Stütze finden und 'entkrampfen'

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Huhu,

ich habe jetzt seit 3 Monaten Gesangsunterricht. Wir haben gleich festgestellt, was mir eigentlich auch schon klar war, dass ich Nachhilfe bei Stütze und Stimmbandschluss brauche. Ich habe leider immer nur so in mich reingesungen und wir arbeiten daran, dass der Ton kräftiger wird und mehr nach draußen klingt.

Ich kann auch schon Fortschritte feststellen, allerdings frustriert mich im Moment etwas wahnsinnig. Die gottverdammte Stütze ist für mich sehr schwer zu greifen. Manchmal klappt es gut, manchmal überhaupt nicht, und ich kann aber nicht bestimmen, was der Unterschied ist in dem, was ich mache. Was ich weiß ist, dass ich dazu neige, mich zu verkrampfen wenn andere zuhören, und mir der Ton dann hoch in die Brust rutscht und schwach und hauchig wird. Wenn ich allein bin, ist es deutlich besser. Das liegt vermutlich noch mit an Schüchternheit und mangelnder Bühnenerfahrung, aber ich bin zuversichtlich, dass der Teil mit Übung besser wird.

Aber auch sonst.. also.. wenn ich anfange zu singen, zB wenn ich abends nach Hause komme, klappt es meistens erstmal gar nicht. Sobald ich einen kräftigen Ton produzieren will bricht die Stimme sofort und klingt kratzig und gepresst. Auch wenn ich extra versuche, mit dem 'Bauch' zu stützen und nirgendwo zu pressen.
Nach 15-30 Minuten wird es dann meistens besser und die meisten Töne sind klar und brechen nicht mehr, insgesamt muss das zwar noch lauter und kräftiger, aber ok.

Das Problem ist, ich habe nicht das Gefühl, dass ich das bewusst kontrollieren kann. Manchmal gelingt mir ein Ton den ich echt super finde und der von der Kraft her ans Original heranreicht. Manchmal wirds ein dünnes Gekratze, und ich weiß nicht, was ich anders mache. Es fühlt sich an wie ein Glücksspiel und sorgt echt für Frust. Ich kann mich nicht auf meine Stimme verlassen.

Ich weiß, dass Verbesserung Zeit braucht. Aber das Ding ist auch, in den Gesangsstunden klappt es manchmal richtig gut. Letzte Stunde zB hab ich 'Energize me' von After Forever rausgeschmettert, dass meine Lehrerin ganz erstaunt war und meinte 'jetzt hattest du mich'. Heute versuche ich es und denke nur: ach du sch......

Ist das 'normal'? Dass die Qualität so stark schwankt? Kommt man je an einen Stand, wo man über das Stützen gar nicht mehr nachdenken muss? Ich bin mit meinem Stimmklang eigentlich zufrieden - Range, Intonation, das ist schon alles ganz ok. Aber ohne vernünftige Kraft dahinter wird es ja doch nicht.
 
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Hallo! So wie das klingt, klappt es ja unter Idealbedingungen ganz gut mit der Stütze. Es ab und zu mal zu können, heißt natürlich noch lange nicht, dass man es beherrscht. Aber wenn es überhaupt mal mit der Stütze klappt, ist das schon mal eine gute Basis. Wenn du gemerkt hast, dass in dem Moment die Stütze funktioniert hat, dann versuche dir mal bewusst zu machen, wie sich das angefühlt hat. Vielleicht kommst du irgendwann drauf, was du gemacht oder nicht gemacht hast, um die Stütze hervorzurufen. Mit dem Training merkt dein Körper das irgendwann und ruft das automatisch ab. Das ist fast wie Schalten beim Autofahren und Schwimmenlernen, das geht irgendwann auf einmal von selbst ohne bewusst über die Bewegungsabläufe nachzudenken.
 
Ist das 'normal'? Dass die Qualität so stark schwankt?

Ja. Und selbst, wenn Du die Stütze schon mehr oder weniger automatisiert hast, wird es Tage geben, wo es nicht recht klappen will.

Sobald ich einen kräftigen Ton produzieren will bricht die Stimme sofort und klingt kratzig und gepresst.

Das ist das Wollen, sagt mein GL immer :D Denk mal weniger, dass Du einen kräftigen Ton produzieren willst, sondern lass es fließen. Versuche mal eher im Gegenteil, leise zu singen, aber auf den Stimmsitz zu achten. Wundere Dich dann aber nicht, wenn es laut wird :)

Wenn Du zuhause singst/übst, fange wirklich mit den Einsingübungen von den Gesangsstunden an, konzentriere Dich auf das Gefühl, dass Du bei guten Tönen hattest. DA willst Du wieder hin. Vergiss erst einmal, dass Du einen lauten Ton produzieren willst. Der kommt dann schon. Konzentriere Dich auf das Körpergefühl - im Unterricht zum Einspeichern, zuhause dann, genau dieses Körpergefühl, das Du bei gelungenen Tönen hattest, wieder abzurufen.
 
Dass die Qualität schwankt ist normal, wenn du noch kein Gefühl dafür hast. Ohne das Körpergefühl, kann sich der Körper auch nicht automatisch darauf einstellen und es ist mehr oder weniger Zufall, ob du richtig stützt oder es klappt nur unter Anleitung deines GL.

Wichtig ist, dass Stütze und Stimmlippenschluss zusammenhängen. Ohne Stütze bringt dir Stimmlippenschluss nichts, weil du dann nicht in der Lage bist den nötigen Druck zu erzeugen, um die gut geschlossenen Stimmlippen in Schwingung zu versetzen. Ohne Stimmlippenschluss bringt dir aber auch die Stütze nichts, weil wenn die Stimmlippen nicht schließen, kann der Ton niemals stabil werden.

Ich persönlich bevorzuge die Stütze über den Stimmsitz zu triggern, weil bei mir aktives Stützen eigentlich immer zu einer zu hohen Körperspannung führt. Wichtig dafür ist nur, dass der Stützmechanismus nicht durch irgendwelche Spannungen behindert wird, weshalb ich vorher mit einer Übung für eine entspannte Stütze sorge.

Zum Entspannen der Stütze benutze ich folgende Grundübung, die auch den Stimmlippenschluss vorbereitet:

1. Hauche locker nach vorne aus dem Mund wie wenn du eine Scheibe mit warmer Luft beschlagen lassen willst, halte dabei eine Hand vor dem Mund und spüre die warme Luft. Merke: warme Luft ist "gestützte" Luft, denn warme Luft ist langsam und das Stützen ist letzlich das Verlangsamen der Luftabgabe aus der Lunge.

2. Versuche möglichst lange warm zu hauchen bis du keine Luftreserven mehr hast. Nach der Ausatmung bleibe in der Position mit offenem Mund und atme dann durch die Nase (!) wieder ein

3. Atme eine Weile auf diese Weise. Langsame warme Luft durch den Mund und dann einatmen durch die Nase bei offenem Mund.

Danach kannst du dich um den Stimmlippenschluss und Stimmsitz kümmern. Ich persönlich konzentriere mich beim Singen dann nur noch darauf. Dafür machst du folgendes:

1. Beginne mit der Atemübung von oben. Zusätzlich legst du beim Ausatmen zwei Finger (Zeigefinger und Mittelfinger bieten sich an) quer zwischen deine Zähne (aber nicht feste Zubeißen). Spüre wie bei der Ausatmung die warme Luft auf deine Finger trifft, atme dann wie bei der ersten Übung durch die Nase wieder ein. Die beiden Finger erzeugen die sogenannte "Biss-Stellung", die den harten Gaumen etwas anspannt. Diese Stellung solltest du beim Singen meistens einnnehmen, auch wenn du die Finger hinterher natürlich wieder entfernst.

2. Jetzt kommt der Teil an dem du die Stimme hinzufügst. Durch das Einatmen durch die Nase wird der hintere Teil deiner Zunge an den weichen Gaumen gebracht. Genau diese Aktion erzeugt Stimmlippenschluss! Dabei gilt: Je näher der hintere Teil der Zunge am weichen Gaumen, desto fester der Stimmlippenschluss. Die Zunge darf aber nie mit Kraft an den weichen Gaumen gedrückt werden (!). Durch das Einatmen durch die Nase kommt sie aber ganz entspannt in diese Position.

3. Die Stimme fügst du hinzu, indem du bei der Ausatmung ein NG summst (wie das Ende des Wortes "Gong"). Deine Zunge ist ja schon in der richtigen Position dafür.

4. Jetzt kommt der wohl wichtigste Teil, bei dem die meisten Fehler passieren: Die NG-Position bringt deinen Stimmsitz nach hinten. Du wirst beim Summen keine warme Luft mehr an deinen Fingern spüren und auch keine Resonanz im vorderen Mundraum. Trotzdem musst du weiter in Richtung deiner Finger singen! Stell dir vor du singst durch den Spalt zwischen deinen beiden Fingern. Die NG-Position verleitet zum typischen Fehler, dass durch das Gaumensegel oder durch die Nase nach oben gesungen wird, weil man eben vorne im Mundraum kein Gefühl mehr hat. Es ist extrem wichtig, dass du weiterhin nach vorne singst in Richtung der Finger. Wenn du durch das Gaumensegel singst, wird der Stimmlippenschluss wieder schlechter oder du fängst an zu Knödeln (Kermit-Stimme). Wenn du in die Nase singst geht der Kehlkopf zu hoch und verkrampft. Außerdem klingst du womöglich noch nasal.

5. Letztendlich musst du natürlich das NG wieder in Vokale öffnen. Auch hier ist es wieder wichtig immer nach vorne aus dem Mund zu singen. Die Finger nimmst du natürlich dann wieder weg, damit sich dein Mund je nach Vokal wieder leicht öffnen und schließen kann. Es kann aber helfen sich vorzustellen, dass die Finger noch da sind und eine "Wand" vor dem Mund formen, welche einen schmalen Spalt in der Mitte hat, durch den gesungen werden muss.

Noch eine Anmerkung zum Schluss: Das Singen in das Gaumensegel oder in die Nase ist nicht generell falsch. Es ist nur für deine Zwecke (laut und kraftvoll) nicht geeignet. Das Singen ins Gaumensegel oder in die Nase kann genutzt werden um bewusst mit schwächerem Stimmlippenschluss zu singen. Beim Singen ins Gaumensegel (wie etwa bei einem Seufzer) singt man im Falsett. Frauen und Countertenöre benutzen das z.B. in der Klassik. Beim Singen in die Nase muss man das Gaumensegel zusätzlich anheben, sonst kommt es zum Pressen. Diese Koordination nennt man dann "mixed voice" und sie hat einen mittleren Stimmlippenschluss. Sie ist zudem stilistisch etwas eingeschränkt, weil sie immer einen gewissen weinenden/leidenden Klangcharakter hat. Zudem klingt sie weniger kraftvoll als eine Koordination mit vollem Stimmlippenschluss. Durch die Anforderung nach einem hohem Gaumensegel ist der Wechsel in den Modus mit vollem Stimmlippenschluss zudem schwierig, weil dieser gerade ein tiefes Gaumensegel braucht.

Deshalb singe ich persönlich am liebsten mit vollem Stimmlippenschluss, denn der Wechsel in die leichteren Modi ist einfach, indem man den Stimmsitz leicht abrutschen lässt nach oben in Richtung Nase/Gaumensegel. Aber der umgekehrte Wechsel ist deutlich schwieriger.

Besonders effektiv zum Üben des Stimmlippenschlusses ist es übrigens den vollen Schluss auf geschlossenen Vokalen (wie U und I) zu üben. Da ist er nämlich besonders schwierig. Beim echten Singen lassen die meisten Sänger diese Vokale nach oben in die mixed voice abrutschen oder sogar ins Falsett, aber zum Üben ist es sehr gut zu versuchen sie in der "vollen" Stimme zu singen. Wichtig dabei ist die Finger wegzulassen, denn für U und I braucht man einen fast geschlossenen Mund. Wichtig ist aber dass die Einstellung "innen" (NG-Position, gespannter harter Gaumen) erhalten bleibt wie beim offenen Mund.
 
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Hier noch eine schöne Fallstudie. Deshalb besonders empfehlenswert weil er wirklich nahezu perfekt ist mit seiner Technik und wirklich nur das allernötigste mit dem Gesicht und der Zunge macht. Achte darauf wie er in die Töne "beißt" und scheinbar immer eine "Spannung" zwischen den Zähnen hält. Gleichzeitig ist seine Zunge fast immer in einer perfekten NG-Stellung. Hier sieht man auch schön, dass man meist weniger als die 2-Finger Öffnung braucht. Die ist nur zum Üben sehr nützlich, um die Spannung zwischen den Zähnen bzw. des harten Gaumens zu lernen.

 
Nach dem, was du schilderst, kann es gut sein, daß du zu den Leuten gehörst, die sich erst einsingen müssen, bevor sie loslegen - ich empfehle dir ein ca. 10-15minütiges warm-up mit Atemübungen, lip rolls, ein paar Sirenen, ein paar Intervallen nach unten und oben. Erst dann solltest du lauter werden.
Ansonsten: denk nicht soviel über die Stütze nach, trainiere sie! Je trainierter die Atemmuskulatur, umso zuverlässiger arbeitet sie. Atemübungen sind ja im Grunde total simpel. Man muss sie nur regelmäßig machen.
 
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Hi nochmal,

da bin ich gleich wieder etwas zuversichtlicher :)

Warmsingen ist sicher so ein Punkt, es ist vielleicht auch nicht die beste Idee, gleich mit den beltigsten Stücken anzufangen, wenn man grad nach Hause gekommen ist und noch fast vom Fahrradfahren hechelt :D broeschies, deine Übung habe ich heute mal ausprobiert, scheint auf jeden Fall zu helfen. Ich habe sie nur kurz gemacht und gleich einen Effekt bemerkt, meine Stimme war besser 'zusammen', nicht hauchig-zerfasert sondern naja, stabiler und dadurch automatisch lauter.
Ich nehme auch an, dass ich es bisher zu doll 'gewollt' habe und unbewusst irgendwas falsches angespannt habe, sodass ich mir die Stimme letztendlich nur noch mehr abgeschnürt habe. Ich hatte immer diese Vorstellung, dass hinter kräftigen Tönen auch so eine Art Kraftexplosion steckt, was wahrscheinlich auch irgendwie der Fall ist, aber nicht so wie bisher gedacht und vor allem nicht aus dem Nichts. Wenn ich so ein Kratzen bemerke, breche ich jetzt beim Üben ab, nehme ein Bisschen Kraft zurück und versuche es nochmal mit der Fließ-Vorstellung. Das hat heute auch schon besser geklappt.
 
es ist vielleicht auch nicht die beste Idee, gleich mit den beltigsten Stücken anzufangen, wenn man grad nach Hause gekommen ist und noch fast vom Fahrradfahren hechelt :D
Fahrrad fahren - oder anderer (Ausdauer-)Sport - bevor man singt ist Spitze! Dann einsingen, und Du hast Töne, davon träumste sonst nicht. Jedenfalls geht mir das so, wenn ich es schaffe, vor dem GU Sport zu treiben :)
 
Wenn du Kraft mit Pressen beantwortest, dann verpufft deine Power im Sich-Selbst-Ein-Bein-Stellen. Das besondere an Belting und dazugehörige Stütze ist eben, dass ein großer Ton mit einer Leichtigkeit entsteht. Man sagt ja immer, es klänge bei den großen, tollen Sängerinnen als ob es soooo einfach wäre und nur deshalb ist Belting beeindruckend. Natürlich ist Singen auch körperliche Arbeit, aber es ist auch kein Kampf, Krampf oder Gezeter. Stütze ist ja nicht mit aller Kraft Luft auf den Hals ballern, sondern im Gegenteil nur so viel zu geben wie auch nötig ist. Es ist was kontrolliertes und eher elastisch-gespannt statt fest und hart.
Da du ja auch mit Hauch ein Problem zu haben scheinst, bist du vielleicht mit dem Top-Down-Prinzip (Stimmbandschluss vor Atemmuskeln) besser beraten. Also mehr darauf zu achten, die Stimme zu fokussieren, "oben" alles richtig einzustellen, also einen guten Stimmbandschluss und korrekten Stimmsitz zu haben. Man kann überhaupt nicht richtig stützen, wenn man oben sozusagen ein Luftleck hat. Vielleicht kommst du eher in die richtige Körperspannung, wenn du dich mehr auf Feinmotorik konzentrierst statt grob und plump mit dem Körper zu kämpfen.
Wie siehts denn auch mit deiner Körperhaltung aus? Nicht dass du bereits beim Nicht-Singen ein Problem mit deiner Körperspannung und Muskulatur hast.

Aber red vor allem nochmal mit deinem GL!!
 
Ich hatte immer diese Vorstellung, dass hinter kräftigen Tönen auch so eine Art Kraftexplosion steckt, was wahrscheinlich auch irgendwie der Fall ist, aber nicht so wie bisher gedacht und vor allem nicht aus dem Nichts.
Genau das hier ist wahrscheinlich dein Hauptproblem ;) Die kraftvollsten Töne entstehen vor allem durch starken Stimmlippenschluss und starke Resonanz im Vokaltrakt, nicht durch hohen Atemdruck. Die gefühlte Stabilität bei der NG-Übung kommt vor allem durch den besseren Stimmlippenschluss.

Der Atemdruck, den du für kraftvolle Töne brauchst, ist gar nicht mal so viel größer als beim normalen Sprechen. Gesteigert ist er aber auf jeden Fall.
 
Huhu,

ich hab jetzt nochmal Hörproben erstellt. Hatte heute die Gelegenheit, mir eine Kamera auszuleihen, die immerhin besseren Sound hat als mein Headset, also sorry für die Störgeräusche. Ich hoffe, man kann das beurteilen:

Einmal mit Musik, Our Decades in the Sun von Nightwish: https://soundcloud.com/inesschwettmann/decades/s-BJfA3

Einmal ohne, Sternzeichen von Cumulo Nimbus: https://soundcloud.com/inesschwettmann/sternzeichen/s-b0jmg

Zwar war meine Stimme sowieso etwas angeschlagen und raspelig von der Bandprobe gestern, aber insgesamt ist das eben sowieso noch zu hauchig und schwach. Ich nehme an, mehr Übungen für Stimmbandschluss und Stütze? Oder hört ihr noch andere wichtige Baustellen?

Außerdem ist mir aufgefallen, dass ich lispel... und meine Stimme klingt sehr hell, oder?
 
Ich würde eigentlich sagen, dass mit deiner Stütze alles in Ordnung ist. Du hast in der Tiefe einen schön balancierten, resonanten Klang. Ohne Stütze würde das nicht gehen. Insgesamt singst du in einer Neutral-Stellung mit relativ schwachem Stimmlippenschluss (wobei schwach nicht schlecht heißt, das ist eine stilistische Frage). Genau das macht deine Klangfarbe auch tendenziell hell.

Bei den höheren Tönen in Richtung Passaggio entscheidest du dich nicht so recht für einen Gesangsmodus. Dadurch wird die Stimme wackeliger und die Stütze hilft dir dann auch nicht so viel. An dieser Stelle musst du etwas verändern. Wenn du die Neutralstellung wie in der Tiefe beibehalten willst, musst du in die Randstimme auf den hohen Tönen (Falsett bzw. "klassische" Kopfstimme). Für einen Belt oder eine Contemporary-Kopfstimme brauchst du einen festeren Stimmlippenschluss, am besten auch schon im tiefen Part.

Wie du das machst hängt vor allem davon ab, wo du hinwillst auf den hohen Tönen.

Für einen stärkeren Stimmlippenschluss zum Belt hin kann man z.B. versuchen SI SE SA SO SU zu singen (stimmhaftes S). Dabei die Vokale sehr deutlich "mit den Zähnen" und dem Mund formen, wie wenn du jemandem etwas sehr deutlich sagen willst der begriffsstutzig ist. Das bringt den Stimmsitz in den sogenannten "Vordersitz".

Für eine kopfstimmigere Einstellung zum Twang-Modus hin, machst du es praktisch erstmal genau umgekehrt. Dafür versuchst du den Mund- und Kieferbereich maximal zu entspannen, lässt alles locker hängen, manchmal sagt man dazu "Dorftrottelstellung". Dann versuchst du in diesem Modus zu singen, wieder I E A O U (diesmal ohne S davor) und den Mund- und Kieferbereich dabei praktisch nicht zu bewegen und nur locker hängen zu lassen. Das wird möglicherweise erstmal nuschelig oder mumpfig klingen. Versuch die Vokale möglichst monoton "wie ein Roboter" zu singen. Mit der Zeit versuchst du dann die Vokale immer deutlicher zu singen ohne die entspannte Mund-/Kieferposition zu verlassen. Das triggert einen tieferen/hinteren Stimmsitz, der trotzdem starken Stimmlippenschluss besitzt.

Die 3 Stile kann man übrigens schön an den 3 bisherigen Nightwish-Sängerinnen festmachen:
1. Tarja (klassiche Kopfstimme)
2. Annette (Belt)
3. Floor (Contemporary-Kopfstimme/Twang)
 
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Kannst du mir evtl. nochmal erklären, was genau du mit Neutralstellung bzw Contemporary-Kopfstimme/Twang meinst?

Ich hatte eigentlich den Eindruck, dass Annette und Floor von der Technik her ähnlich singen.
 
In der Neutralstellung ist der Vokaltrakt so weit gestellt, dass es wenig Resonanzeffekte gibt. Der Klang ist dann relativ sanft und hell. In dieser Stellung singst du eigentlich die meiste Zeit in deinen Aufnahmen. In dieser Stellung singt man im Grunde auch die klassische Kopfstimme.

Im Belt-Modus ist der hintere Teil des Vokaltraktes verengt, weil die Zunge nah an der hinteren Rachenwand liegt. Der vorder Teil des Mundraumes wird geöffnet. Das erzeugt den typischen Ruf-Klang und wird auch Megaphonstellung genannt.

In der Contemporary-Kopfstimme bzw. dem Twang-Modus ist vor allem der mittlere Teil des Vokaltraktes stark verengt, dadurch dass der Zungenrücken hoch am Gaumen liegt. Die Zunge liegt weiter vorne als im Belt, wodurch der hintere Raum größer bleibt. Dieser kann in der Höhe dann dazu genutzt werden einen belt-ähnlichen Klang zu erzeugen.

Jeder Modus entspricht einen gewissen Stimmsitz.Im Neutralmodus verteilt sich die Resonanz bzw. der gefühlte Sitz meist über den ganzen Vokaltrakt. Wenn das Gaumensegel im Neutralmodus gehoben wird, wird der Stimmsitz weiter hinten wahrgenommen im Bereich des Gaumensegels eben, dann sagt man dazu Kuppelsitz oder Kuppelklang.

Im Belt-Modus sitzt die Stimme im Vordersitz. Meistens spürt man deutliche Resonanz im Bereich der oberen Schneidezähne und des harten Gaumens oder allgemein der vorderen Mundhöhle.

Im Twang-Modus sitzt die Stimme relativ zentral, da wo die Zunge bei einer NG-Stellung den Gaumen berührt. Je nach Vokal breitet sich die Resonanz entweder stärker nach vorne Richtung Nase oder nach hinten Richtung Pharynx aus.

Der Belt-Modus ist in seiner Reinform sehr verbreitet v.a. im Musical, aber auch gängig im Pop-Rock. Der Twang-Modus ist v.a. in den symphonischen Metal-Stilen sehr verbreitet.
 
2. Jetzt kommt der Teil an dem du die Stimme hinzufügst. Durch das Einatmen durch die Nase wird der hintere Teil deiner Zunge an den weichen Gaumen gebracht. Genau diese Aktion erzeugt Stimmlippenschluss! Dabei gilt: Je näher der hintere Teil der Zunge am weichen Gaumen, desto fester der Stimmlippenschluss. Die Zunge darf aber nie mit Kraft an den weichen Gaumen gedrückt werden (!). Durch das Einatmen durch die Nase kommt sie aber ganz entspannt in diese Position.

Also Kompliment Broeschies: endlich habe ich das mit dem Stimmlippenschluss ganz "praktisch" und logisch verstanden und kann es mit etwas Konzentration kontrolliert anwenden.Ich hatte das mit der bisherigen Erklärung anatomisch falsch verstanden. Danke Danke Danke:tongue::great:
 
Also Kompliment Broeschies: endlich habe ich das mit dem Stimmlippenschluss ganz "praktisch" und logisch verstanden und kann es mit etwas Konzentration kontrolliert anwenden.Ich hatte das mit der bisherigen Erklärung anatomisch falsch verstanden. Danke Danke Danke:tongue::great:
Ich hab's auch lange Zeit nicht verstanden. Das Problem ist, dass der Stimmlippenschluss eben 2 Komponenten hat, nämlich Zungenrücken hoch und Gaumensegel runter. Das wird ganz häufig nicht erklärt. Wenn man nur den Teil mit der Zunge erklärt, reicht das nicht. Viele singen dann die ganze Zeit mit hohem Gaumensegel und wundern sich, warum es mit dem Stimmlippenschluss nicht klappt bzw. warum sie in der Höhe so viel Atemdruck brauchen, um die Stimmlippen noch zum Schluss zu bringen. Im übelsten Fall wird die Zunge dann hochgedrückt, um doch noch irgendwie in die Nähe des hohen Gaumensegels zu kommen. Dann verkrampft der Kehlkopf komplett. Im Volksmund sagt man dazu "knödeln".

Die "Flache Zunge" ist ein Problem, das so gut wie jeder GL kennt. Dass ein hohes Gaumensegel problematisch ist, wissen hingegen nur wenige. Ich selber bin da durch dieses Video drauf gestoßen. Sehr witzig gemacht übrigens. Der Zusammenhang ist ganz einfach: Ein hohes Gaumensegel entfernt den Twang (das "Klingeln", die "Schärfe") aus der Stimme und damit eben auch den Stimmlippenschluss.



Was auch daraus folgt ist, dass das Öffnen des Mundes tendenziell den Stimmlippenschluss entfernt, denn dadurch wird die Zunge tendenziell runter gezogen.
 
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