Zum Tanzen ist IMHO die „1“ wichtig, und so schön das Anhauchen bei vielen anderen Musikstücken ist, ist mir das persönlich hier „too much“ - schließlich ist eine Gigue ein Schreittanz, der im englischen Sprachraum gerne in geselliger Runde getanzt wird (selbst schon einige Male vor Ort mitgemacht), und kein konzertantes Vortragsstück. Aber wie gesagt, das darf ja jeder gerne so handhaben, wie er möchte.
Das generelle "Problem" der - insbesondere traditionellen- Tanzmusik, ist, dass da im Prinzip die ganze Gesinnung/Tradition dazu gehört. Natürlich kann man ein Stück vortragen und Leute hören zu. Klar, bloß trifft es den Charakter der Musik möglicherweise nicht und wird bestenfalls zum eigenen Stil.
Ich bringe jetzt mal 2 "Extrembeispiele" die ich glücklicherweise gefunden habe, die in etwa das wiedergeben, was ich in der Szene der Bretonischen und auch Irischen Tanzkreise erlebt habe.
Erst mal eine Laridée-8-temps.
Zunächst muss man sagen, dass es sich um Gruppenevents handelt, wenn solche Musik aufgetischt wird. Man erkennt, dass erstens die Tanzbewegungen - auch wenn sie simpel ausschauen- nicht mal eben so nachzuempfinden sind, da uns zugegebenermaßen die Art des Zählens nicht geläufig ist. Zum anderen erkennt man an den "ewigen" Repetitionen, dass es sich hier keineswegs um Vortragsmusik handelt, sondern um eine Art Tranceuntermalung, die die immer gleichen Bewegungen, auf die man sich voll konzentrieren muss, begleiten und stützen.
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Im folgenden Beispiel- Gavotte de Montagne- sieht wozu man ein diatonisches Akkordeon solistisch benutzt, nämlich um einen gesamten Saal in Bewegung zu bringen, und dazu auch noch mit zu tanzen.
Auch hier ist das ganze wie eine Art Tanzritual zu sehen, dass einen gewissen "Trancezustand" bewirkt - verstärkt durch den Gesang, der noch dazu kommt. Sehr wichtig bei solchen Vorgängen ist eben, dass sich die Musik auf immer gleiche Weise "endlos" wiederholt, was bei einem Vortragstück komplett undenkbar wäre.
Ergebnis: Wahnsinns-Stimmung. Es ist im Grunde genommen nichts anderes, was in der modernen Zeit gewöhnlich in Discotheken angestrebt wird... bloß viel ... naja natürlicher.
In der nächsten Szene spielt eine bretonische Band auf ner Bühne (Gavotte), auf genau diese Weise, auch wenns schön gestaltet ist, ist es nichts anderes als Musik für "Trance" - Ergebnis: Der Saal tanzt!
So sollte zumindest diese Musikrichtung klingen. Ohne diesen Zusammenhang ist es auch schöne Musik, aber halt nicht jene.
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Was übrigens sehr interessant ist: Man kann keine dieser Musiken in einen Topf werfen, wie ja schon gesagt wurde.
Der jüngere Ursprung vieler BRETONISCHER Tänze/ Musik kommt aus der Renaissance und wurde quasi ins 19. und 20. Jahrhundert vom ursprünglichen höfischen Tanz (u.a. Mozart, Händel) zum Volkstanz. Wie unten beschrieben, können diese auch alternierende oder unrunde Taktmaße haben, was 1:1 in den Tänzen als (für uns komplett ungewohnte) Schrittkombinationen gelebt wird.
Für mich persönlich ist es undenkbar, solche Musik zu erleben ohne die Bewegungen analog in den Tänzen kapiert zu haben
Wiki - kleiner Ausschnitt:
"Gavotte in der bretonischen Musik
Als Volkstanz und volksmusikalisches Genre ist die Gavotte heute noch in der Bretagne lebendig, wo zahlreiche Gavotten (Gavotte de l’Aven, Dañs Fisel, Gavotte des Montagnes, Kost ar c’hoad) zum festen Bestandteil von Tanzfesten wie dem Fest-noz gehören. Mit der barocken Gavotte hat sie den zweitaktigen Aufbau gemeinsam. Der Rhythmus ist ein zumeist synkopisch gespielter 4/4-Takt, aber es sollen auch 9/8- und 5/8-Takte vorkommen
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Wenn ich mir nun Beschreibung IRISCHER Musik anschaue, habe ich einen Verdacht ... und das erklärt vielleicht den Verlauf und die Entwicklung dieses Fadens:
Wiki- Ausschnitt:
Die irische Folkmusik geht auf rhythmische Gesangsstücke zurück, die a cappella begleitet wurden, so genannte Puirt a beul (mouth music oder lilting) und Sean-nós-Gesang. In militärischen Zusammenhängen wurden außerdem Dudelsäcke und Trommeln eingesetzt.
Die Musik ist seit dem 17. Jahrhundert nachweisbar. Sie wird – zusammen mit der Folkmusik aus Schottland und der Bretagne – häufig auch als „keltische Musik“ bezeichnet. Ein tatsächlicher Zusammenhang mit der Kultur der Kelten (etwa 900 bis 50 v. Chr.) ist jedoch nicht nachweisbar.
Erst im 18. Jahrhundert kamen die Instrumente hinzu, die den Klang der irischen Folkmusik heute prägen.
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Wie kann man das deuten?
Wenn das Ganze ursprünglich Keltisch gewesen sein sollte, dann hat sich einerseits der Bretonische Teil davon stark von der Renaissance beeinflussen lassen (??) Und ist seit dem 19. JH nahezu "original" verblieben, auch im tänzerischen und instrumentalen Sinn.
Der heute bekannte "Irish Folk" hingegen ist eher den Weg der heutigen Pop-Musik gegangen, stark von USA geprägt und dort sicherlich mit in die Countrymusik eingeflossen, daher auch die poppigen Interpretationen, Bands und Instrumente, der "Lord of the Dance" und weiteres, was überhaupt nichts mit der Musik zu tun hat, die das "irische Volk" bzw, die Kelten sogar gespielt und getanzt haben. Es ist zum Zuhören, es ist verkünstelt und aufwändig produziert.
Dies scheint der bretonischen und schottischen Musik keineswegs so stark widerfahren zu sein.
Für mich ist auf alle Fälle die gesamte Musikrichtung in etwa das, was in den Videos oben zu erleben ist und ganz und gar nicht etwas, das im Herr der Ringe, in Titanic oder irgendwelchen anderen Arragements heute erfolgreich produziert wird. Oder von James Last oder von Simply Red ...
Das ist auch sehr sehr schöne Musik!! Bloß halt ganz andere.