Psychosomatische Beeinflussung des Stimmklanges

Na klar muss man die Hypothese irgendwie stützen. Aber die Stütze sieht dabei in der Regel so aus, das z.B. ein proklamiertes Modell zumindest näherungsweise in der Lage ist real beobachtbare Phänomene zu erklären oder vorherzusagen. Das heißt aber noch in keinster Weise, dass das Modell der Wahrheit entspricht.
Das behauptet auch niemand. Deswegen ist es ein Modell. Solche haben nicht den Anspruch, "richtig" zu sein, sondern ausreichend gut erklären zu können, was es zu erklären gilt. So reicht das Dalton'sche Atommodell aus, um Metallgitter zu erklären, nicht aber komplexere Molekülstrukturen, für die dann Schalen- oder Orbitalmodelle her müssen. Dabei ist es generell ein guter Rat, immer das simpelste noch ausreichende Modell anzuwenden. Aber kein Modell erhebt den Anspruch, allumfassend korrekt zu sein - und es ist auch Teil der seriösen Wissenschaft, dass das bekannt ist und diskutiert wird.

Es gibt auch immer wieder Forschungsstränge, die einfach im Sand verlaufen, weil sie sich irgendwann als falsch oder unwahrscheinlich herausstellen. Trotzdem sind vorherige Arbeiten dazu natürlich publiziert worden, weil sie unter bestimmten Annahmen für sinnvoll gehalten wurden.
Das ist auch wichtig und notwendig. Ohne Dialog, ohne Auseinandersetzung mit "Irrwegen" wäre die Wissenschaft ärmer. Und es stützt die sich etabliertenden Modelle und Theorien, dass sie sich gegen andere durchsetzen können.

Über die Masse und Zeit relativieren sich die subjektiven Effekte - gerade weil die Diskussion darüber zugelassen und mannigfaltig ist. :) Sich gegen die Diskussion zu sperren ist ein typisches Merkmal von Pseudowissenschaften.

Medikamente sind da eigentlich ein gutes Beispiel. Es wird ja gerne gesagt, dass Medikament xyz gegen Krankheit abc wirkt. Aber die eigentlichen Zahlen, die dahinter stehen, lassen manchmal schon daran zweifeln, ob so eine Generalisierung überhaupt noch wahrheitsgemäß ist. Es gibt gute Gründe, warum Pharma-Firmen immer noch versuchen zu verhindern, dass entsprechende Studienergebnisse veröffentlicht werden müssen, weil wenn auf einem Medikament draufsteht: "wirkt in 60% der Fälle gegen Krankheit xyz" ist das wahrscheinlich nicht gerade verkaufsfördernd.
Pharmafirmen sind auch kaum der Wissenschaft verpflichtet. ;) Sprich mit seriösen Ärzten, die klären in der Regel auch über die Erfolgsaussichten einer Behandlung auf.

Es gibt z.B. Fälle, in denen der Placeo-Effekt (also im Prinzip "der Glaube") statistisch gesehen bis zu 75% der eigentlichen Wirkung ausmacht.
Ja. Das trifft ironischerweise auf die meisten alternativmedizinischen oder "esoterischen" Methoden zu. So schließt sich der Kreis hier im Thread. ;)

Selbst die Aussage: "Die Wahrscheinlichkeit ist 60%, dass das Medikament bei Individuum a wirksam ist", ist in der Regel falsch, weil es eben nur eine empirische Wahrscheinlichkeit über eine große Gesamtheit ist, die viel zu viele individuelle Merkmale außer Acht lässt.
Ob eine solche Ableitung haltbar ist, kommt auf den Umfang und die Qualität der Stichprobe an.


Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das Urteil der Reviews in ganz erheblichem Maße von der jeweiligen Person abhängt.
Natürlich ist ein einzelner Reviewer ebenfalls subjektiv. Aber auch hier relativiert es sich über die Masse. Wenn ich von einem Journal abgelehnt werde, sagt das vielleicht noch nichts. Wenn 20 Journals mich ablehnen schon eher.
 
Was ich v.a. damit sagen will ist, dass wenn man der Wissenschaft in vielen Dingen eine nicht allumfassende Genauigkeit zugesteht, sollte man das bei "unwissenschaftlichen" Verfahren auch tun.
Ja eben nicht! Oder nur wenn mit genau den gleichen Masstäben gemessen wird. Da steht dann am Ende auf einer Seite ein Geschwurbel von irgendwelchen mysteriösen Energien (dahin ging ja hier die Reise zum Teil) ohne jede Basis über persönliche Anekdoten heraus und auf der anderen Seite minimale Ungenauigkeiten.
Psychosomatik und Placebo sind ja durchaus wissenschaftlich untersuchbar. Oder die Erhöhung der Durchblutung in bestimmten Körperregionen durch autogene Techniken.
Aber man muss halt sehr aufpassen, wer oder was sich da einschleichen will, indem versucht wird unbewiesenes Geschwurbel praktisch auf eine Stufe zu stellen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen.
 
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Um mal hier den Bogen wieder zu schließen möchte ich mal auf das Video auf der Eingangs verlinkten Seite verweisen wo man sehen kann wie sich das Obertonspektrum einer Probandin in der Spektralanalyse zu füllen beginnt.

Es müsste doch eigentlich relativ einfach zu klären sein ob sich das Obertonspektrum eines Probanden durch Anwendung des Prozesses (dauerhaft) füllen lässt (verglichen mit einer Kontrollgruppe). :-/ Wenn man doch nur mehr Zeit hätte.

Freiwillige? :D
 
Ich hatte mir das Video und die Seite damals ehrlich gesagt gar nicht angesehen, was ein bisschen auch an Deiner Präsentation lag. Ich verweise mal auf Foxxs erste Antwort hier im Thread.
Das mag auch am Gesagten und Geschriebenen liegen, aber mir ist der Mann direkt unsympathisch, weil ich höre, dass er seine Stimme künstlich verstellt um sie eindrücklicher zu machen.
Das erste Video habe ich bis zum ersten gesungenen Ton der Schülerin angehört und das ist für mich auch ein verstellter und künstlich kleingehaltener Ton. Sie weiß bewusst oder unbewusst, was hier erwartet wird. Da muss man kein Gesangslehrer sein um den Ton freizubekommen. (Meine Meinung jetzt natürlich, Du hattest ja von ähnlichen Erfahrungen gesprochen. Die grafische Analyse scheint mir eher ein Gimmik zu sein, als tatsächlich einen Zusatznutzen zu haben. Man hört ja, was passiert, aber vielleicht ist es eine nette Rückmeldung für den Schüler. )
Dann hab ich noch ausschnittweise reingeschaut.
Was auffällt ist, dass er hier halt scheinbar interessiert zuhört, bei allem was sie so zu sagen hat, es ernstnimmt und im weiteren Verlauf scheinbar gezielt darauf eingeht. (Aber hauptsächlich fragt, manchmal mehrere Möglichkeiten anbietet und direkt umschwenkt, wenn sie nicht entsprechend reagiert. Seine Vorschläge sind für Sänger dann auch relativ naheliegend. )
Im Prinzip ist vieles von dem, was sie da erzählt irrelevant, ohne dass er da wirklich was sinnvolles dazu sagen könnte, was er sie aber nicht spüren lässt. (Was ja auch irgendwo gut ist. Persönlich hätte ich aber das Gefühl, dass mir da das Geld aus der Tasche gezogen wird. )
Das mag jetzt zynisch klingen, aber für mich sitzt da eine kleine Maus einem Rattenfänger gegenüber und das hab ich jetzt auf magische Weise aus Sprechstimme und Körperhaltung abgelesen.
Kann sein er gibt zwischen den Schnitten noch konkrete Anweisungen, aber soweit sehe ich da nichts was mich überzeugen würde.
Kann sein, dass sie das braucht, aber auf Dauer lässt sie da nur Geld, auch wenn er irgendwo was macht, was man mit ersten Gesangsstunden vergleichen könnte.
Eine "echte" Gesangsstunde in angenehmer Atmosphäre würde da meiner Meinung nach mehr bringen, ist aber natürlich keine Therapie.
Dem entgegen steht jetzt natürlich Deine persönliche Erfahrung.
 
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Ich hab exakt dasselbe empfunden. Eine unbewußte Reaktion seitens des Klienten auf Signale und Erwartungen der Person, die hier eine wissende Autorität darstellt und mit wichtig-betroffenem Gesicht interessiert zuhört (oder auch nur so tut als ob - zieht jedenfalls immer).
Nix für ungut - ich persönlich würde da schnell das Weite suchen.
 
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Psychosomatik und Placebo sind ja durchaus wissenschaftlich untersuchbar. Oder die Erhöhung der Durchblutung in bestimmten Körperregionen durch autogene Techniken.
Ja, aber es gibt keine Theorie über das WIE. Diese Sachen werden von der Wissenschaft untersucht, OBWOHL es überhaupt keine theoretische Grundlage gibt für etwa die Hypothese "Bunte Pillen ohne Wirkstoff führen trotzdem zur Verbesserung des Gesundheitszustandes". Fairerweise müssten in ähnlicher Weise auch andere möglicherweise psychosomatische Effekte untersucht werden.

Und das ganze Geschwafel über Energie oder was weiß ich, ist ja nur ein Modell, dass bei der Anwendung der Technik hilft. Um Verständnis für etwas aufzubauen, was bisher keiner versteht. Im Gesang gibt es ja auch Begriffe wie "Kopfstimme" oder "Bruststimme", die wissenschaftlich gesehen doch sehr weit hergeholt sind. Trotzdem funktionieren sie seit Jahrhunderten als bildliche Vorstellung, um eine Technik anzuwenden, die man in ihrer Gänze noch nicht versteht. Das gilt in ähnlicher Weise auch für Begriffe wie "Chi", "Energie" oder "Meridiane".

Ich will damit nicht sagen, dass sowas wie Vocal Cleansing funktioniert. Nur, dass man nicht unbedingt voreingenommen da ran gehen sollte, nur weil da jemand versucht sein Produkt zu bewerben. Es ist ja ähnlich mit sagen wir mal Hypnose. Hypnose funktioniert, bei einigen Leuten, bei anderen halt nicht. Die Leute, die Hypnose betreiben verwenden auch irgendwelche schwer greifbaren Bildsprachen, wie "sich geistig fallen lassen", "irgendwo runtergehen" oder beschreiben bestimmte Phasen der Hypnose mit irgendwelchen ausgedachten Begriffen. Wäre es jetzt unwissenschaftlich das zu untersuchen bevor man ein Urteil über die Technik fällt?

Oder um es mal ganz krass zu formulieren bezüglich des "Geschwafels": Das Lügen oder zumindest Erfinden von "Wahrheiten" ist bei psychosomatischen Effekten ein elementarer Bestandteil. Placebo-Pillen funktionieren in der Regel auch nur dann gut, wenn man den Probanden erzählt, es würde sich Wirkstoff darin befinden. Das ist natürlich gelogen, aber genau so funktionieren nun mal psychosomatische Effekte. Und mit dem Geschwafel bei vielen solchen Systemen ist es nicht anders, es gehört sozusagen mit zur "Technik", weil das Wecken einer Erwartungshaltung, dass das Verfahren wirklich wirkt, elementar wichtig ist.

Gerade das macht es auch so schwer, die Scharlatane von den Seriösen zu trennen. Es ist natürlich einfach, alle solche Sachen erstmal kategorisch abzulehnen, aber mitunter beraubt man sich damit auch der Möglichkeit, bei sich selbst psychosomatische Effekte zu triggern.
 
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Nur, dass man nicht unbedingt voreingenommen da ran gehen sollte, nur weil da jemand versucht sein Produkt zu bewerben.

Würde ich auch gar nicht unbedingt. Dass Psychosomatik einen Effekt hat, halt ich für unbeweifelt. Ich halte eher das hier für ein Problem:

bei einigen Leuten, bei anderen halt nicht.

Daher ist es eben besonders schwer und selten zielführend, darüber zu diskustieren. Wenn ich starke Schmerzen habe und jemand verschreibt mir ein Opioid, dann wirkt das auf jeden Fall und bei jedem - zumindest soweit ich informiert bin.

Wenn mir jemand eine Blume schenkt, kann das einen positiven psychosomatischen Effekt haben und mich vielleicht sogar schöner singen lassen - oder auch nicht. Weil mich Blumen halt nicht interessieren.

Damit will ich nicht sagen, das Opioide toll sind und Blumen Unsinn. Ich will damit nur sagen, dass Methoden wie das Vocal Cleansing eben nur dann einen Effekt haben, wenn der Schüler eben genau darauf anspringt. Es ist also - leider nicht nur momentan, sondern ja schon lange - nicht mögllich, die Effekte der Psychosomatik so auf einen Nenner zu bringen, dass sie allgemein anwendbar sind. Sie sind zu stark von individuellen Präferenzen abhängig.

Natürlich kann man diese Aussage auch allgemein auf (Gesangs)-Unterricht anwenden (Chemie muss stimmen, Sprache muss stimmen usw). Allerdings sind solche Sachen sehr schnell auch für den Laien zu erkennen: "Ich mag den nicht, ich verstehe den nicht - Tschüss". Wer sich aber auf solche energetischen Methoden einlässt, tut das fast immer ahnungslos und mit lediglich viel, viel Hoffnung und Glauben. Er braucht viel länger, um zu erkennen, ob er nur vergackeiert wird oder es tatsächlich erfolgreich ist.
 
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Es sagt doch gar niemand, dass das nicht funktionieren kann. Irgendwie wird das hier ständig behauptet. Oder dass man das nicht untersuchen sollte.
Den grundsätzlichen Beobachtungen haben ja so gut wie alle zugestimmt.

Aber daraus resultiert eben kein Freifahrtschein für alles und jeden und das gezeigte Beispiel im speziellen scheint mir und anderen hier eben unseriös.
Wenn am Ende beide was davon haben: Fein. Aber im Grunde ist das für mich auch irgendwo eine Ausnutzung von Schutzbefohlenen im weitesten Sinne, auch wenn ich nicht ausschließen kann, dass er selber dran glaubt, da den universell wirksamen Stein der Weisen gefunden zu haben. Kenshi hat es ja auch als erfolgreich erlebt und ich kann auch verstehen, dass er nach einem universellen Weg sucht solche Blockaden zu lösen.

Wäre es jetzt unwissenschaftlich das zu untersuchen bevor man ein Urteil über die Technik fällt?
Für mich passiert da einfach nichts Außergewöhnliches, Neues oder Unerklärliches. (Ich würde fast meinen, dass ein Gesangslehrer je nach Typ ganz automatisch ähnliches macht, nur eben auch die Stimme wirklich ausbildet. )
Grundsätzlich liegt die Bringschuld aber bei ihm und natürlich beeinflusst die Präsentation und Rethorik das Urteil, vor allem wenn sonst nichts von Substanz geboten wird, wenn man nicht die Katze im Sack kaufen will.

Das die Stimmung Auswirkungen auf die Stimme hat, ist aber wie gesagt eine Binsenweisheit. Dass Menschen gerne ihr Herz ausschütten auch.
Er hat sich da jetzt halt eine Wohlfühlnische irgendwo zwischen Gesangslehrer, Geistheiler und Gesprächstherapie gesucht und wenn sich da zwei finden, werd ich mich nicht dazwischen stellen. Letztendlich halte ich die Methode aber für austauschbar.
 
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Dann sind wir uns eigentlich so ziemlich einig. Mir kam es halt so vor als wenn bereits ein generelles Urteil gefällt wäre, dass das schlicht und einfach Humbug ist (allgemein, nicht nur für einen selbst). Ich würde jetzt auch keine Stunden bei ihm kaufen und ich denke auch, dass hinter der "Obertonerweiterung" ein simpler stimmphysiologischer Effekt steht, der auch im Gesangsunterricht vorkommt. Aber das ist halt nur meine "Bauchgefühl-Theorie" und ich würde das deshalb nicht generell als Humbug bezeichnen.

Und die psychosomatischen Effekte (von wegen "Cleansing") sind, wie Antipasti ja auch schreibt, extrem schwer nachzuweisen, weil einem halt oft nur das Mittel "Durchschnitt über eine größere Menge an Probanden" bleibt. Und wie gesagt: Sich als Geistheiler zu gerieren kann für einen solchen Effekt durchaus zuträglich sein ;)
 
Darin genau liegt meine Kritik:

Bewusst unter einem schicken Namen vorzugaukeln, dass psychosomatische Blockaden durch eine Methode generell lösbar wären. Ich glaube an das eine, aber nicht an das andere.

Wenn jemand ständig Migräne hat, kann das an seinem Job liegen, an seinem Partner, dem Wohnort oder sonstwas ... es kann also keine allgemeine psychosomatische Lösung geben, nur eine individuelle.
 
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Darin genau liegt meine Kritik:

Bewusst unter einem schicken Namen vorzugaukeln, dass psychosomatische Blockaden durch eine Methode generell lösbar wären. Ich glaube an das eine, aber nicht an das andere.

Wenn jemand ständig Migräne hat, kann das an seinem Job liegen, an seinem Partner, dem Wohnort oder sonstwas ... es kann also keine allgemeine psychosomatische Lösung geben, nur eine individuelle.
Wie gesagt. Genau das gehört teilweise dazu. Wenn man jetzt sagen würde: "vielleicht funktioniert's, vielleicht nicht, ist sehr inidividuell" würde das nicht gerade die Erwartungshaltung des Wirkens erzeugen, die aber teilweise für den Effekt unerlässlich ist. Ist ein bisschen ein Spiel mit dem Feuer.
 

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