Serielle Rockmusik - gibt es so was?

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Hallo!

Weiß jemand von Euch, ob es Leute gibt, die serielle Kompositionstechniken, wie sie in der akademischen Musik der 50er und 60er Jahre ausgehend von Webern in Hochblüte standen, in der Rockmusik verwenden? Nicht, dass das wirklich meine Welt wäre, weil ich serielle Musik anstrengend und steril finde, aber interessieren, ob es das gibt, würde mich das schon.
 
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Ja, es ist natürlich erst mal wichtig seine Abneigung kund zu tun, sonst könnte noch einer meinen man mag diese entartete Musik.

Wenn du es dennoch wagst: Frank Zappa hat sowas natürlich gemacht, als Vorbild hatte er Webern und natürlich Edgar Varése. In "Yellow Shark" hört man das. Serielle Techniken findet man aber auch in anderen Sparten der Rockmusik. Es ist die Frage, was seriell nämlich ist. Seriell heißt nicht automatisch Zwölftonmusik. Man kann Tonhöhen auch auf andere Arten seriell ordnen und genauso kann man sämtliche andere Parameter (Dauer, Intensität, Anschlagsmenge, Rhythmus etc.) seriell ordnen. Ich kann dir keine konkreten Bandnamen nennen, allerdings habe ich solche Dinge schon oft in der Progressive Ecke gehört, allerdings nicht von bekannten Größen, wie Dream Theater. Ich würde mal bei "Yes" reinhören und vor allem im Progressive Metal, dort habe ich auch einiges schon gehört.
In anderen Bereichen findet sich das auch. Bei Piazzolla gibt es serielle Stücke, die man allerdings gar nicht zu hören bekommt, weil seine Tangomusik einfach am bekanntesten ist.

Ich kenne einen Komponisten, der serielle Triosonaten im Stile der Wiener Klassik geschrieben hat. Leider hab ich sie noch nicht gehört, aber prinzipiell muss man den Serialismus nicht auf Stockhausen und Neue Musik begrenzen. Das ist schließlich mehr Kompositionstechnik, denn "Stil"
 
Ja, es ist natürlich erst mal wichtig seine Abneigung kund zu tun, sonst könnte noch einer meinen man mag diese entartete Musik.

Das mit der "entarteten Musik" ist jetzt aber DEINE Wortwahl. Den Schuh ziehe ich mir ganz und gar nicht an, mit solchen Nazi-Unwörtern geht man nicht leichtfertig um!

Wenn du es dennoch wagst: Frank Zappa hat sowas natürlich gemacht, als Vorbild hatte er Webern und natürlich Edgar Varése. In "Yellow Shark" hört man das.

Das wundert mich nicht wirklich. Der hat was Experimente betrifft nichts anbrennen lassen ;)

Serielle Techniken findet man aber auch in anderen Sparten der Rockmusik. Es ist die Frage, was seriell nämlich ist. Seriell heißt nicht automatisch Zwölftonmusik. Man kann Tonhöhen auch auf andere Arten seriell ordnen und genauso kann man sämtliche andere Parameter (Dauer, Intensität, Anschlagsmenge, Rhythmus etc.) seriell ordnen. Ich kann dir keine konkreten Bandnamen nennen, allerdings habe ich solche Dinge schon oft in der Progressive Ecke gehört, allerdings nicht von bekannten Größen, wie Dream Theater. Ich würde mal bei "Yes" reinhören und vor allem im Progressive Metal, dort habe ich auch einiges schon gehört.
In anderen Bereichen findet sich das auch. Bei Piazzolla gibt es serielle Stücke, die man allerdings gar nicht zu hören bekommt, weil seine Tangomusik einfach am bekanntesten ist.

Ich kenne einen Komponisten, der serielle Triosonaten im Stile der Wiener Klassik geschrieben hat. Leider hab ich sie noch nicht gehört, aber prinzipiell muss man den Serialismus nicht auf Stockhausen und Neue Musik begrenzen. Das ist schließlich mehr Kompositionstechnik, denn "Stil"

Schon klar, dass serielle Technik ein sehr weites Feld ist, und nicht "zwölftonreihig" sein muss. Da kann man mit ganz anderen Skalen rangehen, was vor allem die Kölner Elektroniker ja auch gern gemacht haben.

Interessant, dass es das auch bei Yes gibt, ist mir bislang noch nicht aufgefallen.

EDIT: Kann man die Technik der sich steigernden Wiederholung, wie man sie bei manchen Postrock- und Postmetal-Stücken findet, auch unter "seriell" fassen? Wenn ja, dann machen z. B. Tool serielle Rockmusik!
 
Zuletzt bearbeitet:
Mir stößt bloß auf, dass jeder, sobald es an diese Musik geht, sich erst mal distanzieren muss, sowie als wäre es ein Tabuthema, oder etwas gesellschaftlich nicht akzeptables. Dabei ist das schlimmste daran, dass man pauschalisiert und direkt mal alle Komponisten und Serialisten in einen Topf wirft, obwohl die Felder so unterschiedlich sind, dass es fast unmöglich ist, das wirklich einem "Genre" zuzuordnen. Vor allem: Zur Zeit der Serialisten hat ja auch nicht jeder Komponist serialistisch komponiert.

Die Technik der variierten Wiederholung findet man erstmals bei Mahler, aber auf andere Weise. Wenn man allerdings, wie bei Tool, oder bei Yann Tieren, oder aber auch bei einigen Progbands bestimmte Patterns hat, die sich ständig wiederholen und dann langsam, oder sogar unmerklich variieren und steigern, meinetwegen bis zu einem Höhepunkt, dann kommt das eher aus der Minimal Music.
Bekannte Namen sind da: Steve Reich (Music for 18 musicians, Drumming, Piano Phase) und Terry Riley (In C), oder auch John Adams (Short ride in a fast machine, Shaker loops, Nixon in China).
 
Mir stößt bloß auf, dass jeder, sobald es an diese Musik geht, sich erst mal distanzieren muss, sowie als wäre es ein Tabuthema, oder etwas gesellschaftlich nicht akzeptables. Dabei ist das schlimmste daran, dass man pauschalisiert und direkt mal alle Komponisten und Serialisten in einen Topf wirft, obwohl die Felder so unterschiedlich sind, dass es fast unmöglich ist, das wirklich einem "Genre" zuzuordnen. Vor allem: Zur Zeit der Serialisten hat ja auch nicht jeder Komponist serialistisch komponiert.

Natürlich ist an der seriellen Kompositionstechnik nichts Verwerfliches; auch wenn man sich natürlich die Frage stellen kann, was es denn soll. Auch muss man das differenziert sehen, da stimme ich 100% mit Dir überein. Vielleicht sollte man das am besten als eine Art Spiel ansehen, auch wenn manche Komponisten das sehr ernst genommen haben.

Die Technik der variierten Wiederholung findet man erstmals bei Mahler, aber auf andere Weise.

Mir fällt da noch der Bolero von Ravel ein.

Wenn man allerdings, wie bei Tool, oder bei Yann Tieren, oder aber auch bei einigen Progbands bestimmte Patterns hat, die sich ständig wiederholen und dann langsam, oder sogar unmerklich variieren und steigern, meinetwegen bis zu einem Höhepunkt, dann kommt das eher aus der Minimal Music.
Bekannte Namen sind da: Steve Reich (Music for 18 musicians, Drumming, Piano Phase) und Terry Riley (In C), oder auch John Adams (Short ride in a fast machine, Shaker loops, Nixon in China).

Ja, das geht vor allem auf die Minimal Music zurück, die ja einen Versuch darstellt, die strenge Serialität zu überwinden. Man könnte die Minimal Music in weiterem Sinne als "seriell" ansehen, aber "postseriell" trifft es besser. Vorläufer der seriellen Technik gab es sogar schon vor gaaaanz langer Zeit!
 
Ja, vielleicht aber nur im entferntesten Sinne, da die völlige Durchorganisation eines Parameters doch noch mal etwas anderes ist. Stockhausen war bei manchen Stücken so konsequent (vor allem später in seinen Formelkompositionen), dass das Stück zu hundert Prozent vorhersehbar war, wenn man die Struktur einmal begriffen hatte.

Als Vorläufer würde ich aber eher die Ars Nova mit ihren komplizierten polyrhythmischen Strukturen sehen. Dort werden nämlich erstmals die "Zeitoktaven" wie Stockhausen sie gern nannte, überwunden und verschiedene Formanten einer Dauer gleichzeitig eingesetzt. Das ist übrigens damals, zur Zeit der Ars Nova so neu gewesen, dass es Jahrhunderte gedauert hat, bis endlich die Komponisten unserer Zeit diese komplexe Rhythmik wieder aufgegriffen hatten.
Allein diese Musik zu hören wirkt im ersten Moment weit über den zeitlichen Abstand hinaus sehr befremdlich, manche Stücke wiederum sind wirklich genial zusammengefügt.

Das Agnus Dei aus einer Deprez-Messe zum Beispiel. Dort läuft in drei Ebenen die gleiche Melodie ab. Einmal in geradem Vierteltakt, einmal in ungeradem und einmal in triolischem und trotzdem ergibt sich daraus ein wunderbar klingender Proportionskanon.
 
Steve-Reich-Einflüsse finden sich auf King Crimson "Discipline", Ash Ra Tempel "Live at Mt. Fuji" und "Invention for Electric Guitar".
 
Ja, vielleicht aber nur im entferntesten Sinne, da die völlige Durchorganisation eines Parameters doch noch mal etwas anderes ist. Stockhausen war bei manchen Stücken so konsequent (vor allem später in seinen Formelkompositionen), dass das Stück zu hundert Prozent vorhersehbar war, wenn man die Struktur einmal begriffen hatte.

Ja, das ist ein großer Unterschied. Die Minimal Music ist nicht seriell, auch wenn sie von kleinen Grundbausteinen ausgeht. Sie stellt einen (erfolgreichen) Versuch dar, die Serialität zu überwinden. Bekanntlich sind die Regeln der seriellen Musik so streng, dass man einen Computer darauf programmieren kann, nach solchen Regeln zu komponieren!

Als Vorläufer würde ich aber eher die Ars Nova mit ihren komplizierten polyrhythmischen Strukturen sehen. Dort werden nämlich erstmals die "Zeitoktaven" wie Stockhausen sie gern nannte, überwunden und verschiedene Formanten einer Dauer gleichzeitig eingesetzt. Das ist übrigens damals, zur Zeit der Ars Nova so neu gewesen, dass es Jahrhunderte gedauert hat, bis endlich die Komponisten unserer Zeit diese komplexe Rhythmik wieder aufgegriffen hatten.

Ja. Auf die Isorhythmie habe ich ja selbst verwiesen. Ich habe solche Musik noch nicht gehört, aber es scheint in der Tat so was Ähnliches wie Serialität zu sein.

Allein diese Musik zu hören wirkt im ersten Moment weit über den zeitlichen Abstand hinaus sehr befremdlich, manche Stücke wiederum sind wirklich genial zusammengefügt.

Das Agnus Dei aus einer Deprez-Messe zum Beispiel. Dort läuft in drei Ebenen die gleiche Melodie ab. Einmal in geradem Vierteltakt, einmal in ungeradem und einmal in triolischem und trotzdem ergibt sich daraus ein wunderbar klingender Proportionskanon.

Das hört sich interessant an ;)
 
http://www.youtube.com/watch?v=kq2693QkTHU

Leider ist es sehr langsam gesungen, diese Eigenart hält sich aber hartnäckig bei historischer Aufführungspraxis. Ein bisschen mehr Tempo würde die drei Ebenen deutlicher machen. Gemeint sind nur die ersten Eineinhalb Minuten.

800px-Josquin_Missa_Lhomme_arme_super_voces_musicales_Agnus_Dei_II_opening.png
 
Also am ehesten würden dem wohl die RIO-Bands (Rock in Opposition) entsprechen, im Grunde Art-Rock mit Einflüssen aus der nach-romantischen "Klassik." Empfehlenswert: Univers Zero, Henry Cow, Thinking Plague.
 
Univers Zero, Henry Cow, Thinking Plague.

Überaus komplexe Rockmusik spielen diese Bands, und sie sind sicher auch von moderner Klassik beeinflusst, aber weisen sie auch wirklich Serialität auf? Würde mich auch interessieren, allerdings kenne ich mich mit der Kompositionsweise (noch) nicht wirklich aus.
 
Seriell im strengen Sinne ist das wohl auch nicht, das gebe ich zu, zumal sich etwa Univers Zero stilistisch mehr an Stravinsky oder Bartok orientieren.

Ansonsten fallen mir noch die Flying Luttenbachers ein (kennst du wohl schon ;) - auf Systems Emerge from Complete Disorder gabs schon einige Stücke, die zumindest oberflächlich (ich bin musiktheoretisch nicht sonderlich bewandert) ziemlich stark an meinetwegen Pierre Boulez erinnern.

Und natürlich Steamboat Switzerland, eine Band, die Kompositionen von zeitgenössischen Tonsetzern (Felix Profos, Michael Wertmüller etc.) spielt - auch abgesehen von der Frage der Serialität sehr empfehlenswert: http://www.youtube.com/watch?v=UCMzrQoXZWg
 

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