Modulation und Funktion bestimmen

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caio.lucas
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Beim Lied All This And Heaven Too von Florence and the Machine gibt es vom ersten Vers zum Pre-Chorus eine Modulation. Dann kommt der Chorus und zum zweiten Vers eine Rückmodulation. Vom zweiten Vers zum Pre-Chorus gibt es wieder eine Modulation.


1)
Übergang Vers 1 zu Pre-Chorus: 0:27 - 0:47
Übergang Vers 2 zu Pre-Chorus: 1:26 - 1:45
Beim Übergang von den beiden Versen in den Pre-Chorus tritt das harmonische Muster

|4#, A|E|C#m|E|A||0#, Dm|Dm|Em|Em|F|F|G|G|

auf. Dabei kommt es zur Modulation von E-Dur nach C-Dur.
Da die Tonarten keinen leitereigenen gemeinsamen Akkord aufweisen und es dadurch keinen möglichen Übergangsakkord gibt, bin ich von direkter Modulation ausgegangen, man erwartet ja nach dem A wieder ein E, aber es kommt dann plötzlich das Dm.
Nach der Übersicht http://utminers.utep.edu/charlesl/modulation.html gibt es aber noch die Möglichkeit der chromatischen Mediante. Da A ja eine Mediante von C-Dur ist, könnte A etwa doch ein Übergangsakkord sein? Zumindest klingt der Übergang von A zu Dm, als könnten sie verwandt sein, auf dem Quintenzirkel liegen ja A und D auch nebeneinander, könnte das den Übergang so stimmig klingen lassen?

2)
Übergang Chorus zu Vers 2: 1:10 - 1:28
Beim Übergang vom Chorus in den zweiten Vers tritt das harmonische Muster

|0#, C|C|Am|Am|F|F|Dm7|G||4#, E|C#m|E|A|E|

auf. Dabei kommt es zur Modulation von C-Dur nach E-Dur.
Verhält es sich hier ähnlich, obwohl es ja andersherum ist? G ist aber wohl auch eine Mediante von E-Dur.
G und E liegen auf dem Quintenzirkel aber nicht nebeneinander.

3) Zusätzlich wären auch die beiden Tonarten C-Dur und E-Dur selber, würde man sie als Akkorde betrachten, Medianten voneinander. Auch fällt auf, dass die Tonhöhen der Verse und des Pre-Chorus/Chorus sehr auf einem Level und aufeinander abgestimmt wirken. Würden Pre-Chorus/Chorus in einer anderen Tonart stehen, würde es meines Erachtens nicht mehr so schön klingen. Bin sehr verzaubert von dem Lied, vielleicht kann jemand den Zauber durchschauen und erklären.
 
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Hallo Caio.Lucas,
mir scheint, dass der Zauber, den die beiden Übergänge versprühen, im Kontrast der plötzlichen und modulationslosen Rückung der vorangehenden in die nachfolgende Tonart liegt. Man kann die Beziehungen der aufeinander folgenden Harmonien zueinander erklären, aber eine Modulation findet da nicht statt.
 
Zusätzlich wären auch die beiden Tonarten C-Dur und E-Dur selber, würde man sie als Akkorde betrachten, Medianten voneinander.

Das ist korrekt - und mit mediantischen Akkordbeziehungen (Parallelen) spielt auch das ganze Stück.

  • Das Grundmodell des ganzen Stücks findet sich im Refrain, einem konventionellen 1950er-Doo-whop-Turn around: I-VI-II-V, hier als I - VI - IV - II V = C - Am - F - Dm G7.
  • Die Bridge basiert auf II-V, einer Abspaltung des zweiten Teils der I-VI-II-V-Progression, einmal mit V-Parallele, einmal mit II-Parallele: II - V (=III) - II (=IV) - V = Dm - Em (statt G) - F (statt Dm) - G. Im konkreten Zusammenhang erfährt allerdings der erste Teil der Progression (Dm -Em) eine Umdeutung (siehe weiter unten).
  • Der Vers ist eine Abspaltung des ersten Teils der Refrain-Progression (I-VI), allerdings bezogen auf E-Dur (als verdurter Tonika-Gegenklang mediantisch mit C-Dur verwandt): E-C#m7, wobei C#m7 mit der Dur-Parallele A abwechselt: I - VI - I - IV = E - C#m7 - E - A (statt C#m).

Die Modulation findet in der Bridge statt:
Interpretiert man den Vers als "E-Dur", kann der letzte A-Akkord bereits als Zwischendominante des folgenden Dm interpretiert werden, während Dm als Parallele von F, dieses als Tritonussubstitution von B7 und der dem Dm nachfolgende Em als vermollte E-Tonika zu hören wären.
Der "idealisierte" Ablauf wäre also (Bridge) B7-Em-B7-Em, mit Tritonussubstitution F-Em-F-Em, realisiert durch Dm (Mollparallele der Tritonussubstitution F statt B7) - Em (Molltonika) - F (Modulationsakkord, mehrdeutig) - G (bedingt mehrdeutig).
Der modulierende Umdeutungsakkord wäre also der F-Dur, der nicht als V-Substitution von B7 zu hören wäre (der sich trugschlüssig in den G-Dur als Durparallele von E-Moll auflöst), sondern als Durparallele von Dm7, der als II-V über den G zum C-Dur des Refrains führt.

Man kann sich natürlich den Umweg über die Annahme von Tritonussubstitutionen sparen, indem man den Anfang der Bridge als E-Phrygisch interpretiert - in diesem Fall sind Dm7 bzw. F gleichberechtigte phrygische Dominanten, und F könnte seine Doppelfunktion als II-Dominante in E-Phrygisch und Subdominante bzw. Doppeldominantparallele in C-Dur ohne zusätzliche geistige Schlenker erfüllen:
Vers: [E:] I - VI - I - IV (=V/VIIm7 in E-Phrygisch)
Bridge: [E-Phr:] VIIm7-I [C-Dur:] IV (=IIm7) - V.


Die Plausibilität dieser Deutung liegt in dem relativ weichen Übergang zwischen Vers und Bridge, der sich nämlich weniger als Tonartenkontrast, sondern eher als Modus-Kontrast, d.h. als "Stimmungskontrast" darstellt, wie es für einen Wechsel zwischen E-Dur und E-Phrygisch (bzw. E-Moll, wenn man Dm/F als Tritonussubstitutionen deutet) ja eigentlich zu erwarten ist.
 
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Bei so etwas habe ich immer gern etwas für die Äuglein -->

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Modulation? Der Wechsel vom A- zum B-Teil ist, wie wenn man zur Mollsubdominante (Dm) ginge, die sich aber dann als IIm der B-Teil Tonart entpuppt. Ich würde das ebenfalls als eine direkte Modulation bezeichnen, wobei A als letzter Akkord im A-Teil schon ein wenig Pivot Chord Function hat.

Da sich der B-Teil in der selben Tonalität wie der C-Teil befindet, ist da keine Modulation.
 
Zuletzt bearbeitet:
Da sich der B-Teil in der selben Tonalität wie der C-Teil befindet, ist da keine Modulation.

Hat ja auch niemand behauptet.

Der Wechsel vom A- zum B-Teil ist, wie wenn man zur Mollsubdominante (Dm) ginge, die sich aber dann als IIm der B-Teil Tonart entpuppt.

Dann wäre der A-Teil als A-Dur zu interpretieren (A: V-IIIm7-V-I), was allerdings vom Melodieverlauf nicht gestützt wird, der sich überwiegend in einem plagalen Ambitus von H-e-h bewegt, der eher auf E verweist.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Dann wäre der A-Teil als A-Dur zu interpretieren (A: V-IIIm7-V-I), was allerdings vom Melodieverlauf nicht gestützt wird, der sich überwiegend in einem plagalen Ambitus von H-e-h bewegt, der eher auf E verweist.
Du hast natürlich Recht. Mollsubdominante ist Quatsch! (War schon etwas spät gestern abend als ich diesen Satz nachträglich dazu geschrieben habe.) Der A-Teil ist, wie Du sagst, eindeutig in E Dur.
 
Mediante?

Nun, wenn ich das mit der Mediante richtig verstanden habe, dann ist dieses ein Begriff, der sich vom ursprünglichen Zugewiesenen abgewendet hat und nun eine Mehrdeutigkeit generiert bzw. generieren soll.


Zuerst war das lateinische Maß mediante eine Zuordnung zum Mittleren von Irgendetwas.

Im Französischen wird immernoch diese ursprüngliche Definition verwendet. Pour un accord parfait, on prend le tonique, la médiante et la dominante.
Dementsprechend kurz ist der französische Wiki-Artikel:
https://fr.wikipedia.org/wiki/Médiante

Im deutschsprachigem Raum entwickelte man eine Unterscheidung in mediante 1. und 2. Grades (3. Grad in septimen-Akkorden) und charakterisierte damit ein einfaches oder doppeltes Tonverwandschaftsverhältnis. z.B. kann man die Stufenleiterakkorde derart anordnen, dass immer Akkorde mit gemeinsamen Tönen ineinander greifen. Für ein natMoll ( _m _verm _Dur _m _m _Dur _Dur) erhielten wir damit einen Kreis für einen gemeinsamen Ton als Verbindungskriterium in der Akkordfolge : i-v-ii-VI-III-VII-iv-i (qvasi einen cirlce of mediants, wenn ich 'chord progressions and secrets of songwriting' richtig gedeutet habe)
Der deutsche wiki-Artikel liesst sich schon anders.
https://de.wikipedia.org/wiki/Mediante

Der englische wiki-Artikel ist wie der französische recht kurz verfasst.
https://en.wikipedia.org/wiki/Mediant
Allerdings verweist der englische Artikel auf das chromatic mediante Concept.
https://en.wikipedia.org/wiki/Chromatic_mediant
In der englischen Musikwissenschaft konzentriert man sich also auf eine "Major/Minor third distance" und entwickelt daraus die diatonic, chromatic und double chromatic Beziehung.
https://learnmusictheory.net/PDFs/pdffiles/03-12-TypesOfMediantRelationships.pdf

Freut mich, dass in der Erklärung zur Mediante viel Zeit investiert wurde. Eine Eindeutigkeit zum Begriff mediante sehe ich eigentlich nur noch im Französischen. Mit dem Wandel vom Begriff mediante zum Begriff Terzverwandschaft hat ein ganz neues Kapitel begonnen, das die Sache etwas verkompliziert. Und die englische Musikwissenschaft hat noch einiges hinzugedichtet. Wenn der Piano-Virtuose Spielen mit gekreuzten Armen als Capricciose kennzeichnet, dann wäre es nur fair, wenn es in der Musiktheorie auch Hinweise auf einen verrückten Interpretationsraum gäbe.

Aber,
eine rein hypothetisch gestellte Frage nach der Funktion eines Akkords, weil der Thread im Titel Modulation und Funktion hat, mit mediante hypothetisch zu beantworten, ist doch nur dann einleuchtend, wenn ein Akkord neben Primärfunktionen ( T , D, DD,.. ) noch andere definierte Funktionen haben kann. Eine Aussage wie z.B.: Der Akkord X ist mit Akkord Y mediant verwandt ist irgendwie nicht die hellste Kerze auf der Torte. Oder bedarf es für diese geistige Akrobatik nur etwas mehr Anlauf?

mit einem -hoffentlich sind meine Metaphern verständlich- Gruss
:gruebel:

Nachtrag: für Dur und ein 2-gemeinsame-Töne Kriterium bilden die Akkorde
I-iii-V-vii-ii-IV-vi-I einen Akkordfolgenkreis.
 
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