[Review] IK Multimedia iRig Stream

gitarrero!
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WORUM GEHT ES
Dieser Beitrag hätte ein normales Review werden sollen, ist aber mehr ein "Reisebericht" geworden, also ein Rückblick über verschiedene verschlungene Pfade und Irrwege, die ich gegangen bin auf meiner Suche nach einer bestimmten Lösung für mein Anwendungsszenario.
Die vorläufige Endstation auf meiner Reise, über deren Stationen ich noch berichte, ist das Gerät iRig Stream von IK Multimedia. Es ist für den Einsatz als Audio-Interface an einem Smartphone oder Tablet konzipiert und kann einen Stereoeingang mit Line-Pegel verarbeiten. Auf dem sehr leichten und kompakten schwarzen Kunststoffgehäuse, das fast schon einen fragilen Eindruck macht, befinden sich außer den zwei Cinch-Eingangsbuchsen ein Regler für die Pegelanpassung, eine Buchse fürs TRRS-Headset, ein Stereo/Mono-Umschalter, ein Loopback-Schalter, getrennte Lautstärkeregler für Headset-Kopfhörer und -Mikrofon sowie drei Status-LEDs. Es werden zwei Adapterkabel mitgeliefert, von der Mini-DIN-Buchse der Box wahlweise auf USB-C (Android) oder Lightning (Apple iPhone) am Telefon. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass das Adapterkabel eher wackelig in der Mini-DIN-Buchse sitzt - ein arretierbarer Steckverbinder würde mir hier deutlich besser gefallen. Der Anschluss eines 5V-Steckernetzteils ist möglich und auch empfehlenswert, um den Telefonakku zu schonen. Beim Betrieb an einem Apple iPhone wird der Strom vom Netzteil auch zum Laden des Telefons genutzt, bei mir ist ein Android-Smartphone in Betrieb und deswegen musste ein externes Netzteil her.

ZIEL
Mein Ziel ist, auf Neudeutsch würde man wohl Use Case sagen, dass ich bei der Probe meiner vierköpfigen Rockband das Smartphone auf ein Stativ klemme und die Probe mitfilme. Das Video soll hinterher zur Selbstkontrolle ausgewertet und zu diesem Zweck über eine private Cloud oder - noch bequemer - als nichtöffentliches YouTube-Video mit den Bandkollegen geteilt werden. Die erste wesentliche Anforderung ist dabei ein minimaler Aufwand ohne Nachbearbeitung, also dass ein Hochladen direkt vom Smartie möglich sein soll, ohne irgendwelche Kopiervorgänge, ohne Datenaustausch, ohne Einsatz von Videobearbeitungssoftware wie etwa iMovie usw. Die zweite wesentliche Anforderung ist ein möglichst differenzierter und aussagekräftiger Klang im hochgeladenen Video, so dass sich jeder Musiker seiner spielerischen Unzulänglichkeiten bewusst wird und erkennt, woran er arbeiten muss, frei nach dem Motto "Recording is God's way of telling you that you suck" 😃. Auf dem Weg zu diesem Ziel musste ich mehrere Schritte auf der Lernkurve durchschreiten.

INTERNES MIKRO
Mit dem eingebauten Mikro des Smartphones war das klangliche Ergebnis aus unterschiedlichen Gründen ziemlich mau. Der einzige Vorteil war, dass es extrem einfach und niederschwellig funktioniert. Das Ergebnis taugt jedoch nur zum groben Festhalten von Ideen, quasi als musikalischer Notizzettel, eine tiefergehende Selbstkontrolle ist eher mühsam.

EXTERNES MIKRO - https://www.thomann.de/de/sennheiser_mke_200_mobile_kit.htm
Zur Erhöhung der Klangqualität habe ich ein externes Mikrofon namens Sennheiser MKE 200 Mobile mit Miniklinke ausprobiert, welches einen deutlich breitbandigere und dynamischere Aufnahme bietet als das interne Smartie-Mikro. Mit der Standard-Video-App war es problemlos möglich, das Audiosignal ins Video zu integrieren. Das Ergebnis hat sich schon deutlich besser angehört, aber leider nur Mono, da die Headset-Anschlussbuchse des Telefons auch nur einen Monoeingang auf dem TRRS-Stecker verarbeitet. Daran hatte ich nicht gedacht und war deswegen froh um die Money-Back-Garantie. 😊

USB-MIKRO - https://www.thomann.de/de/shure_motiv_mv88_video_kit.htm
Der nächste Schritt war dann ein externes Stereo-Mikrofon mit USB-C-Anschluss, welches frequenzmäßig tolle Ergebnisse liefert und den Raumklang - zumindest an der Aufstellposition des Stativs - wirklich gut abbildet. Auch die dazugehörige App vom Mikro-Hersteller gefiel mir von der Stabilität und Bedienung her sehr gut. Allerdings steht im Proberaum keine PA und nicht alle Klangquellen zeigen in Richtung Aufstellort, d.h. der Mix ist schlichtweg unausgewogen. Beispielsweise steht die Kamera in der Nähe meiner Gitarrenbox und die ist hinten offen, also war die Gitarre auf der Aufnahme immer dominant. Für mich top, für die anderen Kollegen weniger, ich kann's mir eigentlich kaum erklären?! 😃

USB-AUDIO-INTERFACE - https://www.thomann.de/de/ik_multimedia_irig_stream.htm
Wir waren aus Bequemlichkeitsgründen nicht gewillt, die für uns angenehme und lieb gewonnene Aufstellung im Proberaum mit Gitarrenamp, Bassamp und Monitorboxen komplett übern Haufen zu werfen und für die Videoaufnahme zu optimieren. Die folgende Evolutionsstufe war deswegen die Mikrofonierung des Gitarrenamps, die Einspeisung des DI-Ausgangs vom Bass-Amp sowie Anschluss des Digitalschlagzeugs ans Mischpult. Vorher liefen nur Gesangsmikros und Keyboard übers Mischpult und das Schlagzeug separat über eine Monitorbox. Jetzt lagen alle Stimmen und Instrumente am Mischpult an und es wurde die Nutzung eines Stereo-Mix-Ausgangssignals möglich. Fürs schnelle Recording am PC taugte der Mix schon mal hervorragend und da kam mir die Idee, dass es doch irgendwie klappen müsse, dieses Line-Signal digitalisiert ins Smartphone einzuspeisen und in den Videodatenstrom einzubetten. Nach kurzer Recherche stieß ich auf das iRig Stream, welches genau diese Möglichkeit bietet. Ein ausreichend langes Adapterkabel 2x Klinke zu 2x Cinch zur Verbindung des Mischpults mit dem Interface war schnell bei der Hand, so dass die Experimente in die nächste Runde gehen konnten.

SOFTWARE-LERNKURVE
Die Lernkurve setzte sich munter weiter fort, da zwar jetzt die Sache mit dem Anschluss gelöst und das iRig Stream in Betrieb war, aber nun die Unwägbarkeiten und Schwierigkeiten auf dem Gebiet der Software in den Vordergrund traten. Bei der App namens iRig Recorder vom Gerätehersteller IK Multimedia traten bei der ersten Inbetriebnahme dubiose Stabilitätsprobleme auf, sie stürzte oft aus unerklärlichen Gründen beim Start ab. Fehlermeldungen und Warnungen sind anscheinend überbewertet, der Nutzer erfährt leider nicht, was denn der App grad nicht in den Kram passt. Die Oberfläche macht auf mich einen sehr eigenwilligen und unaufgeräumten Eindruck, wenig intuitiv, einige Features sind sogar nur als In-App-Käufe erhältlich - sehr ärgerlich, immerhin habe ich doch das Gerät käuflich erworben, warum werde ich nochmal zur Kasse gebeten? Aber das größte Übel ist die Tatsache, dass iRig Recorder die aufgezeichneten Daten in einem proprietären und sehr speicherhungrigen Format irgendwo in den Untiefen des Android-Filesystems abspeichert. Umlenken auf die SD-Karte ist nicht möglich und bei knappem Gerätespeicher entstehen schnell Probleme. Man muss das Video zudem umständlich aus der App exportieren, um es nachbearbeiten oder hochzuladen zu können. Das Vorgehen halte ich für umständlich und langwierig. Ich vermute außerdem, dass beim Export irgendeine Art von Transcodierung stattfindet, die man aber nicht parametrisieren oder anderweitig beeinflussen kann.

ZWEITER VERSUCH - https://opencamera.org.uk/
Also probierte ich als Open-Source-Alternative die App namens Open Camera aus, da es eines der wenigen Kamera-Frontends für Android ist, bei der man die Audioquelle fürs aufgenommene Video selbst auswählen kann. Bei der vorinstallierten Android-Kamera-App geht das nicht, wohingegen es bei Open Camera vielerlei Einstellmöglichkeiten für Video- und Audio-Parameter gibt. Schreiben auf die SD-Karte geht auch. Eigentlich alles prima, wenn sich da im fertigen Video nicht ein unerwarteter und mit der Laufzeit langsam, aber stetig anwachsender Zeitversatz zwischen Bildmaterial und Tonspur manifestieren würde! Das Ergebnis war also unbrauchbar, da man ja meistens mehr als nur eine Minute aufnehmen will. Das mit dem Versatz scheint ein bekanntes Problem von Open Camera zu sein, es gibt verschiedene Foreneinträge in den weltweiten Internetzen darüber, aber ohne konkreten Lösungsvorschlag. Die Ursache ist mir nicht ganz klar, irgendwo steht zu lesen, dass Open Camera nur Audio mit 44,1kHz Samplingrate akzeptiert, das iRig Stream aber 48kHz liefert. Die Tonhöhe war jedoch OK - offenbar werden Samples verworfen, aber warum läuft es dann mit der Zeit auseinander? Rätselhaft. Manch ein User behilft sich mit Video-Nachbearbeitung, d.h. Anpassung der Video-Abspielgeschwindigkeit im Promillebereich, was aber nur mit "erwachsener" Video-Software à la Adobe Premiere geht und nicht mit meinem Macbook-Bordwerkzeug iMovie.

DIE SOFTWARE IST NICHT SCHULD
Ich setzte meine Experimente mit der App namens Cinema FV-5 fort, die als Lite-Version kostenlos ist und als Vollversion gerade mal EUR 1,99 kostet. Im Vergleich zur Konkurrenz Filmic Pro, die es nur im teuren Abo-Modell gibt, ist das sehr preiswert. Die ersten Experimente mit Cinema FV-5 waren vielversprechend und so beschloss ich, mit dieser Hardware-/Software-Konstellation ins Rennen zu gehen, aber bei der ersten längeren Aufnahme war der verhasste Audio-Video-Versatz wieder da. Also rückte die Smartie-Hardware in den Fokus, und als der gleiche Versuchsaufbau auf dem Gerät des Bandkollegen auf einmal einwandfreie Ergebnisse lieferte, war der Schuldige eindeutig identifiziert: Mein nicht mehr zeitgemäßes Smartphone und dessen mangelnde Speicher- und CPU-Ressourcen. Dank "Blick Friday" konnte ich es mit überschaubarem finanziellem Aufwand durch ein modernes Gerät ersetzen und seit der Aufrüstung gibt es keinerlei Probleme mehr - die Kombination aus iRig Stream mit Open Camera klappt bestens und erfüllt alle Anforderungen. Vermutlich wäre ich in die verschiedenen Irrwege gar nicht erst reingelaufen, wenn ich von Vornherein mit einem leistungsfähigeren Smartie und Open Camera losgelegt hätte.

HANDLING
Zum Handling des iRig Stream gibt es eigentlich nicht viel zu berichten. Mit Hilfe des Reglers und der Anzeige für Low, OK und High stellt man den gewünschten Pegel ein, entscheidet sich zwischen Mono und Stereo und es kann losgehen. Per Headset-Kopfhörer kontrolliert man das Eingangssignal. Die Loopback-Option und das Hinzumischen eines Headset-Mikrofons ist bei mir nicht in Betrieb. Den kleinen Schiebeschalter "MONO = ON" habe ich schon zwei Mal aus Versehen betätigt, so dass die Aufnahme unerwünscht einkanalig war. Da ich kein Szenario kenne, in dem ich nur mono aufnehmen möchte, werde ich den Schalter noch auf geeignete Weise auf "MONO = OFF" festsetzen, z.B. mit einem Tröpfchen Heißkleber oder einem Streifen Isolierband.

BEWERTUNG
Am Ende der Lernkurve angelangt und nach mehreren erfolgreichen Einsätzen bleibt ein positiver Eindruck des Geräts, es erfüllt seinen Zweck, der Use Case wird wie gewünscht abgedeckt und die Aufnahmen klingen gut. Kritikpunkte sehe ich bei den mechanischen Gehäuseeigenschaften, beim wackeligen Steckverbinder des USB-Kabels und bei der dazugehörigen App, zu der es jedoch sinnvolle Alternativen gibt. Preislich gesehen kenne ich zwar kein vergleichbares Gerät, gefühlt ist der Straßenpreis von EUR 95,- und erst recht der Listenpreis von EUR 146,- des IK Multimedia iRig Stream schon ein wenig hoch gegriffen, gemessen an der gebotenen Funktionalität (nur unwesentlich mehr als ein "One Trick Pony") und Wertigkeit.

FAZIT
+ Gute Klangqualität
+ Pegelanzeige für Dummies, jeweils eine LED für Low, OK und High
+ Sehr kompakt und leicht

- Fragil anmutendes Kunststoffgehäuse
- Wackliger Steckverbinder USB-Adapterkabel
- Aufnahme-App, siehe Text

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