Projekt: Pimp my Hollowbody

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Hi,

Schon seit einiger Zeit hat mich der Hollowbody-Virus im Griff (die ewige Suche nach der Gitarre mit einem starken, aber guten Charakter), und das obwohl ich weder Jazz noch Blues noch Rockabilly spiele, sondern Prog-Rock in einer sehr lauten, aggressiven Band. Ich hatte jetzt das letzte Jahr eine Ibanez Artcore AF-125 Custom, eines der Topmodelle der Artcore Serie. Sehr gute Gitarre, absolut makelose Verarbeitung usw, die Feedback-Neigung konnte ich durch einen Stimmstock reduzieren, aber es gab zwei Schwachstellen für mich : Die Optik (Wölkchen-Ahorn, Naturfinish) und die mäßig komfortable Bespielbarkeit in den oberen Lagen.

Als nun ein werter Forenkollege eine Ibanez Artcore AKJ-95 anbot (Modell im Stil einer Gibson ES-175), musste ich zuschlagen, weil sie einen tiefen, spitzen Cutaway hat und ein schönes klassisches Burst über Riegelahorn, und weil ich die Artcores schon als sehr (preis-)wertige Gitarren kennen lernen konnte.
OverallShot1.jpg

(das Bild zeigt schon den fertig modifizierten Zustand)

Ein weiterer Vorteil der Artcores ist für mich die Position des Toggle-Switch, der sitzt genau an der ergonomisch richtigen Stelle für mich, da ich viel mit dem Schalter und den Potis arbeite (die auch günstiger -- näher am Steg -- sitzen als bei manch anderen Gitarren). Ausserdem war interessant, dass die Gitarre nur 20 Bünde hat (OK, 21 wären für mich optimal gewesen) und deshalb der Hals-PU weiter weg ist vom Steg, was klanglich einen anderen, tieferen Charakter erzeugt.



Ein paar Modifikationen an der an sich guten baulichen Grundsubstanz waren für mich dennoch notwendig :

1. Bünde abrichten.
Die Bundierung war zwar sauber (keine scharfen Enden, etc), aber beim testweisen Einstellen der Saitenlage auf Minimum zeigten sich ein, zwei zu hohe Bünde in den hohen Lagen und generell leicht zu niedrige Bünde in den untersten Lagen (also 1ter und 2ter Bund). Den dicken Alu-T-Balken rausgeholt, Halsstab eingestellt, und dann mit 600er Schmirgel vorsichtig abgetragen bis es passte -- bin im Nachhinein mit dem Ergebnis zufrieden auch wenn es nur 90% sind statt der machbaren 100%. Da ich in letzter Zeit feststellte, dass ich ein bischen rauhe Bünde beim Benden/Vibrato klanglich besser finde als völlig glatt polierte, habe ich die sonst übliche Nachbehandlung fast vollständig ausgelassen, sondern mit Absicht die Kratzer quer zu den Bünden dringelassen, bzw am Schluss nochmal absichtlich so geschliffen.


2. Neuer Sattel.
Der Plastiksattel war zwar OK, aber hatte das offenbar generelle Problem der Artcores : Die Saitenabstände sind mE zu schmal für das Griffbrett, das ist deutlich zu viel Platz aussen. Und da ich gerne viel Platz zwischen den Saiten habe musste der Sattel also raus und durch einen Knochensattel ersetzt werden (wenn ich schon dabei bin, und Plastik-Rohling hatte ich eh keinen).
Detail_Nut.jpg

(alter und neuer Sattel im Vergleich).


3. Neuer Steg. Werksausstattung der AKJ-95 ist ein Holzsteg, der nicht individuell kompensiert ist -- für Saitensätze mit umwickelter G-Saite, und wenn man sich vor allem in tieferen Lagen bewegt, ist das auch OK. Aber für 3W+3P-Saitensätze, und wenn man bis zum letzen Bund eine ordentliche Intonation haben will, ist es das nicht. Ausserdem nutzt sich ein Holzsteg sehr schnell ab (schon bei der AF125 festgestellt), ist in den Höhen nicht der sprizigste, und zuletzt war auch am Steg das Stringspacing zu eng (was aber noch das kleinste und am leichtesten zu behebendes Problem darstellt).
Also musste eine TOM her mit ungekerbteen Reitern damit ich ein Fender-mäßiges Spacing einstellen konnte, ich hatte noch eine silberfarbene ABR-1 da.... leider mit dem falschen Bohrlochabstand (73,xx statt 74.0mm), so dass ich die Löcher etwas aufbohren musste, muss mE eh so sein dass die Bolzen etwas Spiel haben können in den Löchern. Der Steg soll dagegen satt auf den Rändelschrauben aufliegen, was problematisch wird wenn die Höhenverstellung beider Saiten deutlich verschieden ist. Deshalb sind noch 4mm-Unterlegscheiben zwischen Rändelschrauben und dem Steg -- ohne lag die Bridge nicht satt auf, sondern quasi federnd in den Aussenbereichen der Rändelschrauben, was einen relativ muffigen Klang ergab (ich hatte mich schon gewundert warum die Metall-Brücke zunächst deutlich matter klang als der Holzsteg).

TOMs mit geringem Saitenknickwinkel neigen zum Rappeln, auch wenn die verwendete (von TonePros) damit beworben wird das nicht zu tun -- sie tat es trotzdem. Da hilft eine schon bei anderen Gitarren erfolgreich gewesene Radikalmaßnahme : Sobald die Intonation stimmt (was bei einem verschiebbaren schwebendem Steg nur die Verhältnisse der Saiten untereinander betrifft, v.a. D- vs G-Saite) werden die Böckchen knallhart mit dem Grundteil verspannt, so dass sich sich auch unter starker Vibration niemals mehr lösen können. Das geschah mit 3mm-'Schnorrscheiben' (gute Tellerfeder-Ringe), und wenn eine größere Distanz zu überbrücken war mit zusatzlichen 3mm Alu-Distanzbolzen. Ausserdem ließen die nicht gekerbten Reiter ein präzisere Höheneinstellung der Saiten zu, denn die tiefe E-Saite liegt idR zu tief, wenn die anderen Saiten auf optimale Saitenlage eingestellt sind und wenn man ordentliche, reibungsarme echte 'Sattelflächen' für die tiefen Saiten einfeilt (statt der üblichen keilförmigen Kerben die aber die dicken Saiten gern klemmen lassen).
Detail_Bridge.jpg

(neuer Steg, man beachte das Stringspacing und die bombenfeste Verspannung der Böckchen. Und schon mal eine Vorschau auf die Pickups, Entwistle Dark Star ND)

Mit diesen drei Maßnahmen konnte ich für mich optimale Einstellungen der Besaitung erzielen, eine wahre Freude, die Bespielbarkeit jetzt, mit 12..56er Roundwounds.


Was aber noch fehlte, für den geplanten Einsatz, war eine gezielte Änderung der Feedback-Eigenschaften. Die Gitarre ist so konstruiert, dass die Decke frei schwingen kann, nur durch zwei Längsbalken versteift, was für eine auch akustisch halbwegs gut klingen sollende Jazzgitarre sicher richtig ist. Für den harten Rockeinsatz (laut und mit ordentlich Gain, fetter AC/DC-Crunch, Marshall-Stack) führt das zu kaum zu unterdrückendem sehr tieffrequenten Hupen. Daher war das Ziel, die Tendenz zum Feedback generell etwas zu verringern, durch den Spieler kontrollierbar zu machen und wenn es geht auf nutzbare, höhere Frequenzbereiche zu verschieben. Die üblichen Maßnahmen wie das Ausstopfen des Hohlraumes oder das Überkleben der F-Löcher wollte ich nicht, das sind mE keine schönen Lösungen (sowohl optisch wie klanglich, vor allem das Ausstopfen).

Schon bei der AF-125 habe ich mit einem Stimmstock (Soundpost) zwischen Boden und Decke gute Erfolge verzeichnet, aber für mein Ziel war nach etwas Überlegung klar, dass ich drei Stimmstöcke in der Nähe des Steges und des Steg-PU brauche, um die Decke gegenüber tieffrequenten Biegeschwingungen in allen Richtungen stabil zu bekommen und die Eigenresonanzen zu weit höheren Frequenzen zu verschieben als das mit nur einem Stimmstock möglich ist. Die drei Stimmstöcke aus Buchenholz-Rundstäben liegen absichtlich leicht asymmetrisch, zwei unter der Brücke leicht versetzt in Längsrichtung, und einer zwischen den PUs (eher Richtung Steg-PU), dafür etwas off-axis in Richtung tiefe E-Saite. Die Rechnung ist im Praxistest voll aufgegangen, ich habe nun sehr gut kontrollierbare Feedbackneigung, gut verteilt über das ganze Griffbrett, damit zu spielen -- über Abstand und Winkel zu Box -- macht echt Spass und ziemlich süchtig. Trotzdem hat der Klang noch richtig schön holzigen Charakter und ist nicht totgedämpft.
Detail_Soundposts.jpg

(zwei der insgesamt drei Stimmstöcke, eingeklemmt zwischen Boden und Decke)


Teil 2, die nicht gerade Archtop-typischen Pickups und die speziell entworfene Schaltung mit zwei Push/Push-Potis für zT variable SC-Splitsounds folgt in Kürze....
 
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So, nun Teil 2, Pickups und Schaltung.

1. Auswahl der PUs, ich wollte haben :
  • Humbucker, 4-adrig, Neck-PU in F-Spacing.
  • Hoher Output bzw wenig Brummempfindlichkeit, genug Sattheit und Pegel im SC-Betrieb.
  • Hohe Resonanzfrequenz nicht zwingend nötig, die Gitarre sollte schon eher ein dunkles/mittiges Timbre bekommen.
  • 12 verstellbare Pole-Pieces, idealerweise weit verstellbar.
  • Keine Kappen (wg. Höhenverlust und um ggf. näher mit den Spulen an die Saiten zu kommen).
  • Schwarz.

Da gibt's nicht allzu viel, und es wäre beinahe auf Gibson Dirty Fingers hinausgelaufen (aber kein F-Spacing erhältlich). Nach etwas Recherche stieß ich dann auf Entwistle Pickups, und habe einen Satz Dark Star ND besorgt, der auf dem Papier recht passend aussah und zudem sehr günstig war (60€).

Die Entwistles sind Overwound-Pickups (was man aus der Beschreibung und dem angegebenen Rdc von 16kOhm erkennen mag) und sie haben sehr kräftige Neodym-Magnete. Es zeigte sich, dass sich die Schrauben-Pole sehr weit in die Spulenkörper versenken lassen (Wachs vorher entfernen), was ideal ist um Output und String-Pull ('Stratitis') recht unabhängig einstellen zu können, d.h. die Poles weit versenkt aber die Spulen nah an den Saiten ==> sehr hoher Output (bzw hohe Effizienz und wenig SC-Brumm), und ausreichend wenig String-Pull... ist aber bei mir eh unkritisch da ich gern sehr stramme Saiten spiele.

Diese eher der Metal-Liga zuzurechnenden Tonabnehmer sind nun nicht gerade das was man in eine 'Jazzgitarre' normalerweise einbauen würde, aber ich hatte ja auch anderes mit der Gitarre vor, es sollte eine fettes aber sehr flexibles Gerät werden, mit Haupteinsatz als Rockgitarre mit einem satten Crunchsound auf Vollgas, der aber gut nach Clean zurückregelbar sein soll.

Einzige Modifikation : Ich habe die rückseitig nun weit überstehenden Enden der Schrauben gekürzt, um nicht 'unnötig Feldenergie nach hinten zu verschwenden'. Ob und wieviel Unterschied das wirklich macht, habe ich nicht überprüft, es wird eher subtil sein, aber sei's drum.


2. Elektrische Schaltung.
2x Volume, 2x Tone, Toggle... waren eh vorgegeben, und ich wollte die Optik und grundsätzliche Bedienung nicht verändern. Bis auf das übliche Detail, dass die näher an der Brücke liegenden Regler für den Bridge-PU sein sollen, nicht wie üblich für den Hals-PU (hab das noch nie verstanden, völlig unintuitiv, genauso wie der Toggle bei der LesPaul).
Ich spiele einen Einkanaler (JCM800 2203 Halfstack) ohne Effekte, d.h. die Gitarre muss mir genug Möglichkeiten der variablen Soundgestaltung liefern können. Insbesondere wollte ich schnell zugreifbare Singlecoil-Sounds haben, deswegen habe ich mich entschieden, die Volume-Pots als Push/Push-Versionen zu installieren, die liegen zur Bedienung am nächsten. Push/Pull ist halt nur in eine Richtung schnell bedienbar, und Miniswitches gehen sowieso nicht schon wegen der Optik, aber das Handling ist auch nicht meins.


Als erzielbare Sound-Varianten stellte ich mir vor :
  • Hals-PU als HB, mit normalen Tone-Pot um ggf. klassische Jazz-Klänge oder den 'Woman-Tone' für Solos zu haben (auch wenn ich das in der derzeitigen Band nicht wirklich brauche).
  • Hals-PU als SC, mit kleinerem Tone-Kondensator um die Resonanzspitze bei voll zugedrehtem Tone höher zu legen (mehr 'önk' als 'umph'), ähnlich einem festgestellten Wah-Wah. SC darf/soll leiser sein als der HB-Modus (damit es bei Crunch etwas aufklart). Der 'Zing' im SC-Betrieb muss sich natürlich auch noch mit dem Tone-Poti kontrollieren lassen.
  • Beim Abregeln des Volume sollte bei fast oder komplett abgedrehtem Tone sich dessen Wirkung verändern, nämlich die 'önk' btw 'umph' -Resonanz abmildern.
  • Dto, aber wenn der Tone voll offen ist, sollte sich nur ein Bass-Cut ergeben, damit man auch mit recht viel Gain auf dem Hals-PU ohne Matsch herum-riffen kann, ein mir sehr wichtiger Punkt.
  • Beim Steg-PU brauche ich idR keinen Bass-Cut, und auch keinen üblichen Tone-Regler, eher einen der noch weiter oben als beim Hals im SC-Betrieb (s.o.) eine Resonanzspitze erzeugt, sagen wir ein 'ink'. so ne Art Solo-Boost. Wenn sich der klassische Toneregler-Effekt trotzdem noch machen lässt, ist das natürlich auch gut.
  • Reiner SC-Sound am Steg ist auch nicht so zwingend da meist doch zu scharf/dünn, daher eher so 'halbe-SC'-Klänge, mit noch genug HB-Substanz und auch ohne großen Pegel/Bass-Verlust. Idealerweise sogar einstellbar, sowohl im Mischungverhältnis SC/HB und/oder im Singlecoil-'Zing'-Anteil.

Bei der Umsetzung von Elektriken mit Schaltern versuche ich gerne, zwei vorhandene Ebenen parallzuschalten (erhöhte Ausfallsicherheit) und wenn's geht die Schaltung so zu machen, dass ein etwaiger Ausfall des Schalters keinesfalls die Gitarre bzw den betroffenen PU lahmlegt, sondern halt mit leichten Einschränkungen weiter benutzbar bleibt.

Idealerweise sollen auch beliebige Schalter- und Regler-Stellungen sinnvolle Sounds liefern (die aber nicht unbedingt an die klassischen Sounds angeleht sein müssen, es macht bei der Grundkonstruktion der Gitarre sowieso keinen Sinn eine echte Strat/Tele emulieren zu wollen), es soll keine wirkungslose Bereiche der Potis geben, und deren Einstellbarkeit soll angenehm sein, und alles natürlich irgendwie logisch und intuitiv sein, was sehr subjektiv ist.


3. Die Schaltung (Nicht 100%ige Nerds dürfen diesen Abschnitt gern überspringen, die anderen dürfen sich gern bei eigenen Schaltungen daran gütlich halten) :

Nach durchaus etlichen Stunden des Knobelns ist es mir gelungen, obiges Lastenheft weitestgehend umzusetzen:
AKJ-95+DarkStarND_Schematic.png


Erklärungen, fangen wir oben an, beim Neck-PU :

Steht der Schalter auf 'SC', wird die stegseitige Spule kurzgeschlossen über den Kondensator C_SCN_N, d.h. nur die Spule direkt hinter dem Griffbrett ist aktiv. Ein kleines bischen Tiefstbass (unterhalb der tiefsten Nutzfrequenz der E-Saite, die bei mit auf Eb oder Cis gestimmt wird) lässt der 1uF-Kondensator aber noch durch, das ergibt eine leichte Betonung des Attacks.

Der Toneregler ist etwas komplexer. Zunächst wird der normale Höhenklau-Kondensator damit angeschlossen, aber nicht direkt an PU-hot, sondern an den Ausgang des Volume-Poti, also so wie beim 50'ies-Wiring von LesPauls.

Im SC-Modus ist nur C_toneSC_N als Tone-Kondensator in Funktion, der einen eher kleinen Wert hat mit 4.7nF. Im HB-Mode werden zu diesen weitere 15nF (C_toneHB_N) parallegeschaltet (die obigen 1uF die noch in Serie liegen sind effektiv komplett durchlässig), damit wird der übliche Wert von 20nF erreicht.
Die Widerstände Rb1 und Rb2 dienen zum Entladen der Kondensatoren damit es nicht knackt beim Umschalten.

Normalerweise würde der oberen Anschluss des Tone-Potis offen bleiben, hier jedoch wird über einen Kondensator (C_Bass_N, 3.3nF) zu PU-hot verbunden. Die Wirkung ist die eines einstellbaren überdimensionierten Treble-Bleed-Kondensators (einen normalen gibt es dann noch am Volume-Poti), der nicht nur Glitzerhöhen, sondern auch noch bis zu den Tiefmitten durchlässt, wenn man das Volume-Poti etwas runterdreht, effektiv ein Bass-Cut.

Im Prinzip sind Volume und Tone nun zwei Volumen-Regler, einer für den Grundton/Tiefmitten (Volume), einer für den Rest (Tone). Das ist zunächst etwas ungewohnt in der Bedienung aber letzlich noch gut handlebar und eben extrem flexibel, wenn auch ziemlich interaktiv im Regelverhalten beider Potis. Von 'umpf' bis schon fast out-of-phase-mäßiger schneidender Nasalität ist alles mögliche recht gut einstellbar, halt nicht bei allen Ausgangspegeln.

Durch die zusatzliche Belastung mit dem Tone-Poti ist das Volume-Poti ein 500k Linear-Typ geworden, das ergab dann einen ähnliches Regelverhalten wie beim Steg-PU, anderfalls wäre der Pegeleinbruch beim Runterdrehen zu massiv / zu schnell.


Beim Bridge-PU sieht die Sache ganz anders aus :
Im HB-Modus wirkt der Tone-Regler mit einem ganz-kleinen Tone-Kondensator von nur 1.5nF (C_toneHB_B), das verschiebt die Eigenresonanz des PU etwas nach unten und gibt einen Hochmitten-Kick. Es sind zwar noch 220nF von C_SCN_B in Serie in Richtung PU-hot, aber die sind effektiv durchlässig in diesem Modus.

Im SC-Modus wird der Tone-Kondensator abgeklemmt und das Tone-Poti wird zum Überblend-Regler zwischen zwei verschiedenen SC-Sounds und dem normalen Humbucker-Sound, je nachdem ob entweder die Stegspule über C_SCN_B oder die Halsspule über C_SCB_B kurzgeschlossen wird. Duch die Werte dieser beiden Kondensatoren werden aber leicht verschieden tiefe Anteile der Bässe dennoch wie als HB geliefert. Voller Kurzschluss der Halsspule (d.h. nur Steg-Spule als SC) wäre jedoch zu scharf, deswegen gibt es den Dämpfungswiderstand R_sd_SCB (10k), der noch etwas HB-'Dicke' und weniger scharfe Höhen ermöglicht auch beim Anschlag des Potis.

Beim Kurzschluss der Stegspule gibt es keinen solchen Dämpfer/Andicker-Widerstand, aber auf dieser Seite ist dafür das logarithmische Poti sehr feinfühlig dosierbar.
Rb3 und Rb4 sind wieder Entladewiderstände, aber Rb4 hat noch eine weitere Rolle als Bedämpfung der Singlecoil-Schärfe wenn die Hals-Spule allein arbeitet, weil ohne war es doch etwas zuviel, aber ich wollte die reine SC-Klangcharakteristik in dieser Extremstellung erhalten, deswegen kein ähnlicher Dämpfungswiderstand wie auf der anderen Seite.

Das Volumen-Poti ist wieder ganz konventionell, und wieder mit einem eher kleinen Treble-Bleeder von 100pF ergänzt.


Da man eine Hollowbody schlecht abschirmen kann, habe ich alle Bauteile so direkt wie möglich an/auf die Potis gelötet, was auch einige Seltsamkeiten der Schaltung mit erklärt, die man ohne Wirkungsänderung anders hätte ebenso machen können... ich wollte halt keine Bauteile die nur mit einem Bein irgendwo dranhängen und ausserdem eben alles so nah wie möglich auf Masse liegend haben (aufbautechnisch wie elektrisch). Ausserdem natürlich nur geschirmte Kabel und diese so kurz wie möglich abisoliert.

Bis auf das hinterste Tone-Poti ist auch recht wenig Akrobatik beim Aus-/Einbau des ganzen Gedöns nötig gewesen, da sind die Artcore-Hollowbodys recht angenehm.



4. Die Anwendung in der Praxis, anhand einiger beispielhafter Einstellungen :

4a. Neck-PU Solo:

  • HB 'Full Power Tone', ggf leichte Höhendämpfung : HB, Vol 100%, Tone 50%...100%
  • HB 'Woman Tone' bis 'Jazz Tone' : HB, Vol 100%, Tone 0%...50%
  • HB milderer und leiserer 'Woman/Jazz-Tone' (ohne Überhöhung) : HB, Vol 50%...70%, Tone 20%...50%
  • HB knackiger Rhythm-Tone : HB, Vol 70%, Tone 100%
  • HB nasalerer 'out-of-phase' Tone, Vol 40%, Tone 100%
  • Im SC-Mode ist das prinzipiell alles das gleiche, aber die Einsatz- bzw Resonanzfrequenz des Tone-Reglereffekts für 'Woman/Jazz-Tone' liegt deutlich höher. Beim Umschalten von HB auf SC sind damit immer zwei recht verschiedene Klänge am Push/Push schnell abrufbar.

4b. Bridge-PU Solo:
Generell : Der Effekt des Tone-Potis ändert sich *nicht* mit der Stellung des Volume-Potis, anders als beim Hals-PU.
  • HB 'Full Power Tone', ggf leichte Höhendämpfung : HB, Tone 50%...100%
  • HB 'Full Power Tone' mit zusätzlicher Hochmittennase (Solo-Boost) : HB, Tone 0%
  • HB 'Full Power Tone', ohne jede Höhendämpfung : SC, Tone 50%
  • Fetter SC/HB-Mischton (Steg-Spule als partieller SC): SC, Tone 100%
  • Klarer SC-Tone (Halsspule): SC, Tone 0%
Man kann also mit dem Push/Push immer zwischen zwei deutlich verschiednenen Sounds umschalten, wenn Tone auf (bzw nahe) 0% oder 100% steht. In der 100% Stellung sind die Unterschiede nicht so drastisch (da nur zw. HB normal und HB/SC-Mischsound umgeschaltet wird). In der 0% Stellung jedoch wird von besonders fettem HB-Sound auf auf besonders klaren SC-Sound umgestellt.
Steht das Poti im Mittelstellung, wird lediglich der HB etwas in den Höhen bedampft beim Umstellen auf HB, in Stellung 'SC' läuft er trotzdem weiter als HB, aber unbedämpft. Nicht ganz optimal, aber in jeder Stellung ist der Klang in SC-Stellung immer heller als in HB-Stellung.
In der SC-Stellung kann man also mit dem Tone-Poti flink zwischen drei verschiedenen Sounds wählen incl. Übergangsverhalten, zusammen mit dem Push/Push ist das schon sehr flexibel und variabel bedienbar, entweder eben als Preset oder kontinuierlich.

4c. Beide PUs aktiv:
Hier gibt es durch die unterschiedliche Verdrahtung der beiden Tone-Potis weitere unübliche Misch-Möglichkeiten, zusätzlich zu den Standard-Klängen (die ja eh schon flexibler sind weil jeder PU einzeln auf HB oder SC gestellt werden kann, damit zB auch Tele-Sounds).
  • Woman/Jazz-Tone vom Steg-PU : Neck-PU HB oder SC, Vol 50%, Tone 0...50%; Bridge-PU HB, Vol 100%, Tone 100%
  • Mix aus fettem Steg-PU aber mit dem SC-Obertönen vom Hals-PU : Bridge-PU HB, Vol 80%, Tone 0%; Neck-PU SC, Vol 70%, Tone 100% (ein sehr geiler Sound)


Das hört sich alles komplizierter an als es ist, ich konnte gleich in der ersten Bandprobe etliche Einstellungen sehr songdienlich und ohne großes Gefummel einbringen, so wie ich mir das vorher erhofft hatte.
Vor allem die Push/Push-Potis haben sich als ideal erwiesen, da kann man sogar mitten im Riff noch den Sound umschalten, so flink und prazise wie das geht (und der Toggle liegt sowieso optimal bei den Artcores). Der Nachteil ist halt, dass sie nicht ewig halten.


Natürlich bin ich wie immer nicht 100% zufrieden auch wenn das bisher meine flexibelste Gitarre jetzt ist (und auch die mit dem stärksten Charakter), nach einer längeren Erprobungsphase werden sich sicher noch ein paar Werte der Bauteile ändern müssen... und wenn ich die Eingeweide wieder raushole, mache ich auch endlich Steckkontakte an die Anschlussleitungen der PUs und ich werde versuchen noch Staub- bzw Spritzwasserschutze an/um die Potis zu machen (der Schweiß vom Kinn trifft durchs F-Loch genau auf das Volume-Poti des Hals-PU, nix gut das).
 
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Habe meine Hollowbody ebenfalls mit outputstarken PU's, DiMarzio TheToneZone bei 17k und Bluesbucker P90 etwa 11k etwas moderater. Meine Humbucker-Ersatz-Splitt Schaltung mit Dummy und Kondensator habe ich da schon drin, allerdings noch Push-Pull-Potis. Weil ich schwere Metall-Speed-Knöbbe drauf habe, wackeln die Achsen seitlich schon beträchtlich. Bei den Push/Push übertragt die Feder den Druck ringförmig um die Achse, was bei gleicher Qualität trotzdem längere Lebensdauer bringt, und Bedienung ist top, auch bei glatten Knöbben. So sammelt man halt Erfahrung durch seine Fehler. Die ganze Geschichte geht bei mir nur durch die F-Löcher.
Ein Superteil deine Hollowbody, die HB's interessieren mich auch, da alle Pol-Pieces schraubbar.:great:
 
Naja, mal sehen wie lange die P/P im Dauereinsatz halten werden, die Schalter sind schon eher fragil und es sind auch sehr kleine Potis, deren Bahnen schneller durch sind. Große Pots passen aber eh schlecht durch die F-Löcher, und alles durch die PU-Ausschnitte machen ist dann wieder ein elendes Gewürge.
Ein bischen Pflege der Schubstange ist auf jeden Fall ab und zu nötig bzw war es von Anfang an, Gängigkeit war vor der Kriechöl-Behandllung (ganz wenig!) eher mau, jetzt flutschts ohne zu klemmen.

Kleiner Nachtrag zum ersten Teil : Die Halsrückseite haben ich mit 1000er Papier und dann mit 000er Stahlwolle schön seidenmatt und griffig bekommen, auch mit feuchten Händen bleibe ich jetzt nicht mehr am Hals kleben.

Was mich echt begeistert ist der Sound wenn man die PU-Spulen wirklich so nah wie möglich unter die Saiten bringt aber die Polepieces sehr weit weg sind, etwas was mit normalen Konstruktionen ja nicht möglich ist, mit so starken Magneten erst recht nicht. Ich nenne es mal extrem saubere Artikulation, vor allem Null Übersteuern im PU selber trotz des extrem hohen Outputs (der am Amp natürlich schon die erste Stufe gut kitzelt). Brillianz hat es erwartungsgemäß sowieso genug, und durch die verschiedenen Möglichkeiten der Bedämpfung und Verschiebung der Resonanz habe ich auch viele unterschiedlich klingenden Attack-Schmatzer zur Verfügung.

Noch eine in-situ-Ablichtung :
2203+AKJ95.jpg
 
Danke dir, @GeorgeB für dein ausführliches Review. Man muss etwas Zeit für das Wiring haben, um dies im Detail zu verstehen. Es ist jenseits der ausgetretenen Pfade, und eine Wohltat einmal etwas anderes zu lesen, als wie die tausendfache Wiederholung des kleinen 1x1 der drei legendären Gitarren-Modelle. Man könnte meinen, es ist zwar alles schon erfunden am passiven Wiring, aber längst noch nicht zu Ende gedacht und bis ins Detail optimiert.
Deine Sound-Vorstellungen ähneln meinen Vorlieben, z.B. Bässe an der Bridge durchzulassen, und regelbar über HB P90 zum SC. Es ist letztendlich völlig Wurst, was eingestellt ist, Hauptsache übersichtliche Klangregelung von bis...., - alles ist erlaubt, anstatt sich mit der einseitigen Regelung über den "Höhenklau" zufrieden zu geben.

Alle C-Werte die du einsetzt, sind nicht die gängigen für Gitarren, z,B. was über 220nF liegt, gibt es einen Elektronik-Versand o.ä. wo du das beziehst?
 
Alle C-Werte die du einsetzt, sind nicht die gängigen für Gitarren, z,B. was über 220nF liegt, gibt es einen Elektronik-Versand o.ä. wo du das beziehst?
Ja, es gibt da die üblichen Elektronik-Verdächtigen : Conrad, Reichelt, Bürklin, Digikey usw, und dann kleinere aber sehr gute Shops wie Segor, und dann noch zuweilen Ebay-Händler.

Die C's sind alles die kleinen WIMA-'Briketts' MKS2 bzw FKP2, Rastermaß 5mm (bis auf die 100pF, das sind einfache Keramik-Scheibenkondensatoren).
Wo ich die her habe weiß ich nicht mehr (schon länger her dass ich mir einen ausreichenden Bestand zugelegt habe), ich denke es war Bürklin.
 
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Mal ein Shot 'auf Location' :

2203+AKJ95.jpg


Die Mods bewähren sich bisher ganz prima, vor allem die Push/Push-Schalter. Und eben das nun optimierte Feedback-Verhalten. Bis ich alles im Blut habe bei der Bedienung und der Feedback-Kontrolle**), also rein intuitiv/blind immer alles so erwische wie ich es haben möchte, wird es zwar noch ein bischen dauern, aber es wird immer besser und ich 'verwachse' mehr und mehr mit dem Instrument, die Bespielbarkeit ist sowieso ziemlich optimal geworden.

**) durch ein, zwei Schritte Entfernungsänderung zur Box kann ich sehr gezielt die (Ober-)Töne raussuchen, die rückkoppeln sollen, oder eben nicht....

Dennoch denke ich bereits über kleine Änderungen nach :
- Kill-Switch (Push/Push bei einem der Tone-Potis).
- Etwas milderer SC-Sound am Hals PU, der ist wenn beide Regler (Vol&Tone) voll offen sind doch etwas arg 'Ice-Pick'-mäßig.
 

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