Der Thread ist ja schon ein paar Tage alt, aber vielleicht interessiert es trotzdem.
1. Gitarre im „fortgeschrittenen“ Alter noch mal neu anfangen.
Uneingeschränktes JA! Ich war selber in der Situation, hatte so leidlich gespielt und auch Unterricht zwischen 9 und 16. Zuerst Klavier, was mir aber dank einer vollkommen unsensiblen und grausligen Klavierlehrerin von Anfang an keinen Spaß machte.
Dann Gitarre. War ein cooler Lehrer, wollte mich aber eher in die Jazz-Richtung lenken. Wes Montgomery und so Zeug. Trotzdem hab ich viel gelernt und bin ihm bis heute sehr dankbar. Ist leider verstorben.
Verschärfend kamen (behinderungsbedingt) viele Krankenhausaufenthalte dazu, dann Abi, Studium, real Live, etc…
Trotzdem stand eine Gitarre immer irgendwo in der Ecke. Ernsthaft in die Hand genommen habe ich sie mit Beginn der „Corona-Krise“, als klar war: Job ist weg (Admin in nem grösseren Gastro-Unternehmen), ab jetzt viel Zeit. Da war ich 55! Hab dann ein bißchen rumgeklimpert und so ein paar Songs angespielt. U.a. „For the love of God“ von Steve Vai. Also bis dahin, wo es richtig heftig schnell wird…
Aus Langeweile bei Youtube hochgeladen. Eig. nur für Freunde oder Bekannte, so bißchen zum flexen halt. Dieses Video ging urplötzlich bei YT durch die Decke, wurde von einigen bekannten Gitarristen geliked und geteilt (u.a. Timo Tolkki und Steve Vai himself). Vai hat dann auch noch wirklich nette Kommentare hinterlassen und – schwupps – hatte dieses Video über ein Wochenende über 300k Views.
Sehr crazy also. Und natürlich bedingt durch irgend einen dummen YT-Algo, der irgend einen Trend erkannt hatte. Was mich aber wirklich gerissen hat und bis heute motiviert, waren die Kommentare.
Es gibt so unglaublich viele Leute in ähnlicher Situation. Die irgendwann mal das Gitarrespielen angefangen hatten, dann kam „das Leben“ dazwischen. Und nun mit Ende 50 oder so juckt es vielen in den Fingern, aber sie sagen sich „das lohnt sich jetzt nicht mehr“, „du bist zu alt“ o.ä.
Ich bekam auch einiges Feedback von semiprofessionellen oder gar professionellen Musikern, die gesundheitsbedingt aufgehört haben. Schlaganfall, Motorradunfall, Krebserkrankung… War alles dabei.
Ich dachte… „wow, damit musst du jetzt was anfangen. Du kannst diese vielen Leute nicht einfach so hängen lassen“. Und hab mich reingefuchst, weitere Covers gespielt. Satriani, Andy Timmons, Gary Moore. Also schon anspruchsvolles Zeug, hab exzessiv geübt und es so leidlich publiziert.
Und das wär dann auch mein Tipp (also einer davon). Du wirst vermutlich nie auf einer Bühne stehen vielleicht auch nicht in einer Band spielen. Darum geht’s auch gar nicht mehr. Spiele das, worauf du Lust hast. Spiele Playalongs oder Covers, such dir nen Lick, den du geil findest und spiel ihn. Verabschiede dich von Glaubenssätzen wie „zu alt“, „zu spät“, „geht nicht, weil xyz“ oder „lohnt sich nicht mehr“. Skalen lernen, Harmonielehre, Improvisation, kannst du alles machen. Aber richte dein Hauptaugenmerk auf deinen Fun.
2. Finger zu kurz?
Niemals. Schau dir mal die frühen Videos von YOYO an
was diese kleine Chinesin mit ihren Kinderhänden alles aus einer „erwachsenen“ Gitarre rausholt. Natürlich mittels EXTREMSTEM Übungsfleiss. Aber an der Fingerlänge liegt es nicht…
3. Unterricht nehmen
Diese Frage hat sich mir nie wirklich gestellt, mir fehlt schlicht und einfach das Geld dazu bzw wäre dann sehr knapp. Ich hab online sehr viel mitnehmen können. Bernd Kiltz hatte ich mal abonniert. Ist schon sehr gut, das Problem dabei…. Es ist wirklich exorbitant viel Stoff und man „verliert“ sich auch schnell bei ihm. Er bietet ja nun so an die 30-40 Kurse an mit unendlich vielen Lektionen und veranschlagt für jeden so ein halbes bis ein Jahr. Um davon zu profitieren muss man schon vorher sehr genau wissen, was man will und dann auch den Mut haben, das andere links liegen zu lassen.
„Bernth“ (auch YT) kann ich noch sehr empfehlen, ist allerdings auf englisch und geht eher in die Shredder-Heavy-Richtung. Technisch aber exzellent.
Naja und Horst Keller findest du auch bei YT. Dort gibt’s viel einfachen Stuff. Strumming, Begleiten, famous Licks und viele, gute Einsteiger Tipps.
Grundsätzlich erst mal Vorsicht beim „Abo-Abschliessen“. Gibt auch unglaublich viel Mist in Sachen „Online-Kurs“.
Viel Erfolg und… viel Spaß beim Gitarre-Spielen!