Da muß ich mich jetzt auch mal einschalten.
Alles aus einem Rompler, das stellt vielleicht den leistungsorientierten Covermucker zufrieden, nicht aber den Soundpuristen.
Thema Analog: Klar, es gibt einiges an virtuell-analogen Synthesizern, die einiges können. Und noch viel mehr Softsynths, die sich wunderbar in DAWs mit Total Recall usw. integrieren. Aber der Jupiter-6 ist ein echter, "lebendiger" spannungsgesteuerter Analogsynth. Mit all seinen Ungenauigkeiten, mit all seinem Charakter. Und er ist absolut hands-on. Kein Mausgeschubse. Keine abstrakten USB-Controller. Keine immensen Bootzeiten. Kein anderes Bier. Einschalten, losschrauben, echte, leibhaftige Hardware unter den Händen. In den Händen gar.
Ein Jupiter-6 ist außerdem kein in Amateurbands in Dritthand zerrockter D-70 oder JV-80. Wenn man irgendwo einen Jupiter-6 ergattern kann, kommt der mit Garantie aus Enthusiastenhänden und/oder ist frisch restauriert. Vor allem ist in den allermeisten Fällen inzwischen
die Europa-Erweiterung installiert. Die ist ein Alleinstellungsmerkmal des Jupiter-6, d.h. abgesehen von seinem Sound (er klingt anders als der Jupiter-8).
Der Jupiter-6 ist zum Glück nicht so hochgehypet wie der Jupiter-8, der praktisch nie unter sechs bis acht Kiloeuro angeboten wird, aber nennenswert unter 2000 kriegt man einen Jupiter-6 + Europa kaum (und ohne Europa willst du ihn nicht, glaub mir, noch wirst du so leicht einen ohne Europa finden).
Damit ist er unter den echtanalogen Polysynths noch nicht mal teuer. Die ganz großen spannungsgesteuerten Schlachtschiffe (Roland Jupiter-8, Yamaha CS80, Elka Synthex, Moog Memorymoog, fast die ganze Oberheim-Palette) rangieren in Preisbereichen jenseits einer gebrauchten OASYS, die kleineren Ein-Oszillator-Alternativen (Roland Juno-6/60, Roland Juno-106, Korg Polysix) haben preislich auch längst angezogen, sogar der noch junge Alesis Andromeda A6 steht in vierstelligen Regionen oberhalb eines neuen DSI Prophet '08 (von einem Tetr4 oder zwei ganz zu schweigen). Polyphon, einigermaßen vintage und kostengünstig kriegt man höchstens noch in den USA unbekannte Underdogs und unschraubbare Digitalgesteuerte (Teisco/Kawai SX-240, Oberheim Matrix-1000, Korg Poly-800, Roland JX-3P/MKS-30, JX-8P/MKS-80 und JX-10/MKS-70 ohne Programmer, Roland Alpha Juno/MKS-50, der Jupiter-6 ist wegen Europa schon grenzwertig).
Thema FM (eigentlich Phasenmodulationssynthese, Yamahas letzter FM-Synth war der GS2): Wenn man einfach nur FM will, gibt's viel, womit man besser dran wäre als ein DX7. Yamaha SY99, DX200, PLG100-DX, PLG150-DX, Alesis Fusion, Korg Kronos, Clavia Nord Modular G2, NI FM7, FM8... Aber den Sound des DX7 kann nur ein DX7 erzeugen. Sogar DX5, DX1 und DX7 II klingen wieder anders als ein DX7 der ersten Generation mit seinen Ranz-Wandlern.
Da kann man jetzt die Brücke zum Roland D-50 schlagen, auch wenn dessen Linear-Algorithmic-Synthese (Marketinggeschwalle für subtraktive Synthese mit Digitalhardware plus kurze Attacksamples) mit FM nichts zu tun hat. Vor einigen Jahren hat Roland für den V-Synth und VariOS die VC-1-Karte rausgebracht, die das jeweilige Gerät in einen D-50 verwandelte. Nicht mit Samples, auch nicht als Emulation, sondern die Originalfirmware des D-50 mit den Original-Attacksamples des D-50. Blöd nur: So klang die Sache nicht die Bohne wie ein D-50, weil die Wandler 15 Jahre zu neu waren. Also mußte Roland eine Emulation der alten Wandler und der verrauschten Effekte einbauen, um den Klang zuschaltbar zu "verschmutzen", damit es sich wieder anhört wie 1987.
Generell kann man sagen: Konkrete Synthklassiker sind zwar nur dann sinnvoll, wenn man authentischen Vintagesound haben will, dann aber um so sinnvoller. Interessanterweise trifft das gerade auf die Digitalen der 80er zu, auch deshalb, weil es da noch nicht das Authentizitätswettrüsten gegeben hat, das sich etwa die Minimoog- und 303-Klone seit Mitte der 90er liefern.
Martman