Gibson Les Paul Custom... customized mit Design-Aging

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Ich betreue seit ein paar Monaten einen Kunden mit einer Gibson Les Paul Custom, die schwere Misshandlungen hinter sich hatte...

Schon im Werk wurde bei ihr ordentlich gepfuscht mit schlecht verarbeiteten Bindings und unsauberen Lackgrenzen. Der Vorbesitzer wollte damit schon nicht leben und entschied sich dazu sie überlackieren zu lassen. Zu einem echten Profi ging er damit wohl nicht, denn der Lackierer ballerte satte 1,5mm Lack auf den alten Lack drauf, der noch dazu unsauberer arbeitete als das Werk.

Die Entscheidung war klar.... der Lack musste runter. Unter sage und schreibe 2mm Lack kam dann ein noch viel schlimmeres Ausmaß zur Geltung... Im Holz wurden schon bei der Herstellung fehlerhafte Stellen verspachtelt wodurch sich eine dezente Dünnschichtlackierung direkt ausschloss. Wir versuchten es zunächst doch erstmal mit einem gefärbten Ölfinish, aber der neue Besitzer ist wie ich ein optischer Perfektionist und die Makel waren natürlich immer noch sichtbar, womit er nicht wirklich leben konnte.

Überraschend besuchte er mich dann ein weiteres Mal mit der Idee die Rettungsversuche einzustellen und stattdessen das Gegenteil anzustreben: Ein völlig abgefucktes Aging sollte her - die Idee fand ich super und ich nutzte die Gelegenheit der Sache meine Handschrift mitzugeben. Übliche Agings basieren auf der Abnutzung und Schäden auf lackierten Oberflächen. Das ist relativ leicht herzustellen... die besondere Herausforderung hier war aber, dass es beim blanken Holz bleiben sollte.

Holz kunstvoll verschlissen aussehen zu lassen ist keine leichte Aufgabe. Wie ging ich also vor? Ich hatte keine Idee....

Eines umtrunkenen Abends in einer Punkrock-Kneipe fiel mir der völlig versiffte Kneipentisch auf, der ursprünglich mal aus irgendeinem hellen Holz bestand. Neu sah das Ding sicher mal total schick aus, aber wer kommt auf die Idee und stellt helle Tischplatten in Punk-Kneipen?! :D Egal.... "Dreck" war das Zauberwort und der Stil passte perfekt zur Ahorndecke einer Les Paul.
Nur wie bekommt man diesen schwarzen Schleier aus abgeriebenen Lederjacken-Ellenbogen, umgekippten Bieren, Brandflecken und eingeriebener Asche hin?!

Na klar... mit vielen Schichten stark verdünnter schwarzer Farbe. ;)

Ich bleichte das Holz zunächst mit Wasserstoff-Peroxid und mischte ein paar Tropfen schwarze Beize mit Ethanol an, die ich dann schicht für Schicht in das Holz einrieb und immer wieder mit Aceton auswusch. Ein paar Schäden wurden eingeschlagen und die üblichen "Reibungsstellen" eingearbeitet indem ich stümperhaft mit einem Stahlplek spielte, ein Nietenarmband um den Arm trug und mir ein paar wuchtige Ringe auf die Finger steckte. Zwischendrin wurde das Holz immerwieder mit einer Schwabbelscheibe bei hohen Drehzahlen und dunkelbraunem Polierwachs überpoliert - mit starkem Druck um jahrelange Reibung durch Kleidung und Haut zu simulieren.

Nach jedem Poliergang wurde wieder mit schwarzem Spiritus und Aceton "dreckig gewaschen".

Irgendwann merkt man, dass das Holz einfach keine Farbe mehr aufnehmen will.... das heißt man ist fertig :D

Oben drauf ein trockenes Hartwachsfinish und das Holz war rotten genug um "abgefuckt" wie der Punkertresen auszusehen :D

Der nächste Schritt war die Hardware.... eine Vergoldung ist "leider" ziemlich unanfällig gegen Chemikalien, aber auch sehr dünnschichtig aufgetragen. Mit einem Schleifvließ polierte ich unregelmäßig die Goldschicht insbesondere an Kanten weg und legte alle Teile einen Tag in Salzsäure (10% Mischung), anschließend einen Tag in Salzwasser und zu guter Letzt einen Tag in Kaliumpolysulfid ein (Achtung! Diese Prozedur ätzt Gummihandschuhe weg und die Dämpfe reichen für Verätzungen der Augen, Atemwege und Schleimhäute). Danach wurde die Hardware noch einen Tag in Wasser gespült und einen weiteren Tag zum Trocknen ausgelegt. Es bilden sich verschiedene Oxide an den Oberflächen... je nach Material... Zinkteile werden grau mit weißem Schleier, Stahl rostet und Messing wird schwarz. Leider war das Neusilber der Pickupkappen nicht so reaktionsfreudig, weshalb sich hier nur eine glänzende, silbrige Oberfläche bildete.

Das Ergebnis ist dann dieses kunstvolle Aging... natürlich können wir hier nicht mehr von einer realistischen Verstärkung von Abnutzungserscheinungen reden. Ich age generell aber auch eher mit künstlerischer Ambition und dem Ziel eines optisch ansprechenden Gesamtkonzepts.

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Ziel eines optisch ansprechenden Gesamtkonzepts

Ziel erreicht. Gefällt mir sehr gut. Die Potiknöppe etc sehen vielleicht noch etwas zu neu aus. ;) Hat einen gewissen "Treibholzcharakter" und könnte nicht nur Punks ansprechen. Könnte auch was für die Piraten- und Wikingerfans sein.
 
so neu sehen die garnicht aus.... das gibt das Foto nur nicht so gut wieder

PS: "Treibholz"-Optik versuche ich schon seit Jahren. Das ist echt nicht einfach, denn Treibholz ist eigentlich sehr, sehr blass und ausgewaschen. Mit W-Peroxid geht das zwar in diese Richtung, aber es ist viel zu "rein" danach. Treibholz hat eine ausgewaschene Maserung, die man nur mit Sandstrahlen hinbekommt. Allerdings braucht man dafür auch grobmaseriges Holz und Ahorn ist dafür eigentlich eher ungeeignet. Esche ist dafür gut.... hatte ich hier leide nicht :( - Bei den Mahagoni-Teilen habe ich mit Messing-Drahtbürste die Poren verstärkt. Aber das funktioniert auch nur bei Holz mit großen Poren.

An schöner Kunststoff-Alterung muss ich aber auch tatsächlich noch etwas arbeiten. Mit Säure passiert da fast nichts. Ich weiß nicht wie man Kunststoff sonst so aged, aber meist finde ich das Ergebnis dann auch zu übertrieben. Ich möchte ja eher "malerische" Agings.... ich nenne sowas "Comic-Aging", weil ich mir immer vorstelle, wie ein Comic-Zeichner sowas wohl malen würde.... mit starken Kontrasten eben...
 
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Vielleicht noch ein Hinweis, warum ich für das Farb-Waschen immer Alkohole verwende.... Es ginge natürlich auch mit Wasser. Die Sache ist aber eine riesen Sauerei mit viel viel Flüssigkeit. Alkohole verdunsten schnell und binden zusätzlich Wasser an sich. Zum Einen erspart man sich damit eine schwimmende Umgebung und reduziert das Risiko von Holzverzug und sich aufstellender Fasern auf ein absolutes Minimum - sofern es überhaupt noch besteht.
Eine Gasmaske mit Chemiefilter ist dabei allerdings Pflicht, sonst taumelt man wegen der Dämpfe ziemlich schnell durch die Gegend :D - ich spreche aus Erfahrung, denn mein erster Test (vor einer Hand voll Jahren) mit dieser Technik führte zu einer Beule am Kopf! :D
 
Mir bleibt ein wenig die Spucke weg. Wirklich tolle Arbeit und ich bin ein wenig neidisch auf den aktuellen Besitzer.
 

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