Kirchentonleitern: Frage für wirklich tief Denkende

Oder ich habe den Sinn Deiner Aussage nicht richtig verstanden
So ist es.
Intervalle können wir wie intervallskalierte Daten in Beziehung setzen und deren Abstände exakt wahrnehmen. Bei Farben, Gewichten oder auch Temperaturen ist das nicht möglich, die entsprechenden Sinne erlauben lediglich Vergleichsangaben oder Schätzungen aufgrund der Lernerfahrung.

Gruß Claus
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Ein 1:1 Vergleich passt ja aber in den Fall nicht, Schallwellen und Licht sind physikalisch und sensorisch nicht das gleiche.

Das Empfinden von Konsonanz und Dissonanz ist ja mit Schwebungen usw begründet. Das sollte schon universell sein, ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Mensch Töne einwandfrei hören kann, aber Obertöne, Schwebungen usw. nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ok, es ging mir um diese Aussage:

Bin einverstanden, sofern es um die Feinheiten der Notation und deren Weiterentwicklungen geht (Thema hier). Etwa die, wenn ich richtig verstehe, nicht überall schlüssigen Intervalle/Akkorde (Beispiel Wolfsquinte).
Eine Ausnahme würde ich unbedingt machen:
die Oktave. Man hört einen Ton, dann dessen Oktave und fühlt sofort: alter Bekannter. Die wurde doch nie und nimmer erfunden?! Da geht es um mehr als die Halbierung einer Saite? Ist in meinen Ohren etwas Fundamentales, bis in die Synapsen vom Hirn.

Es geht mir nicht darum, dass man sie prinzipiell wahrnehmen kann.
Sondern um die Sonderrolle, dass man das 'sofort fühlt'.
Und das ist eben antrainiert wie die Dur-Tonleiter.

Wenn ich unsere Durtonleiter nicht kenne und 'Alle meine Entchen' singe, aber - ich habe gerade meinen lydischen Moment - die vierte Stufe einen Halbton höher singe, dann werden in diesem Kutlurkreis
- die meisten hören, dass da was komisch klingt
- viele hören, dass es der vierte Ton ist
- einige, dass das das die lydische Quarte ist
Wir haben alle die Fähigkeiten dazu, aber - und das ist der speingende Punkt! - ich muss erst mal qua Sozilaisierung erkannt haben, wasdie Zielvorstellung ist, ohne sie unbedingt explizit kennen zu müssen.

Die Annahme von @ci-siamo war, dass die Oktave eine Sonderrolle hat, dass das so eingebaut ist, dass man das immer sofort erkennt. Und wie sich heraus stellt, ist das ebenfalls Prägung.

Das Spannende ist, dass die Annahem so selbstverständlich ist, dass man erst durch den Kontakt mit diesen Naturvölkern heraus gefunden hat, dass das eben nicht automatisch der Fall sein muss.

Natürlich kann man die Oktave zu erkennen lernen. Das gilt auch für die Durtonleiter oder A79#11.

Aber das widerspricht sich doch. Ohne einen Sinn kann es gar keine biologische Prädisposition geben.

Die biologische Prädisposition ist unser Ohr.
Der Sinn ist die kulturelle Prägung.

Es kann ja genauso sein, dass die das zwar könnten, aber es halt für sie keinen Wert ergibt, das zu tun.

Natürlich könnten sie das, das habe ich ja gar nicht angezweifelt!

Dh. man könnte es mal mit ihnen üben.

Genau: Prägung! Wie die Durtonleiter!

Ich hoffe, ich habe meinen Punkt klarer gemacht.

Grüße
Omega Minus
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Der Sinn ist die kulturelle Prägung.

Wir müssten schon die Begriffe so verwenden wie allgemein üblich, sonst reden wir aneinander vorbei
Beitrag automatisch zusammengefügt:

Natürlich könnten sie das, das habe ich ja gar nicht angezweifelt!
Der von Dir zitierte Artikel aber, zumindest missverständlich.

Sinnvoll wäre imho gewesen, die zusammen, also gleichzeitig, singen zu lassen. Da könnte man erkennen, ob sie Intervalle wurscht sind oder ob sie doch sie Konsonanzen anwenden, dh ob sie dann auch spontan und gleichzeitig im Abstand von zB einer großen Septime oder einem Tritonus singen.
Das kann ich mir eben nicht vorstellen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wir müssten schon die Begriffe so verwenden wie allgemein üblich, sonst reden wir aneinander vorbei

Ich meine nicht
und auch nicht

Aber schön, dass Du Dir aus meinem ganzen Text ein Wort heraus klaubst, um die ganze Idee zu invalidieren. Herzlichen Glüclwunsch!
Vergiss es einfach, wie kommen da nicht zum Konsens.

frustierte Grüße
Omega Minus
 
Das Wort ist aus dem Artikel und ist doch gerade der Zentrale Begriff. Haben sie einen Sinn dafür oder nicht. Das finde ich etwas unfair, mir Wortklauberei vorzuwerfen.

Ich meine nicht ... und auch nicht ...
Ja, aber wie soll man das wissen ...?🤔

Nächstes Mal klären wir die Grundlagen vorher 😊
 
Das Wort ist aus dem Artikel und ist doch gerade der Zentrale Begriff. Haben sie einen Sinn dafür oder nicht.

Ich habe "Sinn für die Oktave" interpretiert wie "Sinn für Durtonleiter" oder "Sinn für die Sonatenhauptsatzform".

Das finde ich etwas unfair, mir Wortklauberei vorzuwerfen.

Nun, Du hast den Begriff heraus gekramt. Hast Du Dir meinen Sermon durch gelesen und eine Idee dafür bekommen können, was ich aussagen möchte!?

Ja, aber wie soll man das wissen ...?🤔

Oh, da müssen wir jetzt bitte schön das Wort 'wissen' genau klären ...

Nächstes Mal klären wir die Grundlagen vorher 😊

Ich hatte gehofft, der Sinn (hahaaa!) hinter meinem Text wäre zu erkenne, aber anscheind hast Du keinen Sinn (hahaa!) dafür. Vielleicht hat es auch keinen Sinn (hahaa!) mit Dir darüber zu diskutieren. Sagt mir mein sechster Sinn (hahaa!).

Im Ernst: Mit etwas geringerer beckmesserischer Herangehensweise meine ich, dass der Tenor (soll ich den Begriff in diesem Kontext erklären!? Es ist nicht die Stimmlage und auch nicht das Blechbalsinstrument gmeint!) erkennbar wäre. Habe mich da wohl geirrt. :-|

Also, nochmal:
Die Identifikation einer Oktave ist ebenso wie die Identifikation einer Durtonleiter durch Prägung erstanden. Das ist für uns überraschend, das war es für mich auch,als ich das zum ersten Mal hörte. Beides kann man antrainieren. Beides muss aber nicht zwangsläufig im kulturellen Kontext vorhanden sein. Also hat die Oktave keine Sonderrolle. Das versuchte ich darzulegen. Ist aber gescheitert und ich sehe keinen Sinn (hahaa!) darin, das noch weiter zu vertiefen.


Kommunikation ist schwierig. Ich scheitere da regelmäßig dran.

Ich schreibe: "Durch Anklicken des roten Knopfes links oben wird die Dialogmaske abgebrochen".
Kunde klickt den roten Knopf links oben und schreibt, dass die Dialogmaske abbricht.
Ich schreibe, dass ich das doch genau geschrieben habe.
Kunds schreibt, ja, habe ich gelesen, aber damit rechnet ja keiner!
Täglicher Wahnisnn.

Grüße
Omega Minus, der Sinnlose
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Sondern um die Sonderrolle, dass man das 'sofort fühlt'.
Und das ist eben antrainiert wie die Dur-Tonleiter.

Ich denke, hier hauen wir zwei Sachen in einen Topf.

1. Dass man es überhaupt etwas "fühlt" - also wahrnimmt - was die Oktave von anderen Intervallen unterscheidet, nämlich nach der Prime die geringste mögliche Dissonanz.
Bzw etwas allgemeiner, die Wahrnehmung einer Abstufung in der Dissonanz verschiedener Intervalle.
Das würde ich mal vermuten braucht kein extra Training. Wobei ich dafür natürlich keinen direkten Beweis habe.

und 2. was man dabei fühlt - also eine mit bisherigen akustischen Erfahrungen vergleichende und bewertende "Instanz". Die ist dann eher antrainiert, wobei man durchaus auch einen genetisch vererbten Anteil vermuten könnte (vergleichbar mit der besseren Wahrnehmung einer höheren Stimme, die wahrscheinlich durch Nachkommenaufzucht evolutionär geprägt ist).

Also die reine Sinneswahrnehmung versus deren kulturelle Bedeutung.

Mit etwas geringerer beckmesserischer Herangehensweise meine ich
Du musst mich vielleicht nicht als blöd hinstellen. Von der eigenen Warte aus scheint immer klar, was man meint. War bei mir sicher auch so. Eine gute Kommunikation muss sich aber auch vergewissern, dass beim Gegenüber auch das ankommt, was man meint.
Nun, Du hast den Begriff heraus gekramt.
Wie gesagt, diese Art von Darstellung finde ich unfair. Du hast den Artikel rausgesucht, und die Überschrift des Artikels heißt "Ist der Sinn für Tonhöhen universell". Da sind genau zwei Substantive drin. ;)
Aber Schwamm drüber. Vielleicht verstehen wir unter gekramt auch wieder was verschiedenes ;)

Ich zitiere nochmal den verlinkten Artikel - also das, was nicht Du, sondern der Journalist über die Studie geschrieben hat.
"Aber sie besitzen keinen Sinn für Oktaven – Töne, die physikalisch eng verwandt sind. Das spreche dafür, dass die Fähigkeit, diese Verwandtschaft zu erkennen, kulturabhängig sei"
Physikalisch, die Fähigkeit, etwas zu erkennen.
Aber das ist natürlich meine persönliche Interpretation und kann völlig daneben sein.

"Konkret ging es unter anderem um die Frage, ob alle Menschen Töne, die genau eine Oktave auseinanderliegen, als verwandt und als bloße Höhenvarianten desselben Grundtons erkennen"
Mir scheint halt das Studiendesign - jedenfalls so wie es im Artikel beschrieben ist - nicht wirklich auf die Beantwortung der Frage zugeschnitten.

OT: Deinen Frust mit den Kunden verstehe ich. Vielleicht liegt sowas aus Kundensicht auch ein bisschen zum Teil an der Wortwahl "wird die Dialogmaske abgebrochen". Die Sprache ist aus Programmierersicht natürlich korrekt, weil Du vom Prozess redest. Der Nutzer sieht aber die Maske als etwas grafisches. So wie auch in Win beim Drucken "Möchten Sie das Dokument abbrechen?". Wie zum H.. soll ich ein Schriftstück "abbrechen"? Grundsätzlich sollte das natürlich verständlich sein, worum es geht, aber manchmal muss man die Nutzer zum Jagen tragen ... sie zahlen ja schließlich...
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 4 Benutzer
"Konkret ging es unter anderem um die Frage, ob alle Menschen Töne, die genau eine Oktave auseinanderliegen, als verwandt und als bloße Höhenvarianten desselben Grundtons erkennen"
Mir scheint halt das Studiendesign - jedenfalls so wie es im Artikel beschrieben ist - nicht wirklich auf die Beantwortung der Frage zugeschnitten.

Das Thema hat mich nun auch interessiert und es scheint insgesamt schon etwas komplexer zu sein.
Die Oktave ist nur ein kleiner Teil davon.

In diesem Artikel von 2016 wird explizit die Tonhöhenwahrnehmung in Bezug auf Einzelintervalle genauer untersucht. Der Autor Josh McDermott war auch bei der erwähnten Studie mit dabei.

"Indifference to dissonance in native Amazonians reveals cultural variation in music perception"
http://mcdermottlab.mit.edu/papers/McDermott_etal_2016_consonance.pdf

Die Versuchsteilnehmer hatten z.B. reine Quinten und den Tritonus als "gleich gut" bewertet, wogegen wir typischerweise die Quinte für "besser" befinden, im Sinne von Wohlklang.

Das wirft natürlich die Frage auf, wie will man gemeinsam musizieren, wenn man Konsonanz/Dissonanz so nicht wahrnimmt.

Da finde ich diesen Satz aus dem Artikel bemerkenswert:
The Tsimane’ were of particular interest because harmony, polyphony, and group performances are by all accounts absent from their music.
(Fettdruck von mir) Schwierig zu sagen, was da Ursache und Wirkung sein könnte ...
Singen sie nicht gemeinsam und "können" es deshalb nicht, oder ist genau anders herum ?

Auch hierzulande kann Tonhöhenwahrnehmung und (gesangliche) Reproduzierfähigkeit recht unterschiedlich ausgeprägt sein, also auch innerhalb eines kulturellen Kontextes. Dazu drei Beobachtungen von mir in meinem direkten Umfeld:
  • eine Person ist "tontaub". Sie kann bei zwei aufeinanderfolgenden Tönen nicht erkennen, welcher höher ist. Die Person kann Klänge hören, macht auch "Musik" in Form von Klanginstallationen, aber eben ohne eigene Tonhöhenwahrnehmung.
    Eine Flöte ist höher als ein Bass, soweit geht es noch, aber innerhalb einer Oktave geht's nicht.
  • eine Person singt stark "unscharf", will ich mal sagen. In einer Melodiephrase von z.B. 10-15 Tönen ist jeder Intervall ein wenig schief, so daß am Ende die Phrase 2 Ganztöne zu tief rauskommt. Trotz gemeinsamem Singen und sogar Gesangsunterricht. Und es liegt nicht an der Atmung.
  • eine sechsköpfige Kindergruppe singt gemeinsam ein Lied, jeder in einer anderen Tonart. Dort spielen verschiedene Gründe mit rein, gemeinsam ist aber, daß sie es nicht wirklich merken.
    Da war ich echt beeindruckt :ugly:
Tonhöhen- und Intervallwahrnehmung ist insgesamt durchaus komplex ...
 
Grund: War da doch glatt ein Tippfehler ...
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Das letztere meinte ich, wenn wir sehr weit in der Zeit zurückgehen, da drängt sich mir auf, dass es Mehrstimmigkeit schon immer gegeben haben muss. Es sei denn, man definiert sie sehr eng an kulturell verbindliche Regeln gebunden. Die gesellschaftliche Oberschicht hält sich daran, das gemeine Volk trötet, flötet, trommelt vor sich hin, wie es gerade kommt.
Ich stelle mir eine Gruppe von kleinen Kindern vor, wie sie jeden Tag neue Spiele erfinden (entdecken?). Das soll bei Erwachsenen früher beim Musikmachen nicht so gewesen sein?
Deshalb unterschied ich "Vieltönigkeit" von "Mehrstimmigkeit". Während ich mit ersterem ein mehr oder weniger zufälliges Zusammentreffen verschiedener Melodien, bzw. melodienartiger Strukturen meine wie z.B. die Gesänge und das Zwitschern verschiedener Vögel in einer Voliere, meine ich mit zweiterem ein organisiertes Zusammengehen mehrerer Stimmen, sei es komponiert oder improvisiert.
Bei einer Komposition ist es offensichtlich, dass eine Struktur beabsichtigt und erzeugt wurde, aber auch bei einer Improvisation werden sich die Beteiligten in irgendeiner Form musikalisch strukturiert zusammen finden, wenn z.B. eine Harmoniefolge zugrunde liegt, wird diese in der Regel als Grundgerüst oder Matrix die Wege der improvisierten Linien mit- und vorbestimmen.
Ich möchte vermuten, dass auch das "gemeine Volk" sich beim "tröten, flöten, trommeln" in den Intervallen, Strukturen und Rhythmen organisiert hat, wie es auch bei der liturgischen "Kunst"-Musik seinerzeit war. Sicher aber auch etwas ´anarchischer´, gröber und weniger ´gesittet´ als in der liturgischen Musik. Und ganz gewiss hat das "gemeine Volk" viel Musik zum Tanzen gemacht. Beim Volk stand sicher die Unterhaltung sehr im Vordergrund, was bei der liturgischen Musik eher nicht der Fall war und ist.
In jedem Fall sehe ich es auch so, wie es oft geschrieben wurde, dass die Musik bzw. das Singen die gesprochene Sprache überhöht und intensiviert. Sei es im Alltag der normalen Leute oder vor allem im religiösen Umfeld, wo der Gesang das Gebet sozusagen in eine Höhere Sphäre erhebt.

Nach Ansicht der Forscher spricht dies dafür, dass der Sinn für die Verwandtschaft von Tönen, die genau durch eine Oktave getrennt sind, offenbar nicht kulturübergreifend vorhanden ist. “Es kann zwar sein, dass es eine biologische Prädisposition für die Vorliebe für Oktavenbeziehungen gibt, aber diese scheint nur dann zum Tragen zu kommen, wenn man häufig Musik hört, die auf einem Oktaven-basierten System beruht“, erklärt Co-Autor Josh McDermott vom Massachusetts Institute of Technology (MIT).
..."
Ist der Sinn für Tonhöhen universell?
Dieser recht knapp gehaltene Artikel lässt bei mir mehr Fragen offen als er klärt.
Die Frage ist z.B., ob die "Tsimane" nicht oktavieren konnten, oder ob sie es nicht wollten. Das Studiendesign war ja so ausgelegt, dass die obersten Töne der nachzusingenden Tonfolgen immer über der üblichen Obergrenze der für erwachsene Menschen singbaren Töne lagen. Sie mussten diese daher beim Nachsingen irgendwie austauschen. Während die US-Probanden diese Töne stets oktavierten, tauschten wie zu lesen ist die Tsimane diese Töne willkürlich durch andere Töne aus.
Das müsste man eigentlich in den Kontext der Musik setzen, die die Tsimane praktizieren.
Vielleicht machten die gewählten Austauschtöne für die Tsimane gemäß ihres musikalischen Backgrounds mehr Sinn als die ´schlichte´ Oktave?
Immerhin schien die Oktave für die Tsimane nicht erstrebenswert, sinnvoll, schön genug?
Dazu hätte man vielleicht weiter und mehr in die Tiefe forschen müssen.

Insofern folge ich der Einschätzung von @opa_albin:

"Konkret ging es unter anderem um die Frage, ob alle Menschen Töne, die genau eine Oktave auseinanderliegen, als verwandt und als bloße Höhenvarianten desselben Grundtons erkennen"
Mir scheint halt das Studiendesign - jedenfalls so wie es im Artikel beschrieben ist - nicht wirklich auf die Beantwortung der Frage zugeschnitten.


Was als "schön", "passend", "sinnvoll" usw. empfunden wurde und wird, hat sich auch in unserem Kulturkreis immer wieder gewandelt und ist auch stets von den eigenen musikalischen Vorlieben, von der musikalischen Sozialisierung abhängig.
Ich bin z.B. nicht nur Klassik- und Jazz-Fan, sondern überhaupt sehr vielen musikalischen Genres und unterschiedlichen musikalischen Ethnien gegenüber recht aufgeschlossen. Mit Heavy-Metal, dem meisten Rap oder gar seichtem Schlager kann mich mich hingegen verjagen.
Ich kenne Menschen, die mit Klassik kaum etwas anfangen können, oder die vor Jazz weglaufen ... jeder muss das selber wissen, was sie/er mag, selbstverständlich.

Historisch war das auch schon immer so.
Wie viele Menschen finden heute Gefallen an solchen Stücken, wie sie Guillaume de Machault, der heute als der bedeutendste Komponist des 14. Jahrhunderts gilt, komponierte. Hier ein Beispiel, der "Hoquetus de David" (auch als Beispiel der frühen Mehrstimmigkeit):


View: https://www.youtube.com/watch?v=jt_ACTMzj8s

Machault gilt als der bedeutendste Vertreter der "Ars Nova", ein echter Neuerer in der Musikgeschichte.
Von der Kurie wurde seine Kompositionstechnik abgelehnt, trotzdem hat er großen Einfluss auf die Musikgeschichte seiner Zeit gehabt. Irgendwann galt er dann aber auch als überholt. Hier ein informativer Artikel über ihn: https://de.wikipedia.org/wiki/Guillaume_de_Machaut
Beitrag automatisch zusammengefügt:

Auch hierzulande kann Tonhöhenwahrnehmung und (gesangliche) Reproduzierfähigkeit recht unterschiedlich ausgeprägt sein, also auch innerhalb eines kulturellen Kontextes. Dazu drei Beobachtungen von mir in meinem direkten Umfeld:
  • eine Person ist "tontaub". Sie kann bei zwei aufeinanderfolgenden Tönen nicht erkennen, welcher höher ist. Die Person kann Klänge hören, macht auch "Musik" in Form von Klanginstallationen, aber eben ohne eigene Tonhöhenwahrnehmung.
    Eine Flöte ist höher als ein Bass, soweit geht es noch, aber innerhalb einer Oktave geht's nicht.
  • eine Person singt stark "unscharf", will ich mal sagen. In einer Melodiephrase von z.B. 10-15 Tönen ist jeder Intervall ein wenig schief, so daß am Ende die Phrase 2 Ganztöne zu tief rauskommt. Trotz gemeinsamem Singen und sogar Gesangsunterricht. Und es liegt nicht an der Atmung.
  • eine sechsköpfige Kindergruppe singt gemeinsam ein Lied, jeder in einer anderen Tonart. Dort spielen verschiedene Gründe mit rein, gemeinsam ist aber, daß sie es nicht wirklich merken.
    Da war ich echt beeindruckt :ugly:
Tonhöhen- und Intervallwahrnehmung ist insgesamt durchaus komplex ...
Ich würde schätzen, dass mittlerweile 9 von 10 Anfänger-Kindern, die bei mir mit Klarinette oder Saxophon anfangen, beim Nach- und Mitsingen einfacher Melodien die Töne nicht treffen. Manche singen nur unsauber, aber nicht wenige liegen komplett daneben!
Ebenfalls haben nicht wenige Mühe, zu erkennen, ob bei einer vorgespielten Tonfolge von zwei Tönen der zweite Ton höher, tiefer oder gleich zum ersten ist.
Soweit ich das eruieren kann, sind das Kinder und Haushalten und Familien, wo nicht gesungen wurde und wird. Da heutzutage auch in Kindergärten und Grundschulen oft nur wenig, mitunter gar nicht gesungen wird (und nicht selten wird wo gesungen wird, nicht korrigiert mit dem Ergebnis einer "polytonalen Kackophonie"), erfahren diese Kinder keinerlei Schulung ihres Sing- und Hörvermögens. Und vor allem in diesem Alter wird das Hören praktisch nur über das Singen geschult.

Bei allen Kindern, die gut Mit- und Nachsingen konnten und können, erfahre ich einen familiären Hintergrund wo praktisch gesungen und oft auch musiziert wird, Musik also praktiziert und nicht nur gehört wird.
Auch die anderen Kinder hörten und hören in der Regel mehr oder weniger viel Musik (Spotify lässt grüßen), aber sie bzw. ihr familiäres Umfeld praktiziert keine Musik.
Sich bedudeln lassen alleine genügt offensichtlich nicht, gutes Hören und Töne treffen kann nur durch musikalisches Tun entwickelt werden.


Insofern ist es natürlich logisch, dass Hören und Musizieren immer vom sozialen bzw. musikalischen Umfeld abhängig ist, mit den dazu gehörenden Prägungen.
 
Grund: Tippfehler korrigiert
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 4 Benutzer
Ein 1:1 Vergleich passt ja aber in den Fall nicht, Schallwellen und Licht sind physikalisch und sensorisch nicht das gleiche.
Falscher Bezug, ich schrieb nicht zur Physik der Quellen, sondern zur Reizverarbeitung auf der Empfängerseite bzw. einen Aspekt der Sinnesphysiologie und Kognition des Hörens. Das ist als einziger Sinn derart spezialisiert entwickelt, dass man in Bezug auf Töne experimentell eine (naive) Messung von Intervallen feststellen kann.
Ob die Quelle des Tons eine Sinus-, Rechteck, Sägezahnschwingung erzeugt oder einem akustischen Instrument bzw. der Stimme entstammt, spielt innerhalb des für die meisten Menschen relevanten und leicht hörbaren Frequenzbereichs keine Rolle.

Gruß Claus
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Das ist als einziger Sinn derart spezialisiert entwickelt, dass man in Bezug auf Töne experimentell eine (naive) Messung von Intervallen feststellen kann.
Ob die Quelle des Tons eine Sinus-, Rechteck, Sägezahnschwingung erzeugt oder einem akustischen Instrument bzw. der Stimme entstammt, spielt innerhalb des für die meisten Menschen relevanten und leicht hörbaren Frequenzbereichs keine Rolle.
Wie in diesem Buch [Auditory Neuroscience] wissenschaftlich präzise beschrieben wird, ist unser Gehörsinn von der Ausstattung der Rezeptoren (Ohren und Schnecke) und der Verarbeitung des Gehörten in den Hörzentren sehr gut im Erkennen von allen Klängen und Geräuschen, also jeglichem Schall der unsere Ohren erreicht.
Auch wenn für das Erkennen der Intervalle die Art der Schwingungen, also Sinus, Rechteck ... usw. weniger relevant ist, kann der Gehörsinn auch die verschiedenen Schwingungsarten durchaus unterscheiden. Sinus klingt anders als Rechteck oder Sägezahn oder von Instrumenten erzeugte Klänge (wobei bei Instrumenten der Einschwingvorgang mit seinen Transienten für das Erkennen auch eine große Rolle spielt).

Die Zilien (Flimmerhärchen in der Hörschnecke) lösen in den vor allem für Sprache wichtigen Frequenzbereich zwischen ca. 100 bis ca. 4000 Hz (wo auch der Bereich der größten Empfindlichkeit liegt) fast schon frequenzgenau auf, durchaus vergleichbar einer Fourier-Transformation. In den höheren Frequenzbereichen verliert sich diese Genauigkeit, die Auflösung wird zunehmend breiter, mehr in Richtung von Frequenz-Cluster-Abschnitten.
Diese Präzision unseres "Schall-Empfängers" befähigt uns, Intervalle präzise zu bestimmen, im Zweifel auch der Grad der Verstimmung wie es gute Klavierstimmer bei Legen der Temperatur mit den Quinten rein nach Gehör machen. Insofern liegt der Begriff "Messen" in Bezug zum Hören durchaus nahe.

Technisch gesehen kann das jeder der gesunde Ohren hat.
Die bewusste Bestimmung und die Benennung des Gehörten, hier die Intervalle wie Quinte, Quarte usw. erfordert allerdings eine entsprechende Übung. Wer die Intervalle oder auch sonstige musikalische Erscheinungen wie etwa Akkorde, Harmoniefolgen usw. nicht kennt, kann diese natürlich nicht benennen - aber dennoch hören.
Und kann selbstverständlich von diesen musikalischen Phänomenen - also letztendlich der MUSIK emotional berührt werden. Die Klänge gehen also weit über den reinen Gehörsinn hinaus ins Gehirn, ja, ich will es so sagen, in den Geist und in die Seele.
Wie wäre es auch sonst möglich, dass Menschen Musik schätzen, von ihr begeistert und bewegt sind, obwohl sie über keinerlei analytische Hörerfahrung verfügen?
Zum Genießen ist diese nicht nötig (wobei eine tiefere Erkenntnis von Musik das Genießen und die Begeisterung unter Umständen noch vertiefen mag).
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Auch wenn für das Erkennen der Intervalle die Art der Schwingungen, also Sinus, Rechteck ... usw. weniger relevant ist, kann der Gehörsinn auch die verschiedenen Schwingungsarten durchaus unterscheiden
Ja, natürlich - mein Satz dazu bezog sich auf die Ausführungen von opa_albin und deshalb hatte ich auch den Sinuston angesprochen. Als Grundton kann er ohne Obertöne erzeugt und wahrgenommen werden und dennoch würde ein Experiment zur Intervallbestimmung damit genauso funktionieren wie mit einem akustischen Instrument als Tonlieferant.
Das Messen meinte ich schon wörtlich, denn die Bestimmung von Ton-Intervallen, die mathematisch abbildbaren Schwingungsverhältnissen entsprechen, ist genau das. So etwas funktioniert auch nur mit dem Hörsinn - samt der Kognition, die ja bei jeder Wahrnehmung wesentlich ist.

Gruß Claus
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
In jedem Fall sehe ich es auch so, wie es oft geschrieben wurde, dass die Musik bzw. das Singen die gesprochene Sprache überhöht und intensiviert. Sei es im Alltag der normalen Leute oder vor allem im religiösen Umfeld, wo der Gesang das Gebet sozusagen in eine Höhere Sphäre erhebt.
Ich sehe die Grenzen zwischen gesprochener Sprache und Musik sowieso fliessend. Beispiele: Aalverkäufer auf Jahrmärkten, der Ansager bei Auktionen, Rap, der Sprecher bei Boxkämpfen oder beim Super-Bowl. Wobei ich den Unterschied zwischen diesem und dem typisch amerikanischen Gospel-Gottesdienst garnicht so gross finde.
Vielleicht machten die gewählten Austauschtöne für die Tsimane gemäß ihres musikalischen Backgrounds mehr Sinn als die ´schlichte´ Oktave?
Immerhin schien die Oktave für die Tsimane nicht erstrebenswert, sinnvoll, schön genug?
Dazu hätte man vielleicht weiter und mehr in die Tiefe forschen müssen.
Allerdings. Die Anmerkung "Dieses noch sehr ursprünglich lebende Volk ist bisher kaum mit der westlichen Kultur in Kontakt gekommen und kennt weder Strom noch Unterhaltungselektronik. Daher hatten sie auch kaum Gelegenheit, westliche Musik kennenzulernen." spricht Bände. Immerhin haben diesen Menschen genau in diesem Setting "Strom und Unterhaltungselektronik" kennengelernt. "Kaum" heisst, irgendwie doch. Darüber schweigen wir aber lieber. Diese "edlen Wilden" sind doch nicht doof, finden sich aber in einer völlig ungewohnten Situation wieder, wo sie was machen sollen, was sie adhoc nicht verstehen.
Hier ein Beispiel, der "Hoquetus de David" (auch als Beispiel der frühen Mehrstimmigkeit):
Sehr archaisch. Ich war beim Hören gespannt auf das Ende, siehe da: Wohlklang. Aber mit dem gesamten (grossartigen, mir neuem) Vokalstück kann ich was anfangen, mehr, als wenn ich voll durchkomponierten Jazz höre (den ich respektiere). Da sieht man, wie subjektiv sowas ist.

Bleibt die Oktave. An den Argumenten bin ich noch am Knabbern. Keines hat mich so recht davon überzeugt, dass sie reine Konvention ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bleibt die Oktave. An den Argumenten bin ich noch am Knabbern. Keines hat mich so recht davon überzeugt, dass sie reine Konvention ist.
Die Oktave hat schon etwas von einer Doppelgesichtigkeit wie ich finde.
Einerseits kann ein Oktavton so sehr mit seiner Unteroktave verschmelzen, dass es gar nicht auffällt, dass zwei Töne zu hören sind. Ich denke da z.B. an die oktavierenden Orgelregister. Wenn man zu einem 8-Fuß Register ein 4-Fuß Register dazu nimmt, wird der Klang heller und voller. Ob das aber selbst gute Hörer ohne einen direkten Vergleich mit und ohne 4-Fuß einfach heraus hören können? Wahrscheinlich nicht so ohne weiteres. Es könnte sich ja auch um einen heller und voller intonierten 8-Fuß handeln.

Im Kontext einer Melodie, z.B. als Sprungintervall mag auch die Oktave - obwohl im Prinzip derselbe Ton - als ein völlig neuer Ton erscheinen. Ein Oktavsprung ist melodisch betrachtet schon ein sehr großer Abstand, ein erheblicher Sprung in einer Melodie.
Einfache Melodien wie etwa Kinderlieder haben oft nicht mal den Gesamtumfang einer Oktave. "Au claire de la lune" umfasst nur eine große Terz, "Hänschen klein" eine Quinte, "Alle meine Entchen" und "Bruder Jakob" eine große Sexte.
Der Oktavsprung in "Happy Birthday" ist insofern schon recht gewaltig, wohl dem besonderen und feierlichen Anlass dieses Liedes angemessen. Ein weites Ausholen wie ein Umarmen dass der Freude einen Ausdruck zu geben mag.

Wenn nun die traditionellen Melodien der Tsimane ebenfalls eher kleinräumig sind vom Tonumfang, und sie wie beschrieben keinerlei Kontakt anderen Musikstilen haben bzw. hatten?
Dann mag die Oktave, die ja soweit die Aufgabenstellung beschrieben wurde als melodischer Sprung vorgespielt wurde (der aber nicht singbar war) vielleicht ein gänzlich ungewohntes und unattraktives Intervall für sie gewesen sein? Die Versuchsanordnung, soweit mir bekannt, gibt darauf leider keine Antwort.

Aber mit dem gesamten (grossartigen, mir neuem) Vokalstück kann ich was anfangen, mehr, als wenn ich voll durchkomponierten Jazz höre (den ich respektiere). Da sieht man, wie subjektiv sowas ist.
Freut mich, mir gefällt diese Musik auch sehr gut, sie wirkt wegen ihrer Andersartigkeit, aber auch ihren ungewohnten Zusammenklängen und Linien regelrecht frisch auf mich.
Hier noch etwas anderes von Machault, ebenfalls ein damals neuer Stil, die "Isorhythmische Motette", hier am Beispiel eines "Kyrie". Im Übrigen eine recht strenge und vergleichsweise recht komplizierte Kompositionstechnik:


View: https://www.youtube.com/watch?v=9RykBsNVfjs
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 4 Benutzer
Wenn nun die traditionellen Melodien der Tsimane ebenfalls eher kleinräumig sind vom Tonumfang, und sie wie beschrieben keinerlei Kontakt anderen Musikstilen haben bzw. hatten?
Dazu fehlt mir die Vorstellungskraft.
Ich beobachte in diesen Monaten mehrere ganz kleine Kinder, viel jünger als ein Jahr, manche direkt, von anderen werden mir Videos zugeschickt. Kaum haben sie entdeckt, was sie mit dem Mund alles machen können, fangen sie an zu experimentieren, das geht vom tiefen Blubbern (mit Spucke vor den Lippen) bis zu markerschütternden Hochtönen.

Irgendwann werden sie älter, die Tsimane wie wir, und verinnerlichen die jeweiligen traditionellen Muster. Aber das Rumprobieren, improvisieren, mal ganz schräg mit verschiedenen Stimmen gemeinsam singen, ist das nicht universell? Aber Menschen probieren gerne was aus. So streng kann doch keine Tradition sein, dass niemand sich jemals traut, mal auszuscheren.

Kurz gesagt: auf die Oktave sollten eigentlich alle mal stossen. Warum? Weil die Natur uns dazu ausgestattet hat. Meine Frage wäre dann, ob es Menschen ausserhalb der europäischen Musiktradition stören würde, wenn die Oktave nicht perfekt wäre, sondern ein paar Cent drüber oder drunter läge.

(Ich will aber nicht darauf rumreiten und vom Thema ablenken, sagt bescheid...)
 
wenn die Oktave nicht perfekt wäre, sondern ein paar Cent drüber oder drunter läge.
Die Oktave klingt doch eh als Oberton mit.

Singen kann man eher nicht auf Cent genau, aber wenn man deutlich daneben liegt, reibt es sich, ob nun mit Absicht oder ohne.
 
Dazu fehlt mir die Vorstellungskraft.
Amerikanische Indigene, Inuit, Aborigines und andere Völker scheinen imho in ihren traditionellen Musiken nur einen geringen Tonumfang zu nutzen. Einfachheit rulez.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Meine Frage wäre dann, ob es Menschen ausserhalb der europäischen Musiktradition stören würde, wenn die Oktave nicht perfekt wäre, sondern ein paar Cent drüber oder drunter läge.

Umgekehrt merken es die Leute eher selten, wenn ihre Oktave am Klavier nicht ganz rein stimmt. :)

Grüße
Omega Minus
 
Amerikanische Indigene, Inuit, Aborigines und andere Völker scheinen imho in ihren traditionellen Musiken nur einen geringen Tonumfang zu nutzen.
das ist ja bei uns im "normalen Umgang" auch nicht groß anders. Nicht nur die erwähnten Kinderlieder, auch viel Popmusik oder z.B. Fangesänge im Fußballstadion benötigen beim Singen gerade mal eine Quinte oder mal etwas mehr. @LoboMix erwähnte den Oktavsprung in "Happy birthday". Der ist für viele tatsächlich schon etwas gewagt (nach meiner Kenntnis war das ursprünglich als "Guten-Morgen-Gruß" geschrieben, was dann auch gut paßt.)

Daß wir bei zu hohen oder zu niedrigen Melodien oft versuchen, die nächstbeste Oktave zu verwenden, war auch hier nicht immer automatisch so, auch beim gemeinsamen Singen (in der Studie mit den Tsimanés geht es nur um das Nachsingen von kurzen Dreiton-Sequenzen, kein Zusammenklang, wenn ich es recht gelesen habe).

Im Mittelalter, vor der echten Mehrstimmigkeit, habe ich mehrfach Erwähnungen des Quint-organums ("Quintensingen") gefunden. Da wird eine Melodie eine Quinte tiefer mitgesungen. Das ist für uns heutzutage teils eine kleine Herausforderung, auch weil es diatonisch nicht immer passend aufgeht.
Im Buch "Die Musicalische Temperatur" von Andreas Werckmeister (1691) habe ich einen Absatz gefunden, nachdem das Quintensingen (bzw. in der Quarte) auch im 17. Jahrhundert noch durchaus Usus war. Das war mir neu:

Man höre nur alle Leute, Gelehrte und Ungelehrte, auch die, so die Musik nicht verstehen.
Wenn Choral gesungen wird, so ergreifen sie im Mitsingen die Octavam. Können sie dieselbe nicht haben, fallen sie in die Quintam oder Quartam, da sie denn alsofort gerade mitsingen können. In den Tertien aber wird keiner mit fortkommen können, denn da werden sie bald confudieret.

("Die Musicalische Temperatur" ,1691, Kapitel 15)

Ist - plakativ gesagt - die Neigung zum Oktavieren weniger eine Leistung als eher die Unfähigkeit, in anderen Intervallen stabil mitzusingen ?? :evil::engel:
 
Grund: "Quint-organum" ergänzt; Bezugsquelle Werckmeister mit Link ergänzt (Claus)
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 3 Benutzer

Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben