@andi:
Das ist ja gerade der Knackpunkt. Nur realistische Sounds können mE gut klingen, alles andere wird unauthentisch.
Beim Equalizing kommt es mE darauf an, was man mit dem EQ macht. Ich habe ja schon geschrieben, daß EQ nicht Selbstzweck ist, sondern bei akustisch schlechten Bedingungen dazu dient, den Sound so zu biegen, daß er im Ohr des Zuschauers so klingt, wie er eigentlich sein sollte. Allerdings habe ich es auch schon erlebt, daß man Flügel auf der Bühne so dünn und spitz gemacht hat, daß ich nur gedacht hab: "Igitt, das ist ja ein lausiges Keyboard!" Also: mäßig anpassen, nicht übertreiben.
Bewußtes Verfremden von Natursounds, also z.B. einen Klavierklang durch ein Effektgerät zu jagen, kann übrigens bei avantgardistisch oder sonstwie experimentell angehauchter Musik sehr cool klingen - aber ich halte nichts davon, auf einem Stagepiano Anpassungsschritte vorzunehmen, die auf einem echten Klavier nicht möglich wären. Das ist mE Schummelei und kann schnell unauthentisch klingen.
@toeti:
Ok, dann nehmen wir doch mal das naheliegende Beispiel, das Klavier. Wer auf der Bühne Klavier spielt, fragt sich nicht, ob sein Steinway sich prinzipiell im Klanggewitter der Band durchsetzen kann, sondern nur ob es ordentlich abgemischt ist (daß 99 % der Tontechniker die Tasteninstrumente zu leise abmischen, ist eine andere Geschichte).
Vielleicht ist es auch etwas speziell SP-spezifisches: Ich habe bisher bei zwei Gigs mit unserer Band auf einem Klavier gespielt. Abgesehen, daß ich einfach zu leise war (bzw. der Drummer zu laut... zur Abwechslung mal wieder

), hatte ich rein klanglich überhaupt keine Probleme, mich durchzusetzen. Ganz anders auf den restlichen Gigs mit meinen P120, wo ich Anpassungsschritt zu Anpassungsschritt vorgenommen hab (an der Brilliance gedreht, Touch Sensitivity geändert), damit ich mich irgendwie vernünftig anhöre.
Vielleicht liegt tatsächlich der Schluß nahe, daß Stagepianos auf Bühnen keine Klaviere erreichen können. Vielleicht müßten sie konzeptuell eher in die Nähe der Keyboards gerückt werden. Das zeigt allein der Umstand, daß ich ganz anders spiele auf Klavier und auf SP: auf dem Klavier bin ich immer sehr jazzig: vielschichtige, komplexe Akkorde, ausgefallene Skalen. Auf dem SP wäre ich das auch sehr gerne, aber es hört sich da irgendwie kacke an. Und so werden aus meinen Akkordflächen oft nur noch simple Drei- oder Vierklänge, die Soli bestehen fast nur noch aus Bluespentatoniken und enden auf dem Grundton. Komisch. Manchmal frage ich, ob das bei Stagepianos prinzipiell technisch bedingt ist, oder ob mein P120 einfach schlecht ist. :screwy:
Vielleicht klingen SPs und Keyboards anders als Klaviere über Monitore und PA-Speaker bei hoher Lautstärke einfach sehr dröhnig und inviduell, daß man da lieber den etwas älteren, dünneren, aber zurückhaltenden Sound nimmt, damit's wiederum klingt. Für mich als Pianisten sind das eine fremde Welt und fremde Sitten.

Oder mein P120 ist doch einfach schlecht. *g*
Ich frage mich, wie das bei reinsten, ursprünglichsten und von mir geschätztesten Ideal aller Bandmusik (sorry, diese philosophischen Übertreibungen müssen einfach sein

), dem Jazz ist. Ich sehe da sehr selten, eigentlich sogar gar nicht die Leute ein SP spielen. Aber mich würde mal interessieren: wie wäre das, wenn man da mal in mäßiger Lautstärke ein S90ES oder RD700SX, die ja vom Kopfhörer-Klang sehr nah an dem typischen "Jazzpiano"-Klang sind, hinstellt und spielt - kann man da problemlos den vollen Realismus und Klavier-Spielweise fahren oder muß man da auch wieder schrauben und anpassen ohne Ende, um sich klanglich "durchzusetzen"?
Ich vermute, ersteres. Ist also letztlich die Gesamtlautstärke die kritische Größe, die "schuld" daran ist, daß man ein SP/88er-Synthie nicht wie ein Klavier spielen und klingen lassen kann? Wenn ja, wieso klingt dann ein angenommenes Klavier bei hoher Lautstärke trotzdem gut? (Sogar in der Rockmusik - Ton, Steine, Scherben haben's vorgemacht)
Deine Definition mit "differenzierbar" finde ich übrigens sehr gut. Mir fällt gerade bei akustischer, reiner unplugged-Musik wie eben genanntem Jazz auf, daß da alles differenzierbar und fein raushörbar ist.