Also meinen ersten "Song" habe ich mit etwa 6/7 Jahren geschrieben. Er hieß "eine kleine Meise", war glaube ich acht Takte lang und es wurde der Gesang im Fünftonraum mit einer Hand am Klavier, die die Melodie begleitete aufgenommen. Das war damals das, was ich so spielen konnte. Meine Mutter hat mir dann geholfen, das in Capella zu tippen, damit es wirklich schön und professionell aussieht. Ist sogar in meinem Notenordner unter Eigenkompositionen abgeheftet. Finde ich schon ernst zu nehmen. Es war nämlich für mich die Erkenntnis: Du kannst selbst was schreiben und deine eigene Musik machen. Es folgten viele weitere Projekte, nur mit Noten, Noten mit Aufnahmen, Projekte mit Musik und Sprechtexten, Aufnahmen aus mehreren Spuren zusammengemixt, Improvisationen mit Audacity am PC, Projekte mit Bildern dazu (Video habe ich noch nie gedreht, kommt aber sicherlich auch irgendwann) und auch viele nicht abgeschlossene Projekte. Immer mitentwickelt mit dem, was ich musikalisch konnte und dem, was mich gerade an Themen interessierte. (Die Sachen seit dem zwölften Lebensjahr sind sehr spannend, weil sie ziemlich genau meine Pubertät widerspiegeln.)
Bei mir läuft das Schreiben (Auch wenn ich mich eher im "Klassischen" bzw. Kunstartübergreigenden Genre befinde) meist wie folgt:
Idee wird geboren/fällt auf mich herab
große Begeisterung
Idee wird jedem erzählt, der sie nicht hören will (Grüße an Freunde und Familie) und entwickelt sich dabei rasant weiter
Erste Sachen werden aufgeschrieben als Notizen
Eine schlaflose Nacht folgt, danach ist Idee im Kopf fast ausgearbeitet
Während des Alltages (früher Schule, heute Studium) kaum Konzentrationsfähigkeit
sobald wieder etwas Freizeit da ist: Aufschreiben der Idee in Kritzeleien, aber schon recht genau
Dann dauert es etwas, bis Akkorde ausgearbeitet sind, Klaviersatz geschrieben ist, letzte Feinheiten geregelt sind und eine ordentliche Version der Noten erstellt ist. Dafür erstelle ich mir dann schon auch mal Aufgabenpläne oder zwinge mich, mich mal wieder an dieses oder jenes ranzusetzen. Und genau in dieser Zeit (je nach Größe des Projektes und je nachdem wie oft ich daran arbeite zwischen einer Woche und drei Monaten) gebe ich die Projekte auf, für die die Energie vom ersten Tag nicht ausreicht. Manchmal nehme ich dann aber später auch noch mal Projekte wieder auf, wenn ich ein neues Ziel vor Augen habe. Dann evtl Aufnahme (im Moment nehme ich aber auch teilweise uralte Sachen von mir auf oder schreibe sie noch mal um) und was sonst noch kommt.
Sind meine Sachen hörenswert? Ich glaube für andere nicht unbedingt. Bzw. es fängt vielleicht momentan an, präsentabel zu werden. Aber für mich ist es einfach wichtig, um mich weiterzuentwickeln.
Was mir dabei hilft: Ich stelle mir gerne vor, Eigenkompositionen vorzutragen. Sie auf der Bühne zu spielen und in lauter begeisterte Gesichter im Publikum zu gucken. Die Aufnahme an eines meiner musikalischen Vorbilder zu schicken und einen Brief zu bekommen, wo derjenige mir schreibt, wie toll er das findet und mich fragt, ob ich mein Projekt nicht professionalisieren und Geld damit verdienen möchte. - Ich wäre faktisch nie so eingebildet, das zu tun. Ich würde wahrscheinlich auch im Leben keine Antwort von jemandem berühmten bekommen, aber allein die Vorstellung motiviert ungemein, etwas zu Ende zu bringen. Und dann kann man es immerhin Freunden vorspielen. Ich habe als Kind immer nur alles meiner Familie vorgespielt. Dann habe ich mich getraut, es Freunden vorzuspielen (in der Pubertät wollte ich nicht mehr nur immer alles meiner Familie zeigen) und später habe ich angefangen, es auch mal meinen Musiklehrern vorzuspielen. Letztes Jahr habe ich dann eines meiner Projekte bei einer Aufnahmeprüfung an einer Musikhochschule vorgetragen, das war schon ein erhabenes Gefühl. Ein selbstgeschriebenes Medley habe ich auch schon auf der Bühne gespielt. Alles noch recht kleine Sachen, aber alles abgeschlossene Projekte, die mir ein Erfolgsgefühl vermitteln. Da habe ich etwas geschafft/geschaffen. Das ist weder perfekt, noch einzigartig revolutionär, noch irgendwas sonst, aber es ist meins.
Überleg dir, warum du Musik machst. Wie wichtig ist es dir, einen Song fertig zu machen. Wenn es dir wichtig ist, dann musst du auch mal etwas abschließen, das nicht 100% perfekt ist, aber wo du momentan nicht weiter kommst. Wenn es dir nicht wichtig ist, was spricht denn dann gegen unfertige Sachen?
Wenn dir Zeitplanungen gut tun und du dich damit wohlfühlst, dann mach das so. Es wird aber auch wieder die Phase geben, wo sie dich nur nerven. Oder die, wo du eine Idee an zwei Tagen abschließt, weil sie dich so dermaßen gepackt hat, dass du die Nacht durcharbeiten musstest. Lass dich darauf ein, denn so ist das "Künstlerleben" - frei und unberechenbar.
So ein kleiner Eindruck von mir, auch wenn du anscheinend schon deine Lösung gefunden hast, aber ich finde das Thema trotzdem sehr spannend und wollte mich auch noch mal äußern.
Annino