Wie kann ich erkennen, ob die Tonart jetzt die eine ist oder die Dur-/Moll-Parallele? Ich kann mich ja nicht immer drauf verlassen, dass mir Akkorde gegeben sind, oder eine Melodie mit dem Grundton beginnt. Außerdem sind das ja keine eindeutigen Beweise, oder?
Okay, du hast also eine Melodie ohne Harmonisation (=ohne Akkordsymbole oder ausnotierte Akkorde) und willst deren Tonart bestimmen. Eine Melodie für sich allein hat aber keine Tonart. Nur dort, wo Akkorde existieren, kann eine Tonart bestimmt werden.
Nicht bei allen Melodien lassen sich überhaupt Tonarten bestimmen, und bei manchen gibt es mehrere mögliche Lösungen. Du suchst eindeutige Beweise, und die gibt es nicht immer. Das erst mal vorweg.
Ansonsten musst du halt wissen, was eine Tonart überhaupt ist: eine Hierarchie von Harmonien. Bestimmte Akkorde sind also wichtiger/schwerwiegender/bedeutungsvoller/schlussfähiger als andere. Ein perfekt schlussfähiger Akkord wird
Tonika genannt, und nach diesem Akkord wird auch die Tonart eines Stückes benannt. Wenn also von einem Stück in c-Moll die Rede ist, ist der schlussfähige und entspannteste Akkord der Cm-Akkord.
Und das Herausfinden des entspanntesten und schlussfähigsten Akkordes ist in der Tat eine Sache der Gehörbildung. Von daher ist turkos Ratschlag, vor allem hinzuhören, der einzig grundlegend richtige.
Der Tonika entgegengesetzt ist die
Dominante. Sie steht per Definition auf der 5.Stufe der Tonleiter der Tonika und ist immer ein Dur-Akkord (obwohl wir hier im Board darüber auch schon kontrovers diskutiert haben). Die Dominante ist ein sehr spannungsreicher und überhaupt nicht schlussfähiger Akkord. Wenn Cm die Tonika ist, wäre also G die Dominante. In dem Moment, wo du an entscheidenden Stellen eines Stückes die Akkordverbindung G-Cm ausmachen kannst, hast du Grund zur Annahme, dass Cm die Tonika ist und damit das Stück in Cm steht. Die "entscheidenden Stellen" sind insbesondere Anfang und Schluss von Formteilen.
Darüberhinaus hat jeder Drei-(und auch Mehr-)Klang, der sich aus einer Tonart bilden lässt (es gibt immer 7 Stück, auf jedem Skalenton einen) eine charakteristische Spannung. Das sind die leitereigenen Drei-/Vierklänge, die man kennen sollte. Wenn man sie intensiv kennt, kann man noch mehr Beweise für oder gegen eine Tonart finden und damit die Bestimmung absichern.
Für deinen konkreten Fall: du solltest zuerst die Melodie harmonisieren, um eine Tonart des gesamten Stückes zu bestimmen. Eine Melodie für sich allein kann keine Tonart haben. Sie kann aber eine Tonart nahelegen, indem z.B. charakteristische Töne einer Dominanten oder einer Tonika verwendet werden.
Harald