler Leute auch ziemlich gut. Ich weiß das hört sich abgehoben an, aber es ist so. Irgendwie hat es aber das Jahrelange runterbeten von „Kind, mach was Gescheites“ geschafft, sich in mein Hirn zu fressen und ich habe einfach nicht den Mut, mein Studium (das ‚dummerweise‘ auch noch ganz gut läuft) jetzt in der Mitte hinzuschmeißen, um in die Musik zu gehen – auch wenn das heißt, dass aus der Musik nie was wird. Wie gesagt, wir haben wirklich kein Geld, ich muss arbeiten gehen und ich merke, wie durch Uni und Job so gut wie keine Zeit für die Musik bleibt, zumindest nicht ernsthaft.



So und jetzt hock‘ ich hier mit gerade mal 23, für den Tanz bin ich zu alt, habe zu wenig Erfahrung und Ausbildung und trotzdem kotzt es mich an das aufzugeben. Die Musik ist immer da, aber wenn ich das Studium hinschmeiße habe ich gar nichts und bei meiner Familie müsste ich wohl gar nicht mehr aufkreuzen. Mann, ich bin 23 und hab Torschlusspanik, weil ich das Gefühl hab nichts auf die Reihe bekommen zu haben, alle Türen sind verschlossen oder gerade dabei sich zu schließen. Und bitte, BITTE! nicht der Spruch „Na dann lass doch die Musik als Hobbie…“. Bei der Vorstellung 8-10 Stunden täglich im Büro zu hocken oder irgendwas Diffusem, Halbherzigen nachzugehen (und für meinen Studiengang sind das eben meist die normalen Jobs) würde ich am liebsten meinen Kopf gegen die Wand schlagen – ich habe schon mehrere Praktika in „normalen“ Berufen gemacht, die Andere als ‚spannend‘ oder ‚vielseitig‘ beschreiben würden und bin fast durchgedreht… ich habe gemerkt, wie sich Tag für Tag mein (körperlicher und geistiger) Zustand verschlechtert, wie ich auf nichts mehr Lust hatte, abends nur noch schlafen und mit niemandem mehr was zu tun haben wollte.



Wie gesagt, ich habe das Gefühl, dass jetzt alles zu spät ist und mein Leben (wenn man es denn dann so nennen kann) auf oben genanntes Szenario hinausläuft. Alles wegen dieser dämlichen Vernunft. Dabei würden mich Andere als mutig beschreiben. So kann man sich irren… und zu allem Überfluss der absolute Oberknaller: neulich meinte doch meine Mutter zu mir: „Weißt du… ich glaub eigentlich gehörst du doch auf die Bühne“. Na schönen Dank! Ich bin ja fast ausgetickt… „Musical-Schule? Was fällt dir ein?! Du machst Abi!“. „Tanzen? Ach was, dafür bist du nicht grazil genug.“ „Schauspiel? Meinst du wirklich, dass die dich nehmen würden?“ „Musik studieren? Jetzt noch? Du hast doch schon was Anderes angefangen“. Über 15 Jahre durfte ich mir sowas anhören und jetzt plötzlich die große Erkenntnis… Wahnsinn. Ich weiß, ich kann niemand Anderem dafür die Schuld geben, dass ich mich nicht entscheiden kann, aber das hat dem Ganzen dann irgendwie noch die Krone aufgesetzt – der ganzen Misere und dem Gefühl, dass ich mein Leben komplett vergeigt und meine Talente vergeudet habe.



Mittlerweile ertappe ich mich dabei, wie ich das Netz nach „sinnvollen“ Praktika durchforste, die sich gut im Lebenslauf machen und in eine strukturierte, anständige Karriereplanung passen. Dann habe ich unzählige Tabs geöffnet mit den gleichen, nichtssagenden Ausbeuteranzeigen bis mir nach ca. einer Stunde der Schädel brummt, alles vor meinen Augen verschwimmt und ich mich völlig entgeistert frage: „Was zum Geier machst du hier eigentlich?!“
Meine Lieblingsfilme und Musicals kann ich mir schon gar nicht mehr angucken, weil’s mir hinterher meistens noch schlechter geht. Am Schlimmsten ist es, wenn ich Leute um die 16 sehe, die genau das machen, was ich damals hätte machen wollen/sollen/können. Dann möchte ich am liebsten nur noch in irgendeinen Ecke rennen und heulen…


Aber vielleicht bin ich auch einfach nur narzisstisch, meine Mutter hatte Recht und ich wäre sowieso in keinem dieser Gebiete irgendwas geworden, weil ich nie mehr als Durchschnitt geworden wäre. Bestenfalls. Wer weiß.
 
Eigenschaft
 
Grosse Sinnkrise, was? ;)
Du sagst, du bist 23. Ich denke, dann ist es höchste Zeit, dich aus den Fesseln deine Kindheit zu lösen und genau das zu tun, was du für richtig hältst.
Wenn du meinst, du hast genug Talent und kannst es auch stemmen, was hält dich?
Sicherlich wirst du ne Menge Widerstände und Misslichkeiten durchzustehen haben und evtl. auch nicht mehr auf die volle (auch finanzielle) Unterstützung deiner Familie bauen können. Aber das gehört irgendwie dazu, und man kommt da auch durch, wenn man an sich und seine Sache glaubt.
Letzteres ist sowieso die Voraussetzung dafür, irgendwas gescheites auf die Beine zu bekommen.
Also, nimm dein Leben in die Hand, hör' auf dich, auf dein Herz.

Was mir immer mal hilft bei kniffligeren Situationen, ist dass ich mich frage "Was würdest du tun, wenn du keine Angst davor hättest."
Meistens reicht mir das als Starthilfe :)
 
Hey, 23 ist doch noch kein Alter! ;) Ich habe mit 26 mein Studium hingeschmissen und nochmals komplett von vorne angefangen. Und ich habe weder das eine noch das andere bereut, weder die an der Uni verbummelten Jahre, noch den Neuanfang.

Jeder vermeintliche Umweg hat seinen Sinn, der sich einem aber vielleicht erst hinterher erschliesst. Und ob Du jetzt erst mit 23 anstatt mit 16 den Weg einschlägst, den Du schon immer gehen wolltest - Du bist immer noch jung genug... :)

("Du hast das ganze Leben noch vor dir" klingt etwas abgedroschen, aber es ist so...! ;))
 
Ich sag jetzt nicht, wann ich mein Studium abgeschlossen habe :redface:

Sunny, Dir sollte nur klar sein, daß Du von Musik wahrscheinlich nicht leben können wirst. Aber zwischen "Musik als Beruf" und "Musik als Hobby" gibt es ja noch einige Schattierungen. Wenn Deine materiellen Ansprüche bescheiden sind, kannst Du finanziell auch mit einem 25- oder 30-Stunden-Job über die Runden kommen und hast dann genügend Zeit zum Musikmachen (mit der Du ja zusätzlich was verdienst). Das behaupte ich nicht einfach so; ich habe es jahrelang so gemacht.

Ich habe eine Schülerin, die ebenfalls aus Gründen der Vernunft ihr ungeliebtes Studium bis zum Examen durchzieht. Sie komponiert sehr interessante Songs und hat eine schöne Stimme; sie sagt, sie wolle eigentlich nur Musik machen und begnügt sich mit einem Teilzeitjob bei H&M und einem billigen WG-Zimmer, um ihrer Leidenschaft nachzugehen.

Was es halt nicht gibt, ist die eierlegende Wollmilchsau. Aber ich sehe auch nicht, warum Du nicht beides verbinden kannst. Und sollte doch der Durchbruch, der große Erfolg kommen, dann kannst Du den Brotjob immer noch an den Nagel hängen.

P.S. Und mit 23 sollte man sich von seiner "inneren Mutter" freimachen und nicht mehr auf seine Eltern hören.
 
Ich schreibe eigentlich weniger hier sondern bin u.a. einer dieser "liest nur" Menschen. Aber da es mir ganz genauso geht, ob dus glaubst oder nicht (nur dass ich nicht an der uni sitze sondern in der ausbildung und daher nicht arbeiten muss nach der Arbeit, logisch), schreib ich vielleicht ein paar Anregungen, weil ich mir so oft und zu oft schon genau die Gedanken gemacht habe.

Lies mal etwas über den Drummer Chris Adler ( Lamb of god), er hat mit 21 Jahren angefangen Drums zu spielen. Er wird als einer der besten Metal-Drummer gehandelt (ob man das so sieht sei dahin gestellt, wenn man seit man 3 ist Drums spielt und todes flashiger Jazzdrummer ist, aber er hat mit 21 angefangen and look where he is). Allerdings fährt er auch 10 Meilen (!) zum Proben mit dem Fahrrad, ganz zu schweigen von dem was die anderen Bandmember alles tun. Die Band entstand übrigens im College.

was ich sagen will ist, neue Wege entstehen, indem sie gegangen werden, und niemand hat gesagt, dass es (das Leben, das was du mal machen willst) einfach wird.

Ich will nicht zu viel schreiben, weil ich selbst nicht in das "was mach ich nur"-Loch zurückfallen will. Wenn du etwas machst, mach es zu 110% und ohne Kompromisse und such dir Leute, die genauso ticken, ansonsten lass es und werd in dem "vernünftigen" Dingen so gut. "Das wird schon werden"...so läuft das nunmal nicht, wenn man nicht 40 Jahre im Büro vergammeln will.

Aber das "Vernünftige" ist für manche Menschen genau das richtige, nur kanns sein, dass du nunmal keiner von denen bist.

Impossible is nothing. Das sagt nicht nur die Firma Nike, auch wenn es schlimm und schwer wird.
 
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