Massenproduktion Prozess für Akustikgitarren. 50 Jahre alte koreanische Musikinstrumentenfabrik

1912 + 50 = 1962;
Der Film könnte aus dem Jahr 1962 stammen. Die Maschinen sehen auch nicht sehr viel jünger aus.

Wie kommst Du eigentlich auf 1912?

Wenn Du die Intarsie meinst, die man im Video zu sehen bekommt, dann handelt es ich eindeutig um einen Lesefehler:
1648905325412.png


Das ist eine 1972. Die 1 ist wie im Amerikanischen üblich nur ein einfacher Strich und die 7 hat keinen Querbalken, weshalb eine handschriftliche amerikanische 7 oft von Deutschen falsch als 1 gelesen wird, vor allem, wenn sie so stark abgeknickt geschrieben wird wie hier.

1972 ist das Gründungsjahr der Firma, die Fabrik ist nicht so alt.
Da führt der Videotitel enorm in die Irre.

Wenn man sich etwas auf der Firmenhomepage umsieht, findet man heraus, dass nach der Firmengründer Hyunkwon Park im Jahre 1972 noch in einem 20 m² großen Kellerraum seines Wohnhauses mit vier Mitarbeitern klassische Gitarren herstellte.
Der Name "Sungeum", den man auf der Kopfplatte sehen kann, bedeutet "den Klang vollenden" und so hießen die Gitarren, die ursprünglich nur für den koreanischen Markt gebaut wurden.
Erst sechs Jahre später wurde eine "richtige" Fabrik gebaut
1986 kam der Sohn des Firmengründers ins Spiel, der im Zuge der Internationalisierung der Name "Crafter" einführte.

Die Maschinen werden deshalb keinesfalls 50 Jahre alt sein, vor allem nicht das Ausschneiden der Decke per Laser und Touchscreen-Steuerung: Die koreanische Firma e-Laser, deren moderne Laser-Schneidemaschinen, wie man sie im Film sieht, erst im Jahr 2008 auf den Markt kamen.
CNC-Fräsen gab es auch von 50 oder 60 Jahren wohl noch lange nicht.

Die 50 Jahre sind also Firmenjubiläum, nicht Alter der Fabrik (und schon gar nicht der Maschinen). Da ist der Videotitel einfach irreführend.

Viele Grüße
Torsten

[Edit: @Axel.S. hat mich gerade überholt]
 
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Taylor Guitars ist sehr fortschrittlich in der Organisation ihrer Produktion. Aber die Anzahl der Arbeitsschritte bei der was in die Hand genommen werden muss ist ziemlich vergleichbar.

Gruß
Martin
 
Ich habe leider überhaupt keine Ahnung von solchen Produktionsprozessen. Ich nehme an, dass in dieser Fabrik nicht nur ein einziges Gitarrenmodell hergestellt wird. Geschieht das dann in Chargen, für die dann jeweils die Schablonen ausgetauscht und Maschinen umgerüstet werden?
Ja, klar. z.B. die Anschläge bei den Klebeprozessen müssen auf das jeweilige Modell angepasst werden, die CNC Fräsen müssen eingestellt werden etc. Diese Einstellarbeiten sind vergleichsweise aufwendig. Daher werden immer Chargen gefertigt. 100x Jubiläumsmodell, dann wieder 2000 Anfängermodelle. Die Schablonen werden ausgetauscht usw. Da das Verwechslungsrisiko dabei sehr hoch ist, wird dann viel mit Checklisten gearbeitet.
Anschläge richtig eingestellt? Check.
Richtiges Fräsprogramm in die Maschine geladen? Check.
usw.
Der hohe Anteil Handarbeit ist einfach wirtschaftlich. Der Operator verdient 200€ im Monat und kann in Minuten von dem einen Modell auf ein anderes 'umgestellt' werden. Neue Schablone, fertig. Eine vollautomatische Maschine kostet 200 000€ und braucht einen Tag bis sie umgestellt ist. (Die Zahlen sind jetzt ein bisschen aus der Luft gegriffen... Wahrscheinlich sind die Löhne in Korea inzwischen ein etwas höher... Und die Arbeiter sind glücklich, dass sie das Geld verdienen können. So brutal das klingen mag... Wenn der Fabrikant das ganze maschinell fertigen lässt, verdient er vielleicht sogar mehr Geld, sofern die Anlagen ohne Chargenwechsel durchlaufen können.
Und das sieht nicht nur bei Gitarren so aus, sondern bei sehr vielen Dingen unseres Lebens... Elektronikfertigung billig in Fernost, Sonnenblumenöl billig in der Ukraine. Wenn dann die Lieferketten plötzlich unterbrochen sind und man für das Zeug das zahlen müsste, was es eben kostet, wenn es die Lohnsklaven/Erntearbeiter etc. nicht mehr gibt, kommt der grosse Aufschrei. Moderne Welt :(
🔙 to topic...

Grüße,

Kokopelli
 
Der hohe Anteil Handarbeit ist einfach wirtschaftlich. Der Operator verdient 200€ im Monat und kann in Minuten von dem einen Modell auf ein anderes 'umgestellt' werden.
Die Löhne in Süd Korea sind nicht weit von unseren entfernt....
 
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Manche Crafters werden in China hergestellt.
 
Manche Crafters werden in China hergestellt.
Hallo Akustikgitarristen,
habe mir vor 5 Jahren bei Thomann eine crafter es esd gekauft .
Hauptsächlich wegen des Tonabnehmersystems Piezzo und Microfon.
In der Gitarre steht Made in Korea. Ich bin mit der Gitarre sehr zufrieden,
die Seitenlage habe ich nachbessern müssen.
In Hamburg oder Kiel gibt es einen Gitarrenbauer der importiert Crafter
Gitarren, macht einen anderen Sattel darauf und richtet die Bünde neu ab.
Für einen nicht geringen Aufschlag verkauft er sie dann an seine Kundschaft.
mfg
Rudi
 
Zuletzt bearbeitet:
Da der Thread wieder hochgepoppt ist:
meine Jazz-Gitarre von ca. 2000 ist eine Crafter, made in Korea. Zwar nur Sperrholz-Archtop, aber klanglich gut.

Zu den Maschinen im Film: die sind schon aktuell. Ich wüsste keine Laser-Cut Maschine aus den 1960er Jahren ;) Auch keine CNC Maschinen (Inlays, Bundschlitze ... )

Sehr interessant fand ich die Unterdruck-Formen zum Leimen der Teile mit ungleichen Höhen.
Insgeesamt wurden dei Prozesschritte schon sehr optimiert.

Wenn man jetzt hochrechnet, kommt man auf ca. 1 - 2 Stunden Handarbeit pro Gitarre verteilt auf sehr viele Personen, die kleine Prozess-Schritte machen, die teils nur wenige Sekunden dauern. Ich habe mal die Prozesschritte großzügig hochgerechnet, denn die Arbeitsschritte wurden ja teils nicht vollständig und manche gar nicht gezeigt.
 
Zuletzt bearbeitet:
In Hamburg oder Kiel gibt es einen Gitarrenbauer der importiert Crafter
Gitarren, macht einen anderen Sattel darauf und richtet die Bünde neu ab.
Für einen nicht geringen Aufschlag verkauft er sie dann an seine Kundschaft.
Daran ist eigentlich per se nichts Schlechtes. Es spricht für die gute Substanz der genannten Gitarren, und die teure einheimische Arbeitszeit wird nicht für den Rohbau aufgewendet, sondern für die Optimierung und Feineinstellung, woran es ja doch so manchem Fabrikinstrument mehr oder weniger stark mangelt. Wenn der Gitarrenbauer das transparent macht (und die fertige Gitarre nicht etwa als seinen Eigenbau ausgibt) ist das mMn für Gitarrenbauer und Kunden jeweils ein vorteilhaftes Arrangement.

Im Geigenbau wird ja auch z.B. so genannte Weißware aus Niedriglohnländern hier "nur" noch lackiert und eingerichtet. Je nach inländischem Wertschöpfungsanteil (nicht: Anteil der Bauleistung) könnte man so ein Instrument sogar als "Made in Germany" verkaufen; ein Label, das durch solche Praktiken natürlich zunehmend infrage gestellt wird.

Ein komplett im Inland von einheimischen Kräften von Hand gebautes Instrument kann sich rein rechnerisch nur im absoluten Spitzenbereich oder bei Spezialanfertigungen nach Kundenwunsch finanziell lohnen. Wenn man es nüchtern betrachtet. Da ein Musikinstrument natürlich nicht nur nach seinem messbaren Gebrauchswert beurteilt wird, mag es Ausnahmen davon geben. Und bei elektrischen Gitarren sind die Preisforderungen der bekannten Hersteller im Spitzenbereich so selbstbewusst, dass in deren Schatten doch so mancher Instrumentenbauer sein Auskommen findet.
 

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