Was bringt mir die Theorie

  • Ersteller Heinrich III.
  • Erstellt am
Kommt AFAIK daher, dass die Harmonielehre typischerweise am vierstimmigen Satz demonstriert und gelehrt wird (für Interessiert: im ZDF-Theaterkanel läuft diesen Montag gerade eine Sendung über Palestrina:). Wenn du hier zwei Stimmen in Oktav- und/oder Quintparallelen führst, dann bleibt den beiden verbleibenden Stimmen nicht mehr viel Unabhängigkeit.
Natürlich haben immer Komponisten in vielstimmigen Sätzen Stimmen z.T. parallel geführt, z.B. als Klangfärbung.

Gut ist hier ein Theoriebuch, das historisch arbeitet (de la Motte z.B.).


Ich hatte ja meinen Senf schon dazugegeben und wollte eigentlich nicht mehr, aber ich finde die Diskussion auch bemerkenswert. Und zwar, weil wir hier im Akkustikgitarren Forum sind.
Mir fällt auf, daß viele Argumente hier nicht "Gitarristisch" sind. Deines ist das Beste Beispiel. Inhaltlich Richtig, Tangiert mich aber als Gitarrist gar nicht.
Wir Gitarristen spielen relativ selten nach den Regeln des Vierstimmigen Tonsatzes. Aber wir spielen realtiv häufig Zweiklänge. ZB. als Double Stops im Blues, oder auch bei Fingerstyle Sachen, oder beim Solo über dem Rockriff.

Und wenn dann mein Lehrer meint, man darf keine Oktaven verschieben weil sonst im Vierstimmigen Tonsatz die Unabhängigkeitder verbleibenden Stimmen eingeschränkt wird... Hä?!
Das ist für mich doch genau so wenig ein Argument, wie der Hinweis, daß das da und da geschrieben steht!
Ich stehe also als Gitarrist quasi vor der Entscheidung entweder brav zu tun was man mir sagt, ohne wirklich verstanden zu haben WARUM, -oder das Instrument zu wechseln.

Beides empfinde ich als höchst unbefriedigend!

Das juckt micht jetzt. Ich stelle mal eine Preisfrage:

Gefordert ist eine zweistimmige Passage auf der Gitarre. Warum dürfen darin keine Oktaven verschoben werden?
 
Zuletzt bearbeitet:
ich bin ebenfalls der meinung das die theorie sehr wichtig. dummerweise muss ich aber eingestehen das ich selber gerade mal noten lesen kann (mehr oder weniger) und die intervalle drauf habe. ich möchte mich gerne autodidaktisch weiterbilden.

gibt es eine gute lektüre die man mir zum thema musiktheorie/harmonielehre empfehlen kann? eben etwas für fast blutige anfänger in dem gebiet was ggf. auf gitarre "ausgerichtet" ist, dennoch allgemein ist. hat jemand ein buch was gut verständlich ist und was einem nachhaltig hilft?

dank dem thread bin ich (endlich) motiviert genug mich mit dem thema aktiv auseinander zu setzen. es kann mir nur helfen! :)

besten dank im voraus für jeden tip!


mfg
Markus :great:
 
Jetzt wird's langsam richtig interessant...:gruebel:

Angefangen hat's ja mit der Frage, was denn Theorie "bringt".:confused:
Ein paar Seiten und Antworten später tauchen dann die "Das darf man nicht, die Theorie läßt's nicht zu" - Aussagen auf.:eek:

Meiner Meinung nach schadet die Theorie nicht, sie hilft. Wenn man sich ein bischen auskennt kann man ja auch mal gezielt gegen die theoretischen "Do's und Don'ts" verstoßen und sich das Ergebnis anhören. Dann hat man auch wieder was gelernt.
Wenn's dann gut oder interessant klingt oder einen gewünschten Spannungseffekt hat, dann dabei bleiben.
"Verstöße" gegen Musiktheorie(n) sind ja nicht Bestandteil des Strafgesetzbuches.

Bin mal gespannt, was noch so an Diskussion läuft.

Grüezi ;)
 
Und wenn dann mein Lehrer meint, man darf keine Oktaven verschieben weil sonst im Vierstimmigen Tonsatz die Unabhängigkeitder verbleibenden Stimmen eingeschränkt wird... Hä?!

Wenn vier Stimmen in einem Stück auftauchen, hast Du einerseits einen Mehrklang - also eigentlich einen Akkord. Andererseits bis zu vier unterschiedliche Melodielinien, die übereinander laufen.

Ein vierstimmiger Satz ist in der Regel so aufgebaut, dass vom Spektrum ganz tief - "Bass"- bis ganz hoch - "Sopran" - die einzelnen Tonhöhen gut ausgewogen sind und gut zusammenklingen.

Die Aussage "Du darfst nicht" kannst Du so verstehen wie "Wenn Du die Oktave änderst, änderst Du damit die Charakteristik des Stücks". Im Extremfall wird der Bass dadurch zur Sopranstimme. Das klingt natürlich anders. Das wäre noch akzeptabel, aber wenn plötzlich zwei Leadstimmen in selber Tonlage entstehen, ist das sehr wahrscheinlich chaotisch zum zuhören. Als ob sich die beiden Stimmen duellieren.

Wenn andererseits jede Tonlage einen anderen Ton singt/spielt - also es wie ein Akkord klingt - dann veränderst Du durch das Oktavieren die Umkehrung dieses Akkordes (in Analogie zum Klavier).
 
Tangiert mich aber als Gitarrist gar nicht.
Wir Gitarristen spielen relativ selten nach den Regeln des Vierstimmigen Tonsatzes. Aber wir spielen realtiv häufig Zweiklänge. ZB. als Double Stops im Blues, oder auch bei Fingerstyle Sachen, oder beim Solo über dem Rockriff.

Gitarristentypisch ist, zu meinen, Soli wären das einzige was zählt.... ;)

Tatsächlich besteht aber 90% dessen, was man als Gitarrist macht aus Rhythmusarbeit und Harmoniebegleitung für den Gesang. Das erfordert Absprachen mit z.B dem Keyboarder (braucht keiner, aber es gibt ja Bands, die einen adoptiert haben), dem Bassmann und sogar dem Drummer (das ist der, der bis vier zählen kann und das zweimal hintereinander).

Insbesondere in der Absprache mit dem Bassmann wird man sich plötzlich wundern, was alles möglich ist, wenn man eine Vorstellung davon hat, welchen Ton /Töne dieser Vierklänge er übernimmt und welche man als Gitarrist spielt. Der Gesamtsound der Band wird wesentlich fetter und gleichzeitig transparenter.

Gerade E-Gitarre ist in erster Linie ein Ensembleinstrument. "Ensemblespiel" zieht die Notwendigkeit eines Arrangements nach sich. Und (brauchbare!) Arrangements sind mit Theoriekenntnissen nun mal schneller und wesentlich vielfältiger zu erstellen als ohne.

Man kommt dann auch auf Sachen, die man intuitiv vielleicht anders oder gar nicht hingekriegt hätte. Auch das erweitert den Horizont.

Ich persönlich neige dazu, im Zusammenspiel mit zwei Gitarren meinem Kollegen weitgehend auszuweichen, bzw. ergänzende Voicings zu spielen, um den Bandsound breiter und fetter zu machen. Das klappt nur, wenn man einigermassen weiss, was bei ihm grad passiert.

Insofern kannst du die Aussage "Mehrstimmigkeit interessiert mich als Gitarristen nicht, weil ich im Solo eh höchstens Doublestops spiele" komplett in die Tonne treten, sobald du einen Übungsraum betritts, in dem Musiker auf dich warten - und nicht ein Mp3-Player mit Jamtracks. Und: schon mal einen Countrygitarristen beim Solieren gehört? Die arbeiten mit Sexten und Dreiklangbendings und wechseln im Regelfall die verwendete Tonleiter entsprechend der unterlegten Akkorde. Das geht dann (stilgerecht) nicht mal mehr zu einem Jamtrack ohne zumindest Grundkenntnisse der Harmonielehre.

Wenn man Harmonielehre draufhat und in der Praxis erproben will, kann ein Looper übrigens ein wahrer Genuss sein. :).


Und was die Oktavverschiebung angeht: Frag mal Wes Montgomery ;)
Das sind Regeln, die für das Arrangement oder die Komposition "klassischer" Musik angewendet werden. Für Populärmusik gilt erst mal: erlaubt ist, was gefällt.

"Sittin on the Dock of the bay" fällt mir da immer als Beispiel ein. Monsterhit, aber mit der Analyse der changes kann man klassisch ausgebildete Musiker lebenslang traumatisieren. Weil: "Das geht so nicht!"
 
Zuletzt bearbeitet:
@ LostLover:

Da hat mir jemand aus der Seele gesprochen!:great::great::great:

100% ige Zustimmung!

einfach mal Probieren, hab ich öfters in einer alten Band gemacht:

eine Akkordfolge spielen und jedes Instrument in der Band spielt nur einen einzigen Ton dieses Akkordes. Der klingende Akkord entstand also nur durch das Zusammenspiel der einzelnen Instrumente. Erstaunlich was da aus einem schlichten Tonika, Subdominante, Dominante - Riff werden kann. Einfach mal versuchen, wenn's dann nicht gefällt, kann man's ja lassen.
 
Schon mal dran gedacht, daß man auch alleine nur mit einer Gitarre Musik machen kann? Und zwar mit Bass-, Melodie-, und Füllstimme. Und auch ohne dazu zu singen?
Und natürlich bringt mir die Harmonielehre auch hier was. Das war ja die ursprüngliche Frage. Und gerade in der Populärmusik herrscht keine Anarchie!

Und warum die klassische Harmonielehre sagt, daß man Oktaven nicht verschieben soll, weiß ich immer noch nicht.;)
 
Schon mal dran gedacht, daß man auch alleine nur mit einer Gitarre Musik machen kann? Und zwar mit Bass-, Melodie-, und Füllstimme. Und auch ohne dazu zu singen?

An dieser Stelle mal ein offizielles GEILE SONGS DIE DU DA SPIELST WIE DU SIE SPIELST. :great:
 
Wenn Du die Oktave änderst, änderst Du damit die Charakteristik des Stücks". Im Extremfall wird der Bass dadurch zur Sopranstimme.

Das ist hier gar nicht gemeint ;-)
Es geht nicht darum, dass Stimmen ihre Oktave ändern, sondern um Verschiebungen in Oktav-Form. (s.u.)

Und warum die klassische Harmonielehre sagt, daß man Oktaven nicht verschieben soll, weiß ich immer noch nicht.;)

Das kommt tatsächlich aus dem 4-stimmigen Satz:
Wir denken uns mal ein paar hundert Jahre zurück, als das quasi die wichtigste Musikform war, weil ständig in der Kirche gespielt etc.
Der Kirche ging es auch immer darum die Göttlichkeit zu betonen, daher durfte natürlich in der Kirche auch keine "minderwertige" Musik gespielt werden.
Wie kann man nun "göttliche" von schlechter Musik unterscheiden? Ganz einfach: Man stellt ein Regelwerk auf, welche Ansprüche die Musik zu erfüllen hat. Und wer sein Geld mit solcher Musik verdiente, musste sich eben an die Regeln halten.
Und in diesem Regelwerk des strengen 4-stimmigen Satzes steht dann eben auch (unter vielem anderen), dass man Oktav- (und auch Quintparallelen) vermeiden soll.
Das hat zur Folge, dass der Satz sehr kompakt ist. Wenn man sich streng an alle Regeln hält, gibt es in einer bestimmten Akkordfolge oftmals nur eine Möglichkeit das wirklich "richtig" zu machen

Weil viele Akademie-Musiker anhand des Strengen Satzes Harmonielehre und Kontrapunkt etc lernen, lassen die schonmal gerne Sätze fallen wie "Oktavparallelen sind verboten", auch in nicht passenden Augenblicken.

In heutigen Zeiten unterliegt man natürlich nicht mehr wirklich dem Zwang es der Kirche schön zu machen, sondern ist eigentlich aus dem "Gefängnis" befreit. Aber auch schon Musiker wie Mozart etc hat es nicht großartig gekümmert.
Ich spiel grad ne Mozart Sonatine, da kommen geschätzt 20 Oktavparallelen vor.

Es ist also nur eine Aussage, die sich auf eine strenge Form einer Kompositionstechnik bezieht.
Vergleichbar wäre z.B. sehr strenge 12-Ton Musik, wo ein Ton erst dann wieder auftauchen darf, wenn alle anderen auch einmal gespielt wurden.
Es gibt eigentlich in vielen Musikstilen bestimme Charakteristika oder "Regeln", die eben den Stil typisch machen, und wenn man sehr hohen Wert auf Authentizität legt, sollte man die meisten davon befolgen.
Im Sinne von: wenn du einen Blues schreiben willst, nimm das 12-taktige Blues-Schema und schreib deine Melodie auf Basis der Pentatonik der Grundtonart und ergänze die mit den Blue-Notes. Dann ist man auf der sichere Seite, dass jeder das als Blues erkennt.
 
...Und zwar, weil wir hier im Akkustikgitarren Forum sind...
Ups, das hatte ich garnicht gesehen...

Wir Gitarristen spielen relativ selten nach den Regeln des Vierstimmigen Tonsatzes

Naja, "wir" betrifft ziemlich viele Gitarristen. Wenn man eine Weile nur Powerchords, Barréegriffe oder Wanderklampfenakkorde gespielt hat, könnte man doch auf die Idee kommen, daß die nicht immer die beste Wahl sind und sich Abwandlungen der Akkorde suchen (ich meine nicht, statt C-Dur A-Moll zu spielen, sondern einen anderen Griff für C-Dur zu finden, der besser in den Zusammenhang paßt). Wenn man schnell wissen will, warum, könnte man sich mit den Satzregeln befassen. Ansonsten erkennt man selbst vermutlich früher oder später ein paar Prinzipien. Und sobald Baß und vielleicht sogar Keyboard oder eine zweite Gitarre dazukommen, kann man mit den einfachsten Satzregeln im Kopf enorm viel bewirken.

Und wenn dann mein Lehrer meint, man darf keine Oktaven verschieben weil sonst im Vierstimmigen Tonsatz die Unabhängigkeitder verbleibenden Stimmen eingeschränkt wird... Hä?!
Ja, wirklich "hä"! Wenn man vier Stimmen hat, und zwei davon laufen parallen in Oktaven (oder Quinten oder Primen), hat man eigentlich nur noch drei Stimmen, die beiden parallel geführten Stimmen verlieren nämlich ihre Eigenständigkeit, nicht die anderen beiden.

Gefordert ist eine zweistimmige Passage auf der Gitarre. Warum dürfen darin keine Oktaven verschoben werden?

Weil es dann nur noch eine Stimme ist, allerdings in doppelter Ausführung, während die Aufgabe ja "zweistimmig" lautet.

Nun ist der mehrstimmige Satz eine Kompositionstechnik, und die wurde nicht zum Schreiben der heutigen Popmusik entwickelt. Ausgerechnet Oktav-, Quart- und Quintparallelen, die im mehrstimmigen Satz verboten sind, spielen in der Popmusik eine große Rolle. Wenn man aber mal betrachtet, wie viele Akkorde und Variationen es gibt, die dort benutzt werden, so kommt man schnell wieder zur Satztechnik, denn die Variationen werden gezielt eingesetzt, um den Gesamtklang zu beeinflussen. Oder anders ausgedrückt: Die Akkorde sind das Resultat praktisch angewandter Satztechnik.

Wenn man eigene Musik spielt, darf man sich gerne auf dem Grundsatz "erlaubt ist, was gefällt" berufen. Wenn man aber Musik von anderen spielt oder hört,
 
@schmendrick: DANKE :)

@Disgracer: Äh, ja. Ich weiß!
Aber genau das ist es doch was ich oben angespochen hab. Wenn ich als Gitarrenlehrer von meinen Schülern verlange, auch bei einem zweistimmigen Satz keine Oktaven zu verschieben, dann darf ich nicht mit einem Regelwerk argumentieren, daß für mein Instrument nicht geschaffen wurde. Dennoch sind die Tonsatzregeln ja nicht vom Himmel gefallen. Selbst heute wo wir durch unsere Hörgewohnheiten eine weitaus größere Toleranz als früher haben, würden doch die meisten Gitarristen zugeben, daß es nicht gut klingt wenn man alle Akkorde einfach nur als E-Barree Typ auf dem Griffbrett verschiebt. Ein etwas "geschmeidigerer" Tonsatz klingt in den meisten Ohren einfach besser.
Genau so klingt es nicht gut , wenn ich in einer zweistimmigen Passage auf meiner Gitarre Oktaven verschiebe. Daher gibt es ja die Regel das nicht zu tun.
Meine Preisfrage ziehlt darauf raus warum das nicht gut klingt. Also warum diese Regel existiert. (Unabhängig davon daß man natürlich gegen jede Regel auch rebellieren und sie bewusst ignorieren kann.)

Ich hab ja in meinen ersten Posts schon geschrieben, daß Harmonielehre dazu da ist musikalische Phänomene zu erklären.

 
Der Gewinner ist.... tätätätäää Gwendola!!:great:

...Weil es dann nur noch eine Stimme ist, allerdings in doppelter Ausführung, während die Aufgabe ja "zweistimmig" lautet....

Das ist der Punkt!! Oktaven sind keine zwei verschiedene Töne und werden wegen identischer Frequenzen in der Obertonreihe auch nicht als solche wahrgenommen.
 
@ Gwendola: Quartparallelen sind übrigens erlaubt ;-)

Selbst heute wo wir durch unsere Hörgewohnheiten eine weitaus größere Toleranz als früher haben, würden doch die meisten Gitarristen zugeben, daß es nicht gut klingt wenn man alle Akkorde einfach nur als E-Barree Typ auf dem Griffbrett verschiebt. Ein etwas "geschmeidigerer" Tonsatz klingt in den meisten Ohren einfach besser.

Genau so klingt es nicht gut , wenn ich in einer zweistimmigen Passage auf meiner Gitarre Oktaven verschiebe.

Was heißt denn "es klingt nicht gut" ?
99% der Musikhörer da draußen haben glaub ich keinerlei Probleme mit Oktavparallelen. Jede Begleitung die auf Powerchords basiert, hat automatisch immer Oktav- und Quintparallelen
Ich hab grad in der Bandprobe bestimmt 5 Cover-Songs gespielt, wo soetwas vorkam.

Mir persönlich ist so ein "du darfst keine Oktaven verschieben, weil es nicht gut klingt" auch viel zu restriktiv. Da spielen ganz viele Faktoren eine Rolle: Was ist es für ein Stück? Was ist vorher passiert?
Was will ich damit bezwecken? etc pp
Solche Parallelen sind ein bestimmter Effekt. Dieser Effekt kann bestimmte Dinge unterstreichen, und wenn ich das möchte, wieso sollte ich dann solche Parallelen nicht benutzen?

Aber das ist ein gutes Beispiel für "was kann Theorie NICHT?". Nämlich immer eine zwangsläufig richtige Lösung anbieten.
Jeder nimmt bestimmte Effekte anders wahr, oder legt mehr Wert auf das eine oder andere. Und grade dadurch wird Musik ja unglaublich vielseitig.
 
@ Gwendola: Quartparallelen sind übrigens erlaubt ;-)
Das kommt darauf an, wen man fragt, Quartparallelen sind ja auch umgekehrte Quintparallelen, welche übrigens auch nicht überall verboten sind. Dafür sind alle Parallelbewegungen zweier Stimmen mit Vorsicht zu genießen, weil die ja auch die Eigenständigkeit der Stimmen reduzieren.

Was heißt denn "es klingt nicht gut" ?

Es klingt als Zweistimmigkeit nicht mehr gut, bzw. ist keine Zweistimmigkeit mehr. Eine Melodie im Oktavabstand zu doppeln, ist keine Zweistimmigkeit, stattdessen wird eine Stimme in zwei Tonlagen gespielt. Und das ist keine Worklauberei, es wirkt völlig anders als Zweistimmigkeit. Wenn z.B. Bass und Gitarre unisono spielen, kann das sehr kraftvoll und treibend sein. Wenn die beiden aber zweistimmig spielen ergibt sich eine Art Zwiegespräch zwischen beiden Instrumenten. Wenn man von einem zum anderen wechselt, ist das eine klare musikalische Aussage, ob nun gewollt oder nicht. Und die Satzregeln sind dazu da, das Zwiegespräch der Stimmen zu fördern und selbst den Hauch von Einstimmigkeit zu vermeiden. Das gilt in manchen Musikrichtungen als höchste Kunst und geht dann natürlich weit über die banalen Regeln hinaus ins Unerklärliche. Die Kunst des Unisono kann man leider nicht so filigran ausarbeiten, denn es gibt ja nur eine einzige Regel: Man muß unisono spielen.

Wenn man tief genug in die Materie einsteigt, kann die Theorie meistens mögliche Lösungen anbieten, denn viele musikalische Aufgaben sind ja schon gelöst worden und die Theorie ist da nicht sehr weit zurück. Die Theorie kann natürlich nicht sagen, wie man das optimale Musikstück schreibt. Allerdings kann sie Hinweise geben, was in einem bestimmten Zusammenhang besser oder schlechter geeignet ist.

Man darf auch nicht vergessen, daß wir hier über die traditionelle europäische Musiktheorie sprechen. Vor allem die Harmonielehre kann man z.B. überhaupt nicht auf klassische indische Musik anwenden, da findet sowas überhaupt nicht statt. Im Gegenzug hat die indische Musiktheorie, die auch ein paar tausend Jahre Geschichte hinter sich hat, viele Konzepte, die bei uns völlig unbekannt sind. Trotzdem kann man auch als Europäer indische Musik genießen und anders herum. Dazwischen befinden sich noch große Gebiete, auf denen man sich umsehen kann. Eine wirklich treffsichere Musiktheorie müßte also noch viel allgemeiner gefaßt sein. Aber eine solche Theorie wäre für den Alltagsgebrauch wohl viel zu umfangreich.

PS: Die erste Regel im Umgang mit Musiktheorie lautet "keine Regel ist unumgänglich, man muß nur mit den Konsequenzen zurechtkommen". Musikwissenschaft ist zwar präziser als Astrologie, aber es ist keine Naturwissenschaft. Die einzige Wissenschaft, die tatsächlich noch Hoffnung hat, präzise sein zu können, ist die Mathematik, obwohl sich die Mathematiker alle Mühe geben, das zu widerlegen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich zitier mich mal selbst aus post 19:

"...Theorie ist nur dazu da, um das was wir in der Musik hören und empfinden, zu erklären.
Wie jede Theorie dient sie ausschließlich dem Zweck reale Wahrnehmungen (in unserem Fall musikalische Phänomene) zu erklären und sie reproduzierbar zu machen.
Keinesfalls dient die Musiktheorie als Gesetzestext in dem steht was "richtig" und "falsch" ist! (Auch wenn das manche gerne so sehen…)"

Das heißt, wir dürfen einige elementare Mechanismen der Wahrnehmung nicht einfach ignorieren. Auch hier zitier ich mich mal selbst. (copy-paste, daher der andere Schrifttyp.)
Hab keine Lust das alles nochmal zu schreiben.

"...Alle akustischen Wahrnehmungen finden in einer Art persönlicher, übergeordneter, Klangwelt statt, in die wir das, was wir hören instinktiv einordnen. Diese Einordnung geschieht zunächst in dem Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Gefahr. Entwicklungsgeschichtlich bedingt bei allen Menschen. Der Alarmschrei signalisiert Gefahr, das Wiegenlied der Mama signalisiert Sicherheit.

Wobei Gefahr, bis zu einer gewissen Grenze, auch positiv wahrgenommen wird.
Auf Gefahr reagieren wir nämlich mit Aufmerksamkeit und (An)Spannung.
Erst durch Spannung wird eine Geschichte interessant. In der Musik ist das ganz ähnlich.

Eine weitere Einordnung zwischen schön und hässlich findet auf der Ebene des ästhetischen Empfindens statt. Hier geht es hauptsächlich um Proportion und Symmetrie der einzelnen Elemente. Sowohl in sich selbst, als auch in der Ordnung mit der sie zusammen das Ganze ergeben. Welche Proportionen aber nun als "schön", und damit erstrebenswert gelten, ist sehr stark von Kultur und Zeitgeist abhängig.

Vor diesen Hintergrund muss man jedwedes "Regelwerk" betrachten, daß jemals erstellt wurde. Regeln dienen nämlich dazu, negativ empfundene Wahrnehmungen zu vermeiden und positive Wahrnehmungen zu erhalten.
Wir alle ordnen automatisch alle Wahrnehmungen, eben auch musikalische, nach gewissen Kategorien ein. Eine wichtige Kategorie ist dabei die Musikalische Umgebung. Klar werden auf der Bratgitarre reichlich Powerchords verschoben, und ich finde den Sound ja auch geil. Aber da geht normalerweise auch keine echte zweistimmige Passage voraus, nach der sich die Oktavverschiebung betimmt merkwürdig anhören würde.

Passend dazu schrieb ich mal an anderer Stelle wo es um Dreklangserweiterungen ging:

"... Ist euch schon mal aufgefallen, dass Tonika und Subdominante so gut wie nie um die Septe erweitert werden?
Das liegt daran, dass es sich hierbei um die große Septe handelt. Ihre Spannung "beißt" sich mit dem stabilen Charakter von Tonika und Subdominante.
Die meisten Menschen empfinden einen Maj7 Akkord in einem Song als "zu schräg".

Im Jazz, wo nur 4-und Mehr-Klänge gespielt werden, wird der Dur-Maj7 wiederum oft als "luftig-schön", oder "schwebend" empfunden! Das liegt daran, dass er hier in die harmonische Umgebung passt. Die ästhetische Einordnung ist eben stark umgebungsabhängig. Die schönen Pumps die hervorragend zu dem Abendkleid passen, wirken auf dem Tennisplatz ebenso lächerlich wie Cowboy-Stiefel zum Ski-Anzug. Denkt immer dran, dass die Musik letztlich zwischen den Ohren des Hörers stattfindet.


Ansonsten verweise ich auf Guendolas post.
Und damit habe ich auch genug geschwafelt zu dem Thema...
 
Das ist hier gar nicht gemeint ;-)
Es geht nicht darum, dass Stimmen ihre Oktave ändern, sondern um Verschiebungen in Oktav-Form.

Danke! Da war ich wieder mal ein Blitzkneisser! :D

Was heißt denn "es klingt nicht gut" ?
99% der Musikhörer da draußen haben glaub ich keinerlei Probleme mit Oktavparallelen. Jede Begleitung die auf Powerchords basiert, hat automatisch immer Oktav- und Quintparallelen

Oktav- und Quintparallele haben eine sehr typische Klangcharakteristik. Und im Rock- und Metalbereich passt das sehr gut - nur: da wird es vorwiegend als Begleitung der Gitarristen aber auch hier kaum in der Melodieführung verwendet.

Mir gefällt eine mehrstimmige Melodieführung extrem gut - seitdem ich die Mehrstimmigkeit entdeckt habe, begeistert sie mich - nur eine Melodieführung in Oktave- und Quinte - sorry, die klingt in meinen Ohren echt nicht gut.

Es klingt als Zweistimmigkeit nicht mehr gut, bzw. ist keine Zweistimmigkeit mehr. Eine Melodie im Oktavabstand zu doppeln, ist keine Zweistimmigkeit, stattdessen wird eine Stimme in zwei Tonlagen gespielt. Und das ist keine Worklauberei,

Das hören meine Ohren genauso! Ich mag zwar im Prinzip auch keine Regeln, die oft einengen - aber in der Praxis hat sich diese "theoretische" Erkenntnis einfach immer wieder bewahrheitet!

Im Jazz, wo nur 4-und Mehr-Klänge gespielt werden, wird der Dur-Maj7 wiederum oft als "luftig-schön", oder "schwebend" empfunden! Das liegt daran, dass er hier in die harmonische Umgebung passt. Die ästhetische Einordnung ist eben stark umgebungsabhängig.

Der maj7-Akkord klingt für mich sehr weich und angenehm. Ich hab eher den Eindruck, dass beispielsweise ein 7er Dur-Akkord viel schräger klingt als ein maj7-Akkord.

Die Umgebung, von der Du schreibst, führe ich darauf zurück, dass im Rock und Pop vorwiegend Stufen von Dreiklängen im Songwriting verwendet werden - und da ist kein Platz für einen vierten Ton.

Sobald man einen Vierklang hernimmt - was nicht nur die Jazzer gerne machen :D :great: - kann man über einem maj7-Akkord sehr schön Stufen eines Vierklanges errichten, und da kann ein maj7-Akkord dann die Tonika sein! Und das klingt dann pipifein! :D
 
Das kommt tatsächlich aus dem 4-stimmigen Satz: Wir denken uns mal ein paar hundert Jahre zurück, als das quasi die wichtigste Musikform war, weil ständig in der Kirche gespielt etc.

Der vierstimmige Satz ist eine Satztechnik, keine Musikform. Genauso wie Powerchords, die würde man ja auch nicht als "Musikform" bezeichnen. Es geht hier um das Setzen einzelner Töne in einem größeren Zusammenhang. Und der vierstimmige Satz war und ist nicht nur eine grundlegende Satztechnik, weil er in der Kirche etc. gespielt wurde, sondern weil er eine ausgewogene Satztechnik für Gesang und alle Instrumente darstellt. Auch z.B. im Madrigal, das weit weit weg ist von der Kirchenmusik.

Der Kirche ging es auch immer darum die Göttlichkeit zu betonen, daher durfte natürlich in der Kirche auch keine "minderwertige" Musik gespielt werden.

So eine verkürzte Darstellung ist IMHO schlichtweg falsch. Es geht und ging bei Kirchenmusik nicht darum, das Minderwertige zu verbieten, sondern die bestmögliche Musik zu Ehren Gottes zu machen. In diesem Zusammenhang haben sich ästhetische Ideale durchgesetzt, die stilbildend wirken. In der Architektur und der Bildenden Kunst ist es die Symmetrie, der Goldene Schnitt und die historisierende Darstellung, in der Musik eben z.B. der vierstimmige Kantionalsatz.

Ästhetische Ideale wie die Ausgewogenheit des vierstimmigen Satzes zielen nicht auf Vermeidung des Minderwertigen ab, sondern auf leichte Sing- und Spielbarkeit und ein möglichst optimales Verhältnis des Einzeltones zu seiner Umgebung. Der einzelne Ton hat eine Bedeutung im vertikalen und horizontalen Zusammenhang (bzw. soll sie durch die Satzregeln bekommen), die grundsätzlich Ausgewogenheit anstrebt. Quint- und Oktavparallelen stören die Ausgewogenheit, weil sie die Individualität der Stimmen beschneiden.

Wie kann man nun "göttliche" von schlechter Musik unterscheiden? Ganz einfach: Man stellt ein Regelwerk auf, welche Ansprüche die Musik zu erfüllen hat. Und wer sein Geld mit solcher Musik verdiente, musste sich eben an die Regeln halten.

"Göttliche" gegen "schlechte" Musik trifft den Kern der Sache überhaupt nicht. Musiker müssen sich in jeder Zeit und Stilistik an Regeln halten, wenn sie Geld verdienen wollen. Gerade in der heutigen Popularmusik gelten doch so viele enge Regeln wirtschaftlicher und tonsatztechnischer Art, daß uniforme Produkte entstehen. Von daher sind heutige Popmusiker wesentlich stärker eingeengt, als viele Kirchenmusiker. Für Rockmusik gibt es ganz enge Vorgaben, welche Gitarrensounds akzeptiert sind und welche Akkorde in welchen Voicings stilistisch angemessen sind (speziell Powerchords). Aber die Regeln des vierstimmigen Satzes als Maßstab für "göttliche Musik" darzustellen, ist zu kurz gegriffen.

In heutigen Zeiten unterliegt man natürlich nicht mehr wirklich dem Zwang es der Kirche schön zu machen, sondern ist eigentlich aus dem "Gefängnis" befreit.

Unabhängig davon, ob die Kirche nun als Gefängnis anzusehen ist/war (und die genialen Komponisten haben die Kirche als Wirkungsstätte, die Möglichkeiten eröffnet begriffen, nicht als Gefängnis), gelten heute weit tiefer eingreifende Regeln für Tonsatz, als in vergangenen Jahrhunderten. Wer heute einen ordentlichen Grungerock-Song verfassen will, muß sich erst mal ordentlich mit den Regeln dieses Stils befassen, inklusive aller Powerchords, Basslinien, Gesangslinien, Schlagzeugrhythmen etc. . Selbst wenn es bei Grungerock noch überschaubar ist: eine amtliche Popmusikproduktion für z.B. Robbie Williams/Britney Spears/Lady Gaga gehorcht so vielen tonsetzerischen Regeln, dagegen ist der vierstimmige Satz Pipifax. Die Tonsatzregeln der Popmusik entspringen vielfach der wirtschaftlichen Notwendigkeit, solche Produktionen zu vermarkten.

Wenn ich als Gitarrenlehrer von meinen Schülern verlange, auch bei einem zweistimmigen Satz keine Oktaven zu verschieben, dann darf ich nicht mit einem Regelwerk argumentieren, daß für mein Instrument nicht geschaffen wurde.

Vollkommen richtig. Wenn der Gitarrenlehrer das Oktavverbot beziehungslos in den Raum gestellt hat, ist das sinnlos. Wenn es aber z.B. Thema der Stunde war, bestimmte Klänge zu erfahren, historische Regeln kennenzulernen oder ganz allgemein bestimmten Idealen zu folgen, kann das durchaus Sinn machen. Du solltest mal schreiben, wie die Situation der Stunde war und was das Unterrichtsziel war. Unter Umständen kann das Oktavverbot extrem sinnvoll gewesen sein. Vielleicht auch nicht. Ohne Hintergrundinformationen ist das nicht zu beurteilen.

Meine Preisfrage ziehlt darauf raus warum das nicht gut klingt. Also warum diese Regel existiert.

Im vierstimmigen Satz gibt es das Ideal der Eigenständigkeit jeder Stimme. Diese Eigenständigkeit wied durch Prim-, Quint- und Oktavparallelen aufgehoben bzw. in Frage gestellt. Daher vermeidet man diese Parallelen, wenn man diesen Idealen folgen will. Wer das nicht will, braucht das auch nicht, schreibt dann aber keinen regelgerechten vierstimmigen Satz.

Harald
 
Nun sind wir mittlerweile in Sphären angelangt, die (denke ich mal ;)) für den Otto Normalgitarristen zumindest nicht vorrangig relevant sind.

Daher mal eine Frage von einem theoriemüden Gitarristen wie mir:

Was genau aus dem Bereich der Musiktheorie ist für den Gitarristen faktisch unerlässlich ?

Was ist vielleicht nicht "Top of the List" aber trotzdem eine sinnvolle Ergänzung?

Ich könnte mir vorstellen, dass Eure Tipps (und dass ihr kompetent seid, habt ihr ja hinlänglich unter Beweis gestellt) für alle user, die diesen thread mal in die Finger bekommen, eine sehr hilfreiche Guideline für das Herangehen an das Thema Musiktheorie sein können.
 
Ich fang an::)
Und zwar nach Wichtung:

Das Wissen um Tonleitern und ihre Hauptdreiklänge auch in der Paralleltonart
Die Namen der Noten und ihre Lage auf dem Griffbrett
Notenwerte
Einfache Melodien nach Noten in den ersten drei Bünden
Wenigstens das Wissen um verschiedene Anschlagtechniken, egal ob nun elektrisch oder akustisch
Wenigstens das Wissen um veschiedene Möglichkeiten der Gitarrenstimmung ;););)

keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, ein Post aus dem Bauch heraus.
 

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