Veränderung der Tonhöhenwahrnehmung - gibt es sowas?

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Hallo,

ich bin im Moment dabei, für mein erstes Album die Vocals aufzunehmen. Ich habe hierfür wie üblich einen Kopfhörer auf, die Stimme ist ausreichend laut und definitiv laut genug, um auf den bestehenden Song gut draufzusingen. Dabei wurde eine Sache sehr deutlich: Ich intoniere konstant etwas zu hoch. Dabei ist es egal, ob das in einer hohen oder tiefen Stimmlage passiert, generell sind meine Takes zu hoch, obwohl ich beim singen das Gefühl habe, ich wäre perfekt "drauf". In umgekehrter Situation ist es genau so - habe ich schon beim singen das Gefühl, einen Ton gerade ein bisschen zu tief gesungen zu haben, sitzt der dann beim nachfolgenden Testhören oft perfekt.. es ist verhext!

Was meine Gesangsfähigkeit an sich angeht: Ich singe in einer Band erst seit etwa anderthalb Jahren, habe zwar auch vorher öfter gesungen, mich aber selten aufgenommen. Deswegen würde ich mich in dieser Sparte getrost noch mit "ordentlich Luft nach oben" einstufen, von der generellen Sicherheit beim intonieren. Dennoch kommt es mir unglaublich komisch vor, dass beim Anhören der Takes immer dann ein Ton super sitzt, wenn ich beim singen das Gefühl hatte, der wäre leicht zu flat - und wiederum umgekehrt, wenn sich ein Take für mich "gut anfühlt" und ich das Gefühl habe, den Ton sehr gut zu treffen, ich in Wirklichkeit immer zu hoch intoniert habe. Mit "zu hoch" meine ich nicht einen Halbton oder so etwas - es spielt sich natürlich in viel geringeren Intervallen ab, aber man hört es deutlich, gerade wenn man beim aufnehmen dann extrem darauf achtet.

Zu meiner Gehörbildung: Ich bin eigentlich der Meinung, ein recht gut geschultes Gehör zu haben, ich bin 22 und spiele seit 14 Jahren Gitarre, kann mir Riffs und Melodien bereits nur durch das Hören auf der Gitarre herleiten, bin also insgesamt sehr musikalisch. Woher kann sowas kommen? Kann es sein, das mein Gehör (wodurch auch immer) Tonhöhen leicht verfälscht wahrnimmt?

Edit: Mit Dingen wie "Kopfhörer nur auf ein Ohr aufsetzen" etc. hab ichs schon probiert, das ändert am Problem leider nichts. Ich habe jedoch auch beobachtet, dass ich beim Stimmen einer Gitarre diese auch Tendenziell etwas zu hoch stimme, so dass es für mein Gehör "passt."

liebe Grüße,
Lonestar
 
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Es gibt den psychoakustischen Effekt, daß man etwas zu hoch hört, wenn es zu laut ist. Sowas kommt bei Studioaufnahmen häufiger vor, nimm die Lautstärke deines Kopfhörers zurück, dann sollte es besser sein - wenn es denn daran liegt.
Oops, grade gesehen, daß du das auch beim Gitarrestimmen hast…..dann mag es wohl doch was anderes sein.

Es gibt hier im Gesangs-Forum irgendwo einen Link zu einer Gehörbildungsseite, da kannst du deine Wahrnehmung diesbezüglich testen.
 
Hast du schon andere Personen gefragt, ob sie das auch so hören? Was sagen sie zu deiner Intonation auf den Aufnahmen und in anderen Situationen?

Ich habe von dem Phänomen bisher eher im Zusammenhang mit Gehörschutz und In-Ear-Monitoring gehört. Vielleicht spielt also nicht nur die Lautstärke der zugespielten Musik eine Rolle, sondern der Art des Monitorings. Ein Ohrstöpsel führt ja dazu, dass man seine eigene Stimme ganz anders wahrnimmt. In geringerem Ausmaß gilt das auch für unterschiedliche Kopfhörer.

Benutzt du geschlossene Kopfhörer? Dann probier' mal einen offenen aus:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kopfhörer#Varianten_von_Muschelkopfh.C3.B6rern

Wird dein Gesang dem Monitorsignal zugemischt? Dann lass das testweise weg.
 
Nun ja, dem Produzenten, der mich aufgenommen hat, fiel es natürlich auf und hat mich darauf Aufmerksam gemacht. Er ist selber ein sehr erfahrener Sänger und kennt sich sehr gut aus, wusste aber auf mein "Problem" auch keine Lösung. Wir haben mit verschiedenen Lautstärkeverhältnissen rumprobiert, aber das Endergebnis blieb das selbe: Solange ich mich nicht extrem darauf konzentriere, intoniere ich konstant leicht zu hoch. Selten im Sinne von "schief", aber doch fast immer hörbar.
Ist es denn möglich, sich sein Gehör zu "verderben"? Zum Beispiel durch jahrelanges Üben auf einem verstimmten Klavier, und die Gewohnheit, es als "richtig" zu empfinden?

edit: Auf einer anderen Seite habe ich gelesen, es käme auch auf die Persönlichkeit an, wie man intoniert, impulsive und sehr extrovertierte Typen neigen angeblich dazu, öfter mal zu hoch zu intonieren.. was da dran ist, kann ich überhaupt nicht beurteilen.
 
Ich kann mir schon vorstellen, daß man sein Gehör falsch "eicht", wenn man z.B. immer mit einem Stimmgerät stimmt, das falsch eingestellt ist (es gibt ja welche, bei denen man die Hertz einstellen kann). Aber wenn das so ist, kann man es auch wieder rückgängig machen. Das ist ja kein körperliches Problem (daß sich irgendwas an den Ohren ändern würde), sondern läge daran, daß das Gehirn die von den Ohren gelieferten Daten falsch interpretiert. Es gibt ein bekanntes Experiment, bei dem sich Wissenschaftler Brillen aufsetzten, die alles falsch herum gezeigt haben (unten ist oben, rechts ist links). Diese Brillen hatten sie permanent auf und nach einer gewissen Zeit sahen sie auf einmal völlig korrekt - das Hirn hatte sich darauf eingestellt und die Interpretation der Daten neu vorgenommen. Dasselbe wurde auch mit Brillen gemacht, die alles völlig verzerrten - selbes Ergebnis. Nachdem sie dann die Brillen wieder abnahmen, war plötzlich alles falsch herum bzw. verzerrt, aber nach einer Weile hatte sich auch das wieder korrigiert. Damit sollte gezeigt werden, daß sich das Gehirn ständig anpaßt und selbst solche elementaren Dinge nicht in Stein gemeißelt sind.
Umgekehrt gibt es das Phänomen, daß wir Laute, die wir bis zu einem bestimmten Zeitpunkt unserer Entwicklung nicht gehört haben, nicht mehr wahrnehmen können. So hören wir z.B. Laute einer fremden Sprache nicht mehr korrekt und können deshalb nie mehr wie ein Einheimischer klingen.

Aber ich weiß nicht, ob man etwas davon auf dich übertragen kann. Denn eine falsche Wahrnehmung bezöge sich ja nicht nur auf deinen Part. Du würdest ja auch deine Bandkollegen anders hören. Du schreibst, du tendierst dazu, deine Gitarre zu hoch zu stimmen. Merkst du denn, wenn sie mit den anderen Instrumenten der Band nicht übereinstimmt?

Probier doch mal auf dieser Seite ein wenig herum: KLICK - evtl. gibt das mehr Aufschluß...



p.s. zum Gehör falsch eichen noch folgender Gedanke. Selbst wenn man ein falsch gestimmtes Instrument benutzt, alles andere ist ja trotzdem mehr oder weniger korrekt. Wenn ich also zu Hause ein verstimmtes Klavier habe (das ja an sich schon eher schräg klingen täte, es wären ja nicht alle Saiten komplett und präzise 47 Cent zu hoch…), so wäre ich dennoch überall anders Instrumenten ausgesetzt, die richtig gestimmt sind. Es sei denn, man würde sich vollständig in einer Kapsel befinden, in der alles zu hoch klingt und nichts von außen eindringt :gruebel:.



p.p.s. zur Extraversion fällt mir auch noch was ein :). Auch das kann ich mir vorstellen. Extravertierte Menschen (aber z.B. auch welche, die unter Streß stehen), sind oft etwas zu laut und gehen mit zu viel Druck und Hektik an Dinge heran. Wenn man auch so singt, wäre eine zu hohe Intonation kein Wunder. Mehr Druck - mehr Luftdurchfluß - höhere Frequenz. Wenn wir einen Ton anschwellen lassen, müßte er eigentlich höher werden, aber unser Körper nimmt selbständig feinste Einstellungen vor, damit die Tonhöhe trotzdem gleich bleibt. Aber man merkt es ja z.B. daran, daß Leute, die aufgebracht sind plötzlich auch höher sprechen. Möglich wäre es also. In diesem Fall lautet mein Rat: cool bleiben :D. Aber mit dem zu hohen Stimmen der Gitarre geht das wohl nicht so recht zusammen… :gruebel:



p.p.p.p.p.p.s. :p Es wäre interessant zu wissen, ob das Problem nur Dinge betrifft, die du selbst tust oder ob dir Instrumente oder Stimmen von anderen zu tief vorkommen...
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank für den Beitrag!

Die Seite der Gehörschulung habe ich durchprobiert.. alles bestens! Ich kann über 80% der gestellen Aufgaben richtig lösen, wenn die Unterschiede nur 3-4 Cent betragen.. das ist glaube ich ganz okay. ;)

Stimmen und Instrumente von anderen kommen, wenn richtig intoniert (also z.b. auf CDs) nie zu tief vor, sondern immer goldrichtig. Da habe ich das also nicht. Auch merke ich ja nach meinen eigenen Gesangsaufnahmen sofort, wo ich zu hoch intoniert habe, wenn ich hinterher reinhöre. Ich merks nur während dem singen oft nicht - obwohl mein Gehör gut geschult ist, und ich wie gesagt 3-4 Cent Diskrepanzen ohne große Probleme raushören kann. Es ist verrückt... klingt aber dann für mich doch eher nach mangelnder Praxis und Entspanntheit beim singen selbst, nicht nach einem wirklichen "Gehörproblem".. gestresst bin ich beim singen nie, aber es mag ja sein, dass ich an sich vielleicht "übermotiviert" am Mikro stehe.

Natürlich merke ich auch sofort, wenn mein Instrument mit den anderen nicht übereinstimmt.. das ist alles kein Problem! Ich denke nur oft während dem singen, das ich optimal intoniere, höre es mir hinterher an, und bin dann teilweise bis zu ca. 30 Cent zu sharp, also über einen Achtelton und damit eigentlich sehr gut wahrnehmbar!
 
Ok, dann tippe ich einfach auf's Adrenalin - bleibt ja sonst auch nix mehr übrig :D.
Grundsätzlich solltest du dich so oft wie möglich aufnehmen, dann geht mit der Zeit die Nervosität flöten. Auch die abgebrühtesten Livemusiker machen sich zuweilen in die Hosen, wenn's rote Lämpchen brennt. Also einfach dran gewöhnen.
 
Noch ein kurzer Gedanke:

Du sprichst häufig von 'Konzentration'. Vielleicht konzentrierst du dich auf gewisse Weise zu stark und möchtest es dann besonders richtig machen, wenn du verstehst wie ich meine. ;) Als Sänger hat man oft die unterschwellige Angst zu tief zu klingen und hyperkorrigiert dann. Das könnte auch das Problem mit dem Gitarrestimmen erklären. Wenn man nach Gehör stimmt, möchte man besonders sicher sein, dass die Tonhöhe der Saiten passt und liegt dann ein paar Cent drüber. Ganz á la "Bloß nicht zu tief sein! Denn zu tief ist böööse!"

Wenn du singst und gleichzeitig Gitarre spielst, bist du wahrscheinlich eher im Song drin, weil du dich nicht zu sehr auf den technischen Aspekt konzentrierst und eben Ablenkung hast. Diese Ablenkung hilft dir vielleicht in tune zu sein.
 
Das Problem kenne ich bei meinen Aufnahmen, besonders bei meinem Gesang, seit Jahren, ohne je eine befriedigende Erklärung dafür gefunden zu haben. Die einzige Lösung ist für mich, die Lautstärke des Monitoring-Kopfhörers beim Einsingen extrem leise zu halten, so dass sich das fast schon für die eigene musikalische Gesamtwahrnehmung des Kontextes schädlich auswirkt. Tatsächlich habe ich bei genauer Untersuchung festgestellt, dass das Phänomen unabhängig von der Aufnahme besteht, meine Tonhöhenwahrnehmung wird tatsächlich höher bei steigender Lautstärke des Kopfhörers, vor allem bei geschlossenen Kopfhörern.
 
Ist ja ein 10 Jahre alter Thread, aber noch aktuell, denke ich, also:

Da kommen wir der Sache eventuell näher.

Der Schall hat zwei Wege zum Hörorgan:

- direkt von Stimmlippen/Kehlkopf über die Weichteile und den Schädel zum Innenohr = Knochenleitung

- über die Luft Stimmlippen-Mund-Aussenluft-Trommelfell = Luftleitung

Man selber hört aus diesem Grund seine eigene Stimme anders als die Umstehenden, da man eine Mischung aus Knochen- und Luftleitung hört. Man kann die Knochenleitung gut hören, wenn man sich mit dem Finger beide Ohren gut zuhält und dann spricht oder singt.

Interessant ist das, was @Melody Doc sagte: Wenn er im Kopfhörer seine Stimme ganz leise stellt, intoniert er besser. Denn er hört dann in erster Linie den Knochenschall und das hilft ihm offensichtlich.

Man sieht Sänger häufig ein Ohr zuhalten, wenn es zu laut ist, um besser intonieren zu können. Dann wird der Lärm weniger und es überwiegt der Knochenschall.

Ich würde deshalb mal folgendes probieren:

- zu per Box zugespielter Musik ohne Kopfhörer singen und das aufnehmen

- mit offenem Kopfhörer singen (lässt mehr Raum für den Knochenschall)

- im Monitormix Gesamtlautstärke und Lautstärke Deiner Stimme so weit reduzieren, dass Du Deine Stimme auch über die Knochenleitung hörst (die ist dumpfer)

Wenn Du dann immer noch zu hoch singst, ist es wohl Nervosität oder etwas anderes Psychoakustisches. Wenn nicht, brauchst Du mehr Knochenleitung, da können angepasste Inears helfen, die den Aussenschall gut isolieren und die Knochenleitung betonen (wie Ohrstöpsel).

Letzen Endes kannst Du das aber auch trainieren. Das Gehirn ist sehr plastisch und wird das schon schaffen 😎

PS: Ist der Threadersteller denn zu einem Ergebnis gekommen? Wäre ja ganz interessant zu erfahren!
 

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