Schichten aus Paralleltonarten?

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Wenn die Akkordbegleitung von einer anderen, als der ersten Stufe (der Tonart der Melodie) startet, wann würdet ihr sie als Element mit Paralleltonart betrachten (anderer Grundton und anderer Modus) und wann nicht?

Beispiel: Melodie impliziert Eb-Dur. Akkordbegleitung startet mit F-Moll und wäre interpretierbar als F-Dorian-Akkordfolge (F-Dorian ist die Paralleltonart von Eb-Dur).

Die Akkordfolge wäre in F-Dorian:

Fm/ Ab / Cm / Bb+11 (im Deutschen: B+11))
i / III / v / IV+11

In Eb-Dur wäre sie interpretierbar als:

Fm/ Ab / Cm / Ebmaj9*
ii / IV / VI / I

*G kommt hier aus der Melodie noch dazu

Diesen Fall hat man hier.

In diesem Video wird die These vertreten, dass es sich um „Modal Layering“, also zwei Tonarten handelt.
Nimmt man das als Hörer so wahr? Wann ist es quasi polytonal und wann startet die Akkordfolge oder eine Melodie einfach nur nicht von der Tonika bzw. vom Grundton?
Hängt es vor allem davon ab, ob sie die Tonalität des anderen Elements trotzdem betont, weil sie z.B. auf der Tonika (des anderen Elements) endet?
 
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Wann ist es quasi polytonal und wann startet die Akkordfolge oder eine Melodie einfach nur nicht von der Tonika bzw. vom Grundton?
Nimmt man das als Hörer so wahr?
Das hängt vom Hörer ab, musikalische Erfahrung, Kulturkreis. Das hängt von Dir ab, wie Du etwas empfindest, mit Deinen Hörerfahrungen. Im Ernst.
Höre Dir diesen berühmten Klassiker an, Le sacre du printemps, komponiert 1911

(ich habe das Stück zum ersten Mal mit 14 Jahren gehört. Du kannst Dir vorstellen, das hat meine Wahrnehmung von Musik sehr verändert.)
achte darauf, wie mit den Melodien umgegangen wird.
Was die Melodie nun an Akkorden impliziert, ist eigentlich nur in der Zeit von später Renaissance bis Klassik aus der Melodie zu schließen, und selbst dann längst nicht immer. Und wenn Du die Regeln dieser Zeit verwendest. Harmonisiere mal paar Choröle aus (immer noch eine gute Grundlage)
Pop-Musik ist ja eher simpel gestrickt. Wenn Du zu Jazz gehst, ist es schon in den 30er und 40er Jahren ganz anders.
Die Grundtöne eher selten verwendend, zentrale Melodietöne auf der Septime, None, Sexte, etc. sind völlig normal. Melodie und Akkorde gehören unbedingt zusammen, nur aus der Melodie lässt sich nicht auf die Akkorde schließen. Schau Dir paar Stücke im Real Book (oder New Fake Book, etc) an, spiele sie durch, dann weißt Du, was ich meine.
 
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Beispiel: Melodie impliziert Eb-Dur. Akkordbegleitung startet mit F-Moll und wäre interpretierbar als F-Dorian-Akkordfolge (F-Dorian ist die Paralleltonart von Eb-Dur).

F-dorisch ist Paralleltonart von Ab (lydisch). Die Stammtonart von F-dorisch ist Eb-Dur. Das heißt: Man beginnt hier auf der IIm, welche am Anfang zugleich als Tonika angesehen wird. Ob F hier Tonika bleibt oder sich nicht doch Eb durchsetzt, das wird damit entschieden, wie sehr - oder auch nicht - Fm als Grundharmonie beibehalten wird. (Wie schließt der Track?)

Fm/ Ab / Cm / Bb+11 (im Deutschen: B+11))
i / III / v / IV+11

IV(7) also Bb, ist hier Zwischendominante zu Eb-Dur. Da der Zielton "+11" bereits im Akkord enthalten ist, handelt es sich um harte Antizipation . Nichts Ungewöhnliches. Gleiches liegt z.B. vor, wenn über dem Grundton der dom. Vollverminderte gesetzt wird. Seit der Klassik/Romantik möglich. Daran ist nichts polytonales. Übrigens ist der dom. Vorhaltquartsextakkord auch ein Beispiel für Antizipation des Grundtons, in der Folge : V64 V I.

Fm/ Ab / Cm / Ebmaj9*
ii / IV / VI / I

Du hast hier den B(b)+11 umgedeutet. Tatsächlich ist der EbMaj9 ein Eb + B(b) . Alle Töne des Akkordes lassen sich als Oberwellen von (fortgesetzter) Herunteroktavierung des Tons Eb deuten. Für einen Akkord Bb+11 wäre das nicht möglich; der EbMaj9 stellt somit eine "Auflösung" bzw. Lösung einer harmonischen Aufgabe dar. Dafür musste kein einziger Ton "bewegt" (alteriert) werden. Man bleibt immer diatonisch in Eb-Dur.
 
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Das hängt vom Hörer ab, musikalische Erfahrung, Kulturkreis. Das hängt von Dir ab, wie Du etwas empfindest, mit Deinen Hörerfahrungen. Im Ernst.

Genau: man hört auch, was man gelernt hat zu hören oder was man hören möchte. Allerdings beziehe ich mich jetzt mal auf den Anteil, der der natürlichen Wahrnehmung zugeschrieben werden kann (ich denke: Tonalität aus einer Abfolge von Geräuschen herauszuhören ist auch etwas Natürliches) und würde es passend zum Song/Track, der bei mir das Beispiel ist, auch auf die Hörgewohnheiten der Popmusik-Konsumenten bzw. des aktuellen westlichen Mainstreams beschränken wollen.
Wie höre ich es? Ich gebe zu, dass ich das noch gar nicht probiert habe herauszufinden und gelobe, dass ich daran arbeite.
Meine Hoffnung war tatsächlich, dass ich durch die Analyse erst noch weitere Anhaltspunkte finde.
Ich muss auch sagen, dass mir der Song nicht gefällt, was mir das Hineinfühlen etwas erschwert ;) Bin zufällig auf die oben verlinkte Songanalyse (das Video) gestoßen.

Höre Dir diesen berühmten Klassiker an, Le sacre du printemps, komponiert 1911
(ich habe das Stück zum ersten Mal mit 14 Jahren gehört. Du kannst Dir vorstellen, das hat meine Wahrnehmung von Musik sehr verändert.)
achte darauf, wie mit den Melodien umgegangen wird.

Tolles Stück. Ich schätze mal, dass vor allem kontrapunktisch mit den Melodien umgegangen wird. Leider fehlt mir bisher die praktische Erfahrung in der Erstellung und Analyse diesbezüglich. Allerdings gibt es, glaube ich, für gewöhnlich auch einen Grundton und am Ende eine Kadenz. Von daher macht hier Stravinsky z.T. etwas anderes - es wird bitonal und polytonal... habe ich jetzt gelesen. Das bewusst herauszuhören, das würde ich gerne erreichen, habs noch nicht richtig probiert.

Pop-Musik ist ja eher simpel gestrickt. Wenn Du zu Jazz gehst, ist es schon in den 30er und 40er Jahren ganz anders.
Die Grundtöne eher selten verwendend, zentrale Melodietöne auf der Septime, None, Sexte, etc. sind völlig normal. Melodie und Akkorde gehören unbedingt zusammen, nur aus der Melodie lässt sich nicht auf die Akkorde schließen. Schau Dir paar Stücke im Real Book (oder New Fake Book, etc) an, spiele sie durch, dann weißt Du, was ich meine.

Ich würde gerne erstmal nur auf die Tonart schließen und herausfinden, wann man Melodie und Akkorde als Teil einer Tonart und Harmoniefolge und wann man die Elemente eher als unterschiedliche Tonarten betrachtet/hört. Thelonious Monk fällt mir bei deiner Beschreibung ein. Ich schätze: hier wurde oft absichtlich um einen Grundton herum oder einfach entgegen den Erwartungen gespielt. So gesehen wäre ein Grundton dennoch impliziert. Aber ich muss es noch richtig durchgehen und daher vielen Dank für den Buchtipp!
 
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Wenn die Akkordbegleitung von einer anderen, als der ersten Stufe (der Tonart der Melodie) startet, wann würdet ihr sie als Element mit Paralleltonart betrachten (anderer Grundton und anderer Modus) und wann nicht?
Welcher Akkord Tonikafunktion erhält entscheidet zum einen die Platzierung und zum anderen die Dauer des Akkordes.
Fm, Ab und Cm sind Terzschichtungen und haben in diesem Zusammenhang die gleiche Funktion.
Der kadenzierende Ton im Dorischen ist die dorische Sexte. Der Akkord Bb enthält diese Sexte und ist somit der kadenzierende Akkord der gleichzeitig auch auf einen weniger stabilen Takt fällt und sich in der stabilen Im (=Fm) auflöst.
Eine typische dorische Wendung.
Dass dabei die Melodie eine Eb Pentatonik darstellt ist absolut nicht von Bedeutung. Gehört wird z.B. g = None von Fm, Bb = 11 von Fm etc. etc. Das hat absolut nichts mit Polytonalität zu tun da beide Skalen den gleichen Tonvorrat haben.

PS
Das Video finde ich absolute Zeitverschwendung. Ich habe mir das reingezogen und mich im Nachhinein gefragt was der jetzt eigentlich vermittleln wollte. Unterm Strich bleibt da nichts. Das war reines Blabla (natürlich vom Feinsten und aufgepäppelt).


PS2
Wieso schreibst Du in Deiner Akkordfolge einmal Bb und beim zweiten mal Ebmaj7?
Weiterhin weißt Du hoffentlich was Bb+11 heißt? Und zwar Bb Dur Dreiklang mit übermäßiger Undezime. Wenn Du einen Dur-Dreiklang plus zusätzlicher reiner Quarte meinst schreibst Du besser Bb(add4).
 
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F-dorisch ist Paralleltonart von Ab (lydisch). Die Stammtonart von F-dorisch ist Eb-Dur. Das heißt: Man beginnt hier auf der IIm, welche am Anfang zugleich als Tonika angesehen wird. Ob F hier Tonika bleibt oder sich nicht doch Eb durchsetzt, das wird damit entschieden, wie sehr - oder auch nicht - Fm als Grundharmonie beibehalten wird. (Wie schließt der Track?)

Oh, vielen Dank für die Berichtigung. Gibt es einen übergreifenden Begriff für Tonarten, die den gleichen Tonvorrat haben?

Hier wäre der Track - ich denke er fängt mit der Melodie (Vocals) an (mit Eb) und sehr kurz darauf folgt die Akkordbegleitung (Pad).
Die Melodie am Ende des Tracks hört beim Wort "Floating" und somit auf der Note F auf (wenn der Mensch im Analysevideo sich nicht irrt oder es am Ende keine Variation der Melodie gibt). Es folgt allerdings noch ein "Yeahh", dessen Note ich nicht kenne.
Aber das F deutet echt auf F-Dorisch als Track-Tonart. Wobei man sagen muss, dass viele Internetseiten es als Eb- bzw. D#-Dur Track ausgeben.

Den Rest deines Beitrags und den Beitrag von CUDO II möchte ich unbedingt morgen richtig lesen.
 
Oh, vielen Dank für die Berichtigung. Gibt es einen übergreifenden Begriff für Tonarten, die den gleichen Tonvorrat haben?

"Diatonisch". D-dorisch ist diatonisch zu C-Dur. Alle Akkorde stammen aus C-Dur, aber ihre Funktion richtet sich nun nach D-Moll. Die Aussage "Wir sind diatonisch in C-Dur" ist also eine Aussage zum Akkord/Tonvorrat und keinesfalls zur tatsächlichen Tonart. In D-dor. ist G-dur die Subdominante in Dur, also die S. Diese hat einen "dorischen" Klang unabhängig davon, ob wir vorher in D-dor. (kein Vorzeichen) oder D-nat.moll waren (ein Vorzeichen). Hingegen ändert sich im Kontext "dorisch" der Klang von Nebenfunktionen. Wenn wir in dorisch sind - und die dorische Sext erklingt - sind die Folgeakkorde auf diesen Kontext bezogen. Eine bIII , also die tP, hat dann einen lydischen Kontext. z.B. Dm F G F(lyd.) . Der zweite F "nimmt" den lydischen Kontext, weil das durch den vorhergehenden G klar wurde. Eine tP klingt in dorisch daher heller als in Nat. Moll. Der F gleich hinter dem Dm hingegen "wusste" noch nichts von "seinem" lydischen Kontext.



PS
Das Video finde ich absolute Zeitverschwendung. Ich habe mir das reingezogen und mich im Nachhinein gefragt was der jetzt eigentlich vermittleln wollte. Unterm Strich bleibt da nichts. Das war reines Blabla (natürlich vom Feinsten und aufgepäppelt).

Dass da für dich nichts zu holen war, war von vornherein klar. (Das YT-Video, welches CUDO noch einen Erkenntnisgewinn bringt, muss erst gefunden werden; es ist eine Frage des Anspruchs...)

Die wollen auch nur ihr Zeug vermarkten (Irgendwelche Hilfe für Hobby-Songwriter). Ist alles zu dünn.
 
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Ich muss leider weiterhin stückweise vorgehen, da es doch noch recht schwere Kost für mich ist:

IV(7) also Bb, ist hier Zwischendominante zu Eb-Dur. Da der Zielton "+11" bereits im Akkord enthalten ist, handelt es sich um harte Antizipation . Nichts Ungewöhnliches. Gleiches liegt z.B. vor, wenn über dem Grundton der dom. Vollverminderte gesetzt wird. Seit der Klassik/Romantik möglich. Daran ist nichts polytonales. Übrigens ist der dom. Vorhaltquartsextakkord auch ein Beispiel für Antizipation des Grundtons, in der Folge : V64 V I.

Ist Bb+11 auch Zwischendominante, obwohl der Akkord keine Septime (Ab) enthält bzw. keine Bb7 ist? Das mit der Antizipation leuchtet ein. Bleibt es dann unaufgelöst oder siehst du die Auflösung in Form der Melodie? Die setzt ja immer wieder bei Eb an und zumindest ab und zu auch nach diesem Akkord. Die Akkordfolge geht danach stattdessen zu F-Moll.

Nichts Ungewöhnliches. Gleiches liegt z.B. vor, wenn über dem Grundton der dom. Vollverminderte gesetzt wird. Seit der Klassik/Romantik möglich. Daran ist nichts polytonales. Übrigens ist der dom. Vorhaltquartsextakkord auch ein Beispiel für Antizipation des Grundtons, in der Folge : V64 V I.

Interessant, nur ich verstehe leider nicht ganz, inwieweit diese Beispiele mit dem Track zu tun haben.
 
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Du hast hier den B(b)+11 umgedeutet. Tatsächlich ist der EbMaj9 ein Eb + B(b) . Alle Töne des Akkordes lassen sich als Oberwellen von (fortgesetzter) Herunteroktavierung des Tons Eb deuten. Für einen Akkord Bb+11 wäre das nicht möglich; der EbMaj9 stellt somit eine "Auflösung" bzw. Lösung einer harmonischen Aufgabe dar. Dafür musste kein einziger Ton "bewegt" (alteriert) werden. Man bleibt immer diatonisch in Eb-Dur.

Ja, das habe ich, weil ein Kommentator des YT-Analysevideos (im Kommentarbereich ganz unten) diese Interpretation hatte und sie mir einleuchtete. Genau, in diesem Fall wäre der letzte Akkord die Auflösung, da es ja auch ein Tonika-Akkord wäre.
 
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Welcher Akkord Tonikafunktion erhält entscheidet zum einen die Platzierung und zum anderen die Dauer des Akkordes.
Fm, Ab und Cm sind Terzschichtungen und haben in diesem Zusammenhang die gleiche Funktion.
Der kadenzierende Ton im Dorischen ist die dorische Sexte. Der Akkord Bb enthält diese Sexte und ist somit der kadenzierende Akkord der gleichzeitig auch auf einen weniger stabilen Takt fällt und sich in der stabilen Im (=Fm) auflöst.
Eine typische dorische Wendung.
Dass dabei die Melodie eine Eb Pentatonik darstellt ist absolut nicht von Bedeutung. Gehört wird z.B. g = None von Fm, Bb = 11 von Fm etc. etc. Das hat absolut nichts mit Polytonalität zu tun da beide Skalen den gleichen Tonvorrat haben.

Danke für die Erklärung. Also für dich ist es umfassend in F-Dorisch. Kann es nicht sein, dass man mal die Melodie als das Zentrale oder sie in ihrer Eigenständigkeit wahrnimmt und sie somit als Eb-Dur-Melodie hört? Mit polytonal hatte ich gemeint, dass es zwei Grundtöne gibt, ich wusste nicht, dass man davon nur spricht, wenn sich der Tonvorrat ändert. Gibt es für das von mir gemeinte einen Begriff?

PS
Das Video finde ich absolute Zeitverschwendung. Ich habe mir das reingezogen und mich im Nachhinein gefragt was der jetzt eigentlich vermittleln wollte. Unterm Strich bleibt da nichts. Das war reines Blabla (natürlich vom Feinsten und aufgepäppelt).
Sorry :)

PS2
Wieso schreibst Du in Deiner Akkordfolge einmal Bb und beim zweiten mal Ebmaj7?
Weiterhin weißt Du hoffentlich was Bb+11 heißt? Und zwar Bb Dur Dreiklang mit übermäßiger Undezime. Wenn Du einen Dur-Dreiklang plus zusätzlicher reiner Quarte meinst schreibst Du besser Bb(add4).

Weil Ebmaj9 auch als Interpretation möglich ist und bei der Annahme von Eb-Dur als Tonart, besser zu passen scheint.
Bb+11 wird auch so im Video genannt - die 11 soll aber tatsächlich nur die normale tonarteigene 4 des Akkords sein, also hier das Eb.
Kommt es wegen dem "+" als übermäßig rüber? Jenes soll glaub ich nur klarmachen, dass keine 7 und 9 enthalten ist - also praktisch add 11.
 
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Ist Bb+11 auch Zwischendominante, obwohl der Akkord keine Septime (Ab) enthält bzw. keine Bb7 ist? Das mit der Antizipation leuchtet ein. Bleibt es dann unaufgelöst oder siehst du die Auflösung in Form der Melodie? Die setzt ja immer wieder bei Eb an und zumindest ab und zu auch nach diesem Akkord. Die Akkordfolge geht danach stattdessen zu F-Moll.

Es gilt: IV (D) bVII . Das ergibt sich aus der Definition einer Zwischen-Dom. Die wird in Klammern gesetzt. Aber gehört wird S dP . Die Zwischenfunktion ist hier uninteressant - egal ob mit oder ohne kl. Septime. Die nächste mögliche dom. Akkordverbindung ist: bVII (D) bIII. Aber auch hier wird die Zwischen-D. nicht gehört, sondern dP tP . Die dP steht in dorisch in einem Major-Kontext: bVII(Mj). Damit ist sie ein sehr neutraler Akkord.

Genau, in diesem Fall wäre der letzte Akkord die Auflösung, da es ja auch ein Tonika-Akkord wäre.

Das habe ich nicht geschrieben. Sondern: "Man bleibt immer diatonisch in Eb-Dur." . Damit ist der Akkordvorrat gemeint, nicht eine Tonart!

Interessant, nur ich verstehe leider nicht ganz, inwieweit diese Beispiele mit dem Track zu tun haben.​
.

Das betrifft die Antizipation und die Möglichkeit, einem Zielton eine dominantische Suprastruktur zu geben - und dann als Major-Akkord zu deuten. Das funktoniert immer: Die Umdeutung im konkreten Beispiel ist eine Umsetzung davon.

Im Übrigen: Schreibe bitte nicht Bb+ . Das + verweist auf einen übermäßigen Akkord (mit #5), worum es hier nicht geht. Ein Bb+4 ist noch missverständlicher, abgesehen davon, dass ein Bb wg. des problematischen "B" als B(b) notiert werden sollte. (H/B Problem)
Harmonisch könnte man solch einen Akkord als B(b)/Eb deuten - siehe den vorigen Absatz.
 
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Danke für die Erläuterungen, ich verstehe es einigermaßen. Ist es so eine Art Suche nach der Dominanten, damit man durch sie auf die Tonika schließen kann? Mit den Begrifflichkeiten wie Suprastruktur tue ich mich schwer. Warum man einen Akkord als Major-Akkord deuten möchte, verstehe ich leider nicht.

Es würde mich freuen, wenn du noch kurz schreiben könntest, auf welche Tonart(en) du bei der Melodie, der Akkordbegleitung und dem Song nach bisherigen Informationen schließt.

Tut mir Leid bzgl. der Bezeichnung Bb+11 – die ist, wie schon ggü. Cudo geäußert, im Analysevideo so vorgekommen und ich wusste es nicht besser – gemeint ist Bb (add4).

"Diatonisch". D-dorisch ist diatonisch zu C-Dur. Alle Akkorde stammen aus C-Dur, aber ihre Funktion richtet sich nun nach D-Moll. Die Aussage "Wir sind diatonisch in C-Dur" ist also eine Aussage zum Akkord/Tonvorrat und keinesfalls zur tatsächlichen Tonart. [...]

Danke, dann meinte ich natürlich, dass es eine Schichtung von Tonarten sein kann, die diatonisch zu Eb-Dur sind.
 
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Als polytonal sind nur solche Klänge zu bezeichnen die nicht als erweiterte konventionelle Akkorde erklärbar sind.
Bei Deinem Beispiel hört man die Melodie ganz klar als Akkorderweiterungen der Harmonie.
Bedenke dass der Bass die entscheidenste Rolle bei der Bestimmung der Harmonie spielt.
Du kannst den Akkord bb - d - eb- f nicht als Ebma7 bezeichnen nur weil ein eb im Voicing ist. Der Bass spielt an besagter Stelle ein Bb. Allenfalls könnte man noch einen Quartsextakkord reininterpretieren aber es ist ein Bb Dur akkord und dieser Akkord ist in F Dorisch kadenzierend.
Merke: in modalen Stücken beinhalten die kadenzierenden Akkorde immer den charakteristischen Ton des Modus. In Dorisch ist das eben die dorische Sexte. Bb Dur enthält diese. Ausserdem steht Bb im 4 Takt eines 4-taktigen Cycles der wiederum mit Fm anfängt. Das Stück ist in Dorisch.

Akkordbezeichnungen folgen Gewohnheiten. Das "+" wurde/wird für eine übermäßige Quinte und als Ersatz für das "#" benutzt und niemals als Additionszeichen. Dein Akkord heißt Bb(add4). Aber das habe ich ja alles schon gesagt.

Wenn der Bass F Ab C Bb spielt wirst Du nie Eb Dur hören. Wie soll das auch gehen. Der Bass entscheidet.
Bb(add4) kann niemals als Ebma7 gehört werden da der Bass ein Bb spielt.
 
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Das "+" wurde/wird für eine übermäßige Quinte und als Ersatz für das "#" benutzt und niemals als Additionszeichen.
Das kommt aus dem Video: IV+11 (wird dadurch aber natürlich nicht richtiger).

upload_2017-4-24_21-37-14.png


Viele Grüße,
McCoy
 
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Cudo, vielen Dank für die klare Aussage und schlüssige Erklärung. Das mit den Kadenzen bei modalen Stücken wusste ich schon ungefähr und überzeugt definitiv. Die richtige Akkordschreibweise beachte ich gerne.

Was mich etwas verwirrt ist der Bezug auf die Tonalität von "Klängen" - da ich mich ja auf eine ganze Melodie und ganze Akkordfolge beziehe. Aber du stellst ja klar, dass du die ganze Melodie als Akkorderweiterung betrachtest - damit, wenn ich es richtig verstehe, beginnt die Melodie sehr häufig mit einer Note, die nicht nur die siebte Note der F-Dorisch-Tonleiter ist, sondern auch wie eine solche wirkt.

Ich hoffe diese Frage nervt jetzt nicht: unter welchen Bedingungen würde man denn sagen können, dass eine Melodie ein tonales Center hat und hörbar macht, welches nicht das gleiche ist, wie das tonale Center des Songs im Gesamten? Wenn der Tonvorrat der Melodie um mindestens eine Note von dem des Songrests abweicht?
 
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unter welchen Bedingungen würde man denn sagen können, dass eine Melodie ein tonales Center hat und hörbar macht, welches nicht das gleiche ist, wie das tonale Center des Songs im Gesamten? Wenn der Tonvorrat der Melodie um mindestens eine Note von dem des Songrests abweicht?
Ein Ton Unterschied würde natürlich genügen. Leider kenne ich nur sehr wenige Fallbeispiele in der Jazz- und Popularmusik.

Direkt im ersten Takt von Hancock's "Tell Me A Bedtime Story" passiert so etwas. Die Melodie befindet sich komplett in A Dur während die Harmonie G Lydisch spielt. Das Ganze löst sich natürlich schon im 3. Takt auf.

upload_2017-4-26_10-17-15.png






PS
3XeHj hatte es schon erwähnt.
In der Klassischen Musik findest Du wesentlich ausgeprägtere Fallbeispiele von Polytonalität.
Dort wird dann unter Umständen auch in 2 verschiedenen Tonart notiert. Z.B. bei Prokofiew -->

http://www.onlinesheetmusic.com/sarcasm-no-3-op-17-p317017.aspx


Ludmila Ulehla hat in ihrem Buch"Contemporary Harmony" ein ausführliches Kapitel über "Bichordal Writing And Polytonality".
 
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Verstehe, Cudo. Ich lass das mal alles sacken und bedanke mich nochmal bei allen Beitragenden.
 
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Danke für die Erläuterungen, ich verstehe es einigermaßen. Ist es so eine Art Suche nach der Dominanten, damit man durch sie auf die Tonika schließen kann? Mit den Begrifflichkeiten wie Suprastruktur tue ich mich schwer. Warum man einen Akkord als Major-Akkord deuten möchte, verstehe ich leider nicht.

Man kann auf jedem Durakkord einen quintoberen Dur-oder Mollakkord aufsetzen. Dieser aufgesetzte Akkord ist dann Suprastruktur. Beispiel: G und Dm => G79.

Es war deine Interpretation, im vorliegenden Track einen möglichen EbMaj zu suchen. Die Ausgangsharmonie war ein Fm. Ein Akkord IV354 könnte als IV/4 aufgefasst werden und damit ein Sus-Chord auf der bVII sein - wenn denn der betreffenden Ton, also hier eb, im Bass liegt. Tut er aber nicht Sondern mit B(b) liegt der Grundton einer Hauptstufe im Bass - das ist (sub)dominantisch zu Fm. Immer. Der Ton Eb ist hier Vorhalt. Das soll hier keine Ausrede sein, da "Vorhalt" etwas beliebiges anhaftet. Es gibt eine harmonische Deutung: Die Stufe IV hat in dorisch den Kontext IV(7), nimmt also die mixolydische Skala. Da der Akkord am Schluss der Progression steht, wirkt sie halbschlüssig. Dem wird hier mit dem zugefügten Optionston entgegengehalten.


Es würde mich freuen, wenn du noch kurz schreiben könntest, auf welche Tonart(en) du bei der Melodie, der Akkordbegleitung und dem Song nach bisherigen Informationen schließt.

Zur Frage der Tonalität der Melodie: Die Pentatonik auf Eb , passend zu Fm, gibt für Fm die Töne 1 2 4 5 b7 her. Das sind Quartschichtungen beginnend mit 2, also 2 5 1 4 b7 . Eine harmonische Aussage ist damit nicht möglich, die Melodie passt zwar zu Fm, ist aber eigentümlich unbezogen.

Zum Höreindruck: Ich höre hier eine lydische Farbe. Lydisch hat die Eigenschaft, dass der dem Modus eigene Tritonus auf doppeldominantischer Stufe steht. Den lydischen Sound kenne ich bei Daft Punk in "One More Time" und dieser grelle, alarmistische Sound ist auch hier zu hören(*). Denn dorisch hat als Paralleltonart den gleichen doppeldom. Tritonus, nämlich in Im6. In den meisten Fällen wird diese Dissonanz vermieden. Dann lässt man Dorisch "ganz normal" als Molltonart erklingen mit den Akk. Im, bIII, Vm, bVII und der "dor." Subdominante IV. Da ist nichts Dissonantes. Aber in Akkordfolgen bIII IIm, oder Im VIdim, oder am deutlichsten Im6 (die charakt. Dissonanz in Dorisch in einem Akkord) bringt man diese Dissonanz zum Klingen. (Man kann diese auch in Melodisch-Moll erhalten, auch dort ist Im6 möglich und dennoch wird es klassisch selten verwendet. ) Es gibt also verschiedene Möglichkeiten, den Modus umzusetzen. Mit Bitonalität hat das nichts zu tun. Ohne Alterationen keine Bitonalität. Das Ohr bindet sich immer an eine Tonart; es sei denn, man wirkt dem gezielt entgegen.

(*) ab 0:37 Ton 6 im Wechsel mit Ton 5 als Pedalton etabliert - "durch die Akkorde".
 
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Verspätetes, aber großes Dankeschön! Ich schaue mir das auf jeden Fall noch genauer an, sobald ich die Möglichkeit habe.
 

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