Neuling mit Ende 30 und ein paar Fragen...

Vorab ein paar rhetorische Fragen:
Ist es undiszipliniert, wenn man das Prinzip umkehrt und mit dem Spaß beginnt?
Ist es diszipliniert, wenn man regelmäßig die Klampfe in die Hand nimmt?
Oder hat Disziplin etwas mit Motivationsgründen zu tun?
Könnte es sein, dass Disziplin herzustellen einfacher ist, wenn man Spaß an der Sache hat, die Disziplin erfordert?
Wie viele Menschen versuchen ein Instrument zu lernen und hören wieder damit auf, weil sie keinen Spaß damit haben?

Bei mir 3: Klavier, Geige, Querflöte;
Als der Ehrgeiz meiner Eltern, dass ich ein ernsthaftes Instrument zu erlernen hätte, besiegt war, kam die E-Gitarre und blieb, weil es mir Spaß machte, ganz frei und ohne Lehrer Gitarre spelen zu lernen! Den ersten Gitarrenlehrer hatte ich von 2014 - 2017, nach 25 Jahren Gitarre, das war dann auch genug "spaßfreie Motivation" da. Allerdings hat dieser Lehrer auch ganz klar gesagt, dass wir nichts machen, was mir keinen Spaß bereitet. Aber da ich ein großes Interesse daran hatte, meine grundlegende Technik zu verbessern und die ersten Lernerfolge Spaß machten, war das auch wieder ein Selbstläufer.

Ich finde, spaßfreies Lernen ist ein Konzept aus dem 18 Jahrhundert, dass sich irgendwie hartnäckig hält. Ein Instrument darf erstmal keinen Spaß machen, sonst ist es nicht ernsthaft genug. Ich verstehe diesen Ansatz nicht. Ich hab da unweigerlich das Bild der strengen, älteren Dame mit straff geknotetem Dutt und verkniffener Ernsthaftigkeit im Kopf, die dem Kind mit dem Rohrstöckchen auf die Finger haut. Lernen durch Schmerzen, oder so. Aber ich möchte auch nicht unterstellen, dass es Erwachsene gibt, die nur so in der Lage sind zu lernen, ich kann ja nur über mich reden. Jeder so, wie er/sie es mag.

Meine Meinung ist es, dass Spaß der Motivator Nr. 1 ist und sein sollte. Insbesondere bei Beginnern sollte der Spaß im Vordergrund stehen. Schnelle Lernerfolge stellen sich nur ein, wenn der Schüler Spaß hat und sich auf den nächsten Unterricht freut. Aber dass ist natürlich nur meine persönliche Meinung und soll nicht als Allgemeingültigkeit dargestellt sein. Es gibt mit Sicherheit auch Menschen, die sich darauf freuen, bald wieder mit dem Rohrstöckchen auf die Finger zu bekommen.

Es wird alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird.

VG
JT
Soll das eine Gegenrede zu meinem Beitrag sein? Im Großen und Ganzen sind wir der selben Meinung. Spaß ist sehr wichtig beim Lernen eines Instruments. Allerdings bleibt der Spaß schnell aus, wenn man nicht weiter kommt. Erkennbare Fortschritte waren bei mir notwenig, um weiterhin Spaß zu haben. Erkennbare Fortschritte sind mitunter nur zu erreichen, wenn man bestimmte Dinge sinnvoll, lange und hartnäckig trainiert.

Heute weiß ich aus Erfahrung, dass ich irgendwann auch für das ausdauernde Lernen von Übungen, auf die ich "keine Lust" habe, belohnt werde. Heute weiß ich auch aus Erfahrung, dass ich mich gerade durch solche Übungen durch quälen muss, die überhaupt nicht laufen wollen und die mich tagelang frustrieren, weil ich genau hier einen echten Fortschritt machen kann. Weil ich genau hier meine Limitierungen abbauen kann.

Heute weiß ich auch aus Erfahrung, wie ich meine vorhandene Energie so über eine Lerneinheit/-stunde verteilen muss, dass sie für alle Übungen ausreicht und nicht am Ende etwas aufgrund von Erschöpfung/Unaufmerksamkeit auf der Strecke bleibt. Ich weiß, wieviel ich mir zutrauen kann.

Diese Erfahrung, dieses Vertrauen darauf, dass auch schwierige, spaßfreie Lerneinheiten am Ende Fortschritt, Erfolg und damit Spaß bringen, hat ein Anfänger leider nicht. Die erwirbt man erst, nachdem man es viele Male selbst erlebt hat.

Ein guter Lehrer sollte für eine Mischung der Lerninhalte sorgen, die sowohl den notwendigen Spaß bringt, als auch Fortschritt ermöglicht. Leider orientieren sich viele traditionelle Lehrmethoden ausschliesslich an den instrumentellen Erfordernissen, so dass engagierte Lehrer das motivierende Lehrmaterial selbst zusammenstellen müssen. Schon die Kosten für den Rechteerwerb verhindert bei den meisten Lehrwerken, dass echte, bekannte, beliebte, aktuelle und motivierende Stücke in das Lehrwerk aufgenommen werden. So besiegt die kalkulatorische Finesse des Verlags-Buchhalters die Motivation des Schülers, der sich durch das trockene Lehrwerk arbeiten muss.

Das alles muss (und kann) ein guter Lehrer auffangen. Wohl geschieht es zu selten.
 
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Heute weiß ich aus Erfahrung, dass ich irgendwann auch für das ausdauernde Lernen von Übungen, auf die ich "keine Lust" habe, belohnt werde.

Wir sind uns zu 99% einig.
Ein Anfänger muss aber doch erstmal da hinkommen, dass er den Ehrgeiz entwickelt, auch durch die zähen Fleißübungen zu kommen, oder? Ich stelle ja nicht in Frage, dass es auch Notwendigkeiten gibt, die vielleicht weniger Spaß machen. Aber einen Neuling ausschließlich mit schwierigen Lerninhalten zu bombardieren finde ich den falschen Weg. Und darum geht es ja, wie schafft man es, Neulinge bei der Stange zu halten, und da meine ich, dass geht nur, wenn der Spaß überwiegt.

Als Lernender geht man - meiner Meinung nach - durch viele Phasen. Am Anfang entwickelt man doch auch ein Gefühl dafür, ob das Instrument überhaupt für einen geeignet ist.
Nach 30 Jahren kann man auch mal erwarten, dass man sich den Lerninhalten stellt, die schwierig und herausfordernd sind und Disziplin und Fleiß erfordern. Das kann ja AUCH Spaß machen! Aber vom Start weg.... ich weiß nicht.

Bei mir war es so, dass mein Bruder mir drei Akkorde zeigte. Ich hatte zwei Stunden Zeit die zu üben, danach ham wer zusammen "Hey Joe" gespielt. Ich konnte Gitarre spielen! WOW! Geil! Jetzt knapp 30 Jahre später bin ich immer noch hoch motiviert dabei. Als Hobbymusiker.

Wie gesagt, nur meine 5 Cents.

VG
JT
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Wenn man dann dennoch zur Gitarre greift, weil das z.B. langfristig "mehr bringt", ist das schon diszipliniert, auch ohne dass man dabei durch eine Selbstkasteiung gehen muss.

Eben: Disziplin kann nämlich auch Spaß machen, wenn einem die Tätigkeit generell Spaß bereitet. Man nennt es dann nur nicht "Disziplin", weil viele darauf eine negative Assoziation haben.

VG
JT
 
ich finds immer ganz gut mit Spass und vor allem Dingen zu beginnen
die ich kann.
Abgesehen von der Motivation sollte man vor dem Üben sein Körper mit Vorübungen einstimmen.
Kein ambitionierter Sportler beginnt ohne sich aufzuwärmen.
Gilt finde ich genauso für Musik
 
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