Meine Stimme wird viel besser, wenn ich am Vorabend viel laut spreche - was ist da los?

Sei mir nicht böse, dass ich mich doch noch melde. Ich bin jetzt aber sehr freundlich. Außerdem will ich ja auch deine Fragen beantworten.

Das mit dem regelmäßig Laut sprechen war von ihm wohl eher als Notlösung gedacht,

Wenn jemand ein gravierendes Problem mit einem einfachen Kneipenbesuch oder einem Selbstgespräch im Auto beheben kann, klingt das für mich wirklich nicht nach einer Notlösung, sondern nach einem Glückstreffer, um den ihn viele Sänger*innen beneiden würden.

Daher möchte ich dir jetzt noch eine ganz seriös gemeinte Frage stellen. Vielleicht bist ja so nett, sie zu beantworten.

Wenn du die Symptome des TE so ernst nimmst, warum dann nicht auch seine Lösung, wenn sie doch für ihn tadellos funktioniert und er auch überzeugt davon ist? Warum ist sein Weg nur eine Notlösung? Was unterscheidet ihn von anderen Lösungsprozessen?

Ab wann ist ein Thread veraltet, gibt es hier Regeln oder Richtwerte?

Ab 12 Monaten kommt ein roter Warnhinweis, der vorm Absenden auf das Alter des Threads aufmerksam macht. Ansonsten liegt es ein wenig im Ermessen des jeweiligen Moderators. Da kommt es dann zB auf die Art der Antwort, des Thematik an oder darauf, ob der direkt angesprochene TE überhaupt noch aktiv ist, wie individuell oder allgemein das Problem war usw...

Ist ein Ende letzten Jahres zur Sprache gebrachtes Thema jetzt nicht mehr relevant?

In diesem speziellen Fall würde ich das so sehen: Der Thread ist knapp 8 Monate alt, der TE war insgesamt keine 24 Std. beteiigt, das Problem/ die Fragestellung war sehr individuell und er suchte offensichtlich nach einer schnellen Antwort, hat auf die noch deutlich früheren "Nachzügler" schon nicht mehr reagiert. Insofern wäre das schon ein klassischer Fall für ein Nekroposting gewesen, da der TE selbst kein langfristiges Interesse zeigte.

EDIT: Soulpete hat wohl deine Einladung erhalten. Er war vor einer knappen Stunde kurz eingeloggt.
 
Hallo Alle,

ich wollte mich aufgrund der hier etwas angespannten Grundstimmung eigentlich nicht mehr melden, tue es aber doch, weil der Beitrag von ypsilio für mich wirklich sehr hilfreich war (das mit den Konsonanten und der tougheren Rhythmik ebenfalls, aber das ist hier nur ein Seitenaspekt) und dieser Thread in Zukunft vielleicht doch dem einen oder anderen Kollegen helfen kann:

Ich singe nun seit anderthalb Jahren, übe täglich eine Stunde, gehe alle paar Wochen zur Gesangslehrerin und singe wöchentlich in einem Gospel-Chor. Das Problem besteht zwar prinzipiell weiter, aber ich kann nur sagen: Je mehr ich meine Stimme LAUT benutze, um so besser wird es. Gerade liegt eine Woche hinter mir, in der ich jeden Tag 4 Stunden Leute unterrichtet (und ihnen danach weitere 4 Stunden über große Distanzen Dinge zugerufen) habe (Sportunterricht). Die darauf folgenden Tage waren genial. Auch die Tage nach den Chorproben sind immer gut, ebenso wie nach lauten Abenden in Bars, ohne Rauch und Alkohol und die Zeiten, wenn ich einen HNO-Virus habe, dann resoniere ich ganz wunderbar, das ist schon irgendwie verrückt, oder?

Zudem habe ich einige Tricks entwickelt, wie sich die Brustresonanz länger hält: Unendlich viel und tief gähnen (bis kurz vorm Brechreiz :) gehört definitiv dazu, Stütze von ganz unten zwischen den Beinen hilft, Meditieren und Entspannen ebenso. Auch ein leerer Magen hilft sehr. Ich würde heute so weit gehen, am Tag vor einem Auftritt absichtlich eine Stunde im Auto laut und tief zu singen - weil es am nächsten Tag dann zuverlässig so viel besser geht.

Das ganze Phänomen scheint zumindest bei mir was mit den Luftwegen und Entspannung zu tun zu haben, ich habe auch Tierhaar-Asthma (und vermutlich noch eine andere Allergie dazu), bin häufig stark verschleimt von den Nasennebenhöhlen abwärts den Rachen runter. Außerdem bin ich eher schmal gebaut mit geringem Lungenvolumen.
Ach so: Sinupret Forte bewirkt bei mir, dass die Brustresonanz zuverlässiger da bleibt - ich will das (pflanzliche) Zeug aber nicht über Jahre täglich einwerfen.

Soweit mein Update. Have fun singing!
 
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Danke für deine Rückmeldung, soulpete! Finde es klasse, dass du dich doch noch zu Wort meldest. Wir hatten uns ja bereits per PN ausgetauscht, und ich will den Interessierten auch nicht vorenthalten, was ich dir per PN geschrieben habe:
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"Was du schreibst finde ich sehr spannend. Ich würde es bei mir auch auf "Luftwege und Entspannung" eingrenzen. Genau wie du habe ich Asthma und diverse Allergien. Mal ne Frage: nimmst du irgendwelche Medikamente, insbesondere Asthma-Sprays oder hast du mal welche genommen? Bei mir hat das Absetzen von Berodual 50% der Probleme gelöst, aber da ich die immer noch habe, kann es das nicht alleine gewesen sein. Irgendwie scheints ne Mischung aus "Verspannte Muskulatur" und "angeschwollene / verschleimte Stimmlippen" zu sein, was dann über Nacht aber fast immer weg ist. Meine Stimme klingt zwischen 10 und 13 Uhr meistens gut und dann gehen die Resonanzen bzw. Schwingfähigkeit meistens flöten (aber nicht immer, und wenn ich wie du stark belastet habe, oder bei Erkältungen, bleibt die Stimme oft über Tage resonant). Manchmal ist die Resonanz innerhalb von 10 Minuten weg (z.B. bei sportlicher Betätigung). Das mit dem "leeren Magen" klingt ein bisschen so, dass deine Schleimhäute auf die Nahrung reagieren. Bei mir ist es derzeit Reis, was ich überhaupt nicht vertrage. Gestern z.B. einwandfeier Stimmklang (habe bis 14.00 Uhr oder so nichts gegessen), dann Mittagessen, 2 h später Brustresonanzen weg. "
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Die Information, dass wir beide allergisches Athma haben (was u.a. überempfindliche Schleimhäute bedeutet, die schnell anschwellen, und was nicht nur die Bronchialschleimhäute begrenzt sein muss), ist jetzt neu und war für mich ein Aha-Erlebnis. Dass Asthma-Sprays (insbesondere Kortisonsprays) die Stimme verändern können, ist ein alter Hut und steht seit Jahrzehnten in jeder Packungsbeilage – als kleine Hintergrundinfo.

soulpete, diese ganze Diskussion hier hat meinen Forscherdrang geweckt. Was hältst du von der Idee, dass wir das beide mal von einem Phoniater abchecken lassen? Ich will das schon lange, habe es aber immer aufgeschoben, weil ich sonst keinerlei Beschwerden habe (z.B. nur alle 10 Jahre mal heiser bin oder Halsschmerzen habe) und es sich auch in den letzten 3 Jahren sehr verbessert hat (davor nahme ich Medikamente, von denen ich wusste, dass die auf die Stimme schlagen und habe es deshalb nicht ernsthaft verfolgt). Mich würde v.a. interessieren, welche Unterschiede ein Phoniater feststellt zwischen den Zuständen "Brustresonanz vorhanden" und "Brustresonanz weg" (z.B. ob eine Schwellung der Stimmlippen vorliegt).

Vielleicht könntest du mir noch ein paar Fragen beantworten:
- hast du mal Asthmasprays genommen bzw. nimmst du welche? Wenn ja, was genau?
- hast du mal Antihistaminika genommen und einen Effekt auf deine Stimme festgestellt?
- hat sich deine Sprech-/Singstimme durch die Gesangsübungen verschlechtert, so dass evt. die Übungen nicht optimal sind, oder hattest du die von dir geschilderten Probleme schon immer?

Antipasti, du hattest abschließend noch eine Frage:
Wenn du die Symptome des TE so ernst nimmst, warum dann nicht auch seine Lösung, wenn sie doch für ihn tadellos funktioniert und er auch überzeugt davon ist? Warum ist sein Weg nur eine Notlösung? Was unterscheidet ihn von anderen Lösungsprozessen?
Wie er ja schreibt, hat er bereits mehrere Maßnahmen gefunden, die das Problem der verschwindenden Brustresonanzen verbessern (die meisten davon kannte ich bereits, und sie wirken auch bei mir, inklusive grippaler Infekt). Lautes Sprechen bzw. stärkere Belastung der Stimme ist eine davon und anscheinend diejenige, die derzeit bei ihm am besten wirkt. Mal abgesehen davon, dass es sich grundsätzlich um eine Belastung handelt, die möglicherweise in Jahren, Jahrzehnten zu Stimmschäden führen kann, wäre es auch eine _überflüssige_ Belastung, wenn er einen anderen, weniger belastenden Weg finden könnte.
Außerdem ist es ja nicht so, dass er Tag für Tag laut spricht, er muss also regelmäßig eine Menge Zeit und Energie investieren, nur um ein Ziel zu erreichen, das er mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch anders erreichen könnte. Wenn er diese Zeit nicht investiert, kehrt die Unzufriedenheit mit seiner Stimme sofort zurück, weil sie nicht mehr gut resoniert. Er scheint mir von dieser Lösung auch nicht 100%ig überzeugt zu sein, denn er wendet ja, wie er schreibt, auch noch einige andere Tricks gleichzeitig an. Daher sehe ich das eher als Notlösung oder meinetwegen auch "gute Zwischenlösung" an, die das Problem vielleicht auf ein erträgliches Maß reduziert, aber keineswegs löst. Soulpete mag mich gerne korrigieren, wenn er das anders sieht. Und, Antipasti, du und ich sollten ab sofort aufhören, an ihm herumzuinterpretieren, weil er sich ja wieder beteiligt und unsere Fragen direkt beantworten kann.
 
Und, Antipasti, du und ich sollten ab sofort aufhören, an ihm herumzuinterpretieren

Den Schuh darfst du dir gern anziehen, aber halt mich da bitte raus. Nein - ist nicht böse gemeint. Ich fühle mich einfach nur nicht davon betroffen.

weil er sich ja wieder beteiligt und unsere Fragen direkt beantworten kann.

Ich hatte und habe keine Fragen an den User. Was soulpete beschreibt, ist schlicht einfach der kleine, persönliche Erste-Hilfe-Kasten, wie ihn jeder Sänger entsprechend seiner Konstitution hat. Wir haben unzählige Threads, wo User aufzählen, was ihnen beim Singen auf die Sprünge hilft und was sich eher kontraproduktiv auswirkt. Das ist für mich nach wie vor weit weg von der "Dramatik", die du ins Spiel gebracht hast (und die ich wirklich nicht ins Lächerliche ziehen will, falls du das jetzt wieder denkst).


Ansonsten zeigt ja dein letzter Beitrag ja - ohne jegliche Interpretation - dass ihr gewisse medizinische Ähnlichekeiten zu haben scheint, die aber dennoch für sich und den Lösungsweg gesehen wiederum sehr individuell sind und sich kaum in einem Musikerforum lösen lassen.

Ich würde dich @ypsilio und ggf @soulpete , falls er noch weiteres Interesse hat, daher bitten, den doch sehr privaten und persönlichen Austausch über eure Forschungen in einen privaten Raum zu verlegen.
 
Antipasti, du hast Deine Sicht der Dinge jetzt ausführlichst dargestellt. Wir haben alle begriffen, was du uns sagen willst, weil du dich klar ausgedrückt hast. Du hattest auch mehrfach angekündigt, dich aus dem Thread zurückzuziehen, was ich für eine gute Idee halte. Bitte tue es dann doch auch einfach und lasse diejenigen, die das Thema betrifft und die dazu etwas beitragen möchten, einfach weiterdiskutieren. Danke!
 
lasse diejenigen, die das Thema betrifft und die dazu etwas beitragen möchten, einfach weiterdiskutieren. Danke!

Mein letzter Satz war keine "Sichtweise", sondern eine freundlich als Bitte formulierte Modanweisung. Dein therapeutischer, privater Austausch mit soulpete zum Thema Asthma und Co. hat in einem öffentlichen Musikforum nichts zu suchen. Macht das per PN oder chatted irgendwo.

:zu:
 
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Okay.

Der User LoboMix hat (leider zu spät) einen Beitrag verfasst, der den Thread doch noch um einige auch für die Allgemeinheit interessante Aspekte ergänzen könnte.

Daher öffne ich das Thema auf seinen Wunsch wieder. Private Unterhaltungen aber bitte trotzdem nur über PN.
 
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Das Problem besteht zwar prinzipiell weiter, aber ich kann nur sagen: Je mehr ich meine Stimme LAUT benutze, um so besser wird es. Gerade liegt eine Woche hinter mir, in der ich jeden Tag 4 Stunden Leute unterrichtet (und ihnen danach weitere 4 Stunden über große Distanzen Dinge zugerufen) habe (Sportunterricht). Die darauf folgenden Tage waren genial. Auch die Tage nach den Chorproben sind immer gut, ebenso wie nach lauten Abenden in Bars, ohne Rauch und Alkohol und die Zeiten, wenn ich einen HNO-Virus habe, dann resoniere ich ganz wunderbar, das ist schon irgendwie verrückt, oder?

Zudem habe ich einige Tricks entwickelt, wie sich die Brustresonanz länger hält: Unendlich viel und tief gähnen (bis kurz vorm Brechreiz :) gehört definitiv dazu, Stütze von ganz unten zwischen den Beinen hilft, Meditieren und Entspannen ebenso. Auch ein leerer Magen hilft sehr. Ich würde heute so weit gehen, am Tag vor einem Auftritt absichtlich eine Stunde im Auto laut und tief zu singen - weil es am nächsten Tag dann zuverlässig so viel besser geht.

Ein alter Thread, aber urplötzlich doch wieder quicklebendig ...
Bin aber erst jetzt darauf gestoßen und möchte nun gerne einen Blickwinkel beisteuern, der die Ursache, bzw. mögliche Ursache des vom TE beschriebenen Problems näher beleuchtet.

Mir scheint das ganze ursächlich mit einem (zumindest partiellem) Verlust der ursprünglichen körperlichen Disposition beim Singen zu tun zu haben. Das vom Begründer der "Dispokinesis", G.O. van de Klahorst (1927-2017) als "Disposition des Musikers" bezeichnete Phänomen bedeutet "das freie Verfügen über seine Haltung und Bewegung des Musikers beim Musizieren".
In diesem Sinne gelingt das Musizieren, sei es am Instrument oder beim Singen, dann am besten, wenn der Körper eine gute Spannkraft hat, die ihn gut aufrichtet und die seine vor allem feinmotorischen muskulären Funktionen frei macht, so dass die musikalische Idee, der vorgestellte Ausdruck, unmittelbar und ungehemmt vom Körper umgesetzt werden kann, und die Musik dadurch einfach und wie von selbst fließen kann.

Sprechen ist nun grundsätzlich eine absolut natürliche Funktion des Körpers, auch und gerade lautes Sprechen. Jeder, der spielende kleine Kinder beobachtet, erkennt unmittelbar, dass lautes Sprechen und Rufen eine ganz natürliche Sache ist, die praktisch jedes gesunde Kind beherrscht. Und das selbstverständlich ganz ohne jeden Sprechunterricht, denn Sprechen ist grundsätzlich keine "Technik". (Das Thema der phoniatrischen Probleme, die manche Kinder haben, weswegen sie einen Logopaeden aufsuchen müssen, klammere ich hier aus, denn diese Probleme der Lautbildung sind ein anderes Gebiet, hier geht es mir um die grundsätzliche Körperfunktion des Sprechens und Rufens. Und laut reden können auch Kinder mit phoniatrischen Störungen. Fehlende Resonanzen und "dünne Stimmchen", die klang- und kraftlos sind, sind typischerweise das Problem indisponierter Erwachsener.)

V.d. Klashorst sagte immer "ein Sänger, der nicht spontan laut rufen oder einen lauten Schrei ausstoßen kann, der hat ein Problem". Dabei können sogar in dieser Hinsicht indispoinierte Personen diese Funktion spontan dann abrufen, wenn sie z.B. jemanden auf die Straße gehen sehen, wo gerade ein Auto angefahren kommt. Jeder kann dann eigentlich sehr laut und sofort "Stopp" rufen, denn das funktioniert in dieser Situation wie ein Reflex, bei dem der Intellekt nicht aktiv ist.

In diesem Sinne vermute ich beim TE eine eigentlich gut disponierte Alltagsstimme, die in den von ihm beschriebenen Situationen, in denen er auch entspannt ist und nicht ans Musizieren denkt, auch zuverlässig und ungestört abrufbar ist, also eine gute "Alltags-Disposition". Das vom ihm beschriebene "Training" z.B. einen Abends in der Kneipe, wo er längere Zeit laut spricht - und das völlig mühelos - "entlockt" und trainiert seine Sprechfunktion so gut, dass es noch am nächsten Tag beim Singen eine Zeitlang befreiend nachwirkt.
Jedoch geht diese Freiheit beim und durch das Singen offensichtlich wieder verloren, mal mehr, mal weniger.
Das bringt mich nun wiederum zur Vermutung, dass Du, @soulpete irgend etwas beim Singen falsch machst, irgendeine Art von Künstlichkeit, von künstlicher Technik beim Singen anwendest, die diese ursprüngliche Freiheit und Offenheit wieder einengt.

Dieses Phänomen ist mir aus meiner Praxis als Dispokineter durchaus bekannt: Dass eine natürlicherweise vorhandene gute Disposition beim und durch das Musizieren vermindert, ja sogar schließlich ganz weg gedrückt wird, weil das Musizieren eben nicht mit der guten Disposition verbunden wird und darauf aufbaut, sondern als ein dem Alltag entrücktes Geschehen (welches das Musizieren ja durchaus in einer gewissen Weise ist) mit künstlichen, künstlich-technischen Vorstellungen verbunden wird, die wie auch immer Verspannungen hervor rufen und das Musizieren erschweren und unbefriedigend machen.

Dabei würde ich diese Situation durchaus noch eher als einen Glücksfall bezeichnen, denn in den meisten Fällen ist es so, dass der Musizierende auch und gerade eine starke alltägliche Indisposition hat, die ihm das Musizieren grundsätzlich erschwert, selbst dann, wenn er sozusagen die "beste Technik" dabei gezeigt bekommt.

Wenn meine Vermutung stimmt, dann müsstest Du, @soulpete, Dir Deine gute alltägliche Sprech-Disposition ´nur´ gut bewusst machen und sie gut erspüren (oder jemanden finden, der Dir dabei hilft), also z.B. die gute Beckenboden- und Unterbauchspannung und die Freiheit im Brustkorb und im Hals-/Rachen-Bereich usw.
Diese gute Disposition müsstest Du dann ´nur´ auf Dein Singen übertragen (ggf. wiederum mit Hilfe, wäre auch die Aufgabe des Gesangslehrers) und Du müsstest heraus finden, wo sich vielleicht indisponierende Faktoren und/oder falsche, künstliche Elemente in Dein Singen eingeschlichen haben (ein Beispiel, was nicht selten anzutreffen ist, wäre das künstliche Anheben der Brustbeins um damit den Brustkorb zu erweitern und dessen Resonanzräume zu öffnen - was damit jedoch nicht gelingt, im Gegenteil engt diese künstliche Überspannung die Räume wieder ein und zerrt zudem am Kehlkopf was den Klang zusätzlich einengt).

Wenn Du gut und mühelos und dabei laut über längere Zeit sprechen kannst, solltest Du auch ebensogut mühelos über längere Zeit Singen können, auch laut. Denn das gute Singen setzt auf dem guten Sprechen auf - und das kannst Du ja offensichtlich.
Dieses bewusst-machen der eigenen guten Disposition hilft auch auf Dauer, wirklich "auf Abruf" über sein Gesangsvermögen frei verfügen zu können und nicht mehr darauf hoffen zu müssen, dass zum Zeitpunkt X um Himmels Willen nur alles gut gehen möge. Es erspart auch langwierige Einsinge- und Einspiel-´Orgien´.
 
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LoboMix, vielen Dank für deine ausführliche Analyse! Für mich persönlich klingt das alles sehr plausibel. Und auch sympathisch, weil es bei diesem Ansatz (auch) um Körperwahrnehmung geht und er im weiteren Sinne ein therapeutischer ist. Ich habe gleich mal unter https://de.wikipedia.org/wiki/Dispokinesis nachgelesen, und die Idee der Reflexketten bzw. dass man damit arbeiten kann, ist mir persönlich neu und klingt sehr vielversprechend.

Du setzt dein 'nur' ja aus gutem Grund in Anführungsstriche – könntest du hier evt. einige Übungen aufzählen, die für soulpete, mich und andere Interessierte hilfreich sein könnten, oder denkst du, dass man daran lieber mit jemandem mit entsprechender Ausbildung arbeiten sollte? Dieses ganze Körperwahrnehmungsthema bzw. automatisiert ablaufende Muskelaktivitäten ändern ist ja nicht gerade trivial, finde ich ...
 
Du setzt dein 'nur' ja aus gutem Grund in Anführungsstriche – könntest du hier evt. einige Übungen aufzählen, die für soulpete, mich und andere Interessierte hilfreich sein könnten, oder denkst du, dass man daran lieber mit jemandem mit entsprechender Ausbildung arbeiten sollte? Dieses ganze Körperwahrnehmungsthema bzw. automatisiert ablaufende Muskelaktivitäten ändern ist ja nicht gerade trivial, finde ich ...
In der Tat, die Anführungszeichen sollen die mögliche Spannbreite ausdrücken, in der sich die Arbeit bewegen kann, um Probleme wie die hier angesprochenen aufzulösen. Das reicht vom einfachen bewusst-Machen, woraufhin jemand vielleicht sogar spontan seine gute Alltagsdisposition in das Musizieren integrieren kann und von da ab von seinen Hemmungen befreit ist, bis hin zu einer längerfristigen, sich möglicherweise tatsächlich über mehrere Jahre hinziehenden intensiven Arbeit der Reedukation seiner Haltung und Bewegung, wenn es z.B. sehr hartnäckige Fehl-Stereotypen gibt.

Musik ist ja eine prinzipiell geistige Angelegenheit, aber das Musizieren selber geschieht mit den Muskeln des Körpers und dabei sind die feinmotorischen Funktionen immer vorherrschend und bestimmend. Feinste Nuancen des Ausdrucks, jegliche Geläufigkeit und Klanggestaltung können nur gelingen, wenn diese feinen Muskeln bzw. Muskelfunktionen ungehemmt und frei verfügbar sind. Ich meine damit beispielsweise die ´kurzen´ Fingerbeuger und -strecker, die mimische Muskulatur, Hals- und Rachen-Muskeln, aber auch viele weitere.
Krafttraining ist da eher kontraproduktiv, weil es üblicherweise die Grobmotorik und die grobmotorischen Funktionen und Muskeln trainiert. Und wenn in der Bewegung die Grobmotorik dominiert, wird die Feinmotorik gehemmt, auch durch die körpereigenen Reflexe. Ein Beispiel: Wenn ich eine schwere Getränkekiste schleppe, muss der Bizeps voll aktiv werden, denn das ist sozusagen "sein Job". Mit der starken Aktivierung des Bizeps werden qua Reflex die betreffenden Fingermuskeln (hier die Beuger) ebenfalls stark aktiviert und sie machen eine feste Haltespannung. Logisch, denn mit leichten und lockeren Fingern kann man so eine Kiste nicht heben. Ein übermäßiger Einsatz des Bizeps ist also absolut kontraproduktiv für die Geläufigkeit. Dieses Beispiel lässt sich auch auf andere Bereiche übertragen, etwa auf die Atmung und damit auf das Sprechen und Singen.

Mit dem Zeigen der einen oder anderen Übung ist es insofern in den allermeisten Fällen nicht getan, man muss stets den individuellen Fall betrachten und das Ablernen hartnäckiger Fehl-Stereotype verlangt vom Klienten eine sehr intensive und geduldige Mitarbeit.

Da das Musizieren eine Tätigkeit ist, die wir mit unseren Muskeln ausüben und da es eine aktive Tätigkeit ist, gehört dazu auch eine aktive, spannkräftige, gut aufgerichtete und ´offene´ Haltung. Überspannung, Verkrampfung, Fest-Sein sind selbstredend negativ, aber auch Unterspannung und eine schlaffe, losgelassene Haltung sind ebenso negativ, denn sie gehören nicht zum Ausdruck des Musizierens.

Die Vorgehensweise der Dispokinesis ist nun so, dass zunächst eine Analyse und ggf. Anamnese der aktuellen Probleme, aber eben auch von Haltung und Bewegung des Klienten erfolgt, allgemein und am Instrument/beim Singen.
Daraufhin wird eine Strategie entwickelt, wie im konkreten Fall vorgegangen werden soll. Da die spannkräftige, eben "disponierte" Haltung der Kern von allem ist, gibt es eine Folge von Übungen und den von van de Klashorst so genannten "Urgestalten von Haltung und Bewegung", mit denen diese Haltung und diese Bewegungen wieder entlockt und bewusst gemacht wird. Dabei geht die Dispokinesis davon aus, dass der Mensch in seiner individuellen Entwicklung als Kind ursprünglich eine gute, natürlich Disposition hat, bzw, dass sich diese in einer normalen fördernden und gesunden Umgebung von alleine im Rahmen der natürlichen motorischen Entwicklung einstellt (deshalb das Beispiel der kleinen Kinder in meinem vorigen Beitrag).
Es ist das Phänomen der sog. "Wunderkinder" und "Naturtalente", dass sie nicht nur eine weit überdurchschnittliche musikalische Begabung haben, sondern ebenso eine überdurchschnittliche motorische Begabung. Aber zudem, dass sie eine natürliche, sehr gut disponierte Form haben, zumindest beim Musizieren. Was aber leider keine Garantie dafür ist, dass diese das ganze (Berufs-)Leben erhalten bleibt, denn wenn diese disponierte Form immer unbewusst bleibt, können Störungen, wie z.B. Schicksalschläge, aber auch beruflicher Stress usw. diese dennoch wieder zunichte machen.

In den "Dispo-Übungen" geht es um den guten Bodenkontakt, die sog. Unterbauchspannung und dazu die Beckenbodenspannung um so die spannkräftige, gut disponierte Haltung (wieder) aufzubauen, aber insbesondere auch, alles gut in sein Körpergefühl zu integrieren und sich vertieft bewusst zu machen. Wenn es gelingt, dann entfaltet sich aus dieser Haltung im besten Fall wie von alleine die gute "Technik" des Musizierens am und mit seinem Instrument - die dann aber den Begriff "Technik" als wenig sinnvoll obsolet werden lässt, denn im besten Fall sind es eben die natürlichen Funktionen und Bewegungsabläufe, über die wir Menschen von Natur aus verfügen, die wir für unsere Musikausübung nutzen.

Sorry, wenn ich hier recht weit ausgeholt habe und eine wirklich konkrete Antwort auf Deine Frage schuldig geblieben bin. Aber das "Ändern automatisiert ablaufender Muskelaktivitäten", wie Du schreibst, ist wirklich alles andere als "trivial", wie Du auch schreibst. Ohne der konkret betroffenen Person in direktem Kontakt gegenüber zu stehen, muss es bei diesen eher allgemeinen Ausführungen bleiben. Alles andere wäre nur im Stil von "Rezepten", die ebensogut ins Schwarze treffen können, als auch voll daneben liegen.
Tatsächlich wäre es gut, wenn Du Dich an einen Musiker-Disokinesiopaeden in Deiner Region wenden würdest. Es gibt zwar nicht allzu viele davon, die diese (post-akademische) Ausbildung absolviert haben und dann auch als Musiker-Dispokinesiopaeden praktizieren, aber mit ein wenig Recherche im Internet solltest Du fündig werden. Ansonsten könnte ich auch per PM weiter helfen.
 
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Hi LoboMix, danke für deine interessanten Ausführungen! Klingt für mich alles plausibel, vor allem, dass der Teufel im Detail liegen kann (ich habe vor einiger Zeit mal "nur" meine Plektrumtechnik umgestellt, sowas geht wirklich nicht von heute auf morgen).

Tatsächlich gibt es in Berlin so eine Praxis, und ich werde in den nächsten Monaten mal dorthin und das abklären lassen und auch gerne hier berichten, falls es etwas gebracht hat.

Was mich noch interessieren würde: hier ist ja in der Diskussion die Frage aufgetaucht, ob die von soulpete und mir beschriebene Problematik etwas äußerst Spezielles ist oder doch eher verbreitet. Du hast deine Posts ja eher allgemein gehalten und mögliche Lösungswege beschrieben, inklusive einer
Kurzeinführung in die Dispokinese. Könntest du evt. noch ein paar Sätze dazu sagen, ob die von uns beschriebenen Probleme in der für dich relevanten Fachliteratur bzw. deiner Ausbildung ein Thema sind (und vielleicht sogar Quellen nennen)?
 
Jeder, der spielende kleine Kinder beobachtet, erkennt unmittelbar, dass lautes Sprechen und Rufen eine ganz natürliche Sache ist, die praktisch jedes gesunde Kind beherrscht. Und das selbstverständlich ganz ohne jeden Sprechunterricht, denn Sprechen ist grundsätzlich keine "Technik".

Interessant ist, dass ich diesen Vergleich auch von vielen Gesangslehrern kenne: Mit gezielten Übungen die Fähigkeit zu stimulieren, die man als Kind automatisch beherrschte und als Erwachsener verlernt hat. Macht ja auch Sinn. Insofern kann ich mir vorstellen, dass vielen Musiklehrern die Literatur von v.d. Klashorst nicht fremd ist.

Allerdings gilt zu unterschieden, dass es laut Wiki Dispokinesis-Lehrer und Dispokinesis-Therapeuten gibt. Die Lehrer haben in der Regel ein Musikstudium absolviert und integrieren Dispokinesis in ihre Lehrtätigkeit. Die Therapeuten haben dagegen eine medizinisch/psychologische/physiotherapeutische Ausbildung und bilden laut Wiki eher eine Ausnahme. In meiner Stadt konnte ich keine Praxis finden.

Daher vermute ich, dass diese Indisponiertheit unter Musikerschülern nichts Seltenes ist, als medizinische Diagnose dagegen schon. Wobei man natürlich zugeben muss, dass diese Indisponiertheit für Musiker und Mimen sehr viel hinderlicher ist als zB für Buchhalter oder Sachbearbeiter. ;)
 
Könntest du evt. noch ein paar Sätze dazu sagen, ob die von uns beschriebenen Probleme in der für dich relevanten Fachliteratur bzw. deiner Ausbildung ein Thema sind (und vielleicht sogar Quellen nennen)?
Auf das Thema der Atemwegserkrankungen bzw. Atembeschwerden bin ich nicht eingegangen, weil es sich entweder um eine pathologische, also eine Krankheit betreffende Thematik handelt oder vorübergehend und daher vernachlässigbar ist wie z.B. ein grippaler Infekt oder ein Schnupfen. Diese Erkrankungen sind bzw. wirken alle natürlich indisponierend, und ein Sänger, der Husten hat, kann nun mal nicht auftreten. Aber wenn dieser wieder weg ist, ist alles wieder gut. Also wie gesagt als Thema vernachlässigbar.
Asthma ist dagegen schon eine ernstere Erkrankung und bedarf der Behandlung, vor allem, wenn es chronisch ist. Das ist aber nicht das Gebiet eines Dispokinesiopaeden, sondern gehört in die Arztpraxis.
Es gibt wohl einen Aspekt, der im Zusammenhang mit der körperlichen Disponiertheit bzw. Indisponiertheit eine Rolle spielt: Es ist zu erwarten, dass jemand, der eine schlechte, indisponierte Haltung hat wie z.B. einen in sich gekrümmten Oberkörper, wobei das Brustbein einsinkt, dass diesen Menschen ein Asthma mehr belastet, weil er eine sehr schlechte Atmung hat ohne Spannkraft, mit eingeengten Räumen und geringem Atemvolumen. So jemanden wird eine Atemwegserkrankung wesentlich mehr belasten, als jemanden, der gut disponiert ist.
Ich selber hatte als Kind und als Jugendlicher zeitweise eine starke und chronische Bronchitis. Das hat sich aber mit dem Älterwerden immer mehr verbessert und ich habe schon lange praktisch keine Beschweren. Es hat mich auch nicht davon abgehalten, Klarinette zu studieren und hat meine berufliche Tätigkeit als Musiklehrer und konzertierender Musiker gottseidank nie behindert.

Insofern kann ich mir vorstellen, dass vielen Musiklehrern die Literatur von v.d. Klashorst nicht fremd ist.
Leider gibt es nicht allzuviel Literatur über die Dispokinesis. V.d. Klashorst hat zwar in seinem langen Leben sehr, sehr vielen Musikern geholfen - nicht wenige hätten ohne ihn den Beruf aufgeben müssen -, aber er hat leider nur wenig dazu veröffentlicht und das dann auch noch recht spät in seinem Leben. Mit der Ausbildung von Musikern zu Musiker-Dispokinesiopaeden hat er auch erst spät begonnen und so gibt es bis heute kaum mehr als rund 200 Musiker-Dispokinesiopaeden, die diese Ausbildung absolviert haben und davon praktiziert auch nur ein Teil explizit als "Dispokineter" Viele haben diese Ausbildung auch mehr für sich gemacht und um diese Erkenntnisse und Vorgehensweise in ihren Instrumentalunterricht zu integrieren.

Allerdings gilt zu unterschieden, dass es laut Wiki Dispokinesis-Lehrer und Dispokinesis-Therapeuten gibt. Die Lehrer haben in der Regel ein Musikstudium absolviert und integrieren Dispokinesis in ihre Lehrtätigkeit. Die Therapeuten haben dagegen eine medizinisch/psychologische/physiotherapeutische Ausbildung und bilden laut Wiki eher eine Ausnahme. In meiner Stadt konnte ich keine Praxis finden.
In diesem Punkt ist der Wiki-Artikel etwas irreführend. V.d. Klashorst selber hat ursprünglich Physiotherapeuten zu Dispokinetern fortgebildet, zumal er Leiter der Physio-Abteilung des Krankenhaus im holländischen Wageningen war. Aber er hat damit weniger gute Erfahrungen gemacht, denn um als Dispokineter Musikern wirklich helfen zu können, sollte man unbedingt selber ein (möglichst professioneller) Musiker sein. Physiotherapeuten und Mediziner sind allenfalls mehr oder weniger gute Hobby-Musiker. Damit sei nichts gegen Hobby-Musiker oder Amateure gesagt, selbstverständlich nicht, aber um einem Profi-Musiker mit Problemen und Beschwerden im Haltungs- und Bewegungsapparat fundiert und umfassend helfen zu können, muss man in der Tat selber die Profi-Musikerwelt mit all ihren Facetten kennen gelernt haben (eigenes Üben, Proben im Ensemble, Auftritte Solo und im Ensemble mit ihrer ganzen Palette von Stress, Bühnenangst, Unwägbarkeiten, usw.). Außerdem geht es spätestens auf der Stufe, wo man mit dem Klienten am Instrument arbeitet auch sehr intensiv um den Ausdruck von Bewegungen und wie man mit diesen Bewegungen seine musikalische Ausdrucksvorstellung in den realen Ausdruck des Klangs umsetzt.
Hinzu kommt, dass bei der Arbeit am Instrument der Musiker oft völlig abseits von "allgemeingültigen Schulweisheiten" und "unumstößlichen Weisheiten" bezüglich von Techniken, die man ihm vielleicht mal beigebracht, um nicht zu sagen eingetrichtert hat, aufgrund seiner neuen Erfahrungen und seines nun guten, eigenen Körpergefühls auch eigene Lösungswege für seine persönliche Spielweise und Spieltechnik suchen und finden muss - auch und gerade das bedingt, dass der begleitende Dispokineter selber vergleichbare Erfahrungen gemacht haben sollte.

V.d. Klashorst hat die Erfahrung gemacht, dass es viel sinnvoller ist, Musiker in den grundsätzlichen Belangen von Anatomie, Physiologie, Neurologie usw. fortzubilden als umgekehrt Physiotherapeuten anzuleiten zu versuchen, sich mental in die Gedanken-, Gefühls- und Erlebniswelt von Musikern zu vertiefen.
Deshalb blieb die Fortbildung von Ärzten und Physiotherapeuten zum Dispkinseiopaeden stets die absolute Ausnahme, zumal die Mindestvoraussetzung ist, ein Instrument spielen zu können.

Daher vermute ich, dass diese Indisponiertheit unter Musikerschülern nichts Seltenes ist, als medizinische Diagnose dagegen schon. Wobei man natürlich zugeben muss, dass diese Indisponiertheit für Musiker und Mimen sehr viel hinderlicher ist als zB für Buchhalter oder Sachbearbeiter. ;)
Musizieren, zumal öffentlich vor Publikum, ist eine feinmotorische Höchstleistung und eine intensive geistige Arbeit, die höchste Konzentration erfordert. Schon geringe Hemmungen können enorm viel Stress machen und einen Teufelskreis in Gang setzen, an dessem Ende der Musiker mit Trauer im Herzen aufgibt.

Es gibt wahrscheinlich mehr indisponierte (erwachsene) Menschen als gut disponierte, nicht umsonst haben so viele "Rücken". Aber eine medizinische Diagnose ist es nicht, und wird es wohl auch nicht werden, da sich die Diagnostik typischerweise an Symptomen festmacht und nicht an einer Gesamtschau des Menschen wie es die Dispokinesis macht. Hinzu kommt, dass für viele Patienten die Dispokinesis (leider) auch nicht ´passen´ würden. Wer nur mal schnell eine Spritze haben will und wenn möglich noch eine Serie Physiotherapie-Behandlungen, der kann mit der Dispokinesis nichts anfangen. Denn hier geht es um einen oft sehr fundamentalen Änderungsprozess, der vom Dispokineter zwar angeleitet, aber schlussendlich nur begleitet werden kann. Das erfordert vom Klienten eine intensive Mitarbeit, große Disziplin und eine sehr aufmerksame Selbstwahrnehmung und dazu die Bereitschaft, sich selbst nötigenfalls auch partiell in Frage zu stellen sowie den Mut, sein "altes Ufer" zu verlassen und sich auf eine oft ungewisse Reise zu einem "neuen Ufer" aufzumachen.

Mir sind selbst Profi-Musiker begegnet, die in größter Not waren, aber dennoch lieber "die schnelle Pille oder Spritze" haben wollten und die den Aufwand scheuten, den die Dispo-Arbeit von ihnen abverlangt hätte.
 
Klashorst hat die Erfahrung gemacht, dass es viel sinnvoller ist, Musiker in den grundsätzlichen Belangen von Anatomie, Physiologie, Neurologie usw. fortzubilden als umgekehrt Physiotherapeuten anzuleiten zu versuchen, sich mental in die Gedanken-, Gefühls- und Erlebniswelt von Musikern zu vertiefen.
Kann ich nachvollziehen, insbesondere deinen Hinweis, dass ein möglichst professioneller Musiker i.d.R. besser helfen kann als ein Hobbyist. Ich erinnere mich, und das, obwohl ich nur semiprofessionell Gitarre spiele, an die Diskussionen mit anderen (teils erfolgreichen Gitarrenbauern), warum Gitarren eine meistens höchst unergonomische Spielhaltung verursachen, die Schulterprobleme produzieren kann (Ausnahme: ergonomische, auf die Körpergröße angepasste Gitarren) und deshalb im Grunde Fehlkonstruktionen sind, warum der Abstand Saite-Bundstäbe so gering wie möglich sein sollte (besonders am Sattel) und weiche Saiten vorteihaft sind (geringe Druckkräfte, Entlastung von Sehnen und Muskeln) oder warum eine Gitarre mit kompensiertem Sattel sehr viel sauberer klingt (auch wenn eine gleichschwebende Stimmung nie wirklich richtig klingt, klingt sie zumindest gleichmäßig unsauber). Wenn jemand das nicht fühlt oder hört oder selbst erlebt hat, wie es sein/ihr Spiel verbessert hat sowas zu ändern, versteht er/sie einfach nicht die Bedeutung. Mit der Stimme ist es natürlich viel, viel schwieriger, du kannst das Instrument nicht in die Hand nehmen oder austauschen und auch (meistens) nicht sehen, was da im Inneren passiert, und zu allem Überfluss hört man sich ja nicht mal objektiv. Deshalb habe ich auch großen Respekt vor Leuten, die erfolgreich an/mit ihrer Stimme arbeiten und sich da stetig verbessern.

Aber zurück zum Thema. Unsere gesamte Diskussion hier war für mich persönlich sehr hilfreich weil ich mich viel intensiver als sonst auf das Thema fokussiert habe. Bei mir persönlich (was natürlich bei anderen anders sein kann) geht meine Vermutung sehr in Richtung "Reaktion auf unverträgliche Nahrungsmittel", und ich habe mal wieder mit Suchdiät bzw. Ernährungstagebuch angefangen (was mich vor Jahren bei Neurodermitis schon extrem weitergebracht hat), weil mir aufgefallen ist, dass während 1-2 h nach dem Essen oft die Stimme anfängt sich zu verändern (und ich esse nur 2 x am Tag und fange meistens erst um 14.00 Uhr damit an). Das schließt natürlich nicht automatisch andere Probleme wie Dispisition/Verspannungen aus, deshalb werden ich Dispkinese auf jeden Fall mal ausprobieren. Vielen Dank auf jeden Fall für deine ausführliche Darstellung, fand ich sehr aufschlussreich.
 
Dein Hinweis auf Deine Essgewohnheiten lässt mich noch etwas vermuten, was mit der Atmung zu tun hat.
Dazu habe ich mal einen ausführlicheren Beitrag geschrieben, den ich mir hier erlaube, zu zitieren, damit ich nicht alles noch mal schreiben muss:
https://www.musiker-board.de/thread...d-andere-blasinstrumente.674997/#post-8513975 (Post #4).

Da geht es zwar ursprünglich um den Widerstand, den das Klarinettenmundstück ausübt und die Reaktion des Körpers auf diese funktionelle "Stenose".
Aber hier beziehe ich mich auf das Zwerchfell, den myostatischen Reflex und vor allem den intraabdominalen Druck, was ich dort alles näher beschrieben habe.
Nun ist es so, dass für diesen ´angemessenen´ intraabdominalen Druck der Magen und der Darm ebenfalls eine gewisse Rolle spielt. Jeder Bläser und Sänger weiß oder fühlt instinktiv, dass man auf leerem Magen oder mit prall gefülltem Magen nicht gut singen bzw. blasen kann.
Im ersteren Fall ist der Widerstand, den das Zwerchfell auf seinem Weg nach unten verspürt, zu gering und es kann nicht voll kontrahieren. Im zweiten Fall ist der Widerstand zu groß und es wird auf seinem Weg nach ´unten´ regelrecht blockiert.

Nun entspricht Deine Zeitangabe, dass sich die Stimme 1-2 Stunden nach dem Essen verändert (ich gehe mal davon aus, zum Besseren, also mehr Sonorität), ungefähr dem Zeitraum, ab dem der Nahrungsbrei wieder den Magen verlässt in Richtung Dünndarm und diesen füllt (natürlich abhängig von dem, was man gegessen hat, 1-2 Stunden gilt für leicht verdauliche Nahrung).
Es könnte also sein, dass sich nach diesen 1-2 Stunden erst ein angemessener intraabdominaler Druck aufbauen kann und erst dann die Atmung wirklich frei und optimal, bzw. besser arbeitet.
 
nein, es ist umgekehrt, Essen erzeugt bei mir eine Verschlechterung, die manchmal erst über Nacht weggeht. Am besten klingt meine Stimme vormittags bzw. bevor ich zu Essen anfange. Habe mittlerweile bereits einiges identifiziert, was mir persönlich "auf die Stimme schlägt", darunter Reis, Mango, Ananas, Hühnerei, Haferflocken. Wenn ich nur die 16 in den letzten Wochen als "ganz sicher verträglich" identifizierten Nahrungsmittel esse, bleibt die Stimme ziemlich stabil. Es gibt aber noch einen "Verspannungseffekt", der ganz sicher nicht mit Ernährung zu tun hat. Also klassisch multifaktoriell. Daran werde ich weiter arbeiten, und wie immer hast du einen interessanten weiteren Ansatz gebracht, wofür ich dir danke!
 

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