Unterschied 3/2 und 3/4

Fastel
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Hi,
mich würde nun doch mal interessieren was jetzt wirklich der Unterschied ist zwischen 3/2 und 3/4.

Die Mathematik ist mir klar - und vielleicht wird es anders dirigiert (?), okay.

=> Die Frage ist, warum hat Bach hier zum Beispiel den 3/2 Takt gewählt anstatt 3/4 bei halben Zählzeiten und dann halben Tempo in der Interpretation? Ist das wichtig für irgendwas (Interpretation), dass es genau 3/2 ist?



Danke :)

edit: also ich dachte eine zeit lang es sollte vor den Metronomangaben (der späten Klassik) irgendwie dienen, das Tempo klar zu machen. Wenn ich mir Interpretationen anschaue wird das Stück dann auch sehr schnell gesungen. In der Renaissance überwiegen ja auch die langen Notenwerte, die dann mit sehr hohem Tempo interpretiert werden.
 
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Zuletzt bearbeitet:
Du hast erst mal recht, 3/2 in 120 bpm sind klanglich identisch mit 3/4 in 60 bpm. Wieso Bach das genau so notiert hat kann dir vermutlich nur ein Musikgeschichts-Experte beantworten, es könnte auch einfach eine reine Modeerscheinung der Barockzeit gewesen sein. Vielleicht wird aber auch durch die Taktvorgabe ein anderer Puls "gefühlt" (1-und-2-und-3-und statt EINS-2-3).
 
Im 2/2 vs. 4/4 ist der Unterschied, dass im 2/2 Takt die viertel in der Regel schneller gespielt werden als im 4/4, meist als alla breve gekennzeichnet. Ich würde vermuten, dass dies auch für 3/2 und 3/4 gilt.
 
Hmm okay, also scheint es nichtwirklich eine Erklärung zu geben. Vielleicht muss man auch das Thema aus dem Anfängerbereich wegschieben ;)

.done
 
Grund: Durchgeführte Verschiebung bestätigt
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Die Frage ist, warum hat Bach hier zum Beispiel den 3/2 Takt gewählt anstatt 3/4 bei halben Zählzeiten und dann halben Tempo in der Interpretation?

Bach übernimmt die Notation der Vorlage: Die traditionelle Notationsform des protestantischen Chorals sind "weisse Noten" (Ganze, Halbe) für Silben, "schwarze Noten" (Viertel) für Melismen und gelegentliche Silbendehnungen (punktierte Halbe + Viertel).
Die "Taktvorzeichnung" 3/2 verweist auf das ältere Tactus-System. Die Tactus- Schlagtechnik ist zweizeitig (Abschlag-Aufschlag im Verhältnis 2:1), mit einem Mittelwert von bpm 60 (+/-) pro Tactus (im Gemeindechoral aus ausführungstechnischen Gründen auch langsamer), die Akzentunterschiede im 3/2 ergeben sich allein aus der Textierung, und sind im Gegensatz zum 3/4 weniger ausgeprägt.
Die Verwendung großer Notenwerte (3/2 vs. 3/4) kann im Barock auch für den Unterschied kirchlich vs. weltlich, oder vokal/homophon vs. instrumental/kontrapunktisch stehen.
 
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@OckhamsRazor
Auf dich hab ich gehoffet, Herr (BWV 640) ;)
 
Okay leuchtet ein. Die meisten Choräle scheinen aber sehr schwarz notiert ;)
Danke für die Antwort.
 
Die meisten Choräle scheinen aber sehr schwarz notiert

Wo? Das würde mich interessieren. Wir reden hier von protestantischen Choralbüchern zwischen 1550 und 1750.

Schwarz ist die bevorzugte Farbe der anderen Fraktion:

Gregorian_Chant_Kyrie.png

Dafür sind dann aber oftmals die Linien farbig und die Initialien mit Blattgold verziert (Wer hat, der hat) ....
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Die meisten Choräle scheinen aber sehr schwarz notiert ;)

Hier ein frei herausgegriffenes Beispiel (aus dem "Choral-Buch zum Hamburgischen Gesangbuche" von J. F. Schwenke, 1832 - also sogar recht modern):

1638474402846.png


Ziemlich weiß und Viertelnoten für Melismen. Wie aus dem Lehrbuch.
 
Ah sorry, ich sollte sagen, dass ich von Bachchorälen spreche. Die der Frühbarocker oder früher sind mir gar nicht so gegenwärtig. In der Renaissance sind diese langen Werte ja auch weitgehend normal. Dahaben wir ja aber auch weitgehend nur Vokalmusik (wurde ja oben angesprochen).

Ist das in der Bachschen Zeit denn eigentlich noch "normal" Choräle eher in Halben/Ganzen zu schreiben? Ist das beim Bachchoral eher so eine individuelle Stilfrage? Ein bisschen wundere ich mich grade, ob Bach der Gattung generell etwas mehr "Tempo" verschaffen wollte oder ob das mit seiner Art zusammen hängt, die Dinge immer "am Laufen" und bewegt zu halten...?
 
In der Renaissance sind diese langen Werte ja auch weitgehend normal. Da haben wir ja aber auch weitgehend nur Vokalmusik (wurde ja oben angesprochen).

Das ist so nicht korrekt: Vokalmusik gilt zwar als Ausgangspunkt der satztechnischen Regeln, das Repertoire an eigenständiger Instrumentalmusik ist aber nicht minder umfangreich und bedeutsam. Und genau in diesem Instrumentalrepertoire findet der Wechsel zur "virtuoseren" Tempo-Ebene, d.h. zu den kleineren Notenwerten statt.
Dadurch, dass der Tactus der Vokalpraxis zunehmend mit instrumentalem Laufwerk gefüllt wird, das zusätzliche spieltechnische, d.h. körperliche Elemente enthält (z.B. Fingersatz-Sequenzen), kommt es auch zur Verdichtung von Akzenten, die wiederum einen Umschlag der Aufmerksamkeit vom großformatigen Tactus-Schlag zu den kleinformatigen Gruppierungen der Spielfiguren bewirken. Die Verdichtung der musikalischen Informationen pro Schlageinheit führt zur Verlangsamung des Tempos, dieses fast zwangsläufig zur Verlagerung des Taktschlags auf Unterteilungswerte, so dass am Ende der Entwicklung (auch unter dem zunehmenden Einfluss "weltlicher" Elemente, z. B. der Tanzformen) die Unterteilungswerte ihrerseits als Grundschlag aufgefasst werden können.
Die Entwicklung von Tactus zum modernen Taktbegriff verläuft annähernd parallel zur Entwicklung von der "kirchentonalen" Modalität zur Dur-Moll-Tonalität, und von "alten" Kontrapunkt zum Generalbass-Satz - womit wir dann auch beim "Bach-Choral" landen:

Ist das beim Bachchoral eher so eine individuelle Stilfrage?

Nein, es ist ein allgemeiner, historisch bedingter Stilwechsel in der Satztechnik und in deren zeitlicher Gestaltung (s.o.): "Bach-Choral" meint Choral-Bearbeitung einer präexistenten Choralmelodie. Damit verbunden ist ein Wechsel der Satztechnik vom älteren, homophonen Kantionalsatz zum Choralsatz unter den Vorgaben der Generalbass-Satztechnik, d.h. vom reinen Vokalsatz zum instrumental ausgeführten B.C., und vom alten Tactus-System zum modernen Takt-System. Die im Vergleich zu den originalen Choralmelodien halbierten Notenwerte in den Choralbearbeitungen sind eine Konsequenz aus den satztechnischen Regeln des GB, dessen Funktion - wie du richtig erkannt hast - auch darin liegt, "die Dinge immer 'am Laufen' und bewegt zu halten".
 

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