Welche Tonart(en) hat Let Me Entertain You von Robbie Williams wirklich?

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6stringtheory
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Der Song scheint nur aus der sich wiederholenden Akkordfolge F, G#, A# zu bestehen.

Angeblich, also laut dem Internet ist der Song im key of F. Eine kurze Googlesuche spuckt mir zu der Tonart folgendes aus:
  • I – F major, F major seventh (Fmaj, Fmaj7)
  • ii – G minor, G minor seventh (Gm, Gm7)
  • iii – A minor, A minor seventh (Am, Am7)
  • IV – Bb major, Bb major seventh (Bb, Bbmaj 7)
  • V – C major, C dominant seventh (C, C7)
  • vi – D minor, D minor seventh (Dm, Dm7)
  • vii° – E diminished, E minor seventh flat five (E°, Em7b5)
Dementsprechend kommt das ja irgendwie nicht hin. Denn G# scheint kein valider Akkord der Tonart zu sein. Nur F und A# (Bb) sehe ich dort.

Andere Seiten im Internet sagen allerdings die Tonart sei A#. Habe dann wieder nach so ner Auflistung der Akkorde gesucht (konnte jetzt nur eine für Bb finden, aber sollte ja A# entsprechen).
  • Chord I – Bb major (and Bb major seventh)
  • Chord ii – C minor (and C minor seventh)
  • Chord iii – D minor (and D minor seventh)
  • Chord IV – E flat major (and E flat major seventh)
  • chord V – F major (and F dominant seventh)
  • Chord vi – G minor (and G minor seventh)
  • Chord vii° – A diminished (and A minor seventh flat five)
Also A# (Bb) und F seh ich da zwar, aber G# nicht...

Kann mir jemand erklären welche Tonart(en) der Song bei welchen Akkorden wirklich hat? Denke ich zu kompliziert? Habe ich einen Denkfehler? Oder reicht mein gefährliches Musiktheoriehalbwissen einfach nicht aus um das zu verstehen?
 
Eigenschaft
 
Zuallererst: was sagt denn dein Ohr, in welcher Tonart der Song ist? (Stichwort: Grundtonempfindung.)



Viele Grüße,
McCoy
 
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Am ehesten F, aber vom Gefühl her ist da permanent eine Spannung drin, die mit keinem der Akkorde aufgelöst wird. Vielleicht, weil es nur Dur Akkorde sind?

Wenn ich raten sollte hätte ich jetzt gesagt, dass die Tonart die ganze Zeit wechselt. Vielleicht in etwa so:
Code:
Tonart F F  A# F ...
Akkord F G# A# F ...

Das hätte ich jetzt so geraten, weil ich beim Begleiten des Songs auf der Gitarre bei den Akkorden F und G# in der F-Dur Tonleiter spielen kann, aber beim A# passt es dann nicht mehr, sodass ich dann in die A#-Dur Tonleiter wechsle.
 
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Ich hab im Netz geschaut es steht ein Vorzeichen(b) also F Dur auf den Notenblättern.
F Ab Bb steht da.
Für das As setzt er ein zusätzliches Vorzeichen.

Da verlässt wohl jemand bewusst ein wenig die Tonart für nur einen Akkord und kehrt im nächsten Akkord sofort wieder zurück oder? Auffällig ist das F als Bassnote unter den beiden anderen Akkorden liegt. Das läuft also eigentlich durch.

Wenns passt passts und das tut es ja.
 
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Der Song scheint nur aus der sich wiederholenden Akkordfolge F, G#, A# zu bestehen
Ich sag mal: Schon mal das Riff von "Smoke On The Water" gehört? Da passt der zweite "Akkord" auch nicht in die Tonart...
 
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Okay, dann sehe ich das also richtig, dass die Tonart verlassen wird.
Findet denn technisch gesehen ein ständiger Tonartwechsel statt und wenn ja welche Tonart ist das bei A# bzw Bb?

Ach so und genaugenommen wären die Akkorde für den Song dann ja "F", "Ab/F", "Bb/F", "F", wenn ich das richtig verstanden habe. Da hab ich jetzt allerdings keine Ahnung was das für eine auswirkung auf die Tonart beim Bb/F hat.
 
Okay, dann sehe ich das also richtig, dass die Tonart verlassen wird.
Ich bin mir nicht sicher ob das so gesehen wird.
Ein Vorzeichen in einem Takt ist glaube ich einfach nur "eine Ausnahme".
Von einem effektiven verlassen der Tonart(und Wechsel in eine Andere) würde man glaube ich erst sprechen wenn es auch dementsprechend notiert wäre.
Darum schrieb ich "ein wenig".

Aber ich bin kein Experte für Notation und Musiktheorie.

EDIT:
Ich hab mich ein wenig umgesehen und es gibt auch andere Noten zu diesem Song.
Hier wird der A# umgedeuted auf einen Fm7 was ja vollkommen legal ist.
Diese Variante Dur-Moll Abstieg ist gut bekannt und nicht neu in der Populärmusik. (Nowhere Man...etc)
 
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Hallo 6stringtheory,

ich würde von der Tonart F-Dur ausgehen.

Hier der Verlauf des Chorus:

| F | Ab | Bb | F |

| F | Ab | Bb | F |

Man erkennt, dass F-Dur und B-Dur mit dem F-Dur-Tonmaterial gebildet werden können.

Doch was hat der As-Dur-Akkord hier verloren?

Das folgende Schaubild zeigt eine f-Moll-Pentatonik (rote Notenköpfe) auf deren Tonleitertönen jeweils Dur-Akkorde gebildet werden.
Dadurch kommt eine b3 und b7-Bassstufe zustande.

1615119494387.png



Für Pop- und Rockmusik sind unter anderem diese Dur-Akkorde, die auf der Mollpentatonik gebildet werden können und, für kurze Zeit in Dur-Tonarten eingeblendet werden, charakteristisch.

Und wenn wir uns unsere Akkordfolge vom Anfang anschauen, so sehen wir, dass unser F-Dur, As-Dur und B-Dur-Akkord gut in diese Systematik hineinpasst.

Wenn du nähere Informationen zu dem Thema haben möchtest, kannst du dir folgenden Link (S. 2-3) anschauen:
http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2014/11075/pdf/Samples_12_kaiser.pdf

Außerdem kannst du mal nach dem Stichwort Modal Interchange suchen.

Viele Grüße
Tamia
 
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Ich hab im Netz geschaut es steht ein Vorzeichen(b) also F Dur auf den Notenblättern.
Das ist eine legitime Kontrollmöglichkeit, solange man sich an seriöse Quellen hält.
Aber die eigentliche Frage ist ja, wie man von alleine draufkommt...


Außerdem kannst du mal nach dem Stichwort Modal Interchange suchen.

"Modal Interchange" wollte ich auch erwähnen, hatte aber Angst, dann dafür geschlagen zu werden.
Aber im Grunde ist es genau das und auch in der Pop-Musik recht verbreitet.

Mit anderen Worten: es wird in diesem Fall ein Dur-Akkord auf der erniedrigten III. Stufe (bIII) aus einem anderen Modus ausgeborgt. Ist ja nicht verboten und die Tonart wird deshalb nicht verlassen.

Gerade bei der bIII sehr oft gesehen. Ein sehr prominentes Beispiel für eine solche Akkordfolge ist Aretha Franklins "Freedom" [Edit: das Stück heißt eigentlich "Think"].

Viele Grüße
Torsten
 
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Außerdem kannst du mal nach dem Stichwort Modal Interchange suchen.
Mit dem Begriff Modal Interchange oder auch Borrowed Chords kann man die Akkordfolge denke ich gut beschreiben, wenn man diese denn unbedingt kategorisieren möchte.

Es findet in der Akkordfolge m.E. kein Tonartwechsel statt, weil das nach meinem Verständnis für den Begriff auch so vom Gehör nachvollzogen werden sollte. Da die Akkorde aber recht schnell wechseln, hat das Gehör nicht die Möglichkeit ein neues Zentrum/Tonart zu etablieren. Nun gibt es aber die von Tamia angesprochene Möglichkeit, sich vermeintlich tonartfremde Akkorde quasi auszuleihen und in den entsprechenden Kontext zu integrieren. Man kann das gerne, wie bereits vorgeschlagen, von F-Dur aus denken. Ich würde ergänzend vielleicht noch vorschlagen, das mal von F-dorisch aus zu tun, da dieser Modus der kleinste gemeinsame Nenner aller Akkorde ist und für den F-Dur Akkord nur die Terz erhöht werden müsste. Außerdem kommt das der oben beschrieben Moll-Pentatonik recht nahe. In der klassischen Harmonielehre würde man in dieser Deutung bei F-Dur wohl eher als "Variante" von F-Moll sprechen.
 
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"Modal Interchange" wollte ich auch erwähnen, hatte aber Angst, dann dafür geschlagen zu werden.


Echt ? Mit sowas muß man hier rechnen ... ?!
Gefährliches Pflaster. Dann bin ich lieber mal still ...

:)
Thomas
 
Das ist soweit korrekt. (y) Das ist immer das erste, worauf man achten sollte: Was höre ich als Grundton.

Von den Kollegen wurde schon Modal Interchange erwähnt. D.h. dar As-Dur (Gis-Dur wäre enharmonisch falsch) wird aus den Stufenakkorden von F-Moll ausgeliehen (auch borrowed chord genannt).
Interessanterweise wird das Thema gerade mit diesem Song im Harmonielehreworkshop von bonedo behandelt ( ein bisschen runterscrollen zu Die bIII): https://www.bonedo.de/artikel/einzelansicht/harmonielehre-workshop-7-modal-interchange.html

Vielleicht wäre der ganze Workshop mal ein guter Einstieg für Dich? https://www.bonedo.de/artikel/einzelansicht/harmonielehre-workshop-musik-theorie-lernen.html

Ganz persönlich bin ich ja der rein privaten Meinung, daß der bIII (und noch ein paar andere Modal Interchange-Akkorde, z.B. bVI) vor allem in diesem Zusammenhang aus der Bluesecke stammen. Und damals hat sich vermutlich niemand hingesetzt und über Modal Interchange nachgedacht. Ich glaube, da ging es eher darum, daß im Blues - herrührend aus der afrikanischen Musiktradition - häufig Dur-Terz und Moll-Terz nebeneinander existieren, und der bIII dabei ein passender Akkord war, den man durch ausprobieren herausgefunden hat. Klang cool, hat man beibehalten und - z.B. in der Rockmusik - nachgemacht. (Eine gängige Praxis in der Musikproduktion: Erst kommen die Fakten, danach die Analysten - wie an der Börse :D)

Ein weiteres prominentes Beispiel wäre Hey Joe (Jimi Hendrix - in E-Dur): E - C - G - D - A -E ( I - bVI - bIII - bVII - IV - I).

Viele Grüße,
McCoy
 
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Kurzer gedanklicher Ausflug:

Ist das eigentlich nur hier im Forum so, oder ist das in freier Wildbahn tatsächlich heutzutage (und damit meine ich die letzten 15 Jahre oder so) ein Phänomen, daß an Tonarten gerätselt und gezweifelt wird, nur weil mal irgendein Akkord vorkommt, der nicht diatonisch ist ?

Ich (und meine ganze musikalisch relevante Umgebung) habe/n 25 Jahre des Musik spielens und MACHENS hinter mich/uns gebracht, ohne auch nur EIN mal darüber nachzudenken, ob denn nun die Tonart verlassen wird, wenn ein bIII, oder was Vergleichbares auftaucht.

Ich bin auf dieses Thema überhaupt erst in diesem Forum gestoßen (worden) ...

LG
Thomas
 
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Ich habe das Gefühl, dass das unter anderem von uns Gitarristen kommt, weil wir aufgeschmissen sind, wenn wir unseren liebgewordenen fingersatz verlassen müssen :)
 
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Ist das eigentlich nur hier im Forum so, oder ist das in freier Wildbahn tatsächlich heutzutage (und damit meine ich die letzten 15 Jahre oder so) ein Phänomen, daß an Tonarten gerätselt und gezweifelt wird, nur weil mal irgendein Akkord vorkommt, der nicht diatonisch ist ?
Naja, vor 40 Jahren stand man im Proberaum, dann kam ein Mitmusiker und sagte: Des Schtück ischt in F und geht so: F - Ab - Bb. Harmonielehrebücher waren rar, Internetforen zum Zweifeln und Nachfragen gab es nicht ... Mehr Erklärung gab es da zumeist erstmal nicht.

Viele Grüße,
McCoy
 
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... dann kam ein Mitmusiker und sagte: Des Schtück ischt in F und geht so: F - Ab - Bb.
Bei den Proben, an denen ich teilnehmen durfte, wurde der erste Halbsatz sogar ausgelassen ... ;) ... manchmal auch der zweite ...
Aber mal im Ernst: Warum (und WODURCH) ist das (scheinbar) heute nicht mehr so ?!

Ich will hier keine "die gute alte Zeit"-Diskussion anfangen ... aber mich interessiert das wirklich !!

LG
Thomas
 
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Bei den Proben, an denen ich teilnehmen durfte, wurde der erste Halbsatz sogar ausgelassen ... ;) ... manchmal auch der zweite ...
Ja, das mache ich nachher bei einem privaten 2-Personen-Treffen auch wieder so: Da wird gar nichts gesagt, sondern nur gespielt ... :love:
 
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Man kann das gerne, wie bereits vorgeschlagen, von F-Dur aus denken. Ich würde ergänzend vielleicht noch vorschlagen, das mal von F-dorisch aus zu tun, da dieser Modus der kleinste gemeinsame Nenner aller Akkorde ist und für den F-Dur Akkord nur die Terz erhöht werden müsste. Außerdem kommt das der oben beschrieben Moll-Pentatonik recht nahe. In der klassischen Harmonielehre würde man in dieser Deutung bei F-Dur wohl eher als "Variante" von F-Moll sprechen.
Das ist ein F-Mixolydischer Modus, der mit Blue-Notes b3, b5 und b7 angereichert ist.
Das ist das typische Tonmaterial vom Dur-Blues und wird auch gerne im Pop und Rock benutzt.

In F-Dorisch spielt die große Terz a keine Rolle. Daher ist es besser von F-Dur auszugehen.

1615125267956.png
 
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Mich bestürzt diese Verwirrung mittlerweile auch immer mehr.
Jeder x-beliebige Bach-Choral oder jedes Schubert-Lied würde die diesbezüglichen "Verwirrten" in tiefste Verzweiflung stürzen ...

Im Ernst, ich plädiere immer mehr dazu, einfach zu sagen: "Das Stück steht in "F" (als Beispiel, hier ist es ja "F"), ohne den Zusatz Dur oder Moll. Wenn es dann nur ein Bb gibt, weiß man, dass das Stück sich vorzugsweise nach F-Dur orientiert, mit 4 Bb wäre es hingegen F-Moll. Da die Umfärbung von Dur nach Moll und umgekehrt schon historisch sozusagen Alltag war und man mit Leichtigkeit aus historischer Zeit jede Menge Stücke findet, in denen das immer wieder stattfindet (von etlichen weiteren nicht-diatonischen Akkorden wie z.B. Zwischen-Dominanten, Medianten usw. gar nicht erst zu reden), ist es jedenfalls deutlich logischer, sich zunächst nur auf den Grundton als Bezugs- und Gravitations-Ton zu beziehen und erst im Folgenden von einem Vorherrschen von Dur oder Moll je nach Vorzeichnung und Harmonieverlauf.
Auch der Skalenbezug würde flexibler und letztendlich übersichtlicher, weil innerhalb des Stücks auch die Skala problemlos wechseln darf/kann.

Dann wird man nicht mehr so schnell verwirrt, die Materie wirkt auch weniger kompliziert und die Konfusion (das ´Klemmen´ im Kopf) kann vermieden werden.
 
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