Warum performen manche gut ausgebildeten Sängerinnen und Sänger trotzdem nicht verlässlich?

  • Ersteller StefVoc
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Wir sollten schon unterscheiden, ob es um Live oder Probe oder Studio Sessions geht. Wenn es um die Live-Situation geht - und ich mache das seit über 40 Jahren - kann und darf weder der Gesundheits- noch der Gemütszustand einen zu großen Einfluss auf die Performance haben. Sicher, wenn's einen völlig umgehauen hat, hilft es wohl nichts, dann muss entweder ein Ersatzmusiker her oder der Gig wird abgesagt. Ist mir in all den Jahrzehnten genau zweimal vorgekommen, und ich bin regelmäßig unterwegs. Man sollte sein Stimm-Instrument kennen, wissen, was man ihm zutrauen kann, und wie man es auch angeschlagen noch einsetzen kann. Mach ich nicht, wenn es nicht sein muss, also Proben oder Spaßmucken werden abgesagt, aber Verträge müssen nun mal eingehalten werden. Studio-Sessions kann man ggf. auch verschieben. Was meine Gemütslage angeht, ist Musik eher das, was mich Probleme, schlechte Laune oder Streitereien eher vergessen lässt. Immerhin ist Musik für mich meine Work-Life-Balance, lässt mich abschalten, und das Adrenalin ist eher eine Medizin, die mich wieder aufleben lässt. Ansonsten hätte ich schon vor über 20 Jahren damit aufgehört.

Wenn also jemand - wie im Eingangs-Thread geschrieben - jemand nur inkonsequent performt, sollte man ihn oder er sich selber fragen, ob das sein richtiger Job ist, oder vielleicht auch nur die falsche Band. Music is passion - nichts, wozu man genötigt wird...
 
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Mich interessiert nur, ob Menschsein automatisch Kontrollverlust bedeuten muss.
Nein, Mensch bzw. Sänger sein bedeutet vor allem, lernfähig zu sein und überhaupt Kontrolle über die Stimme erlangen zu können.

Dass dann nicht immer 100% dieser erlernten Kontrolle abrufbar sind, sollte selbstverständlich sein. Bei keiner täglichen Tätigkeit haben wir 100% Kontrolle, immer rechnen wir damit, dass es schon klappen wird und dass Fehler nicht so bedeutend sein werden. Gestern abend war ich in Köln, da gilt das Rheinische Grundgesetz, das das gut in Worte fasst. Wer fährt 100% ohne Kontrollverlust Auto? Arbeitet fehlerfrei mit Messer und Gabel auf dem Teller? Wählt seine Worte perfekt? Trifft Klaviertasten? Keiner. Ebenso singt niemand immer mit maximal perfekter Kontrolle.

Allerdings kann man natürlich die Stimmkontrolle sehr sehr weit perfektionieren. Wenn du mit Sängern arbeitest, bei denen du Kontrollmangel empfindest, arbeite mit Sängern, die hauptberuflich nichts anderes machen. Profis üben im Idealfall stetig daran, ihre Gesangstechnik zu perfektionieren und zu kontrollieren. Da wirst du das menschlich maximal machbare an Kontrolle erleben. Dann musst du selbst bei deiner Tätigkeit natürlich auf dem gleichen Level sein, wenn eine Zusammenarbeit funktionieren soll.
 
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ein gewisser Kontrollverlust akzeptiert wird.

Von Kontrollverlust hat bislang niemand gesprochen, lediglich von leicht variierenden Tagesformen. Unter Kontrollverlust verstehe ich sowas wie bei Whitney Houston bei ihrem Comeback-Versuch, als sie ihr die hohen Töne schlicht und einfach wegbrachen. Oder Amy Whinehouse, die manchmal nur noch vor sich hinlallte. Das sind aber Ausnahmen, bedingt durch massiven Alkohol- und Drogenmissbrauch.

Wäre an deiner Theorie oder Beobachtung irgendetwas Allgemeingültiges dran, würde es kaum gelungene Konzerte geben. Ich tippe einfach drauf, dass die SängerInnen, mit du sowas erlebt hast, eben doch nicht so routiniert waren, wie es den Anschein hatte.

gesangstechnisch gut ausgebildet sind und viel Erfahrung haben

Eine gute Ausbildung ist kein Garant für Stressresistenz. Ausbildungen/Studium spiegeln nur selten den Berufsalltag wider. Erfahrung und Routine helfen schon eher.

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Und noch 'ne Nachfrage.


Bist du sicher, den richtigen Begriff gewählt zu haben? Meintest du vielleicht eher "inkonstistent"?

"Inkonsequent" würde ich es nennen, wenn sich der Sänger estmal rantastet und rumprobiert, sich nicht entscheiden kann. Also noch "auf der Suche" nach der bestmöglichen Interpretation ist.

"Inkonsistent" wäre, wenn die Performance unbeständig wäre, also jedes Mal völlig anders. Bei der Probe noch gegrölt, beim Gig dann nur gesäuselt.

Was verstehst du unter einer "inkonsequenten Performance".

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Ich glaube, wir sprechen über unterschiedliche Ebenen.

Mir geht es nicht um Totalausfälle oder Extremfälle, sondern um den Bereich dazwischen:
Situationen, in denen grundsätzlich alles vorhanden ist (Technik, Erfahrung, Routine) und dennoch unter Druck nicht das abrufbar ist, was vorher da war.
Ob man das nun inkonsistent, instabil oder anders bezeichnet, ist für mich zweitrangig. Mich interessiert ausschließlich die Frage, ob und wie Abrufbarkeit gezielt trainierbar ist, statt sie als unvermeidliche Schwankung hinzunehmen.

Genau das wollte ich zur Diskussion stellen.
 
Mich interessiert ausschließlich die Frage, ob und wie Abrufbarkeit gezielt trainierbar ist

Die Frage habe ich hier noch nicht gelesen.

Routine Bzw. Abrufbarkeit ist nach meiner Auffassung nicht gezielt trainierbar, die kommt einfach. Aber viel Praxis und Training können sich natürlich positiv auf die Routine auswirken.

Situationen, in denen grundsätzlich alles vorhanden ist (Technik, Erfahrung, Routine) und dennoch unter Druck nicht das abrufbar ist, was vorher da war.

Wenn das alles wirklich in ausreichendem Maße vorhanden ist, kann sowas eigentlich nicht passieren. Ich würde sogar behaupten, dass ein gewisser Adrenalinschub sich eher günstig auf die Performance auswirkt. Bilde ich mir auf mich selbst bezogen zumindest ein. Meine Performance leidet eher, wenn ich mir "zu sicher" bin.

Darf ich fragen, ob du diese Problematik bei dir selbst beobachtet hast oder bei anderen schon so häufig, dass es empirische Relevanz hat? Dieser Thread lässt vermuten, dass du dich ja ganz gut auskennst mit Sängerproblemen.

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Ich verstehe deinen Punkt, und genau dort liegt für mich die spannende Trennlinie.

Mir geht es nicht darum, Routine oder Technik infrage zu stellen. Im Gegenteil: Ich setze beides voraus.

Meine Beobachtung (sowohl bei mir selbst als auch bei anderen Stimmen in anspruchsvollen Kontexten) ist, dass selbst bei hoher Routine unter Druck unterschiedliche Zugriffstiefen auftreten können. Nicht als Totalausfall, sondern als feine Verschiebung von Kontrolle, Präsenz oder Timing.

Dass Adrenalin oft leistungssteigernd wirkt, sehe ich genauso. Interessant wird es für mich dort, wo derselbe Sänger in vergleichbaren Situationen trotz gleicher Vorbereitung nicht immer auf denselben inneren Zustand zugreifen kann, obwohl die äußeren Bedingungen vergleichbar sind.

Ob man das empirisch nennen möchte oder nicht, sei dahingestellt. Mich interessiert weniger die Begrifflichkeit als die Frage, ob genau dieser Zugriff bewusster steuerbar gemacht werden kann, statt ihn ausschließlich der Routine zu überlassen.

Das ist für mich kein Widerspruch zu guter Ausbildung, sondern eine Ergänzung auf einer anderen Ebene der Arbeit.
 
Im Sport redet man ja gerne von "Trainingsweltmeistern", wenn jemand sein grundsätzliches Potential nicht im Wettkampf abrufen kann.

Unter ausgebildeten Musikern sind es meiner Erfahrung nach eher selten "Totalaussetzer" im Sinne falscher Töne und vergessenen Passagen sondern meist eine unterschiedlich intensive Performance; beim Live-Gesang würde ich auch die Bühnenperformance mit in den Aspekt "Ausbildung" involvieren, da habe ich bei ein und demselben Sänger bereits massive qualitative Unterschiede erlebt.
 
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demselben Sänger bereits massive qualitative Unterschiede erlebt.

Ich habe das auch schon bei Drummern erlebt. Vielleicht ist es ohnhin nicht ganz fair, diese Eigenschaft auf SängerInnen zu reduzieren. Bei denen merkt man es nur eher.


ob genau dieser Zugriff bewusster steuerbar gemacht werden kann

Ich bin der Meinung, dass jeder Sänger genau das kann und tut. Nur, dass du den Maßstab an der falschen Stelle ansetzt. Ein Sänger (oder überhaupt Musiker) ist immer nur so gut wie an seinem schlechtesten Tag unter schlechtesten Bedingungen – nicht umgekehrt. Und auch an diesem schlechtesten Tag ist er in der Lage, bewusst auf sein (wahres) Können zuzugreifen, es zu steuern. Wenn es an anderen Tagen besser klappt, dann ist das nicht der Normalzustand, sondern ein kleines Sahnehäubchen obendrauf. Ein Glücksfall sozusagen.

Bezogen auf dein Beispiel hieße das: Wenn "deine" SängerInnen unter Druck bei einem Gig/im Studio schlechter (oder instabiler/inkonsequenter) performen als zum Beispiel bei der letzten Probe, dann ist der Gig/das Studio die Referenz, nicht de Probe. Wie sie beim Gig performen, auch bei widrigen Umständen, entspricht dem, was sie bewusst steuern und worauf sie verlässlich zugreifen können.


obwohl die äußeren Bedingungen vergleichbar sind.

Es sind eben nur die äußeren Bedingungen.

Zum Beispiel bei einer längeren Tournee. Der eine Künstler ist am Anfang einer Tour vielleicht noch sehr motiviert und euphorisch. Diese Euphorie kann natürlich nachlassen, wenn man jeden Tag in eine andere Stadt gurkt, wenig schläft und auch langsam die Kräfte an einem zehren. Der andere dreht vielleicht erst am Ende der Tour richtig auf, weil vieles von ihm abfällt. Noch einmal richtig die Sau rauslassen und morgen endlich wieder zuhause sein.

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Unter ausgebildeten Musikern sind es meiner Erfahrung nach eher selten "Totalaussetzer" im Sinne falscher Töne und vergessenen Passagen sondern meist eine unterschiedlich intensive Performance; beim Live-Gesang würde ich auch die Bühnenperformance mit in den Aspekt "Ausbildung" involvieren, da habe ich bei ein und demselben Sänger bereits massive qualitative Unterschiede erlebt.
Von welchem Stand an „Ausbildung“ sprichst du da eigentlich? Ohne Präzisierung ist das wenig aussagekräftig.

Zwischen z.B. „früher mal 5 Gesangsstunden gehabt“ und „nach abgeschlossenem Opern-/Musical-/Heavy-Metal-Studium seit 30 Jahren erfolgreich auf der Bühne“ liegen ja nun mal Welten.
 
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Von welchem Stand an „Ausbildung“ sprichst du da eigentlich? Ohne Präzisierung ist das wenig aussagekräftig.

Zwischen z.B. „früher mal 5 Gesangsstunden gehabt“ und „nach abgeschlossenem Opern-/Musical-/Heavy-Metal-Studium seit 30 Jahren erfolgreich auf der Bühne“ liegen ja nun mal Welten.

Ich meine damit langjährig erfahrene Musiker, üblicherweise mit mehrjährigem Unterricht, die dadurch in der Lage sind, ihr Instrument technisch solide zu beherrschen (was nicht Berufsmusiker oder Musikhochschulabschluss meint).
Wer diesen Stand und Bühnenerfahrung hat, ist mir wirklich äußerst selten mit groben Schnitzern aufgefallen. Dass eine Performance in ihrer Intensität variiert, halte ich für normal.

Als Hobbysänger (= mal einige Gesangsstunden und theoretische Beschäftigung gehabt) passiert es mir selber eher, dass ich nicht ausreichend im Training bin oder technisch unsauber, so dass nach mehreren Proben und Auftritten
die Stimme mitunter Qualität einbüßt (verliert Druck, Distortion verlässt mich oder kommt ungeplant hinzu :D). Ich würde mich aber auch nicht als ausgebildet bezeichnen, trotz Bühnenerfahrung.

@antipasti
Tatsächlich ist mir das bei Pianisten, mein "Hauptfach" und der Bereich, den ich am besten kenne, am meisten aufgefallen.
Die Zuspitzung auf Sänger ist tatsächlich nicht fair.
 
Bryan Adams erzählte im Interview, dass es "ständig" (Zuspitzung) passiere, dass er Aussetzer habe. Er probiere das dann zu überspielen. Who cares! Wen stört das eigentlich im Live-Zusammenhang?

Ist Improvisation nicht ein wichtiges Element von Live-Events? Trotzdem ist ein perfektionistischer Musiker denkbar, der genau das spielt was in den Noten steht, wenn da ein Fliegenschiss steht wird der auch mitgespielt. Solche Leute haben oder bekommen dann aber ganz andere Probleme im Leben.

Und es gibt in einem Notenssatz die Anmerkung: "Ignore conductor!"
Ist das nicht alles herrlich? In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Musik, sie ist nämlich auch ein soziolgisches Phänomen und schert sich wenig um Befindlichkeiten einer wie auch immer gearteten "Musiker-Polizei".

Oder umgekehrt, wir haben sogar damit zu leben dass es Leuten wie Bob Dylan völlig egal ist, wie irgendetwas rezipiert wird. Wenn er einen schlechten (aus unserer Sicht) Tag hat, geht er grußlos auf die Bühne und zerschreddert seine Songs bis zur Unkenntlichkeit.

Erwartungen zu brechen gehört bei ihm ggf. zur Kunst dazu.

Ihm nehme ich das zumindest eher ab, als irgendwelchen Theater-Regisseur-Schockern, die die Schauspieler 20 x f****n auf der Bühne rufen lassen.
Wenn Bob Dylan gefragt wird, wann er mal wieder einen Protestsong schreibt, antwortet er: "Alle meine Songs sind Protestsongs"

Ein anderes mal sagt er, er schreibe keine Protestsongs (mehr).

Und Chuck Norris bekommt bei Praktiker auch 20% auf Tiernahrung.

Vielleicht muss man auch trennen, reden wir von Musik als Kunstform oder als Entertainment?

Wichtiger Satz von Frank Zappa: "A lot of people hate music, but they love entertainment."

Aber der Auftritt einer Taylor Swift ist zwar einerseits perfekt durchchoreografiert, zum anderen beherrscht sie das Handwerk des Songwritungs und Singens.

Würde ich trotzdem nie hingehen.

Gleichzeitig verstehe ich, warum ihr so viele huldigen. So lange dieses Fan-Tum ein verzeihliches Hobby bleibt und nicht übergriffig wird und mich in der U-Bahn nervt ist alles noch ok.
 
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Diese sogenannten Black Outs sind eigentlich auch keine Fehlleistungen, sondern ein Mechanismus, der sich durch die Evolution entwickelt hat. In den Zeiten akuter Lebensbedrohung (aka Stress Situation), war es günstig, das bewusste Denken auszuschalten und nur noch Fluchtbewegung zu ermöglichen. Das hält bis heute noch an und Rotlicht/Aufnahme, Lampenfieber reichen, immer noch aus, um diese Denkblockaden auszulösen. Da das ein Reflex ist, lässt der sich auch nicht wegtrainieren. So lange man eine Situation als Stress oder gar bedrohlich wahrnimmt besteht die Gefahr, dass dieser Reflex ausgelöst wird. Das ist auch individuell unterschiedlich ausgeprägt.
 
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Danke euch für die vielen Antworten.
Spannend finde ich, dass sich fast alles um Tagesform, Menschsein, Fragilität, Erfahrung und Situation dreht.

Das klingt schlüssig und gleichzeitig auch ein bisschen ernüchternd.

Wenn man das so zusammennimmt, wirkt es fast so, als wäre es normal geworden, dass genau dann, wenn es darauf ankommt, ein gewisser Kontrollverlust akzeptiert wird.

Mich beschäftigt gerade eher eine andere Frage:
Muss das wirklich so sein oder haben wir uns einfach daran gewöhnt, dass es dafür keine Lösung gibt?

Kein Vorwurf, ehrliches Interesse.
Ich bin, wenn man so will, eine ehemalige Sängerin. Leider ist meine Stimme nicht mehr das, was sie mal war. Und wird es wohl auch nie wieder werden. Das Alter halt ... Aber ich kann nur eins sagen: Leute, die ein Instrument spielen, haben keine Ahnung, was Singen bedeutet. Deine Stimme sitzt direkt in deinem Körper, ist nicht extern. Ein Klavier kann man, wenn man will und selbst so lange durchhält, 24 Stunden am Stück bearbeiten, aber eine Stimme hält das nicht aus. Das geht gar nicht. Schlage ich eine Klaviertaste an und fühle mich dabei traurig oder kaputt, kommt der Ton trotzdem raus. Will ich den Ton singen, kommt er jedes Mal anders raus, je nach körperlicher Verfassung.

Wahrscheinlich geht es hier nicht um Opernsängerinnen, sondern um Sängerinnen in anderen Genres, aber ich erinnere mich daran, wie Maria Callas jedes Mal "Launenhaftigkeit" vorgeworfen wurde, wenn sie eine Vorstellung abgesagt hat. Aber jeder hat von ihr erwartet, dass sie überall, unter allen Umständen und zu jeder Zeit ein hohes C hinlegen kann. Sie selbst wusste, dass das an diesem Abend nicht möglich war, und hat abgesagt. Das ist keine Launenhaftigkeit, das ist eine realistische Einschätzung der Situation. Wenn ein Pianist ankommt und der Flügel liegt in Trümmern vor ihm, wie soll er dann spielen? Das geht einfach nicht. Wenn die Stimme in Trümmern vor mir - bzw. in mir - liegt, kann ich nicht singen. Das ist einfach so.

Die Stimme ist viel empfindlicher, als viele sich das vorstellen. Da können Kleinigkeiten einen Einfluss haben, die auf Instrumente keinen Einfluss haben.
 
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Wenn ein Pianist ankommt und der Flügel liegt in Trümmern vor ihm, wie soll er dann spielen? Das geht einfach nicht.
Ich weiß was du sagen willst, aber die Anekdote zu „The Köln Concert“ sagt etwas anderes. Angeblich hat Keith Jarett die Defekte des vorgefundenen Flügels, nach anfänglicher Ablehnung, bewusst als Stilmittel in sein Spiel eingebaut…
 
Die Stimme ist viel empfindlicher, als viele sich das vorstellen. Da können Kleinigkeiten einen Einfluss haben, die auf Instrumente keinen Einfluss haben.
That's exactly the point.
Atem-gebundene Instrumente mal ausgenommen; bei Querflöten spielt z.B. die körperliche (inkl. Psyche) Verfassung auch eine große Rolle.
Angeblich hat Keith Jarett die Defekte des vorgefundenen Flügels, nach anfänglicher Ablehnung, bewusst als Stilmittel in sein Spiel eingebaut…
Well - bei Mozart und Konsorten dürfe es eher eng werden...
 
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Die Stimme ist viel empfindlicher, als viele sich das vorstellen. Da können Kleinigkeiten einen Einfluss haben, die auf Instrumente keinen Einfluss haben.
Das ist mir, ehrlich gesagt, zu pauschal. Du differenzierst da ja gar nicht nach verschiedenen Instrumenten, dabei liegen da Welten zwischen den Instrumentenfamilien.
Auch Sänger können sich manchmal nicht vorstellen, wie sensibel z.B. Blechbläser für äußere Einflüsse sind. Wenn man an Blechblasinstrumente mit dem gleichen Anspruch wie bei Gesang rangeht, sind auch die Auswirkungen von äußeren Einflüssen sehr vergleichbar - eben weil der eigene Körper die Schwingungen produziert und kein externes Instrument.
 
Ein Klavier kann man, wenn man will und selbst so lange durchhält, 24 Stunden am Stück bearbeiten, aber eine Stimme hält das nicht aus.

Wahrscheinlich geht es hier nicht um Opernsängerinnen, sondern um Sängerinnen in anderen Genres, aber ich erinnere mich daran, wie Maria Callas jedes Mal "Launenhaftigkeit" vorgeworfen wurde, wenn sie eine Vorstellung abgesagt hat.

Ich sehe hier klar deinen Punkt und hatte ja selbst schon auf den Unterschied „Organ“ und Werkzeug/Maschine hingewiesen.

Allerdings beginnt mit Erfahrung und Professionalität dann auch ein entsprechender Umgang und Planung mit dieser unvermeidbaren Fragilität.
Kein Sänger sollte länger singen als er kann! Da sind dann Pausen einzuplanen, oder andere Entlastungen.
… und sorry, wenn eine Opern Diva es nicht (mehr) zuverlässig gerillt bekommt, alle notwendigen Töne zu singen, dann ist es vielleicht an der Zeit, die Bühnenkarriere an den Nagel zu hängen. Das Showgeschäft ist da hart. Man muss leider abliefern und ist dafür verantwortlich das innerhalb der akzeptabler Toleranzen hinzubekommen.
 
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... Wenn man das so zusammennimmt, wirkt es fast so, als wäre es normal geworden, dass genau dann, wenn es darauf ankommt, ein gewisser Kontrollverlust akzeptiert wird...

Du kannst die Live-Situation noch so gut vorbereiten, es passiert fast immer etwas, das Du nicht vorhersehen oder einplanen konntest. Mit der Erfahrung wird sowas natürlich immer weniger. Daher stimme ich zu, es gibt für die Musiker, Sängerinnen, aber auch für mich als Tontechniker fast immer einen gewissen Kontrollverlust. Ich bin eigentlich immer über-präpariert und kann das in den meisten Fällen gut genug kompensieren, aber letzten Sommer gab es eine fehlerhafte Stromversorgung in einer Halle (genauer gesagt war es ein Verlängerungskabel für Starkstrom, welches falsch verdrahtet war, so dass aus dem Verteiler z.T. 400 V rausgekommen sind statt der erwarteten 230 V) - damals gingen ein paar Kleingeräte in Rauch auf, jetzt habe ich immer Spannungsprüfer und Steckdosentester dabei, damit mir das nicht nochmal passiert.

Ein ehemaliger Gitarrist von mir (jetzt als Musiker) war im Proberaum und bei Aufnahmen einfach großartig. Der fidelte damals das Solo von Van Halens "Jump" ein, was nun wirklich nicht leicht ist. Aber live hatte der immer so ein Lampenfieber, dass er auf der Gitarre kaum einen graden Ton rausbrachte. Ich habe selten solche Fälle von Lampenfieber erlebt. Ich bin ein bei weitem schlechterer Instrumentalist, habe aber vor Publikum immer noch 99% Leistung abgeliefert. Dieses Genie ist auf vielleicht 25% Leistungsfähigkeit eingebrochen.

Profis unter den Instrumentalisten (und ich vermute, bei Gesangsprofis dürfte das ganz ähnlich sein) üben und proben so lange, bis sie ihr Repertoire auf 70% ihrer Leistungsfähigkeit immer noch perfekt abliefern können. Einfach, um dem erwarteten Kontrollverlust oder einer schwachen Tagesform vorzubeugen. Amateure üben so lange, bis sie ihre Songs spielen können. Profis üben so lange, bis sie sich nicht mehr verspielen können. Großer Unterschied.
 

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