Hey Joe

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Die interessante Diskussion im "F Dur in der Tonart D-Dur" - Thread zu diesem Thema bringt mich dazu einen eigenen Thread zum Song "Hey Joe" aufzumachen.

Die bekannteste Version dieses Songs ist sicher von Jimmy Hendrix, der ihn zu einem "all Time Rock Klassiker" gemacht hat, den Generationen von Gitarrenspielern quasi mit der Muttermilch aufgenommen haben.
Wikipedia nennt 49 Coverversionen und beschreibt die Geschichte des Songs in einem eigenen Artikel:http://de.wikipedia.org/wiki/Hey_Joe

Ich behaupte also einfach mal: "Hey Joe" ist ein überaus populärer "Gassenhauer", dessen harmonischer Ablauf sich als typische "Blues-Rock-Kadenz" in unseren Hörgewohnheiten eingenistet hat.

Schema:

C G /D A/ E/ E /
(der von mir im oben angesprochenen Thread angenommenen Zielakkord E7kreuz9 kling zwar gut, ich fand ihn aber beim Nachhören nicht als "Regelakkord" wieder, eindeutig ist nur der Durcharachter des Akkordes)


Ein Blick auf den Quintenzirkel scheint zunächst zu bestätigen, dass es sich bei der Akkordfolge um ein einfach zu analysierendes Schema benachbarter Akkorde handelt, die im Uhrzeigersinn verlaufen und somit eine Quartenkette bilden.

Den harmonischen Verlauf wird jeder Hörer auf den Zielakkord E-Dur ausrichten und somit E-Dur als Tonika empfinden.

... und jetzt fängt es auf einmal an kompliziert zu werden: Nimmt man E-Dur als Grundtonart an, sähe eine Analyse z.B so aus:

MABA: Das Stück steht in E-Dur, klingt zumindest für mich so. Die Akkorde bilden eine Kette von IV-I-Verbindungen (S-T): C => G => D => A => E
Die Akkordfolge läuft zielstrebig auf E zu, für mich deshalb die Tonika = Bezugspunkt. Der ersten Akkord dieser Folge, das C, ist ein Vertreter der Mollsubdominante (Paralle von Am).

In Stufen ergibt sich: bVI bIII bVII IV I - was auch nicht sehr übersichtlich ist.

In Funktionen könnte man das so schreiben: sP tP dP S T.

sP ist Parallele von Am => C
tP ist Parallele von Em => G
dP ist Parallele von Bm => D

Aber auch das entspricht nicht genau dem, wie ich die Akkordfolge höre. Da C auch in E-Dur schon Subdominantcharakter hat (SDM), höre ich G als Tonika und nicht mehr als Nebenklang von E-moll (tP).
Das A als Subdominante der ursprünglichen Tonart E-Dur läßt D im Nachhinein als Doppelsubdominante erscheinen. Wenn ich aufschreiben müßte, wie ich höre, sähe das so ähnlich aus:

C __G __ D __ A __ E_______
S . . T . . D . . . . . . . . in G-Dur
sP . . . . .SS . . S . . T .in E-Dur

Ich müßte eigentlich in zwei Tonarten notieren, dann ist es aber nicht mehr universell...

Die Analyse von Maba deckt sich ungefähr mit meinen Überlegungen, die ich mühsam unter Zuhilfenahme meiner etwas verschütteten Tonsatzlehrstunden aus höheren Musikhochschulsemestern unternommen habe. (ausser dass ich aus seinem Beitrag herauslesen kann, dass er von der Materie 10x mehr versteht als ich).

... es befriedigt mich aber dennoch nicht, ich glaube eine solche Analyse kann doch nicht einen Blues-Rock-Gassenhauer beschreiben. Es muss doch eine einfachere Erklärung geben, die auch Laien ermöglicht dem harmonischen Prinzip dieses Stückes näher zu kommen...

CUDO, dessen Kompetenz ich ebenfalls bewundere, schreibt dazu folgendes:
Wie Du schon richtig erkannt hast, handelt es sich hier ausschließlich um Quartfortschreitungen. Es sind somit alles plagale Fortschreitungen. Das ist es, was es so ungewöhnlich klingen lässt. In der heutigen Popularmusik überwiegen meistens authentische Fortschreitungen.
Um es nun funktionsanalytisch plagal darzustellen, sollte es wahrscheinlich so aussehen:
C __G __ D __ A __ E_______

tG . tP. . .SS . . S . . T (E Dur)

Bei den ersten 3 Akkorden handelt es sich um sogenannte MI Chords (modale Austauschakkorde). Alle 3 schöpfen ihren Tonvorrat aus dem gleichnamigen E Aeolisch.
Man denkt praktisch bei den ersten 3 Akkorden skalenmäßig in E Aeolisch und bei den letzten beiden in E Ionisch.

auch diese Überlegungen halte ich für sehr interessant, sie regen mich dazu an meine Harmonielehrekenntnisse zu erweitern und haben dazu geführt, dass ich nach Amazon gesurft bin um endlich die Jazzharmonielehre von Sikora zu bestellen...

... aber beschreiben sie besagten Blues-Rock-Gassenhauer?

... ich hab schlicht die e-moll Pentatonik + Bluenotes benutzt um über "Jey Joe" zu improvisieren...

CUDOS Bedenken:
Es wird bei dieser Skala auf jeden Fall Clashes geben. Wenn dies erwünscht ist - bluesy - und mit Bedacht eingesetzt, kann's funktionieren.

...brachten mich dazu mal genauer nachzuforschen und dabei bin ich auf dieses interessante Video gestossen, das für sich selbst spricht:
http://www.blinkx.com/video/hey-joe-guitar-theory-minor-pentatonic-scale-solo-lesson-tab/KHobozkH3pz9H5eqj9V3pg

Mein Fazit ist bisher Folgendes:

Mir scheint eine bluestypische Vermischung von Dur und Moll vorzuliegen, das Tongeschlecht der einzelnen Akkorde ist nicht wichtig.

Die Tonart ist am besten mit e-moll beschreibbar:

Funktionen:
sP-tP-dP-S-tV

Stufen:
VI-III-VII-IV-I

Iproskala:
e-moll Blues


würdet ihr mir da zustimmen?

abschliessend noch eins at MaBa+CUDO:
verzeiht mir wenn dass hier irgendwie rechthaberisch o.ä. rüberkommen sollte, ich bin euch dankbar für eure Hilfe und habe im Übrigen noch nie ein solch kompetentes und spannendes Musikerforum gesehen. Ich bin zwar schon ne Weile angemeldet, war aber bisher mehr ne Forumsleiche. Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr weiterhin Lust hättet mit mir zu disskutieren.

viele grüsse
 
Eigenschaft
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi,

finde ich toll dass Du hier nachhakst.
(der von mir im oben angesprochenen Thread angenommenen Zielakkord E7kreuz9 kling zwar gut, ich fand ihn aber beim Nachhören nicht als "Regelakkord" wieder, eindeutig ist nur der Durcharachter des Akkordes)
Ja sicher, E7#9 hat hier eindeutig Tonikafunktion. Es ist keine alterierte Dominante mit MM7 als chordscale. Die #9 ist hier lediglich eine "Bluesfärbung".


Nehmen wir mal an, Hey Joe stünde in Tonart E Moll (= Natürlich Moll = Aeolisch). In diesem Falle wären sämtliche Grundtöne der einzelnen Akkorde leitereigen.

Die Stufenbezeichnungen wären dann:

bVI, bIII, bVII, IV- und I-

| C | G | D | A- | E- |

Natürlich Moll gibt also, außer den beiden Terzen der letzten 2 Akkorde, den ganzen Tonvorrat der Akkordfortschreitung wieder.
Die verdurte Subdominante ist in Moll Tonart keine Seltenheit (-> Dorisch und MM) und der Dur Tonikasound ist dann eher überraschend, praktisch pikardisch verdurt. :))

Man kann das Stück also ohne weiteres in E Moll notieren/analysiern.





... ich hab schlicht die e-moll Pentatonik + Bluenotes benutzt um über "Jey Joe" zu improvisieren...

E Moll Pentatonik = 5. Modus der G Pentatonik.
Tonvorrat = g a b d e. (All diese Töne sind auch in E Natürlich Moll enthalten.)

Mögliche clashes mit den Akkorden des Stückes:

C - keine
G - keine
D - der Ton g
A - der Ton d
E - die Töne g und a

Du siehst, so viele Möglichkeiten schlecht zu klingen gibt es bei dieser Tonleiterwahl gar nicht. :)
Wenn man dann noch den Tonikaakkord bluesy spielt, ist es eh kein Problem.
Normalerweise macht man diese Sachen aber aus dem Bauch heraus schon richtig. Ich habe das nur mal eben zum klar machen aufgelistet.


CIAO
CUDO
 
| C5 G | D A5 | E | E | C5 Gdd9 | D A | E | E | etc..

| V I | V I | I | I | V I | V I | I | I |

1) Das Riff hat drei Tonarten: G Dur, A Dur und E dur. Jimi spielt durchgehend mit der E minor blues scale. Gehöhrsmassig und weil viele Folktunes mit Em Am arbeiten, würde man eigentlich erwarten das der letzte Akkord auf Em geht, dem ist aber nicht so, alles ist in Dur.

Dies Art der "spare finger" guitar rhythm chords geht auf Curtis Mayfield zurück, wobei der extra Finger vielfach die Terz variert und mit sus4, add9 and 6 embellishments spielt. Das ist wie es Jimi spielt.

2) Wenn man diese rhythm chords aber mit Jazz chordscales spielen würde, dann sieht es folgendermassen aus:

| C5 G | D A5 | E | E |

Skalen:

| C major G major | G major A major | Mixolydian | Mixolydian | ... oder
| C major G major | D Major A major | Mixolydian | Mixolydian | ... oder
| C major G major | D Major Mixolyd. | Mixolydian | Mixolydian |

That's all Folks!

.
 
@CUDO
Super, freut mich dass Du mein Nachhaken so positiv aufnimmst. (gelingt ja nicht immer bei inhaltlichen Auseinandersetzungen in Foren, den richtigen Ton zu treffen ;-))

Die korrekte Stufenbezeichnung:
bVI, bIII, bVII, IV- und I-
ist mir jetzt glaub ich auch klar. Man unterscheidet also nicht zwischen "kleinen" und "verminderten" Intervallen bei den Stufenbezeichnungen - also zwischen bV - lokrisch und bIII - moll?

Die verdurte Subdominante fällt wohl in das Kapitel "modal Interchange" und bezieht sich auf die dorische Tonleitervariante - richtig?
Mir scheint, die kommt fast häufiger vor als die äolische "s" (Klassik mal ausgenommen)
Gerade hatte ich ein schönes Beispiel am Wickel: "Hurt" von Johnny Cash
Gitarreneinsteigern begegnet die dorische Subdominante oft schon im 2. Lied, kann man kaum als "Ausnahme" von der "Regel" betrachten.

Das Konzept der "Avoid Notes" war mir immer ein wenig schleierhaft, ich kenne die Regeln, aber sie sagen mir letztlich nicht viel... ich finde einige Aussagen in diesem Threat dazu sehr bedenkenswert: http://forums.allaboutjazz.com/showthread.php?t=36180
... aber das führt etwas off topic.

Erwähnenswert ist zu Hey Joe noch der charakteristische Basslauf:

(kryptisch):

C↓E F Fis G H C Cis D↓ Fis G Gis A Cis D Dis E

Hier unterstreicht Hendrix den Durcharakter der Akkorde, indem er nach dem Grundton jeweils explizit die Durterz in den Bass setzt und erreicht mit der folgenden aufsteigenden Chromatik in dieser plagalen Akkordfolge eine zwingende Leittonwirkung! - ne echte Basshookline die keiner mehr vergisst, genial finde ich.

mir scheint, die wiederspricht etwas dem was Hagenwil schreibt:
Dies Art der "spare finger" guitar rhythm chords geht auf Curtis Mayfield zurück, wobei der extra Finger vielfach die Terz variert und mit sus4, add9 and 6 embellishments spielt. Das ist wie es Jimi spielt.

das stimmt natürlich! - aber er betont mit diesem Basslauf die Durterz ungemein und verwischt sie deshalb nicht mit den Terzumspielungen im Akkord.

Gott sei dank ist er auch nicht auf die Idee gekommen, die Harmonieen mit Jazz-Chordscales zu überladen. Sorry, aber mit der Idee halbtaktige Akkordwechsel in dieser Weise mit Skalenmaterial zu belasten, konnte ich noch nie etwas anfangen....

viele grüße
gw
 
Die korrekte Stufenbezeichnung:
bVI, bIII, bVII, IV- und I-
ist mir jetzt glaub ich auch klar. Man unterscheidet also nicht zwischen "kleinen" und "verminderten" Intervallen bei den Stufenbezeichnungen - also zwischen bV - lokrisch und bIII - moll?

Ja, richtig. MaBa erwähnte es bereits. Große Intervalle bekommen bei Stufenbezeichnungen keine Akzidentien, Kleine und Verminderte ein "b" und Übermäßige ein #. That's all.

Die verdurte Subdominante fällt wohl in das Kapitel "modal Interchange" und bezieht sich auf die dorische Tonleitervariante - richtig?
Ja, wobei die IV Stufe in Moll Tonart wohl öfter aus Melodisch Moll als aus Dorisch hergeleitet wird.

Das Konzept der "Avoid Notes" war mir immer ein wenig schleierhaft, ich kenne die Regeln, aber sie sagen mir letztlich nicht viel... ich finde einige Aussagen in diesem Threat dazu sehr bedenkenswert: http://forums.allaboutjazz.com/showthread.php?t=36180
... aber das führt etwas off topic.

Ich habe die Diskussion gelesen und finde sie an der Sache vorbei.
Natürlich kann man sich über einen Begriff streiten und natürlich kann man immer sagen "alles ist erlaubt". Aber darum geht es nicht. Es geht bei dem Thema avoid notes ausschließlich um die Bildung von b9 Intervallen prominenter Noten.
Prominent ist eine Note dann,
1.)wenn sie länger als ein Viertel ist (in einer Ballade ist ein Viertel natürlich auch schon lang)
2.) wenn ihr ein Intervallsprung folgt. (alles was größer als eine Sekunde ist, ist ein Intervallsprung)
3.) wenn sie auf Akkordwechsel fällt.

In all diesen Situationen würde eine avoid note einen harmonischen Konflikt darstellen, der, wenn nicht absolut logisch eingeleitet (siehe auch Bach, WTK) falsch klingt.

Um das geht es und um nichts anderes.

Eine avoid note kann jederzeit gespielt werden, wenn sie nicht mit den oben genannten 3 Punkten koinzidiert.

Gott sei dank ist er auch nicht auf die Idee gekommen, die Harmonieen mit Jazz-Chordscales zu überladen.

Aber Helge darf das! ;)

CIAO
CUDO
 
LOOOL köstlich! vielleicht sollte ich in meinen i-tunes hey joe aus dem Blues-Rock Genre Ordner rausnehmen und ein neues Genre .... vielleicht "Country-Soul-Comedy" aufmachen
- bahnbrechende Interpretation.

Danke für die sehr klare Definition der avoid notes. Ich werde sie bedenken und an anderer Stelle darauf zurückkommen.

gleiches gilt für die DurSubdominante in moll.

Interessant fände ich noch zu überprüfen, ob es auch in anderen Songs aus dem Bluesbereich Beispiele dafür gibt, dass eine Akkordfolge ausschliesslich aus Durakkorden, in einer Molltonart steht.

Salute
gw
 
So ist es.
Ich hörte den "Hey Joe" zum erstenmal circa 1960 von Tim Rose:

Vielen Dank für diesen Link! Tim Rose kannte ich noch gar nicht - was ein Sänger - beeindruckend. Die Vorgeschichte, in der er erzählt wie Jimmi Hendrix dazu kam diesen Song aufzunehmen, finde ich ich auch interessant. Das erinnert mich an die Story wie Jannis Joplin zu Bobby Mc Gee kam. Sie hatte sich wohl auch zunächst geweigert den countrylastigen Song von Kristofferson ins Repertoire zu nehmen...

viele grüsse
gw
 
Hrmn. Ich glaub ich mach mich jetzt unbeliebt. Aber ...

(easymode on)
Da klebt jemand einfach 5 Akkorde aus dem Quintenzirkel hintereinander und macht ein Stück draus.
(easymode off)

Es ist doch klar, dass die dadurch entstehenden Figuren, je nach dem welchen Bezugspunkt man gerade wählt, mannigfaltig sind, und man alles immer so oder auch anders sehen kann.

Jeder der beiden über die "Dreier-Progression" hinausgehenden Chords ist dabei eine Überraschung. Weniger überraschend wären sie, wenn sie sich als Moll-Akkorde skaleneigen auftauchen, und das Henne-Ei-Problem endlich für uns lösen. Das passiert aber nicht.

Aber das ist doch grad der Witz?

Meine (einfache) Interpretation:

Die ersten beiden Akkorde über einer Ddom7-Skala spielen (Cj#4 und Gj)
Die zweiten beiden Akkorde über einer Adom7-Skala spielen (D und A7)
Die restlichen drei Akkorde über einer Edom7-Skala spielen (E7#9)

Betrachtet man "D7, A7 und E7" sind sie in dieser Kombination als Blues-Akkorde nicht sooooo unbekannt. Dass ein Siebener Tonikafunktion hat ist im Blues ja auch nicht sooooo ganz unüblich, das Ohr daran gewöhnt, und diese Tatsache ganz bestimmt gewollt ausgenutzt, die #9 stabilisiert den Siebener nach dem A7 und bricht die Progression ab.

Die (wirklich schnöde) Blues-Progression ist nu eben durch leitereigene Substitutionen im Quintenzirkel ein wenig lebendiger gemacht.

Falls jemand drei ineinander hineinverschachtelte, für sich alleine stehende Blues-Progressionen hört, auch gut ;)

Aber alles, was über eine Kette einfacher, aneinandgerereihter Blues-Akkorde hinausgeht halte ich für ein akademisches Produkt (bei geeignet harmloser Wortwahl) :)

Liebe Grüße

Dana
 
hey, ich muss hier mal was ausgraben, weil ich eine generelle frage dazu habe - schon länger:

und zwar wird in diesem thread ja gefachsimpelt, in welcher tonart "hey joe" steht. von melodisch moll, aeolisch moll und dorisch ist an verschiedener stelle die rede - ohne dass ich besonders viel davon verstanden hätte. was mich jetzt interessiert ist, ob ein musiker, der so ein lied schreibt, sich auch vorher derartige gedanken macht, nach dem motto "ich komponiere jetzt ein lied in dorisch mol und lege eine blues-skala darüber bla bla... die tonika soll Em #7/9 werden..." oder ob jemand wie hendrix, slash, hammett u.a. da eher nach gehör was machen und am ende kommt dann halt ein dorisch oder aeolisch oder was auch immer raus. meine frage zusammengefasst: wieviel konzept und kalkuliertes vorgehen steckt bei der komposition von rock-liedern dahinter? und wieviel verstehen die komponisten selbst von der harmonielehre? ich weiss, das kann man natürlich nicht pauschal beantworten. aber vllt. weiss ja jemand von einem bestimmten musiker oder von sich selbst wie er dabei vorgeht. wusste hendrix, dass die tonika E7#9 war?
 
Das Intro gehört auch dazu also E C G A D E ..zumindest spiel ich so ;)
 
Ich finde eigentlich nicht, dass es von Belang ist, ob Hendrix das so oder so gesehen oder gewusst hat, wenn man sich mit einem harmonischen "Problem" beschäftigt. Sieh es wie ein Rätsel, das vollendet vor dir liegt, du kennst den Klang und findest daran nichts merkwürdiges, aber beim Heraushören oder Nachlesen der Akkorde fällt dir auf, dass du die Tonart nicht gleich erkennst. Und dann wunderst du dich, warum es dennoch so schlüssig klingt und begibst dich auf die Suche nach einer theoretisch akzeptablen Lösung. Vielleicht gibt es davon mehrere. Aber ich würde aufgrund dessen nicht mal im Traum davon ausgehen, dass Hendrix sich irgendwo mit dem Quintzirkel versteckt hat, um Hey Joe zu schreiben. Er wird aber wohl auch nicht bei Stravinsky angerufen haben.
Auf die Frage, wieviel Konzept und Kalkül hinter Rocksongs steckt, wirst du wohl nie eine zufriedenstellende, wenn ehrliche Antwort bekommen. Ein ganz großer Teil der Bands hat Produzenten und schreibt doch gar nicht mehr selbst. Vielleicht hat aber trotzdem der Komponist ganz viel Liebe und Emotion reingeworfen. Vielleicht hat aber auch dann wieder der Produzent gesagt "Is en geiler Song, auf jeden Fall, ich finde nur, das ist gar keine Ballade. Das ist sowas wie Freak On A Leash, kennste? Also, machste die Instrumente nochmal neu, Rest bleibt wie gehabt. Bis morgen, Digger!"
 
Tia, das alte Lied.
Zuerst waren die Typen da, die einfach Musik gemacht haben weils geil klingt.- Und dann kamen die, die versucht haben zu erklären, was die Typen da machen.
Unter diesem Aspekt, darf man nicht den kulturellen Background der "Musikertypen" ignorieren. Und die klassische Harmonielehre tut sich nun mal enorm schwer mit Blues und co. Dennoch muss erklärbar sein was da passiert. Ich glaube man muss sich aber von einigen Dogmen verabschieden.
Ich wäre schon sehr vorsichtig überhaupt Begriffe wie Tonika, Subdominante und Dominante beim Blues oder Bluesverwandter Musik zu verwenden.
-
Ich erkläre Tonika, Subdominante und Dominante mittlerweile so:

Tonika: Ich bin daheim.
Dominante: Ich will heim.
Subdominante: Ich geh mal um den Block und guck was so los ist.

Beim Blues würde ich sagen:

Dominante: Ich wach irgendwo mit nem üblen Kater auf und will nur noch nach Hause.
Subdominante: Ich such meine Wohnung.
Tonika: Mir fällt ein, dass ich keine Wohnung hab und ich obdachlos bin. Ich bin frustriert und geh mich besaufen.
Weiter mit Dominante...

Ich finde, das treibende am Blues ist es ja gerade, keine klare Tonika zu haben. Ein Auflösungsstreben, dass sich nicht auflöst.
 
... was mich jetzt interessiert ist, ob ein musiker, der so ein lied schreibt, sich auch vorher derartige gedanken macht, nach dem motto "ich komponiere jetzt ein lied in dorisch mol und lege eine blues-skala darüber bla bla... die tonika soll Em #7/9 werden..." oder ob jemand wie hendrix, slash, hammett u.a. da eher nach gehör was machen und am ende kommt dann halt ein dorisch oder aeolisch oder was auch immer raus. meine frage zusammengefasst: wieviel konzept und kalkuliertes vorgehen steckt bei der komposition von rock-liedern dahinter?
wusste hendrix, dass die tonika E7#9 war?

Gedanken machen wird sich der Musiker wahrscheinlich nicht darüber, aber WISSEN wird er es trotzdem. Man muß Harmonielehre nicht studiert haben, um harmonische Zusammenhänge mit der inneren Stimme HÖREN zu können. Möglicherweise kann der betreffende Musiker diese Situation harmonisch nicht beschreiben und nicht in Worte fassen, aber er VERSTEHT sie trotzdem ... aus sich heraus. Und ein klares Empfinden und eine Vorstellung dafür, WAS denn nun die Tonika werden soll, die hat er zu Beginn ganz sicher. Sonst hätte schon der erste Akkord, wie immer er lauten möge, keinen Sinn, bzw. zu VIELE Sinnmöglichkeiten ... jeder Songschreiber und Komponist (außer atonale) bezieht das harmonische Geschehen immer auf einen GRUNDTON, also muß der einmal als allererstes da sein. Natürlich nicht unbedingt in klar definierter Tonhöhe. Ob es nun ein E oer ein Db wird, ist (im Kopf) ja auch sekundär. Es geht ja nur um die VERHÄLTNISSE der Akkorde und Töne ZUEINANDER ... und dafür braucht es die Heimat, den GRUNDTON.

Ein guter Ralleyfahrer kann auch die maximal mögliche Geschwindigkeit für die nächste Kurve einfach "abschätzen", aus Erfahrung und Instinkt heraus, ohne vorher physikalische Berechnungen anstellen zu müssen. Die MUSS man allerdings - im Nachhinein - anstellen um beweisen zu können, daß es WIRKLICH die maximal mögliche Geschwindigkeit in dieser Situation war ...

LG, Thomas
 
Gedanken machen wird sich der Musiker wahrscheinlich nicht darüber, aber WISSEN wird er es trotzdem. Man muß Harmonielehre nicht studiert haben, um harmonische Zusammenhänge mit der inneren Stimme HÖREN zu können. Möglicherweise kann der betreffende Musiker diese Situation harmonisch nicht beschreiben und nicht in Worte fassen, aber er VERSTEHT sie trotzdem ... aus sich heraus. Und ein klares Empfinden und eine Vorstellung dafür, WAS denn nun die Tonika werden soll, die hat er zu Beginn ganz sicher. Sonst hätte schon der erste Akkord, wie immer er lauten möge, keinen Sinn, bzw. zu VIELE Sinnmöglichkeiten ... jeder Songschreiber und Komponist (außer atonale) bezieht das harmonische Geschehen immer auf einen GRUNDTON, also muß der einmal als allererstes da sein. Natürlich nicht unbedingt in klar definierter Tonhöhe. Ob es nun ein E oer ein Db wird, ist (im Kopf) ja auch sekundär. Es geht ja nur um die VERHÄLTNISSE der Akkorde und Töne ZUEINANDER ... und dafür braucht es die Heimat, den GRUNDTON.

Ein guter Ralleyfahrer kann auch die maximal mögliche Geschwindigkeit für die nächste Kurve einfach "abschätzen", aus Erfahrung und Instinkt heraus, ohne vorher physikalische Berechnungen anstellen zu müssen. Die MUSS man allerdings - im Nachhinein - anstellen um beweisen zu können, daß es WIRKLICH die maximal mögliche Geschwindigkeit in dieser Situation war ...

LG, Thomas

Sehr schöne Antwort!
 
Ich hab schon mehrere Stücke geschrieben, bei denen mir schlussendlich unser Bassist erklären musste, warum die Akkorde zueinander passen. ;)

Je mehr ich über Theorie lerne, desto unflexibler wird mein Songwriting, weil ich anfange, mich innerhalb eines Systems zu bewegen anstatt meinem Instinkt zu folgen. Je weiter weg ich die Theorie schiebe, desto eher entdecke ich was, was richtig interessant klingt. :eek:

Ich finde es schwer, da einen Königsweg zu finden. Klar ist es gut zu wissen, welche Töne man schön zusammen spielen kann, aber man will sich ja auch nicht in ein zu enges harmonisches Korsett zwängen lassen. :gruebel:

"Hey Joe" find ich gut. Eben drum. :great:

Alex
 
Dann hast Du wohl irgendwas falsch verstanden. Die Theorie schreibt NICHTS vor - sie erklärt nur, wie und warum etwas funktioniert. Und selbst bei diesen Erklärungen handelt es sich nur um Modelle - Theorien halt.;)
 
Dann hast Du wohl irgendwas falsch verstanden. Die Theorie schreibt NICHTS vor - sie erklärt nur, wie und warum etwas funktioniert. Und selbst bei diesen Erklärungen handelt es sich nur um Modelle - Theorien halt.;)

ich denke was jf.alex sagt, und du auch ist schon richtig - beides, ich seh da keinen widerspruch. theorie schreibt nichts per se vor, aber sie hat die tendenz - auf den einen mehr, auf den anderen weniger - so zu wirken, dass er sie sich selbst "vorschreiben" lässt. d.h. genau so wie jf.alex es sagt, dass man die tendenz - um es mal vorsichtig auszudrücken - entwickelt, sich dann auch nur innerhalb der gelernten theoretischen grenzen zu bewegen. und deshalb habt ihr beide, denke ich, "recht", und finde eure beiden einträge gut...
 
ich seh da keinen widerspruch.
Ich auch nicht, ich seh das praktisch wörtlich exakt wie du. Aber wenn der funkige Bruder meint, ich hätte was falsch verstanden, ist das auch okay für mich. :)

Peace and Love :)

Alex
 

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