Objektive Beurteilungskriterein für Musik verschiedener Epochen

Stift
Stift
Registrierter Benutzer
Zuletzt hier
14.09.19
Registriert
28.08.07
Beiträge
182
Kekse
89
Ort
Bremen
Moin,
ich suche objektive Beurteilungskriterien für verschiedene Musikepochen. Dabei geht es hauptsächlich um die Klassik, Romantik und neue Musik ( ab 1914).
Dabei geht es weniger ob man Musik überhaupt objektive Beurteilen kann, sondern wir gehen einfach mal davon aus das man es kann.
Ich muss diese Frage wegen einer schriftlichen Musikarbeit bearbeiten.
Ich muss klären, ob es eine Veränderung zur Bewertung der Qualität der Musik in diesen Epochen gibt.
Dafür will ich Quellen verschiedener Verteter beurteilen und eine Schnittmenge bilden.
Im Klartext: Ich will schauen ob ein Verteter in der Klassik Mozarts(Beispiel) Werke anders beurteilt, als einer in der Romantik oder heute.
Habt ihr irgendwelche Vorschläge welche Kriterien man für die Beurteilung heranziehen kann?


Liebe Grüße
 
Eigenschaft
 
Ein paar Gedanken ;)...

ich suche objektive Beurteilungskriterien für verschiedene Musikepochen.

Dieser Satz widerspricht deinem Threadtitel: suchst du Bewertungskriterien für Musik verschiedener Epochen oder für Musikepochen? Das ist nicht das gleiche. Was ist gemeint?

Dabei geht es weniger ob man Musik überhaupt objektive Beurteilen kann, sondern wir gehen einfach mal davon aus das man es kann.

Das ist aber eine Vorbedingung, die eine ernsthafte Beschäftigung mit der Materie letztlich unmöglich macht. Und wenn eine solche Vorbedingung gestellt wird, müsste sie erläutert werden, denn man kann ja nur verschiedene Musiken an Beurteilungsmaßstäben messen, wenn man diese Beurteilungsmaßstäbe detailliert kennt. Wer also voraussetzt, Musik könne objektiv beurteilt werden, muß dann auch die Beurteilungsmaßstäbe mitteilen.

Dafür will ich Quellen verschiedener Verteter beurteilen und eine Schnittmenge bilden.

Was sollen das für Vertreter sein? Komponisten, Musikkritiker, Hörer? Bei ernsthafter Forschung sind mit Sicherheit keine belastbaren Maßstäbe zur Definition musikalischer Qualität zu finden. Die Voraussetzung "wir gehen einfach mal davon aus das man [Musik qualitativ beurteilen] kann" wird keiner historischen Prüfung standhalten, denn wer wollte sich anmaßen, musikalische Qualität objektiv beurteilen zu können? Nebenbemerkung: ich habe ein Buch hier im Bücherschrank stehen, das musikalische Werturteile fällt, aber das ist das Jahrbuch der Deutschen Musik 1942, und das ist natürlich hochgradig ideologisch geprägt. Sowas meinst du vermutlich nicht, nehme ich an.

Habt ihr irgendwelche Vorschläge welche Kriterien man für die Beurteilung heranziehen kann?

Die Kriterien müsste derjenige nennen, der die Vorbedingung gestellt hat, Musik sei qualitativ objektiv beurteilbar. Wenn du das als Vorgabe für deine Arbeit von deinem Dozenten so erhalten hast, würde ich diese Grundlage erst mal kritisch hinterfragen, anstatt Kriterien zu ihrer Untermauerung künstlich herzustellen.

Harald
 
...
ich suche objektive Beurteilungskriterien für verschiedene Musikepochen. Dabei geht es hauptsächlich um die Klassik, Romantik und neue Musik ( ab 1914)...
Habt ihr irgendwelche Vorschläge welche Kriterien man für die Beurteilung heranziehen kann?...

Mein Idee wäre zunächst eine radikale Einschränkung, das Thema wäre sonst uferlos. Harald hat ja bereits auf die unsaubere Fragestellung hingewiesen.

Ganz praktisch würde ich mich auf eine Gattung konzentrieren, z.B. eine handvoll Opern aus der jeweiligen Zeit.
Du wirst dabei auf solche stoßen, die damals kein Erfolg ware, aber heute zum Standardrepertoire gehören und genauso auf solche, die damals ein echter Hit waren und heute kaum noch Beachtung finden.
Anhand von Presseberichten aus den Epochen ließe sich aufzeigen, was zur jeweilien Zeit an dem Werk als wichtig empfunden wurde. Auch die Publikumsreaktionen, eventuell auch Honorare und Zahl der Aufführungen sind oft überliefert.
Solche "Bewertungen" könntest Du gegenüberstellen und die Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede zu Heute beschreiben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich danke euch schoneinmal für eure Antworten ;D
und entschuldige mich für meine unklare Fragestellung.
Also ich suche eigentlich Bewertungskiterein nachdenen Komponisten oder seiner Werke beurteillt werden können.
Ich denke eine Einschränkung auf Opern (oder etwas anderem) ist schonmal eine sehr gute Idee die die ganze Sache vereinfacht. Eine Idee auf die ich bis jetzt (warum auch immer) nicht gekommen bin.

lg
 
Hallo Stift,

Du suchst Kriterien um Musik zu bewerten. Wie oben schon angedeutet wurde, haben sich diese Kriterien im Laufe der Geschichte der Musik ständig gewandelt:

Platon wollte in seinem Idealstaat nur bestimmte Tonarten und Musikinstrumente zulassen. Die Lydische Tonart lehnte er wegen ihrer demoralisierenden Wirkung ab.
http://de.wikipedia.org/wiki/Platon#Kunstverst.C3.A4ndnis

Das Christentum bestimmte maßgeblich die Funktion der Musik in unserem Kulturkreis. In der Bibel heißt es u.a.:
"Lasst in eurer Mitte Psalmen, Hymnen und Lieder erklingen, wie der Geist sie eingibt. Singt und jubelt aus vollem Herzen zum Lob des Herrn!" (Eph 5,19)
http://de.wikipedia.org/wiki/Gregorianischer_Choral
Nur, welche Musik war zum Lob des Herrn und welche des Teufels?

Bach soll gesagt haben:

Musik solle "nur zu Gottes Ehre und Recreation des Gemüths seyn. Wo dieses nicht in Acht genommen wird, da ists keine eigentliche Music sondern ein Teuflisches Geplerr und Geleyr."
http://de.wikipedia.org/wiki/B-A-C-H
Zu Bachs Zeiten galt der Tritonus als der "Teufel in der Musik" (diabolus in musica).

In der Wiener Klassik und Romantik ist man von der "reinen, absoluten Tonkunst" überzeugt. Die absolute Instrumentalmusik deutet auf das "Unaussprechliche" hin, auf unbestimmte Gefühle im "Geisterreich der Töne" (E.T.A. Hofmann).
Von dieser mitunter überbordende "Gefühlsästhetik" - Nietzsche spricht vom Ziel der "größtmögliche Vermittlung von Gefühlsinhalten" - wendet man sich später immer mehr ab. Auch Nietzsche erteilt schließlich der Gefühlsästhetik eine radikale Absage. Die Form des Kunstwerks bekommt gegenüber dem Inhalt die Oberhand.

Im 20. Jahrhundert wird die vorangegangene Musik in Frage gestellt. Es kommt zur "Emanzipation der Dissonanz", die "Zweite Wiener Schule" lehnt z.B. die Tonalität ab. Es bilden sich in der Folge viele unterschiedliche Richtungen aus, die jeweils ihre eigenen Gestaltungsgesetze haben.

Man ist heute der Ansicht, daß die Musikästhetik nicht weiter normativ verfahren darf (also Werturteile mit dem Anspruch auf wissenschaftliche Gültigkeit verbreiten; Zitat Kneif im u.g. pdf-Dokument).

Detaillierter kann man die Thematik z.B. hier nachlesen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Musik%C3%A4sthetik
http://www.fzmw.de/2005/2005_2.pdf

Also, die Kriterien für Werturteile haben es inzwischen sehr schwer und es gibt ja auch folgende Aussagen bekannter Künstler:

Joseph Beuys:
"Jeder Mensch ist ein Künstler...", "...damit sage ich nichts über die Qualität. Ich sage nur etwas über die prinzipielle Möglichkeit, die in jedem Menschen vorliegt...Das Schöpferische erkläre ich als das Künstlerische, und das ist mein Kunstbegriff."
http://www.kunstmarkt.com/pages/kue/kuenstler_portraitbericht.html?id=34000
John Cage:
"If you celebrate it, it's art, if you don't, it isn't"
"Ich habe nichts zu sagen, und ich sage es, und das ist Poesie, wie ich sie brauche."
http://www.youtube.com/watch?v=hUJagb7hL0E
http://de.wikipedia.org/wiki/John_Cage
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/langenacht/292289/
Also was bleibt an Bewertungskriterien? Irgendwie müssen (angehende) Kompositionsstudenten und Kunststudenten ja bewertet werden. Auch die staatlichen Gelder zur Förderung der Kunst sollten nach bestimmten Kriterien vergeben werden.

Keine einfache Aufgabe. Auch das Bundesverfassungsgericht ist gezwungen zwischen Kunst und Nicht-Kunst zu unterscheiden und machte folgende Aussage:

Der Lebensbereich "Kunst" ist durch die vom Wesen der Kunst geprägten, ihr allein eigenen Strukturmerkmale zu bestimmen. Von ihnen hat die Auslegung des Kunstbegriffs der Verfassung auszugehen. Das Wesentliche der künstlerischen Betätigung ist die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. Alle künstlerische Tätigkeit ist ein Ineinander von bewußten und unbewußten Vorgängen, die rational nicht aufzulösen sind. Beim künstlerischen Schaffen wirken Intuition, Phantasie und Kunstverstand zusammen; es ist primär nicht Mitteilung, sondern Ausdruck und zwar unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers.
http://sorminiserv.unibe.ch:8080/tools/ainfo.exe?Command=ShowPrintVersion&Name=bv030173
Tja, hilft das bei Deiner Fragestellung weiter? Vielleicht etwas.

Im Zeitalter des Internets (des erleichterten "copy and paste") und von (ehemals Dr.) Guttenberg müßte man wenigstens folgende Kriterien anlegen können:

- Handelt es sich bei dem musikalischen Werk um ein Plagiat?
- Handelt es sich bei dem Komponisten um einen Epigonen? (unbedeutender Nachahmer oder "Trittbrettfahrer")
- oder hat der Komponist etwas wesentlich neuartiges geschaffen?

Also: Wie originell ist sein Werk?

Man sollte jedoch eines nicht vergessen:

"Als ein Wesen von Fleisch und Blut wehre ich mich im Namen von Emotion und Empfindung gegen all das, was nichts anderes als interessant und intelligent ist. Ich habe einen Horror vor intelligenten Leuten, die interessante Sachen machen. Wenn ich ins Konzert gehe, dann will ich, daß mir die Tränen kommen; wenn ich nicht weine, bedeutet das: Es war nicht gut."
Olivier Messiaen
Prüfe also die Komponisten und ihre (bedeutendsten) Werke daraufhin, ob sie in Ihrer Zeit originell waren und die Kunstverständigen bewegt haben.

Noch ein drittes Kriterium scheint mir wichtig:

Es gibt viele musikalische Werke, die es erreicht haben, über alle Veränderungen der Wertmaßstäbe hinweg, auch nach Jahrhunderten noch als Kunstwerk anerkannt zu bleiben.

Die Dauerhaftigkeit der Wertschätzung als Kunstwerk, also eine relative Unabhängigkeit von Zeitströmungen scheint ebenfalls ein wichtiges Kriterium für die Qualitiät von Kunstwerken zu sein. So etwas läßt sich natürlich nur bei älteren Werken feststellen.

Ich hoffe, meine Ausführungen haben Dir etwas weitergeholfen!

Viele Grüße

Klaus



Nachtrag eines neueren BVG-Urteils:

Entscheidung zum "Anachronistischen Zug" aus dem Jahre 1984:

a) Den bisherigen Versuchen der Kunsttheorie (einschließlich der Reflexionen ausübender Künstler über ihr Tun), sich über ihren Gegenstand klar zu werden, läßt sich keine zureichende Bestimmung entnehmen, so daß sich nicht an einen gefestigten Begriff der Kunst im außerrechtlichen Bereich anknüpfen läßt. Daß in der Kunsttheorie jeglicher Konsens über objektive Maßstäbe fehlt, hängt allerdings auch mit einem besonderen Merkmal des Kunstlebens zusammen: die "Avantgarde" zielt gerade darauf ab, die Grenzen der Kunst zu erweitern. Dies und ein weitverbreitetes Mißtrauen von Künstlern und Kunsttheoretikern gegen starre Formen und strenge Konventionen sind Eigenheiten des Lebensbereichs Kunst, welche zu respektieren sind und bereits darauf hindeuten, daß nur ein weiter Kunstbegriff zu angemessenen Lösungen führen kann.
b) Die Unmöglichkeit, Kunst generell zu definieren, entbindet indessen nicht von der verfassungsrechtlichen Pflicht, die Freiheit des Lebensbereichs Kunst zu schützen, also bei der konkreten Rechtsanwendung zu entscheiden, ob die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vorliegen.

BVerfGE 67, 213 = NJW 1985, S. 261. (hier zitiert)
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 8 Benutzer
Ich danke dir klaus für diesen wirklich sehr aufschlussreichen und ausführlichen Beitrag ;D.
Ich werde jetzt mal anfagen konkreter an dem Thema zu arbeiten und mich mal wieder melden wenn ich etwas weitergekommen bin.
Trozdem eine großes Dankeschön an alle Antwortautoren. ;D
lg
 
Prüfe also die Komponisten und ihre (bedeutendsten) Werke daraufhin, ob sie in Ihrer Zeit originell waren und die Kunstverständigen bewegt haben.
Wie man wohl Mozart und Bach anhand dieser beiden Punkte bewerten würde... ;) :)
 
Wie man wohl Mozart und Bach anhand dieser beiden Punkte bewerten würde... ;) :)

Hättest Du bessere Kriterien? :D
Außerdem würden sie auch bei diesen beiden Kriterien m.E. recht gut abschneiden.
Originell waren sie sowieso und die Kunstverständigen ihrer Zeit haben sie auch bewegt.

Händel hat sicher seine Musik besser vermarktet als Bach, doch:

[Bach war] sicher auch kein "verkanntes Genie", sondern Musikkennern wie Johann Mattheson und Giovanni Battista Martini europaweit ein Begriff.[47][48] Nach seinem Tod erschien im selben Band von Mizlers Musikalischer Bibliothek, in dem 1754 auch der Nekrolog abgedruckt wurde, eine Aufzählung der "berühmtesten deutschen Musiker". 1. Hasse, 2. Händel, 3. Telemann, 4. die beiden Graun, 5. Stölzel, 6. Bach
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Sebastian_Bach#Rezeption_zu_Lebzeiten
Mozart konnte bekanntlich als freischaffender Komponist leben und zwar nicht von CDs oder anderen Konserven. ;)
Nach heutigen Maßstäben war Mozart ein Großverdiener, dennoch war er aufgrund seines Lebenswandels oft in finanziellen Nöten. Für ein Engagement als Pianist erhielt er nach eigenen Angaben "wenigstens 1.000 Gulden" (zum Vergleich: Seiner Magd bezahlte er einen Gulden pro Monat). Zusammen mit seinen Klavierstunden, für die er jeweils zwei Gulden berechnete, und seinen Einkünften aus den Konzerten und Auftritten verfügte er über ein Jahreseinkommen von rund 10.000 Gulden, was nach heutiger Kaufkraft etwa 125.000 € entspricht.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Amadeus_Mozart
Viele Grüße

Klaus
 
Hi nochmal,
Nunja mit der Originalität. Bn wirklich nicht so der große Kenner aber was hat Mozart wirklich Neues erfunden? Das Singspiel? Galt Mozart als großer Reformator einer bestimmten Gattung?

Und war Bach nicht eigentlich auch eher ein Dinosaurier der seine Zeit überlebt hatte? Dass Bach bei Kennern anerkannt war ist sicher richtig... aber ich glaube er und Mozart sind eher 2 Leute die den Höhepunkt ihrer Epoche stellen und nicht so sehr die Wegbereiter sind wie ein Beethoven, Vivaldi oder Monteverdi.

Das soll natürlich Bach und Mozart nicht abwerten und auch nicht heißen, deren Musik wäre nicht originell.

Ich finde, das wichtigste Kriterium ist die Anerkennung bei und der Einfluss auf die anderen Komponisten. Und da sind beide trotzdem natürlich ganz oben.
Aber das ist auch kein Widerspruch zu Deinen von mir zitierten Kriterien... gleizeitig aber nicht so ganz die ursprüngliche Fragestellung.
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben