ich selbst habe mich die letzten zwei Jahre recht intensiv mit Zwölftontechnik auseinandergesetzt. Wenn du mal ein wenig in die Tonsprache dieser Musik reinhören möchtest, kannst du ja mal unter Harmonielehre/Kompositionslehre/Meinung zu Stück erwünscht reinschauen, da habe ich einen Link zu einem Gitarrenstück von mir.
ch hoffe, dieses Thema ist noch verfügbar. Es ist ja schon etwas älter, deshalb bin ich mir nicht sicher, ob hier noch jemand mitliest.
Die Zwölftontechnik ist etwa 1924 zum ersten Mal formuliert worden, obwohl auch vorher schon freitonal komponiert wurde. Ihr Erfinder ist Arnold Schönberg. Sein Ziel war eine Tonsprache zu entwickeln, die möglichst keine Wiederholung zulässt. Er legte also einfach fest, dass sich kein Ton der chromatischen Skala zu wiederholen hatte, bevor nicht alle anderen gebracht worden sind. Er nannte das das Ultrathema.
Ich glaube nicht, dass das der einzige Grund war, warum Schönberg diese Kompositionstechnik entwickelt hat. Vielmehr wollte er etwas schaffen, das die traditionell zu gewöhnlich gewordene tonale Musik überwinden konnte. Dass er die Töne gleichberechtigt behandeln wollte, kann auch als Hinweis darauf verstanden werden, den Gedanken der Demokratie in die Musik zu übertragen.
Was in der Zwölftonmusik durch die Festlegung der Reihenfolge der Töne ganz stark in den Vordergrund rückt ist die "Gestalt". Das heißt, wie die Töne rhythmisch angeordnet werden, was laut und was leise klingt oder welche Klangfarbe die Ereignisse haben, ist in einer Musik, in der die Reihenfolge der Tonhöhen durch Reihentechnik vorbestimmt ist, ein sehr wichtiger kreativer Raum.
Ich würde es nicht unbedingt als
Gestalt bezeichnen; für mich passt der Begriff
Struktur besser. Auf jeden Fall wird der Hörer im Bewusstsein dieser Musik von harmonischen Elementen zu dieser Struktur und Gestalt
weggeführt. Deshalb würde ich diese Musik zum Beispiel als eine mögliche Form von Musik für und von künstlichen Systemen bezeichnen.
Die Zwölftonreihe wird natürlich auch nicht immer und immer wieder einfach von vorne abgespult, sondern man bedient sich bestimmter Techniken, um aus der Reihe als Ausgangsmaterial noch weitere Reihen zu bilden, die alle ähnliche Eigenschaften haben, wie die Originalreihe:
Wie bereits erwähnt, basiert die 12-Ton-Musik auf vier Grundformen der Variation einer Einheit sowie deren Transponierung. Durch die Anwendung dieser Variationstechniken entsteht für die 12-Ton-Musik eine besondere Form des Kontrapunkts.
Eine Zwölftonreihe kann transponiert werden. - Man kann also immer wenn man die Reihe neu beginnt, sie von jedem beliebigen Ton aus starten.
Es gibt Spiegeltechniken. - Man kann eine Reihe rückwärts abspielen. Das nennt man dann Krebs oder Retrograd.
Außerdem kann man alle Intervalle, die im Original nach oben gespielt werden, nach unten führen und umgekehrt. Das nennt man dann eine Umkehrung oder Inversion.
Man kann auch beide Spiegelformen zusammen anwenden. Zusammen mit der Originalform erhält man so vier unterschiedliche Spiegelformen.
Es gibt noch weitere Möglichkeiten Spiegelformen zu erzeugen. Darauf gehe ich hier jetzt aber nicht ein.
In diesem Text werden noch einmal alle möglichen Formen der Variation aufgeführt. Besonders daran ist, dass dadurch eine bestimmte, geregelte Struktur für einen neuen Kontrapunkt entsteht. Dieser Kontrapunkt löst sich jedoch zugleich von der Tonalität. Deshalb vermute ich, dass der eigentliche Gedanke hinter der Zwölfton-Technik der bewusste Verzicht auf tonale Bezüge war.
In jedem Fall verlagert sich der Fokus dadurch vom tonalen Geschehen hin zur reinen Struktur und zur Interaktion verschiedener Strukturen.
Was die erwähnten weiteren Formen der Variation betrifft, bin ich mir allerdings nicht sicher, welche konkret gemeint sind. Falls es solche Formen gibt, wäre ich daran sehr interessiert.
Ein weiteres wichtiges Gestaltungsmittel in Zwölftonmusik ist, dass man aufeinanderfolgende Töne einer Reihe zusammenzieht, sodass sie einen Zusammenklang ergeben. So erhält man egal, wieviele Töne man zusammenzieht zwölf unterschiedliche Kombinationen von Zusammenklängen, mit denen man wunderbar arbeiten kann.
Durch diesen Aspekt der Technik ist es praktisch sogar möglich, drei Klänge – also so etwas wie traditionelle Akkorde – zu schaffen, und theoretisch müsste es so auch möglich sein, wieder tonale Strukturen zu erzeugen.
Noch ein Wort zur Ästhetik. Es stimmt nicht ganz, dass man alle möglichen Anordnungen von Zwölftonreihen auch musikalisch sinnvoll einsetzen kann. Mit einer simplen chromatischen Skala könnte ich als Zwölftonkomponist beispielsweise keine Musik machen.
Ganz genau – es geht dabei nicht einfach darum, irgendwelche Strukturen zu schaffen. Vielmehr entstehen diese Reihen stets auf der Grundlage einer übergeordneten künstlerischen Idee. Ausnahmen bilden lediglich solche Reihen, mit denen ich bestimmte Techniken untersuchen möchte. Doch auch in diesen Fällen steht ein forschender Anspruch im Hintergrund.
Auch wenn man einfach zuerst alle Töne einer Dur-Tonleiter spielt und dann die ünrigen fünf Töne nachreicht, kommt man nicht wirklich zu einem brauchbaren Ergebnis. Im allgemeinen sind Zitate aus der tonalen Musik immer eher schädlich.
Wie schon geschrieben, kommt es auf die künstlerische Idee an – natürlich könnte man auch die Tonreihe selbst nehmen, wenn man diese nur hinreichend begründen würde. Auf jeden Fall sollte ein Werk hier also eine Idee enthalten, die sich in diesen Strukturen darstellt.
Sobald es tonal klingt, fragt man sich schnell, warum es nicht auch tonal weitergeht. Trotzdem gibt es Mittel und Wege tonale Zitate in Zwölftonreihen zu verschleiern oder aber auch gerade mit der Erwartungshaltung, die ein Hörer an ein tonales Klangbild hat zu spielen.
Genau diese Eigenschaft der 12-Ton-Musik sorgt dafür, dass sie einen ganz eigenen Klang besitzt. Wer sich daran gewöhnt hat, kann sofort erkennen, dass es sich um eine neue Art von Musik handelt.
Ein sehr aufschlussreiches Buch zum Thema Zwölftontechnik ist Herbert Eimert: Handbuch der Zwölftontechnik. Doch Vorsicht, der Typ ist Mathematiker, kein Musiker.
Wie ich bereits versucht habe zu erklären, geht es in der Zwölftonmusik nicht mehr um die gewohnte tonale Harmonik, sondern vielmehr um mathematische Strukturen. Deshalb überrascht es nicht, dass diese Musik vor allem dann entsteht, wenn sich Musiker mit Mathematik beschäftigen – oder umgekehrt. Auf jeden Fall werde ich versuchen, den Text zu bechaffe und zu lesen.
eine frage hab ich:
darf man denn die töne auch durcheinander spielen, solange man die regel einhält einen ton nicht eher wieder zu gebrauchen, bis alle anderen 11 benutzt worden sind? oder muss man immer die reihe benutzen?
Im Grunde könnte dies eine noch radikalere Form der 12-Ton-Musik sein.