Studium der Blockflöte mit 50

  • Ersteller Bernhard_Baptist
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Wie ich hier nachlese, scheint ja auch der Personalausweis zu reichen ... demnach scheinen deine Sorgen vielleicht unbegründet ... aber sicher ist sicher.

Auf jeden Fall, eine aufregende Angelegenheit, ich drücke dir natürlich alle Daumen, dass alles wie gewünscht glatt läuft!
 
Bei Einreisen von Österreichern in die Schweiz wird für die Einreise ein gültiger Reisepass von deren Außenministerium empfohlen.
 
Durchgezogen!

Nach einer unruhigen Nacht stieg ich vorgestern um sechs Uhr morgens in den Zug Richtung Norden. Flöten, Noten, einen nagelneuen Reisepass, sowie sämtliche Zeugnisse und Dokumente hatte ich in meinen Pilotenkoffer gepackt, alles Übrige in einen kleinen Rucksack. Ich bin absolut kein Morgenmensch. Mit noch bleierner Müdigkeit hatte ich den obligaten "Pappenschoner" übers Gesicht gezogen und ertrug mit einem unterdrückten Fluch die langsame Erstickung durch das sich anreichernde CO2. Am Ziel riss ich mir erst einmal das Ding vom Gesicht und atmete tief durch. Mit einem Taxi erreichte ich dann die Musikhochschule, ein wahrlich imposantes Bauwerk im imperialen Stil, sehr schön gelegen.

Eine sehr freundliche Sekretärin war offensichtlich über mein Kommen unterrichtet. Sie wies mir einen Übungsraum für das Einspielen zu, zeigte mir den Weg zu den essentiellen Dingen, wie jenen zum nächstgelegenen Örtchen etc.. Frau Professor würde mich abholen kommen, hieß es. Nun gut. Es war mittlerweile 9 Uhr geworden, um zehn sollte die Show beginnen. Wie tags zuvor generalstabsmäßig geplant, verdrückte ich eine Banane und leerte eine Flasche mit isotonischem Getränk. Dann Flöten zusammenstecken und einspielen, den Ton suchen... In dieser Umgebung, die mich durchaus an das Innsbrucker Konservatorium erinnerte, begann dann doch mein Puls zu steigen.
Um halb zehn drückte ich mir eine Pipettenfüllung Notfalltropfen unter die Zunge, gerade noch rechtzeitig, bevor die Tür aufging. Herein trat eine maskierte Dame, die mich nett begrüßte. Ich erkannte sie an der Stimme aus den vorangegangenen Telefonaten. Sollte sie mit einigem Glück meine neue Meisterin werden?

Nach einigem Smalltalk führte sie mich durch das Labyrinth des Musentempels zum Vorraum des Prüfungssaals, wo sie mir einen wiederum maskierten Brillenträger vorstellte, den Cembalisten, mit dem ich nun noch einige Details für die begleiteten Stücke besprechen konnte. Innerlich schüttle ich den Kopf: Ich sehe den Mann zum ersten Mal, nie zuvor hatte ich mit ihm gespielt! Auch wenn er sehr routiniert und beruhigend wirkt, spüre ich nun mein Herz gegen die Brustwand schlagen. Aber da ist keine Zeit zum Bereuen oder Zaudern mehr, die Professorin winkt uns in den Prüfungssaal. Auf einer kleinen Bühne steht ein Cembalo, auch eine sehr junge Studentin (?) wartet dort, sie wurde offenbar fürs Umblättern eingeteilt. Vor dem Podium aber steht ein langer Tisch, an dem neben der Professorin noch ein älterer und ein jüngerer Mann sitzen, ebenfalls mit Lappen maskiert. Das entbehrt nicht einer gewissen heiteren Note, aber ich hätte halt schon gerne mehr von den Gesichtern gesehen, allein schon, um die Stimmung beurteilen zu können.

Man fragt, ob ich also der Herr Sowieso aus Tirol sei und wie mein bisheriges Flötenstudium so verlaufen sei, und warum ich denn nun hier weitermachen wolle. Ich versuche, möglichst prägnant zu antworten. Dann darf ich mir den Einstieg ins Vorspiel aussuchen. Ich wähle die Canzon von Frescobaldi. Stimmen…. aaaaaaaaaaa! Ja, in 415Hz, bitte. Energie und Luft in die Beine senden... Wurzeln schlagen, aufblasen; vergessen, dass in diesem Moment kein rettender Notenständer vor mir steht. Einsatz Cembalo, kurz darauf jubiliert meine Ganassi dazu, mit einem ornamentalen Aufstieg beginnend, der mir so ideal aus den Fingern perlt, dass ich pures Glück empfinde. Es ist unglaublich: Nie haben der Cembalist und ich gemeinsam gespielt. Und doch liefern wir jetzt einen musikalischen Dialog ab, wie ich ihn mir schon immer gewünscht hatte. Am Ende fühle ich mich ungeheuer leicht... Hat es der Kommission gefallen? Keine Ahnung – die blöden Masken verdecken die Mimik. Zumindest krampft keiner auf seinem Sessel. Ein schneller Blick zum Cembalisten wird mit einem Zwinkern quittiert. Tja...

Als Nächstes wird die Fantasie von Telemann gewünscht, wieder auswendig. Ich habe ein überwiegend fotografisches Gedächtnis und schlage in Gedanken die erste Seite auf. Gott sei Dank, sie ist klar und deutlich vor meinem geistigen Auge! Der Einstieg sitzt, ich habe genug Luft, was bei diesem Stück nicht immer so war. Die Musik scheint mich zu tragen. Ich spiele mit geschlossenen Augen und fühle mich wie wohl ein Surfer auf einer guten Welle, die trägt, immer weiter und weiter durch die Intervallsprünge, die alle einen wunderbaren Halt im zugehörigen Grundton finden. Mein Ebenholz-Liebling lässt mich nicht im Stich, sie singt für mich. Ich lebe im Metrum, bin Teil davon geworden. Im schnellen Teil zuckt mir einmal ein Finger vom korrekten Loch weg, sowas Blödes, aber immerhin resultiert ein harmonieeigener Ton... Oh, Mann! Am Ende herrscht erstmal beunruhigende Stille da unten. Nicht nachdenken, nicht nachdenken.

Der ältere Prüfer möchte den ersten, langsamen Satz von Philidors Sonate hören. Ich versuche, mich gedanklich ganz schnell auf den Franzosen einzustellen. Stimmen und los geht’s. Ich versuche, das Stück nicht -wie so oft beim Üben- allzu langsam zu nehmen. Das bringt zwar „Schmalz“, rächt sich aber furchtbar, wenn dann die Luft nicht reicht. Dieses Stück hatte mir bei der Vorbereitung das größte Kopfzerbrechen bereitet, vermutlich, weil ich mit den Franzosen bis dahin einfach noch nicht allzu vertraut war, was insbesondere zu Unsicherheiten bei der Ausführung der Ornamente führte. Nun ließ ich aus einem Bauchgefühl heraus mutig drei oder vier dieser Verzierungen weg. Besser weg als falsch, schoss es mir durch den Kopf. Kurz vor dem Ende hatte ich ein Blackout. Davor hatte ich mich immer so sehr gefürchtet. Nun war es passiert: Das Notenblatt im Kopf war weg! Ich weiß nicht, wie, aber offenbar hatten die Stoßgebete doch etwas bewirkt: Meine Finger spielten praktisch ohne bewusstes Futter vom Großhirn die letzten Takte selbständig fertig. Trotzdem war ich jetzt in Schweiß gebadet, meine Knie schlotterten. Den Schlusston hatte ich eindeutig viel zu kurz genommen, fast abgerissen. Hoffentlich haben die da unten nicht allzu viel von diesem Verzweiflungs-Einbruch bemerkt…

Die Prüferin wünscht sich nun den Mittelteil von Dorwarths Vogelbuch. Soll sie haben. Nach einigen tiefen Atemzügen habe ich meine Nerven wieder halbwegs im Griff und denke „Alter Depp, ist doch eh wurscht!“. Bei diesem Stück war mir das Auswendiglernen relativ leichtgefallen, vielleicht, weil die Besonderheiten der Notation das reine Ablesen hier auch nicht unbedingt einfacher machen. Am Ende sehe ich trotz der strengen Masken so etwas wie entspannte Heiterkeit am Prüfertisch aufkommen. Mein Spiel hat wohl amüsiert.

Der ältere Herr fordert mich auf, ein Notenpult nach vorne zu holen und für mich einzurichten. Dem komme ich nur zu gerne nach! Endlich! Ich darf jetzt zwischen der Courante aus Bachs Partita und dem 3. Satz aus Vivaldis F-Dur Konzert wählen. Hier entscheide ich mich taktisch für Sicherheit und damit für Vivaldi. Zwar gehört Bachs Partita zu meinen absoluten Lieblingen, aber die Courante enthält einen Triller auf dem hohen Fis, der auch noch gedackt zu spielen ist. Sein Gelingen hängt bei mir immer ein wenig von der Tagesverfassung, der momentanen Beweglichkeit im Kreuz und einer Portion Glück ab. Ich blicke zum Cembalo. Noch einmal nachstimmen, das gewünschte Tempo andeuten. Und schon fährt das Allegro ab. Ganz bewusst artikuliere ich überdeutlich, versuche im Geiste mit zu tanzen, hach, es läuft, die Melodie perlt dahin, hemmungslos, ohne Angst vor dem Tempo. Das Cembalo liefert eine beschwingt-federnde Begleitung dazu, die vergessen lässt, dass dafür normalerweise ein kleines Orchester nötig ist. Noch einmal die letzte Phrase, Schlusston mit geschlossenen Augen, die Flöte bleibt noch einen Augenblick am Mund. Stille. Der Cembalist deutet Applaus an(!).

Die Brüggen-Etüde bleibt mir offensichtlich erspart. Die zwei männlichen Prüfer bedanken sich für mein Spiel und verlassen den Saal. Es ist vollbracht. Dankbar winke ich dem Cembalisten zu, er erwidert den Gruß. Die Professorin meint noch, ich solle mich schon mal darauf einstellen, in etwa 14 Tagen wieder hierher zu kommen. Definitives würde ich binnen einer Woche via E-Mail erfahren. Sie schickt mich noch einmal ins Sekretariat, wo ich meinen Packen Zeugnisse für das Anrechnungsverfahren abgeben muss und verabschiedet sich. Nach Klärung diverser Formalitäten verlasse ich das Institut und atme irgendwie befreit ganz tief die frische Luft ein.

Wieder im Zug nicke ich trotz des grauslich-starken Kaffees an Bord ständig weg. Ich bin völlig fertig, aber glücklich, dieses Unternehmen, zumindest ohne gröberes musikalisches Debakel, durchgestanden zu haben. Es scheint wieder vieles offen zu sein. Lasset die Spiele beginnen!
 
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Ich bin zwar nur Hobby-Gitarrist, lese hier jedoch immer wieder gerne mit. Eine hautnahe und sehr, sehr schöne Schilderung. Hoffentlich hat es sich gelohnt, ich drücke beide Daumen.:great:
 
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Wow, was für ein spannender Roman! Gratuliere, dass du es offensichtlich gut überstanden hast! Und natürlich drücke ich dir die Daumen! :great:
 
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Ja, ich hab die Geschichte auch gerne gelesen. Mein Respekt vor soviel Zähigkeit, Energie und Hingabe.
Spornt einen selbst an..

Ps...(Was mich ein wenig verwundert zurücklässt, bei all der bisher zu lesenden Sorgfalt und Akkuratesse die ich dem TE zuschreibe, dass er/Du diese
deinem Text von heute nicht angedeihen liessest - ich meine, denkt man an die Notenschrift und all deren wohl überlegten Struktur, da
wären deinen Zeilen von heute wenigstens paar Absätze zur besseren Lesbarkeit gut zu Gesicht gestanden..bitte diesen Nachtrag wohlwollend aufzunehmen)
 
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@ThisErik
Deine Kritik ist durchaus berechtigt. Ich habe daher mein Posting ein wenig im Layout redigiert.
 
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Puuuhhh!!!
Oh man, ich bin in Schweiss gebadet ... allein vom Lesen!


Schon schriftstellerisch hat mir dein Vortrag gefallen, wie muss es ernst im Vortragssaal gewesen sein ... da wäre ich gerne dabei gewesen um dir alle Daumen zu drücken!

Ich bin gespannt auf die kommende E-Mail ...
und bitte um sofortige Mitteilung, damit ich wieder ruhig schlafen kann, ich bin schliesslich nicht mehr der Jüngste!

Bleibt alle gesund!
 
@Old Boy: Na dann will ich mal für deine Nachtruhe sorgen. :redface: Ich war allerdings bis heute Vormittag im hyperperakuten Prüfungsstress, daher kann ich erst jetzt antworten. Von Mittwoch 09.00 bis heute 09.00, also exakt 48 Stunden hatte ich in einem Hauptfach an der Musikwissenschaft Zeit, um eine achtseitige Arbeit zu Fragestellungen über Werke der E-Musik des 20. Jahrhunderts zu verfassen. Das ganze fand via Home-Office statt, man durfte Unterlagen verwenden, aber das Zeitfenster war doch ziemlich knapp bemessen. Jetzt bin ich streichfähig und fühle mich schwer angeschlagen. Einfach zu viel Adrenalin! Dabei muss ich für andere Fächer in den kommenden zwei Wochen noch zwei weitere Arbeiten abgeben...

Zur Flötenpartie:
Ich habe am vergangenen Donnerstag die mit flauem Gefühl in der Magengrube erwartete E-Mail erhalten. Ja, die nehmen mich, unglaublich! Aufgrund der eingereichten Vorleistungen und wegen meines anscheinend gut angekommenen Vorspiels habe ich jetzt die erste Diplomprüfung mit Brief und Siegel im Sack und bin unterwegs zur zweiten und zugleich letzten! Ich bin jetzt also an zwei Unis im In- und Ausland inskribiert und muss ab sofort "bloß noch" den geforderten Ansprüchen genügen.

Am vergangenen Montag erteilte mir meine neue Professorin den ersten Unterricht. Allerdings werfen mir die deutschen Maßnahmen bezüglich Corona-Plandemie gehörige Prügel zwischen die Beine: Ich darf nur mit einem frischen, negativen Testnachweis einreisen, das wäre also wöchentlich nötig!!!... und die Musikuni hat an sich für Externe geschlossen. Immerhin sind die so nett, virtuelle Online-Sitzungen anzubieten, wie es auch hier in Innsbruck geschieht. Positiv gesehen erspart mir das mehr oder weniger aufwendiges Reisen, aber Instrumentalunterricht online ist irgendwie schon Schmalspur. Ich besitze Gott sei Dank eine exzellente Webcam und ein gutes Mikrophon, aber wenn die Bandbreite in die Knie geht, ist das mühsam. Und das mir so wichtige Ensemblespiel kann ich mir vorerst auch abschminken.

Die erste Sitzung funktionierte aber ganz passabel. Die "Neue" ist Spitze und kann die wichtigen Dinge hervorragend vermitteln. Aber eines ist klar: Die Leistung muss passen! Nun schauen wir mal, wie sich die Lage entwickelt. Ich muss jedenfalls umgehend einen Packen Noten besorgen, mit denen ich demnächst zu arbeiten habe. Darunter sind u. a. einige Werke aus dem 16. Jahrhundert, Tänze wie Gagliarden etwa von Giovanni Trabaci oder Motettensätze von Ascanio Trombetti (nie zuvor gehört, und das als Musikwissenschaftler!) und anderes mehr.
Ich bin schon gespannt und freue mich sehr darauf, viel Neues zu entdecken! Nächste Woche geht's weiter...
 
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NA PRIMA ... ich hatte aber eigentlich nichts anderes erwartet!

Auf jeden Fall Glückwunsch für den nächsten Schritt ... auf zum nächsten!
 
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Was für eine tolle Nachricht, Robert! Gratuliere! Und die blöde Pandemie ist irgendwann auch überstanden, dann gibt's wieder Ensembleproben etc.
 
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Zunächst hoffe ich mal, ihr seid alle gesund und munter. Wie ist es denn bislang weiter gelaufen? Wir sind ja garnicht mehr auf dem aktuellen Stand
 
Allzu lange konnte ich mich nicht melden, die Korrespondenz hier im Forum habe ich schmerzlich vermisst. Aber nun, nach fast neun Monaten, bin ich wieder so weit auf dem Damm, dass ich hier berichten kann. Was ist passiert?

Nun, im November vergangenen Jahres hat mich wie fast jedes Jahr die typische Herbstverkühlung mit Bronchitis ereilt. Die klingt üblicherweise nach spätestens zwei Wochen ohne gröbere Beeinträchtigung wieder ab und ist an sich nicht der Rede wert. Das war diesmal allerdings nicht der Fall. Nach einem Monat hatte sich eine massive doppelseitige, atypische Lungenentzündung entwickelt, wie ich mit Schrecken selbst eindeutig diagnostizieren konnte. In den Lungenflügeln schwappte das Ödem hin und her. Die Atemnot, vor allem nachts, war ein Horror, den ich niemandem wünsche. Alles deutete auf eine Infektion mit Corona hin, ein späterer Test bestätigte das. Insbesondere aber versetzte mich der fast totale Hörverlust in Panik, der sich nach einem weiteren Monat dazu gesellt hatte und bekräftigte zugleich meine Diagnose. Gott sei Dank konnte ich mich als Mediziner soweit selbst behandeln, dass ich mich nicht in stationäre Behandlung begeben musste. Jedenfalls war ich so schlapp, dass ich kaum Sinnvolles tun konnte. Ich zwang mich dazu, täglich die neuste medizinische Studienlage zu recherchieren und nachzulesen. Dieser Zustand hielt bis ungefähr Ostern an, dann schien es kurz aufwärts zu gehen.

Leider war das von kurzer Dauer. Zwar war die Lungenentzündung endlich abgeheilt und ich hörte auch wieder besser, aber paradoxerweise war ich in der folgenden Zeit noch abgeschlagener als in der Akutphase. Man kann sich das kaum vorstellen: Schon das Aufstehen morgens mit Körperpflege hat mich für den Rest des Tages völlig erschöpft. Man spricht vom Chronical Fatigue Syndrom, das typischerweise viele Coronafälle begleitet, nun leider auch mich.
Erst Mitte Juli wurde auch das besser, es war, als ob mir jemand einen Bleianzug abgenommen hätte. Auch das Gehör war nun wieder so gut wie vor der Krise.

Die Auswirkungen auf meinen Studienfortschritt waren leider katastrophal.
Musikwissenschaft wollte ich eigentlich im Juli abschließen, aber das hat es einfach nicht gespielt. Zum Glück für mich hatte die Innsbrucker Universität alle Lehrveranstaltungen auf Online-Lehre umgestellt. Somit konnte ich wenigstens der Präsenzpflicht bei den wichtigsten Pflichtlehrveranstaltungen zuhause vor dem Laptop nachkommen. Das Verfassen der nötigen Arbeiten und Absolvieren von Prüfungen war mir aber schlicht unmöglich, trotz wiederholter Anläufe mit aller verbliebener Kraft. Bei dem ein oder anderen Professor hoffe ich noch auf Gnade, falls ich die Arbeiten noch bis Oktober hinbekomme... Jedenfalls habe ich mindestens ein Semester, wenn nicht ein Jahr verloren, das ist bitter. Im Oktober steht mir auch noch die letzte große Hauptfachprüfung ins Haus, online: Man schreibe eine zehnseitige Arbeit zu Fragestellungen über Klassik und Romantik binnen 36 Stunden (!!!).

Im Flötenstudium konnte ich eine Beurlaubung für das Sommersemester erreichen, immerhin. Die Verantwortlichen waren da recht verständnisvoll und hilfreich. Allerdings konnte ich diese Auszeit überhaupt nicht nützen: Erste Übeversuche im April haben nach den ersten Tönen stets sofort in einem Hustenanfall geendet, das war chancenlos. Ich konnte also rund sieben Monate nicht üben!! Erst Ende Juli habe ich mich wieder an die Flöten getraut. Die Motivation war anfangs auch nicht besonders hoch, weil ich ahnte, was da kommen musste: Die Performance war schlicht anfängerartig. Alles war weg, besonders Atemstütze und Atemkontrolle, ja sogar manche Griffe musste ich wieder nachschauen!
Trotzdem wollte ich keinesfalls aufgeben. Und so begann ich ganz bescheiden mit Tonbildungsübungen, simpelsten Etüden, Atemgymnastik. Die Geläufigkeit mit Fingern und Zunge und deren Koordination lagen anfangs desperat im Argen. Auch meine normale tägliche Übezeit von zwei Stunden konnte ich vorerst nicht erreichen. Nach einer Stunde musste ich mich hechelnd hinsetzen. Das hochdosierte Cortison hatte auch zu einer massiven Gewichtszunahme geführt, das dauernde Liegen zu Muskelabbau, besonders auch in der statisch wichtigen Haltemuskulatur des Rückens. Beides bekomme ich mittlerweile langsam wieder in den Griff, was ein netter Ansporn ist.
Schön langsam kommt jenes Repertoire, das ich vor dem Super-GAU beherrscht hatte, wieder in Reichweite, und der Fortschritt zieht nach der anfänglichen Lähmung wieder an. Es könnte sich also ausgehen, bis zum Oktober wieder soweit fit zu werden, um das Studium quasi "nahtlos" wieder aufzunehmen. Eine gewisse restliche Trägheit muss dafür aber tagtäglich aufs Neue konsequent überwunden werden.

Liebe Grüße an alle Foristen und -innen, die mich noch kennen!
 
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Hallo Robert!
Schön, von Dir zu lesen, auch wenn es ein nicht besonders erbauliches Kapitel Deiner Geschichte ist!
Ich wünsche Dir weiter gute Genesung und viele Trainingserfolge in welcher Disziplin auch immer!
Herzliche Grüße
Lisa
 
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Du meine Güte, Robert, das sind ja erschütternde Neuigkeiten! Zum Glück geht es jetzt wieder aufwärts. Ich wünsche dir weiterhin gute Besserung und drück die Daumen für die Prüfungen!
 
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Ein solches Ausmaß bekommt man selten mit. Deine "neuen" Fortschritte finde ich bemerkenswert, die dürften dir durchaus helfen, die Rest-Trägheit immer wieder zu überwinden. Aber vernachlässige bitte nicht die zur gänzlichen Erholung erforderliche Ruhe, wir wollen noch viel von deinem weiteren Weg hören.
 
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Danke, Robert, dass Du uns an Deiner spannenden Geschichte teilhaben lässt.
Ich kann nur sagen: Gute Besserung, Halt die Ohren steif und bleib dran!
Und halt uns weiter auf dem Laufenden.

Grüße,

Kokopelli
 
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