Bleiben wir bei der Beispieltonart C-Dur:
Die "normale" Kadenz lautet II-V-I, also Dm-G7-C. In dieser kommen, ganz brav und normgerecht, nur Töne der Tonleiter C-Dur vor.
Ersetzt man nun den Akkord Dm gegen D-Dur-7, "funktioniert" die Kadenz genauso wie zuvor, nur, daß die ganze Sache spannungsreicher und energiereicher, und weniger langweilig klingt.
Die Tatsache, daß in D-Dur-7 ein Fis vorkommt, dieses Fis aber
nicht Element der Ausgangstonleiter C-Dur ist, ist dabei nicht nur nicht störend, sondern genau DAS ist es ja, was die Angelegenheit erst spannend macht. Eben WEIL der Ton tonartfremd ist, und daher wie ein scharfes, unerwartetes Gewürz daherkommt. Wie auch der Umstand, daß der Akkord D7 (wie jeder Dom-Sept-Akkord) wegen seines typischen eigenen Tritonusintervalls (C - F#) ein viel stärkeres Auflösungsstreben in den Akkord G-Dur hat, als der Akkord D-Moll.
Die ganze Geschichte funktioniert allerdings nur, wenn einem die Melodie keinen Strich durch die Rechnung macht, und mit der so geänderten Harmonie nicht in Konflikt steht. Es sollte in der entsprechenden Passage dementsprechend in der Melodie an prominenter Stelle kein F oder G vorkommen, denn dann funktioniert die ganze Sache nicht mehr.
Analoges gilt auch für die Stufen III (also E-Moll/E-Dur in Tonart C-Dur) und VI (also A-Moll/A-Dur in Tonart C-Dur). Die Kapitelüberschrift zu alldem lautet "Sekundärdominanten".
Ich hoffe, Du siehst die ganze Sache damit aus einer ein wenig anderen Perspektive. ...
LG
Thomas