Ob die NDW dadistische Züge hatte, sei dahingestellt. Vieles war sicherlich völlig "Gaga", damit ist es aber noch nicht "Dada" ...
Dass hingegen Dada und Picassos "Stierkopf" etwas miteinander zu tun haben sollen, scheint mir allerdings eine Fehlinterpretation zu sein:
Der Dadaismus wurde ja auch als Nonsens abgetan. Oder wie können ein Fahrradsattel und ein Fahrradlenker einen Stier ergeben?
Dadaismus will nicht als Nonsens abgetan werden, sondern erzeugt Nonsens - das ist sozusagen der Sinn hinter dem Unsinn.
Allerdings trennen Dada und Picassos "Cabeza de toro" (1942) zwei Jahrzehnte und erhebliche konzeptionelle Unterschiede: Der "Fahrradstier" wird dem Surrealismus zugeordnet - es geht hier also um sinngebende Neukombination, nicht um bewußt sinnentleerende Dekomposition.
Die Verbindung von "Fahrrad + Stier" war für Picasso nicht einmal "surreal", sondern dürfte ihm seit Kindheitstagen vertraut gewesen sein:
Was hier wie ein sinnfreies, quasi "dadaistisches Objekt" aus Stierkopf und Schubkarre aussieht, ist ein
Carrión taurino, ein Trainingsstier, der in Spanien u.a. als beliebtes Geschenk zur Kommunion (!) beworben wird. Und zur Not wird einfach ein altes Fahrrad durchgesägt und umfunktioniert (rechtes Bild).
Indem ein Alltagsgegenstand in den Dienst einer Kunstform gestellt wird, wird er aber noch nicht selbst zum Kunstobjekt.
Picassos Stierkopf ist in seiner Ästhetik zeitlos - Musik und Texte der NDW sind es nicht. Die NDW spielte zwar auch mit Banalitäten, hier waren aber die Grenzen zwischen
gekonnt und
gewollt, zwischen zeitkritischer Satire und unfreiwilliger Realsatire ebenso fliessend, wie zwischen absichtsvollem Minimalismus und infantiler Monotonie als Folge künstlerischer Impotenz.
Da die NDW - trotz heterogener musikalischer Einflüsse und Ausdrucksformen - zumindest mit einigen charakteristischen Attitüden verbunden war, würde ich ihr dennoch zumindest den Rang eines eigenen, historisch eingrenzbaren
Subgenres innerhalb der Sparte "nationaler Pop (deutschsprachig)" zubilligen.
Die NDW als "neo-dadaistisches" Genre im Zeitgeist der 1980er, also irgendwo zwischen ungehemmtem Hedonismus und pessimistischer Weltuntergangsstimmung anzusiedeln, erscheint mir - trotz gewisser Parallelen zum Vorkriegsschlager der 1930er - als zuviel der Ehre. Ich glaube auch nicht, dass die Welle durch ihre Kommerzialisierung gebrochen wurde, sondern dass sie sich durch ihre fehlende Substanz zwangsläufig selbst erledigt hat.
Und auch dass Leute eher unfreiwillig auf Wellen mitsurfen, ist ja nicht auf die NDW beschränkt: Auch ein Bob Dylan hat zunächst von der Welle des Folkrevival der frühen 1960er profitiert, obwohl er sich gegen diese Vereinnahmung immer gewehrt hat.