Was ist 12-Musik und wie funktioniert sie?

  • Ersteller Reaper's Ballz
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Jetzt hören: Es gibt auch Rock / Popmusik, die (nicht vollständig: Soli & Gesang machen da & dort Ausnahmen) zwölftönig komponiert ist. 1989 hab ich unter dem Namen "Virulent Violins" eine LP/CD herausgebracht, auf der sich 2 gute Beispiele für Reihenverwendung finden. "Lulinha" durchgängig bis zum ersten improvisierten Solo, "Pantheress" bis zum Gesang. Wenn du Noten brauchst: mail mich an, ich schick dir PDFs.
Danke für die Beispiele, ich höre sie mir gerade an. Sie klingen auf jeden Fall schon sehr gut. Schade nur, dass die Beispiele so kurz sind – ich könnte gerade mehr Material gebrauchen. Gibt es eine Möglichkeit, deine Musik zu kaufen oder anderweitig zu erwerben? Oder hast du vielleicht mehr Material, das du mir zeigen könntest?
Heute bin ich Musik- & Spanischlehrer an einem bremer Gymnasium. Das Thema meines augenblicklichen 12er GK ist "Musik des 20. Jahrhunderts, da benutze ich einiges Material von damals.
Mit diesem Material lässt sich gut zeigen, was möglich ist. Für mich ist es jedoch zu wenig. Eigentlich glaube ich nicht, dass du das hier jemals lesen wirst – aber die Hoffnung stirbt zuletzt
Mit der Kompositionstechnik habe ich unheimlich viele Probleme.
nehmen wir als einfaches beispiel die 12 Tonreihe
1-4-2-6-9-7-8-3-10-12-5-11
wenn ich jetzt einen krebs hinten dran hänge, sieht der Übergang so aus.
...12-5-11-//11-5-12...
das wär ja schon falsch, weil die 11 ja 2 mal vor käme.
geht man davon aus, das Repititionen nicht verboten sind, geht das trotzdem nicht, weil die 5 sich ja zu früh wiederholt. transponiert man den krebs jetzt so, dass der Anfangston der Richtige ist, klappt es trotzdem nicht.
...12-5-11//1-7-2...
jetzt ist die 7 ja zu früh.
Ja, das ist ein Missverständnis bezüglich dieser Technik. Wiederholungen sind erlaubt, aber nicht in der ursprünglichen Reihenfolge. Andernfalls wären Variationen wie die genannten gar nicht möglich.

Auch bei der Polyphonie stehe ich vor ähnlichen Problemen.
Wenn man diese Reihe in einem 2 stimmigen Imitationssatz verwenden will geht schon am anfang nix mehr.
nehmen wir an, die 2. Stimme soll 4 Zählzeiten versetzt anfangen. mit 1 kann man nicht anfangen, da die 1 ja noch nicht dran ist. aber die töne 7-8-3-10-12-5-11 sind ja noch frei.
fängt die 2. stimme jetzt also transponiert auf der 7 Ton an, wäre die zweite zählzeit der 2. Stimme ein 10 und der nächste eine 8. die 8 kam aber grade schon in der 1. Stimme vor. klappt also wieder nicht.
Wie ich bereits angedeutet habe, sollte man die Technik des traditionellen Kontrapunkts hinter sich lassen. An ihre Stelle tritt die freie Überlagerung der Ausgangsreihe und ihrer – zum Teil transponierten – Variationen. Dadurch entsteht mehr Raum für kompositorische Ideen, die dann allerdings auch konsequent genutzt werden müssen.
Ich kann mir vorstellen, dass es ein paar spezielle 12-Tonreihen gibt, bei denen aufgrund von gewissen Symetrien diese Probleme nicht auftreten, aber die und ihre Kombinationspunkte zu finden, wäre dann nur noch Mathe und sehr viele Tonreihen werden sich nicht finden lassen.
Wie bereits erwähnt, gibt es auch Möglichkeiten, eine Zwölftonreihe in ein tonales System zu überführen. Streng genommen handelt es sich dann zwar nicht mehr um Zwölftonmusik im klassischen Sinne – doch sei es drum. Im gleichen konzeptionellen Rahmen ließe sich sicherlich auch ein Beispiel mit herkömmlichem Kontrapunkt finden.
Außerdem wäre die Musik dadurch so derartig determiniert, dass der Komponist kaum noch Eigenständig entscheiden kann.
Für mich stellt dieses Problem weniger ein Hindernis als vielmehr einen Gewinn dar – ja, sogar eine eigenständige kompositorische Idee. In meinem ursprünglichen Beitrag zu diesem Thema, in dem ich mich mit der Ided einer Zwölftonmusik auseinandergesetzt habe, ging ich so weit zu behaupten, dass die dort beschriebene Anordnung der Töne einer Reihe zu Akkorden selbst als kompositorische Idee verstanden werden kann.Da die Zwölftonmusik nach meinem Verständnis quasi unkomponierbar ist, glaube ich, dass ich einigen Missverständnissen zum Opfer gefallen bin.
 
So ganz konsequent hat niemand mit der dodekaphonie komponiert (ohne phantasie geht auch da nämlich nichts), und wenn du anstatt den krebs an die ausgangsreihe zu hängen, erst eine spiegelung vornimmst, kommst du zu anderen ergebnissen.
Wie gesagt, die Grundlage jeder Technik ist das, was außerhalb von ihr steht – nämlich die eigentliche kompositorische Idee. Erst durch diese Idee entfalten die technischen Möglichkeiten und Variationen ihren Sinn: Sie werden zu Mitteln des künstlerischen Ausdrucks. Ohne eine solche Idee jedoch verkommt das Ganze leicht zum bloßen Chaos – auch wenn es in der elektronischen Musik durchaus Beispiele gibt, in denen selbst dieses Chaos, getragen von einer starken Idee, fruchtbar und überzeugend gestaltet wurde.

Das verbot der wiederholung mag folgerichtig sein, hat aber in der praxis dazu geführt, dass sich nichts einprägt, da können noch so viel mutationen am ohr vorbeirauschen, es ist damit überfordert.
Das eigentliche Problem besteht darin, den richtigen Kompromiss zu finden: genug Klänge, um etwas Interessantes zu erzeugen, aber nicht so viele, dass die menschliche Wahrnehmung überfordert wird. Ob es künstliche Systeme gibt, die besser mit diesem Problem umgehen können, weiß ich nicht. Für mich persönlich war diese Technik auf jeden Fall eine gute Idee.
Es beinahe so wie bei Débussys "ganzton-stücken", die klingen alle so ähnlich, und so ist es mit der 12-tontechnik, man hört immer die 12 töne, eine dauerchromatik, und es ist einem dann egal, in welcher reihenfolge
Wie bereits von anderen und auch von dir erwähnt wurde, hat diese Musik eine ganz besondere Klangsprache entwickelt. Für Ohren, die nur durchschnittlich geschult sind, klingt sie oft wie bloßes 12-Ton-Gedudel. Ungeübte Hörer nehmen sie sogar als völlig neue und ungewohnte Klänge wahr. Erst für erfahrene Ohren offenbart diese Musik ihre wahre Stärke.
Das spätere 19.Jh. hatte es mit dem verminderten vierklang, auch den kann man nicht mehr mit gutem gewissen verwenden, so abgenutzt ist er.
Wie bereits erwähnt, kommt es darauf an, neue Ideen zu finden, die sich mit dieser Methode umsetzen lassen. Meiner Ansicht nach gibt es davon kaum noch etwas wirklich Erwähnenswertes – abgesehen von einigen rhythmischen und harmonischen Experimenten, wie ich sie zum Beispiel plane.
ist es nciht gerade sinn einer zwölfton musik regeln zu brechen?? wieso dann neue erschaffe wie "es darf nicht jeder ton zweimal vorkommen bevor man
Die Idee der Zwölftonmusik bestand meines Wissens darin, die traditionelle Tonalität zu überwinden und gleichzeitig demokratische Strukturen im musikalischen Material zu schaffen.
wie schon wissen" mach einen krebs so wei "1-11-5-6" - "6-5-11-1" dann machst du andere wiederholungen rein so wie DU es glaubst
ja DU .. du musst entscheiden wie du zwölftonmusik einordnest und nur dann funktioniert 12 ton musik.
Wie bereits erwähnt, sollten die dadurch eröffneten Möglichkeiten zu einer freieren Umsetzung kompositorischer Ideen führen. Entscheidend ist also, wie schon gesagt, die Qualität und Kreativität dieser Ideen.
 
Alte regeln brechen und dafür neue erfinden! Die folge der reihe war streng geregelt, von der folgenden "seriellen" musik spricht schon keiner mehr, da wurden nicht nur die tonhöhen, sondern auch dauern, lautstärken und klangfarben in reihen gebracht,
Es tut mir leid, dass ich euch in einem eher verstaubten Thema noch mit Kritik an eurer Kritik belästige. Eigentlich bin ich ein Fan der seriellen Musik. Allerdings habe ich die zwölftonige serielle Musik für mich weiterentwickelt, indem ich als Ausgangsmaterial nicht die chromatische Tonleiter, sondern einen anderen Tonvorrat verwendet habe. So entstand für mich eine eigene N-Klang-Musik. Dabei steht nicht die semantische Bedeutung im Vordergrund, sondern die semiotische Struktur der Musik.
die folge: eine nur mit dem auge verfolgbare, intellektuelle, schwer entzifferbare musik, die dann auch keiner spielen wollte, da schon das lesen äußerst mühsam war. Ich berichtete irgendwo/wann von einem erheiternden vorfall.
Meiner Meinung nach lässt sich diese Kritik auch auf andere Musik übertragen, die eher fürs Auge als für eine echte Aufführung konzipiert ist. Dennoch glaube ich, dass man sich an die Aufführung solcher Musik gewöhnen und schließlich ein Verständnis dafür entwickeln kann.
Aber das betrifft nicht nur diese genre, was man anfangs "jazz" nannte, eine populäre, locker-rhythmisch-improvisatorische wiedergabe von irgendwann/wo gehörtem, hat jetzt, was weiß ich, wieviel regeln, über die die urheber nur staunen würden.
Ein freier umgang mit den 12 tönen (Bach, Reger!) ist keine "zwölfton-musik", sondern "chromatik".
Ja, vielleicht hat jede Epoche der Musik und Kunst ihre Zeit und einen Kontext, in dem sie wichtig erscheint. Ich will mal so weit gehen und sagen, dass die nachfolgende Musik ohne die Zwölftonmusik nicht richtig verstanden werden kann – und dass vielleicht die Zeit der Zwölftonmusik vorbei ist.
Und wenn eine Epoche der Musik und Kunst zu Ende geht, passiert es, dass ein festes oder auch besser gefasstes, beliebiges Gebilde entsteht, das in seinen Regeln gefangen ist, wie die tonale Musik, die ja von der Zwölftonmusik abgelöst wurde.
Hier mal ein eher spassiger (also nicht ganz ernst gemeinter) Beitrag zum Thema Zwölftonmusik :

Bodo Wartke - Dodekakophonie/Die Grätchenfrage

zu finden als Video auf ... na ihr wisst schon wo. Mit Hörbeispiel und nachfolgend seiner ganz eigenen Interpretation dieser Technik :p

_MAN
Den Beitrag werde ich mir auf jeden Fall ansehen.
 
Du mußt einfach in Reihen als kleinste Einheit denken. Innerhalb dieser Reihen kommt jeder Ton nur einmal vor. Eine solche Reihe wird nun in verschiedenen Variationen wiederholt. Du betrachtest also die Töne 1-12, dann 13-24 und so weiter, nicht irgendwelche 12 Töne in Folge.
Die Reihe ist hier als die kleinste Einheit zu verstehen, in der komponiert wird. Adorno hatte bereits richtig festgestellt, dass diese Reihe das traditionelle Harmonieverständnis, wie es zuvor galt, aufhebt. Dadurch führte sie zu einer Industrialisierung der Musik – oder anders ausgedrückt: Die Musik wurde dadurch computertauglich.
Wenn du polyphon komponierst, kannst du entweder vertikal oder horizontal denken:
Ich wusste bereits, dass man horizontal oder vertikal komponieren kann. Doch ich verstand das „oder“ eher als ein „und“ – also so, dass man eine Struktur schafft, die in beiden Richtungen geordnet ist.
Vertikal hieße, daß alles zusammegehört, linke und rechte Hand am Klavier, alle Instrumente in einem Orchester etc. Es wird also von vorne an jeder Ton im Stück gezählt, bis man bei 12 ist,
Man kann natürlich die 12 möglichen Töne immer wieder zusammen erklingen lassen, dabei aber auf verschiedene Instrumente verteilen. Was genau dabei als Instrument gilt, bleibt allerdings noch offen. Auf jeden Fall ist das eine gute Idee, mit der ich experimentieren möchte.
ist, dann fängt die nächste Reihe an. Du darfst aber den gleichen Ton - auch als Oktave - gleichzeitig mehrmals spielen - das fällt dann unter Klangfarbe.
C könnte also aus einem C' von der Geige, C vom Kontrabass und c vom Klavier bestehen und wäre dann ein Ton (Geige, Kontrabass und Klavier spielen den dann auch gemeinsam).
Eine wichtige Frage, die hier zunächst offenbleibt, betrifft das Wesen der Klangfarbe. Dabei könnte man entweder von den vertrauten Klängen traditioneller Instrumente ausgehen oder das Spektrum auf Synthesizer-Klänge erweitern.

Horziontal wäre in Stimmen gedacht. Dann gilt das Wiederholungsverbot pro Stimme, du kannst also zum Beispiel in der ersten Stimme das Originalthema spielen und dazu die Umkehrung in der zweiten Stimme.
Ich würde das eher als ein Denken in Melodien verstehen. Meines Erachtens ist das die ursprüngliche Methode der Zwölftonmusik, so wie ich sie damals aus für mich zugänglichen Büchern kennengelernt habe.
Wenn man beide Stimmen gemeinsam betrachtet, kommen dann natürlich Töne zweimal vor, bevor alle anderen gespielt wurden, aber man denkt jetzt eben in Stimmen.
Natürlich kann hier mehrere Instrumente die selbe Stimme spielen lassen, auch oktaviert oder transponiert.
ine weitere Möglichkeit hier (die praktiziert wird aber möglicherweise nicht im Sinne des Erfinders ist) wäre der Kontrapunkt, eine Stimme, die zum Thema gesetzt wird aber eben nicht das Thema ist.
Ich bin offen für zwei verschiedene Herangehensweisen: Zum einen kann man den klassischen Kontrapunkt verwenden, zum anderen besteht die Möglichkeit, den speziellen Kontrapunkt der 12-Ton-Musik zu nutzen. Letzterer unterscheidet sich deutlich vom herkömmlichen Kontrapunkt und folgt seinen eigenen Regeln.

Eine weitere Methode, die ich bereits oben angedeutet habe, besteht darin, sowohl horizontal als auch vertikal zu denken und zu kombinieren. Das bedeutet, dass jede Stimme und jeder Zeitpunkt in der Zeit einer möglichen Reihe entspricht. Allerdings würde dies das menschlich Verarbeitbare wahrscheinlich übersteigen. Es ist zunächst nur eine Idee von mir, die in zukünftiger Musik, speziell für und von Systemen zur Strukturverarbeitung, von Interesse sein könnte.
 
Dir ist aber schon bewusst, das der letzte Post vor deinem ersten heute von 2007 war?
Du zitierst Leute die schon längere Zeit nicht mehr online waren…..
Auch wenn es interessant ist, was Du schreibst, könntest Du hier schnell zum Alleinunterhalter werden.
 
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Der schlimmste Fall von Nekrophilie, den ich seit langem erlebt habe. ;)

Zum einen gibt es Konzepte die in die grobe Richtung gehen schon sehr lange, der Kontrapunkt ist letzten Endes auch nur ein Satz Regeln um Musik zu erzeugen, musikalische Würfelspiele von CPE Bach bis Mozart, etc. Zum anderen hat sich seit 2007 viel getan, so sind in der Zeit viele musikalische Programmier- und Skriptsprachen entstanden, mit denen viele Ideen und Grundgedanken die hier angesprochen wurden mit minimalem Aufwand ausprobiert und angehört werden können. Es krankt dann eher daran, dass niemand Zeit und Lust hat alle Permutationen tatsächlich anzuhören, die ein Regelsatz erzeugt.
 
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In dem Zusammenhang mal ein Verweis auf Josef Matthias Hauer. Auch interessant, eher "dem Regelwerk" verhaftet, als dem späten Expressionismus.
 

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