Queensryche / Operation:Mindcrime / 1988 / CD

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Progressive Metal
Label: EMI

1. I Remember Now
2. Anarchy-X
3. Revolution Calling
4. Operation: Mindcrime
5. Speak
6. Spreading The Disease
7. The Mission
8. Suite Sister Mary
9. The Needle Lies
10. Electric Requiem
11. Breaking The Silence
12. I Don't Believe In Love
13. Waiting For 22
14. My Empty Room
15. Eyes Of A Stranger


Ich traue mich kaum, etwas über dieses Album zu schreiben. So viele Metal-Alben ich in den letzten 8 Jahren meines Lebens, in denen ich mich mehr und mehr mit dieser Musik beschäftigt habe, gehört habe, so viele habe ich geliebt, auf Dauerrotation gehört und irgendwann in die "mal wieder reinhören"-Ecke verschoben. So sehr man ein Album beim ersten, zweiten Durchlauf mag, so sehr man es liebt und es zu seiner neuen Lieblingsscheibe kürt, und so gerne man anfangs den Begriff "perfekt" benutzt, irgendwann fallen einem die kleinen Mängel auf, die kleinen Filler-Songs, die sich von den 2-3 ewigen Klassikern abzeichnen. Irgendwann wird das Album langweilig und man hat schlichtweg keine Lust mehr darauf.
Es gibt eine handvoll Alben auf der Welt, auf die das nicht zutrifft. Nur eine Handvoll. Alben, die vom ersten bis zum letzten Ton genau das sagen, was sie sagen wollen, nicht zu viel und nicht zu wenig - selbst viele meiner Lieblingsalben, die ich abgöttisch liebe, haben ihre Macken. "Painkiller" von Judas Priest gehört meiner Meinung nach nicht dazu, "Nightfall In Middle-Earth" von Blind Guardian auch. Und "Operation:Mindcrime".

Aber kurz zu Queensryche, für die die diese Band nicht kennen. Queensryche sind eine Metalband, die sich 1981 in Seattle gegründet haben (und damit neben Sanctuary/Nevermore beweisen, dass dort eben nicht nur Pulloverträger rumrennen, haha). Nach einer EP und zwei Alben ("The Warning" und "Rage For Order") schufen sie mit "Operation:Mindcrime" einen Klassiker des Progressive Metals. Die Band schaffte es nie wieder, an dieses Album anzuknüpfen - weder musikalisch noch kommerziell, auch nicht mit der 2006 veröffentlichten Fortsetzung "Operation:Mindcrime II". Die Band gilt heute als großer Einfluss für viele Bands aus dem Heavy- und Prog Metal-Bereich.
Stilistisch handelt es sich hier um ein Zwischending zwischen Hard Rock, Heavy Metal und Progressive Metal. Auch wenn es oft als letzteres bezeichnet wird, sind Songs wie "Revolution Calling" einfach zu straight für diese Einordnung. Queensryche schaffen es mit diesem Album, einen perfekten Spagat zwischen simpler Eingängigkeit und hoher Komplexität. Über die Fähigkeiten der Musiker muss man kein Wort verlieren, und Jeoff Tate gilt nicht umsonst als einer der besten Metal-Sänger aller Zeiten und wird in einem Zug mit Rob Halford oder Bruce Dickinson genannt.

"Operation:Mindcrime" ist ein Konzeptalbum aus 15 Titeln. Davon sind 5 Titel "Zwischensequenzen", die Atmosphäre aufbauen und die Geschichte ausserhalb der Songs weitererzählen sollen. Die Geschichte von "Operation:Mindcrime" ist eine bitterböse Karikatur der amerikanischen Gesellschaft der 80er Jahre.
Jeder Song erzählt seine eigene Geschichte, die aber unabdingbar ist, wenn man alles zu einem Ganzen zusammensetzen will. Und weil ich sowieso gerne auf einzelne Songs eingehe, erzähle ich die Story mit den Songs (die Zwischensequenzen halte ich raus, ausser die erste).

I Remember Now
Eine Klinik. Nikki liegt im Bett. Im Hintergrund läuft ein Fernsehbericht über die mysteriösen Morde der letzten Tage. Nikki liegt im Bett und errinnert sich an das Geschehene...
Zwischenspiel im Stil einer Film-Tonspur.

Revolution Calling
Nikki ist ein hoffnungsloser Drogenjunkie. Er trifft auf Dr. X, der eine Revolution in den USA anzetteln und die Machtverhältnisse verändern will, wovon sich auch Nikki eine bessere Zukunft verspricht.
Ein ziemlich straighter Mid Tempo Hard Rock-Song, es geht direkt nach vorne. Jeoff Tate dominiert den Song mit seiner übermenschlichen Stimme, der Refrain ist schön griffig zum mitsingen.

Operation Mindcrime
Nikki wird von Dr. X angeworben. Er bekommt eine Gehirnwäsche, eine Pistole und die Aussicht auf Heroin.
Wieder Mid-Tempo, wieder straight, aber nicht ganz so "in-die-Fresse" wie "Revolution Calling". Dieser Song ist für mich der schwächste des Albums, was etwa der Aussage gleich kommt, dass man den zweiten Teil von "Herr Der Ringe" dem ersten bevorzugt. Ich sag ja, das Album ist fehlerfrei...

Speak
Nikki zieht aus um seine Aufträge zu erfüllen. Religion ist die Krankheit der Gesellschaft, und er ist der Messias ("I'm the new messiah/Death angel with a gun"). Nikki fühlt sich stark und wichtig, denn er bringt der Gesellschaft den nötigen Umschwung.
Einer der schnelleren Songs. Geht gut nach vorne, im Refrain wird dann eben auf die Bremse getreten, um gleich wieder loszubrettern. Auf den ersten Eindruck recht unscheinbar, baut sich "Speak" zu einem unglaublichen Ohrwurm auf. Das Gitarrensolo ist ein Ohrenschmaus.

Spreading The Disease
Schwester Mary war eine Hure, die sich in Sado Maso-Shows ihr Geld verdiente. Father William fand sie und holte sie von der Straße. Sie ist nun Schwester Mary und muss sich den Gelüsten des Fathers hingeben ("He takes her once a week on the altar like a sacrifice"). Sie bringt Nikki das Heroin, dass Dr. X ihm im Austausch für die Morde besorgt.
Wo wir bei schnelleren Songs waren, hier wird das Gaspedal noch weiter durchgetreten. Ein Mörderriff jagt das nächste, der Refrain frisst sich sofort in den Kopf und will nicht mehr raus. Geoff singt sich spätestens hier in den Rock-Olymp...

The Mission
Nikki verschanzt sich in seiner Wohnung auf der Flucht vor der Polizei. Um ihn herum brennen Kerzen für seine Opfer ("I look around, my room is filled with candles/Each one a story but they end the same"). Seine einzige Hoffnung ist Mary, in die er sich verliebt hat ("My love for her will help me find my way")
Das absolute Glanzlicht des Albums, neben "I Don't Believe In Love" und "Eyes Of A Stranger". Alleine das Intro ließ mir beim ersten Hören die Kinnlade aufklappen - einer der emotionalsten Momente, der je auf CD gebannt wurde. Jeoff, in den letzten Songs noch kraftvoll und selbstsicher, klingt nun geradezu zerbrechlich, bevor der Song losrockt und er seine gewohnte Kraft zurückgewinnt, allerdings nun mit einer gewissen Melancholie in der Stimme. Instrumental eine absolute Glanzleistung, die Drums treiben den ganzen Song an und die eingeworfenen Synthesizer und Akkustikgitarren unterstreichen perfekt Jeoffs Gesang. Wieder ein Göttersolo...

Suite Sister Mary
Nikki bekommt einen verhängnisvollen Auftrag: Er soll Mary und den Father töten... Er gerät in einen inneren Konflikt und weiß nicht mehr weiter. Der Priester stirbt, und Nikki und Mary erkennen, dass sie von Dr. X betrogen wurden. Sie planen, gemeinsam aus seinen Fängen zu entkommen.
Prog! Wenn nicht schon bei "The Mission", so steigt spätestens hier der Anspruch ins sphärische. Chorale Gesänge (passend zum Text: "Midnite, she sings praises in the Hall/To saintly faces hallowed be their names she can't recall"), wieder Akkustikgitarren, eingeworfene Gesprächsfetzen zwischen Nikki und Mary. Dann wirds härter (und proggiger), der Song ist ein einziges Auf und Ab, genau wie die Situation an sich sich mit jeder Sekunde ändert. Der Refrain ist pure Gänsehaut, eine Jahrhundertmelodie.

The Needle Lies
Nikki kündigt bei Dr. X, läuft davon und schwört den Drogen ab. Dr. X lacht und sagt: "So einfach kommst du aus der Sache nicht wieder raus..."
Schnellster und härtester Song des Albums. Straighter Heavy Metal wie er im Buche steht. Geoff singt sich die Seele aus dem Leib, die Rhytmussektion treibt den Song zum Höhepunkt und die Gitarren solieren in bester 80er Manier vor sich hin. Und gerade wenn man denkt, das hier ist ein stinknormaler Heavy Metal-Song, wie ihn jede Band in den 80ern hätte schreiben können, kommt ein total vertracktes Zwischending, bevor es gewohnt straight weitergeht. Geil!

Breaking The Silence
Nikki findet Mary tot in ihrer Wohnung. Verzweifelt wandert er auf den Straßen und schwelgt in seiner Trauer, weiß nicht wie es weiter gehen soll.
Einer der schönsten Songs. Getragener Mid Tempo-Rocker mit einem Refrain, wie man ihn nur auf diesem Album so finden kann. Geoff verfällt mit Nikki der Verzweiflung und bringt die Stimmung des Songs mit seiner Stimme mal wieder auf den Punkt.

I Don't Believe In Love
Nikki erwacht in einem Raum, der von einer Videokamera bewacht wird. Er wurde am Tatort gefunden und wird nun beschuldigt, Mary getötet zu haben, was er jedoch hartnäckig bestreitet. Nikki verteufelt die Liebe und versucht, sich einzubilden, Mary hätte nie existiert.
Mein absoluter Lieblingssong von "Operation:Mindcrime"! Egal wie genial das allseits (auch von mir) angegötterte "Eyes Of A Stranger" ist, dieser Song ist für mich der absolute Höhepunkt. Die Gesangsmelodie ist unglaublich, und Jeoff Tate bringt sie so unglaublich emotional rüber, dass man sich alleine die erste Strophe stundenlang auf Dauerrotation antun könnte, ohne sich zu langweilen. Anbetungswürdig!

Eyes Of A Stranger
Nikki ist alleine in seiner Zelle. Dr. X ist weg, Mary und der Priester sind tot, nur Nikki ist alleine mit seinen Errinnerungen, die er am liebsten alle vergessen würde. Er guckt in den Spiegel und sieht in die Augen eines Fremden.
Was soll ich zu einem Song schreiben, der sowieso weithin als beste Prog Rock-Song der 80er bekannt ist? Ich glaube, ich habe bereits alles Lobpreisungen an die letzten Songs ausgesprochen, und "Eyes Of A Stranger" spielt auf einem Niveau, dass jemand wie ich nicht in Worte fassen kann. Einfach anhören und auf sich wirken lassen...

"Eyes Of A Stranger" endet übrigens mit der selben Sequenz, mit der "I Remember Now" anfängt. Damit schließt sich der Kreis zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Errinnerung und Realität.


Ich weiß, es gibt viele Reviews, die so überschwänglich das jeweilige Album loben. Ich sage dazu aber folgendes: Die meisten davon werden unter mehr oder weniger großem Zeitdruck erstellt. Wie lange kennen die Rezensenten das Album... 2 Wochen? Einen Monat? Ja, da ist man oft noch euphorisch. Ich hatte "Operation:Mindcrime" zum ersten Mal 2007 in den Händen, meine Meinung ist also 2 Jahre gereift. Es gibt nicht viele Alben, für die ich nach diesem Zeitraum noch solche Worte finde - genauer, so gut wie keine.
"Operation:Mindcrime" ist nicht einfach ein Konzeptalbum, sondern das zusammenwirken einer Band, eines Sänger und eines Songwriters, von denen kein Element austauschbar ist. Ein anderer Sänger als Jeoff hätte dieses Album sicherlich verhauen, und auch wenn Jeoff sicherlich jede Hinterhofband auf einen extrem hohen qualitativen Standard heben könnte, so war es Queensryche, wo er sich voll entfalten konnte.
Zuletzt erwähnen muss ich noch den Sound, der für 1988 wirklich gut aus den Boxen dröhnt. Die Produktion ist schön druckvoll und transparent und damit genau wie das gelungene Cover-Artwork eines Meisterwerks wie "Operation:Mindcrime" würdig.

Punktevergabe spare ich mir, jeder kann sich denken was ich diesem Album geben würde... genau wie Anspieltipps. Wie erwähnt, es gibt keine Filler. Man kann Songs auf youtube hören, aber am besten kauft man sich das Album und hört es von vorne bis hinten durch, hier lohnt es sich wirklich. Wer dieses Album nicht kennt, sollte schleunigst mal dein Plattendealer anhauen, es ist meiner Meinung nach absolutes Pflichtprogramm für jeden Rocker, Metaller und einfach alle Fans von guter Musik.
 
Eigenschaft
 
wow super review...
zur platte selbst ist ja eigentlich alles gesagt...
ich möchte nur noch hinzufügen, dass nahezu jede queensyche platte ein wahrer hochgenuss ist...für diese musik braucht man wirklich zeit...

allen die die scheibe noch nicht kennen/kannten...sofort kaufen^^
 
Die einzige Scheibe der Band an der ich wirklich immer Spaß habe. Läuft nicht oft, aber wenn dann mindestens 2 mal hintereinander.
 
Super Review!
Wirklich gut geschrieben.
In diesem Fall macht auch die Song für Song-Besprechung durchaus Sinn.
 
Super Review!
Wirklich gut geschrieben.
In diesem Fall macht auch die Song für Song-Besprechung durchaus Sinn.

Jap, geb ich dir Recht!

Zur Platte muss man nicht viel sagen- Klassiker! Kann ich eigentlich zu jeder Tages- und Nachtzeit hören.
 
Die einzige Platte von denen die ich wirklich mag, und das seit sie raus kam bis heute. Immer noch der Hammer und eine der besten Platten aller Zeiten ganz generell über alle Musikstile betrachtet.
 

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