So, ich versuch mal einen kurzen Überblick zu geben (wer schon mal ein juristisches Kurz-Lehrbuch gesehen hat, versteht vielleicht warum ein Überblick" so viel zu lesen sein kann ;-)).
Der Beitrag richtet sich an juristische Laien. Es ist nicht ganz einfach, aber ich hoffe man versteht es ungefähr. Wer etwas nicht versteht, oder genauer erläutert haben möchte, einfach melden!
I. Ausgangsfall und Allgemeines zum Kaufrecht
Als Ausgangsfall nehmen wir einmal folgendes an:
A kauft bei einem großen Musikhändler (M) einen neuen Amp. Der M gibt auf den Amp 3 Jahre Garantie. Nach ein paar Monaten (siehe Abwandlungen unten) gefällt A der Amp nicht mehr. Er verkauft ihn weiter an B. Dabei schließt er die Gewährleistung wirksam aus.
[kurze Anmerkung: das ist u.U. gar nicht so einfach, aber um es nicht ausarten zu lassen sei hier angenommen, dass der Ausschluss wirksam ist] A gibt dem B die Rechnung mit, aus der hervorgeht, dass A den Amp bei M gekauft hat. Er weist B ausdrücklich darauf hin, dass auf dem Amp noch Garantie bei M sei. Es kommt wie es kommen muss, der Amp geht nach ein paar Wochen bei B einfach nicht mehr an.
Der Fall dürfte jedem von uns recht bekannt vorkommen. Ständig liest man die Angebot mit Restgarantie, Rechnung wird mitgeliefert usw.
Was uns jetzt hier interessiert, ist die Frage, ob B überhaupt irgendwelche Recht hat, die ihm dazu verhelfen, dass sein Amp wieder repariert wird.
Bevor ich hier einsteige, ist es unbedingt nötig, ein paar Basics im Kaufrecht zu vermitteln.
Essentiell ist es, die beiden Begriffe Garantie und Gewährleistung auseinander zu halten. Beides wird oft vermischt und es gibt viele Fehlvorstellungen und Rechtsirrtümer, die kaum auszumerzen sind. Was verbirgt sich jetzt dahinter?
1. Die Gewährleistung
Die Gewährleistung ist ein im BGB geregeltes Institut (§§ 437 ff. BGB). Grob gesagt, geht es um die Rechte des Käufers, wenn der Kaufgegenstand einen Mangel aufweist. Was unter einem Mangel zu verstehen ist, regeln die §§ 434, 435 BGB. Grundsätzlich liegt ein Mangel vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Sache von der vereinbarten (oder üblichen) Beschaffenheit negativ abweicht. Klingt kompliziert, ist es manchmal auch. Hier soll es uns nur soweit interessieren, als ein Amp, der nicht mehr angeht, einen solchen Mangel aufweist.
Die eigentliche Überraschung für viele Laien ist aber die Tatsache, dass die Gewährleistung nur zu dem Zeitpunkt greift, wenn der Kaufgegenstand übergeben wird. Das bedeutet, dass die Gewährleistung nur anwendbar ist, wenn zum Zeitpunkt der Übergabe der Kaufgegenstand schon defekt war! Geht dieser später kaputt, hat der Käufer Pech gehabt.
Dies lässt sich eigentlich recht gut nachvollziehen: der Verkäufer kann ja nichts dafür, wenn der Gegenstand später das zeitliche segnet. Das ist das Problem des Käufers!
Verwirrung stiftet dann meist, dass es 2 Jahre Gewährleistung gäbe und die Beweislastumkehr bei gewerblichen Verkäufern. Wenn man bedenkt, dass die Gewährleistung ja den Käufer nur vor Mängeln im Zeitpunkt der Übergabe schützen soll, ist es wirklich schwierig nachzuvollziehen, was es mit den 2 Jahren Gewährleistung auf sich hat. Die 2 Jahre sind quasi nur eine Art Verjährung. Das bedeutet, dass der Käufer innerhalb von 2 Jahren Ansprüche auf Gewährleistung wegen eines Mangels zum Zeitpunkt der Übergabe (!) geltend machen kann. Manche Mängel sind eben bereits bei Übergabe vorhanden, stellen sich aber erst einige Zeit später heraus (z.B. kann ein Ausgang des Amps schon bei Übergabe defekt gewesen sein, man merkt das aber erst nach einem Jahr, weil man den Ausgang nie benutzt hat).
Das Vorliegen eines Mangels zum Zeitpunkt der Übergabe hat grundsätzlich der Käufer im Prozess zu beweisen. Er muss also nachweisen, dass der Amp schon bei Übergabe defekt war.
Bei gewerblichen Verkäufern kommt dem Käufer die Hilfe des § 476 BGB zu gute. Danach wird vermutet, dass ein Mangel, der sich innerhalb von 6 Monaten nach Übergabe zeigt, bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorgelegen hat. Auch das lässt sich gut nachvollziehen: geht die Sache innerhalb von 6 Monaten kaputt, wird wohl schon beim Kauf etwas mit dem Gerät nicht gestimmt haben, so kann z.B. eine Lötstelle nicht sauber gewesen sein, die dann innerhalb von 6 Monaten den Amp lahm legt.
In Kurzfassung: die Gewährleistung deckt nur Mängel ab, die bei Übergabe der Sache schon vorhanden waren. Geht der Amp später z.B. wegen Verschleiß kaputt, bestehen keine Ansprüche aus Gewährleistung!
2. Die Garantie
Diese Situation ist natürlich unbefriedigend. Für Händler, die Neuware verkaufen ist daher die Übernahme einer Garantie interessant. Hier soll nur der Fall einer sogen. Haltbarkeitsgarantie betrachtet werden. Konkret bedeutet das, dass der Händler für die Dauer der Garantiezeit (z.B. 3 Jahre) dafür gerade steht, dass der Kaufgegenstand nicht kaputt geht.
Diese Garantie ist freiwillig! Sie ist nicht gesetzlich vorgeschrieben (im Gegensatz zur Gewährleistung), sondern ist ein eigener Vertrag zwischen Verkäufer und Käufer. Insoweit sind den genauen Bedingungen der Garantie auch wenig Grenzen gesetzt. Überspitzt gesagt, kann der Verkäufer auch reinschreiben, dass es nach 3 Tagen Sonnenschein keine Garantie mehr gibt.
Konkret: Geht der An/Aus Schalter des Amps nach einem Jahr kaputt, ist das ein Fall für die Garantie. Der Verkäufer garantiert ja gerade, dass der Schalter eine normale Benutzung über 3 Jahre aushält. Nur wenn der Schalter schon bei Übergabe des Amps defekt war, greift (auch) Gewährleistung.
II. Anwendung auf die Verkäuferkette
Wendet man diese Grundsätze nun auf unseren Ausgangsfall an, kommt folgendes heraus:
Der Kaufvertrag besteht zunächst zwischen B und A. B muss sich also (zunächst) an A halten.
1. Ansprüche gegen A
Der Anspruch aus Gewährleistung besteht nicht, weil A diese gegenüber B wirksam ausgeschlossen hat.
Eine (eigene) Garantie hat A gegenüber B auch nicht übernommen. Dies hätte ausdrücklich geschehen müssen.
Bei A ist also für B nichts zu holen.
2. Ansprüche gegen M?
Die eigentliche Frage ist nun, ob B sich nicht direkt an M wenden kann. Eigene Ansprüche aus Gewährleistung oder Garantie hat B gegen M nicht, weil beide ja keinen Kaufvertrag geschlossen haben. Sie haben eigentlich nichts miteinander zu tun!
Allerdings hat A Ansprüche gegen M. Und zwar aus Gewährleistung (wir gehen davon aus, dass der Mangel schon bei Übergabe von M an A angelegt war, also der Schalter schon einen unbemerkten Knacks hatte) und aus der von M übernommenen Garantie.
Es stellt sich die Frage, ob B nicht die Ansprüche des A gegenüber M geltend machen kann.
a) Garantie
Eigentlich kann A dem B problemlos den Anspruch gegen M aus der Garantie abtreten. Durch die Übersendung der Rechnung und der Erklärung, dass noch Garantie drauf ist, kann man davon ausgehen, dass A dies auch getan hat.
Damit stünde B ein Anspruch auf Reparatur des Amps gegenüber M zu. Allerdings muss man sich jetzt an den Abschnitt über die Garantie oben erinnern: M kann in die Garantiebestimmungen reinschreiben was er will. Und tatsächlich findet sich meist ein Ausschluss der Abtretbarkeit in den AGB. Das bedeutet, dass die Garantie dann nicht übertragbar ist. B hat also keinen Anspruch aus Garantie gegen M!
Das ist eigentlich auch nachvollziehbar: die Übernahme der Garantie soll ja ein Grund sein, beim Händler Neuware zu kaufen. Dieser hat keinerlei Interesse daran, Geräte reparieren zu müssen, die nicht bei ihm gekauft wurden. Im Übrigen soll sich natürlich der Privatkauf aus Händlersicht nicht noch lohnen.
b) Gewährleistung
Das eben Gesagt passt hier nicht: da die Gewährleistung ein gesetzliches Recht ist, kann M nicht verhindern, dass Ansprüche hieraus abgetreten werden.
A kann seine Ansprüche gegen M also an B abtreten (übertragen). Ob er dies getan hat, kommt auf den Einzelfall an.
Im Ausgangsfall würde ich das grundsätzlich bejahen. Man kann in dem Übersenden der Rechnung und der laienhaften Erklärung da ist noch Garantie drauf durchaus schließen, dass A auch die Gewährleistungsansprüche an B übertragen hat.
Für alle die jetzt ausgestiegen sind: A hat wegen des Defektes Anspruch auf Reparatur des Amps bei M. Diesen Anspruch hat er auf B übertragen. B kann also von M Reparatur des Amps verlangen.
Soweit die Theorie. Schwierig wird die praktische Seite. Wie bereits gesagt, muss derjenige, der die Gewährleistung geltend macht, beweisen, dass der Gegenstand zum Zeitpunkt der Übergabe bereits einen Defekt hatte.
In unserem Fall müsste demnach B nachweisen, dass der Schalter zum Zeitpunkt der Übergabe von M an A (!!!) bereits einen Knacks hatte und nicht später durch Verschleiß kaputt ging. Das dürfte sehr schwierig werden.
Entscheidend ist hier die zeitliche Komponente:
a) Kauf A bei M und Verkauf an B sowie der Defekt des Amps liegen innerhalb von 6 Monaten: hier hat B Glück, da ihm § 476 BGB zu Hilfe kommt (s.o.), der die Beweislast umkehrt. M muss nun beweisen, dass der Schalter bei der Übergabe an A (!!) in Ordnung war. Dürfte auch schwierig werden.
b) Zeigt sich der Defekt erst, nachdem mehr als 2 Jahre seit Übergabe M an A (!!) vergangen sind, hat B ebenfalls Pech gehabt, die Gewährleistung ist abgelaufen. Das gilt auch wenn er den Amp selbst gerade erst bei A gekauft hat. Entscheidend ist das Verhältnis A und M, da B die Ansprüche des A geltend macht!
Ergebnis:
Eine Garantie ist meist nicht übertragbar. Es nutzt B also nichts, dass A bei M noch Garantie auf dem Amp hätte.
Die Gewährleistung nutzt B nur etwas, wenn seit dem Kauf von A bei M noch keine 2 Jahre vergangen sind. Weiterhin bringt sie nur was, wenn B entweder
a) beweisen kann, dass die Sache schon bei Übergabe von M an A defekt war, oder
b) seit Übergabe M an A noch keine 6 Monate vergangen sind
Um mal ein konkretes Beispiel zu liefern, wie das funktionieren kann:
Ich habe meinen Zenamp gebraucht gekauft. Er hatte eine defekte LED. Der Erstkäufer hatte den Amp vor 8 Monaten gekauft. Ich hätte in einem Prozess beweisen müssen, dass die LED schon von Anfang an defekt war. Das war bei mir aber kein Problem: es war ein bei HK bekannter Produktionsfehler. Damit war klar, dass der Amp schon defekt die Fabrik verlassen hatte und daher auch schon defekt an den Erstkäufer übergeben wurde.
Ich habe den Amp also kostenlos repariert bekommen (allerdings von HK selbst und wohl eher aus Kulanz denn aus rechtlichen Gesichtspunkten).
Noch größere Probleme tauchen dann auf, wenn A die eigenen Ansprüche gegen M nicht auf B übertragen will. Dann stellt sich die Frage, ob B den A dazu zwingen kann, ob er also einen Anspruch auf die Übertragung hat.
Das ist juristisch höchst umstritten. Der BGH hat dies in einigen Entscheidungen bei Grundstücken verneint. Ob die auf andere Fälle und auf die Schuldrechtsmodernisierung übertragbar ist, ist zweifelhaft. Es gibt jedenfalls viele Stimmen in der Literatur, die einen solchen Anspruch bejahen, wobei da auch im Einzelnen einiges umstritten ist (z.B. Rechtsgrundlage §242 oder §285? usw.).
Jedenfalls ist man dann auf ganz dünnem Eis!
Im Ergebnis ist das Mitschicken der Rechnung zwecks Garantie also praktisch bedeutungslos, da die Garantie nicht übertragbar ist und die Gewährleistung schwierig durchzusetzen sein wird, falls sie überhaupt eingreift (was ohnehin recht selten der Fall sein wird!).