Major-Akkorde

  • Ersteller Jerry String
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Ich finde das völlig in Ordnung, wenn ein Engländer Dur mit "Major" bezeichnet, schießlich heißt das so. Wenn's ein Deutscher macht, ist das meist entweder ein alberner und überflüssiger Anglizismus oder der heutigen Globalisierung geschuldet.
Und warum um alles in der Welt hätte beispielsweise Francis Poulenc seine "Messe en sol majeur" stattdessen "Messe in G-Dur" nennen sollen? Schließlich war er Franzose, warum darf er dann nicht seine Muttersprache benutzen?


Ich finde das auch völlig in Ordnung, wenn ein Angelsachse "major" sagt, warum nicht? Ich schrieb dagegen: "wenn HIER jemand ....." - kleiner Unterschied.

Meinst Du mit "klassischer Bezifferung" den Generalbaß? - da stehen aber neben den Zahlenkürzeln noch Noten dabei (darf man ja auch nicht vergessen) und außerdem hat die Generalbaß-Schreibweise durchaus ihre Grenzen: was in der harmonisch eher einfachen barocken Musik noch völlig problemlos war, ließ sich dann später nicht mehr sinnvoll anwenden.
Und auch zum kunstgerechten Generalbaßspiel muß man viele Konventionen kennen - da sehe ich keinen prinzipiellen Unterschied zu den Jazz-Akkorden.

Ich persönlich kenne (abgesehen vom BC) keinen einzigen Fall aus der "klassischen Musik", wo man nach wie auch immer gearteten Akkordsymbolen spielen muß, die bleiben doch eigentlich immer nur der harmonischen Analyse vorbehalten, oder sehe ich das falsch? Will meinen: ich sehe keinerlei Praxisbezug der klassischen Harmoniebezeichnungen.

Und zum Abschluß noch eine kleine Provokation: :evil: Das "bewährte und logische klassische System" hat sich meiner Ansicht nach praktischen Gesichtspunkten in keinster Weise bewährt, denn erfahrungsgemäß sind die wenigsten rein klassisch ausgebildeten Musiker aus dem Laienbereich in der Lage, ohne exakt vorgegebene Noten überhaupt etwas spielen zu können. Und sei es das einfachste Kinderlied.
Bei Profis mag das anders sein, doch auch hier bemerke ich eine gewisse Unwilligkeit, auch nur das Geringste spontan und frei zu spielen.
Wie kommt das?
1. Nicht nur beim Generalbass stehen noch Noten (die Bass-Stimme), auch bei einem Realbook-Standard steht die Melodie in Form von Noten, was dagegen beim Generalbass nicht sein muss.
2. Die barocke Musik ist harmonisch sicher nicht so einfach, wie Du sie hier darstellst. Durch ihre Polyphonie ergeben sich viele Reibungen, Durchgänge etc., die manchmal schwer zu lesen sind. Du unterschätzt hier ganz offensichtlich die harmonische Wirkung einer echten Polyphonie, weil Du sie aus dem Jazz nicht kennst. Aber gut, lassen wir das.
3. Harmonien durch Bezifferung, bzw. klassische Harmonisierungskürzel darzustellen (d.h. auf der Stufentheorie basierend mit Stufenangaben in Ziffern), ist weit verbreiteter als Du denkst. Ich habe einmal sämtliche Rezitative einer Rossini Oper nur damit eingespielt. Oder in der Kirchenmusik: die Kirchenlieder werden meistens wie beim Realbook nur aus dem Gesangbuch mit eigenen Harmonieangaben frei begleitet etc.- etc.
Überall dort hat sich die klassische Stufentheorie mit Bezifferung bewährt und all das kann harmonisch ganz weit offen nach oben sein. Jede Form von "harmonischem Überlegengeitsgefühl" ist hier fehl am Platz.
4. Dein letzter Punkt führt mal wieder zu diesem Lagerdenken und diesen Vorurteilen, die mich mittlerweile ankotzen - entschuldige vielmals meine Wortwahl. Der Grundgedanke der Klassik ist nun einmal, geniale Meisterwerke klassischer Komponisten, d.h. einen Extrakt aus etwa 600 Jahrhunderten der menschlichen Kulturgeschichte, so nahe an den Intentionen des Komponisten wie möglich zu spielen und dabei gleichzeitig seine eigene Interpretation mit einzubringen. Das führt zu anderen Schwerpunkten und einer deutlich präziseren Reproduktionsfähigkeit.
Ich könnte Dir mit gleicher Münze heimzahlen, indem ich sagen würde, dass die Themen von Bird und Dizzy bei dem legendären Tokyo Konzert derartig hingepfuscht wurden, dass mir die Ohren klingelten. Aber das war eben für sie nebensächlich, im Mittelpunkt stand die Improvisation. Aber zurück zum Ernst:
Wenn es um Literaturspiel geht, wird wohl jeder klassische Schüler bei gleicher Eignung und bei gleichem Übungseifer jeden Schüler der Jazz- oder Rockfraktion in Bezug auf Genauigkeit und saubere Technik hinter sich lassen. Genau umgekehrt wird es in puncto Improvisieren und freies Spiel aussehen. Warum also Birnen mit Äpfeln vergleichen? Du verlangst von einem Klassiker eine Jazz-typische Disziplin, also erfüll Du auch bitte eine klassische.
Und zum Schluss eine nicht sehr schmeichelhafte Feststellung: Früher waren die Fronten zwischen den beiden "Blöcken" sehr verhärtet. Ich durfte z.B. während meines Studiums noch nicht erzählen, dass ich auch in anderen Genres tätig war. Heute sehe ich bei den Klassikern deutlich mehr Offenheit den anderen Sparten gegenüber als bei den Jazzern. Es gibt mittlerweile schon einige Klassiker, die wie ich in beiden Welten tätig sind. Orchestermusiker gründen nur aus Spaß eine Big Band, Opernsänger/innen singen Gospel oder amerikanische Traditionals etc.
Ich habe auf den Ludwigsburger Schlossfestspielen einmal eine Oper dirigiert und als wir alle hinterher aus dem Bühneneingang kamen, hörten wir eine Big Band open air auf dem Marktplatz. Wir gingen tatsächlich alle begeistert hin und hörten uns das an und nachdem der Busfahrer uns endlich in das Hotel gefahren hatte, machten wir dort im Foyer - wo der Flügel stand - eine große Jam Session mit Standards etc.
Aber all das passt sicher nicht in Dein Vorurteilsbild.
 
Hallo anonymusus,

es wird nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird.

Ich finde das auch völlig in Ordnung, wenn ein Angelsachse "major" sagt, warum nicht? Ich schrieb dagegen: "wenn HIER jemand ....." - kleiner Unterschied.
Hoppla, sorry, äh, Entschuldigung, das "hier" war mir tatsächlich durch die Lappen gerutscht. :redface:
Wenn das so ist, bin ich völlig einer Meinung mit Dir: für einen Deutschen ist es naheligend, Dur zu sagen, selbstverständlich...


1. Nicht nur beim Generalbass stehen noch Noten (die Bass-Stimme), auch bei einem Realbook-Standard steht die Melodie in Form von Noten, was dagegen beim Generalbass nicht sein muss.
Ja, schon, aber die Melodie steht im Realbook um ihrer selbst Willen und wird für die Akkord-Symbole nicht benötigt (wenn sich auch hilfreich sein mag).
Aber schlimmer noch - das Real Book für Baß hat tatsächlich neben den Akkordsymbolen Grundtöne notiert.


2. Die barocke Musik ist harmonisch sicher nicht so einfach, wie Du sie hier darstellst. Durch ihre Polyphonie ergeben sich viele Reibungen, Durchgänge etc., die manchmal schwer zu lesen sind. Du unterschätzt hier ganz offensichtlich die harmonische Wirkung einer echten Polyphonie, weil Du sie aus dem Jazz nicht kennst. Aber gut, lassen wir das.
Wenn wir bei Vorurteilen sind: Woher weißt Du, daß ich aus dem Jazz komme? Eigentlich ist gerade das Gegenteil der Fall, und ich habe sogar mal ordentlich Pfeifenorgel gelernt und so durchaus einen gewissen Einblick in barocke Polyphonie erhalten.
Ich kann natürlich nicht wie Du auf eine lange professionelle Karriere im Opernbereich zurückblicken - deshalb finde ich es auch sehr schön und interessant, wenn Du uns hier Deine Erfahrungen und Ansichten mitteilst. Aber glaube mir, die eine oder andere Bemerkung von mir oder anderen ist keinesfalls böse gemeint, nur manchmal vielleicht etwas überspitzt formuliert.
Ich wollte die barocke Harmonik auch nicht klein- bzw. schlechtreden (dazu liebe ich sie viel zu sehr), aber Du wirst mir doch zustimmen, daß in der Folge die Generalbaß-Schreibweise nicht mehr sonderlich praktikabel war. Alles zu seiner Zeit.


3. Harmonien durch Bezifferung, bzw. klassische Harmonisierungskürzel darzustellen (d.h. auf der Stufentheorie basierend mit Stufenangaben in Ziffern), ist weit verbreiteter als Du denkst. Ich habe einmal sämtliche Rezitative einer Rossini Oper nur damit eingespielt. Oder in der Kirchenmusik: die Kirchenlieder werden meistens wie beim Realbook nur aus dem Gesangbuch mit eigenen Harmonieangaben frei begleitet etc.- etc.
Danke, das ist schön, zu hören. Rezitative u. ä. sind natürlich eine Paradedisziplin für BC und Hut ab, wenn Du aus das aus dem Ärmel schütteln kannst. Aber Du mußt doch zugeben, daß diese Kunstform im Gegensatz zu "früher" keineswegs mehr so verbreitet ist - schließlich sind nicht umsonst die meisten Generalbaß-Stimmen mittlerweile ausgesetzt, oder sehe ich das soooo furchtbar falsch? Nichts anderes wollte ich sagen, kein Angriff war beabsichtigt.
Ich finde es nur bedauerlich, daß so wenig von der einstigen Improvisationskunst in diese Genre übriggeblieben ist. Ausnotierter Generalbaß... Ausnotierte Kadenzen... Schön, daß es noch Ausnahmen gibt.
Die meisten Organsisten, die ich kenne, spielen übrigens einfach nur nach Gotteslob/Ev. Gesangbuch (nicht alle, allerdings).


Überall dort hat sich die klassische Stufentheorie mit Bezifferung bewährt und all das kann harmonisch ganz weit offen nach oben sein. Jede Form von "harmonischem Überlegengeitsgefühl" ist hier fehl am Platz.
Ach du liebe Güte, "harmonisches Überlegenheitsgefühl" möchte hier niemand zur Schau stellen. Ich bin nur der Meinung, daß "Jazz-Harmonik" völlig anders tickt und deshalb evtl. andere Schreibweisen vorteilhaft sein können, vor allem, wenn sie sich international bereits eingebürgert haben.
Selbst, wenn man mit der klassischen Schreibweise auch zurande käme oder sie sogar Vorteile hätte, würde das bedeuten, in eine relativ neuen/modernen Form der Musik einen weiteren Standard einzuführen und die Verwirrung noch zu vergrößern.
Warum hat sich eigentlich die im Jazz übliche Schreibweise nicht basierend auf der wissenschaftlich systematischen entwickelt? Ich kann es ehrlich nicht sagen. Vielleicht wegen der früher noch unüberbrückbaren Differenzen und völlig getrennten Welten.
Vielleicht liefe auch alles besser, wenn man noch einmal neu beginnen könnte.


4. Dein letzter Punkt führt mal wieder zu diesem Lagerdenken und diesen Vorurteilen, die mich mittlerweile ankotzen - entschuldige vielmals meine Wortwahl. [...]
Kein Problem mit Deiner Wortwahl. :)
Das Wörtchen "mittlerweile" legt aber nahe, daß Du diesbezüglich über einen längeren Zeitraum schlechte Erfahrungen gemacht hast.
Deshalb ist es ja gut, daß sich die "Lager" miteinander austauschen.

Mir ist schon klar, daß man bei klassischen Interpretationen ganz andere Schwerpunkte setzt und setzen muß.
Ich habe allerdings (Achtung: kein Angriff, nur nicht repräsentative persönliche Erfahrungen!) oft erleben müssen, daß brillante Instrumentalisten völlig überfordert waren, wenn sie einfach spontan (z. B. Weihnachten im Familienkreis) ein simples Weihnachtslied mit den Kindern mitspielen sollten.
So (und nicht anders) war mein mit :evil: markierte Provokation zu verstehen: Wenn die von Dir genannte so erfolgreiche klassische Harmonielehre so spurlos an diesen Musikern vorbeigegangen ist, daß sie nicht mal den Baß von Morgen kommt der Weihnachtsmann "improvisieren" können. Das ist übrigens weit (!) entfernt von Jazz.
Das (und viel mehr) hätten nämlich die "alten Klassiker" ohne jeden Zweifel gekonnt. Die "neuzeitlichen Klassiker" tendenziell immer weniger - da hast Du aber sicher viel bessere Einblicke und vielleicht sehe ich zu schwarz.

Warum also Birnen mit Äpfeln vergleichen? Du verlangst von einem Klassiker eine Jazz-typische Disziplin, also erfüll Du auch bitte eine klassische.
Ich halte das nicht zwingend für einen Vergleich von Äpfeln mit Birnen!
Denn die "alten Äpfel" konnten improvisieren (und wie!) - das weißt Du doch genau und Du hast ja dieses Ziel offensichtlich auch verfolgt. Ich beklage ja nur, daß allzu oft in der alltäglichen Laienpraxis die "Klassik" zu einer reinen Reproduktionsdisziplin geworden ist, was sie so eigentlich urspünglich nicht unbedingt war.
Und ich "verlange" auch von Jazzern, daß sie a) auch nach Noten spielen können und b) einen "gescheiten Ton" produzieren können.
Zum Beispiel hatte ich da bei Mangelsdorff meine Zweifel ;) - mit diskussionswürdiger Technik Posaune spielen, dazu reinkreischen und zu behaupten, er spiele zweistimmig... :D


Und zum Schluss eine nicht sehr schmeichelhafte Feststellung: Früher waren die Fronten zwischen den beiden "Blöcken" sehr verhärtet. [...]
Da hast Du wohl recht. Die "Klassiker" sind tatsächlich sehr viel offener geworden. Wenn die Jazzer Deiner Erfahrung nach unverändert auf Blockadekurs stehen, finde ich das bedauerlich.

Ich sehe das halt auch so, daß gerade in Bigbands die Musiker eine hervorragende (meist klassische) Ausbildung genossen haben, vielleich oft hauptberuflich Orchestermusiker sind. Wenn sie dann privat noch "was anderes" machen, ist der Schritt in Unterhaltungsmusik oder Jazz recht klein.
Wichtig ist doch alleine die Freude an der Musik, auch der Vielfalt der Musik.


[...]Wir gingen tatsächlich alle begeistert hin und hörten uns das an und nachdem der Busfahrer uns endlich in das Hotel gefahren hatte, machten wir dort im Foyer - wo der Flügel stand - eine große Jam Session mit Standards etc.
Aber all das passt sicher nicht in Dein Vorurteilsbild.

"Vorurteil" heißt ja im Grunde nichts anderes, als eine auf Erfahrungen basierende Wahrscheinlichkeitsaussage. Wenn ich beispielsweise eine dreißigjährige Frau auf der Straße sehe, gehe ich davon aus, daß sie keine Astronautin ist. Das ist strenggenommen auch ein Vorurteil. Meist stimmt es. Das ist aber weder frauenfeindlich noch falsch, nur, weil es doch eine dreißigjährige Frau gibt, die Astronautin ist.

Doch, das paßt wunderbar in mein Vorurteilsbild, weil ich auch schon solche Erfahrungen gemacht habe. Und Deine Geschichte freut mich von Herzen - so muß es sein und es ist noch nicht aller Tage abend.

In diesem Sinne: Gute Nacht :)
Torsten
 
Im übrigen bekomme ich - ehrlich gesagt - schon eine leichte Krise, wenn hier jemand etwas mit "Major" deklariert, was doch mit "Dur" wesentlich naheliegender ausgedrückt werden könnte.

Und wie sprichst Du das Akkordsymbol CMA7 auf deutsch aus?
 
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Lieber Torsten,

Vorschlag: dann lass uns doch bitte diese Überspitzungen beiseite lassen, Provokationen vermeiden und uns einer gemeinsamen vitaleren Musikausübung widmen, denn das ist es, was ich manchmal bedenklich finde.
Da höre ich Sinfonieorchester, die zum zigsten Mal eine Beethoven Sinfonie spielen, eingerahmt von den üblichen Stücken, mit einem Publikum, das sich steif und häufig eigentlich kulturfern dort aufhält und nur darauf achtet, nicht nach dem falschen Schlussakkord zu klatschen .....
Oder man hört ein Jazz-Klaviertrio, bei dem man den Eindruck hat, dass sie für alles mögliche spielen, nur nicht für ein Publikum - sorry, ich bin da etwas Mozart-geschädigt: d.h. innerhalb der Musik für alle gleichzeitig etwas zu bieten, darin besteht die Kunst. Und obwohl ich ihnen folgen kann, frage ich mich, was sie mir damit sagen wollen?
Also, es gibt einige Irrwege und sich verfestigte Taditionen in beiden Genres, die es aufzubrechen gilt. Von daher liegen wir doch nicht sehr weit auseinander.

P.S. Ich habe keine Ahnung, wie manche Kirchenmusiker Kirchenlieder begleiten. Ich kenne es eigentlich nur direkt aus dem Gesangbuch mit eigenen Stufenbezeichnungen und Bezifferung und eben frei gespielt. Intonationen und viele Choralvorspiele ebenfalls frei improvisiert (mein Erststudium war Kirchenmusik, danach Kapellmeister).

Und 2.: Mangelsdorff - ja - was soll man dazu sagen? Ich empfand es als einen Gag, auf den vor allem Musikkritiker hereingefallen sind, bzw. sich daran ergötzt haben.
Aber zum Ton: Wenn ich ein Musical leite, z.B. West Side Story, dann sind da 4 Reeds vorgeschrieben, d.h. Saxes, Flöte und Klarinette und das heißt: man muss Gastmusiker engagieren, denn die Orchestermusiker können das nicht anbieten. Der Rest des klassischen Orchesters staunt dann immer, wenn die Gastmusiker kommen, die eben genau das anbieten. Das weicht allerdings einer gewissen Ernüchterung, wenn sie den "Ton" hören, denn der ist z.B. mitnichten vergleichbar mit einem ausgebildeten klassischen Flötenton. Trotzdem generieren sich die "jazzigen" Kollegen aber so, als wenn sie Flöte "drauf" hätten. Und hier kommen wir halt zum Spezialistentum.
Wenn man sich Aufnahmen aus den Frühzeiten der Schellack-Platte von Solisten oder Orchestern mit einem epochalen Ruf anhört, dann wird man in der Regel enttäuscht sein. Oder: Selbst in den 50-ern oder 60-ern war ein Spitzenorchester gerade auf dem Standard, auf dem heutige Mittelklasse (B) - Orchester sind. Mit anderen Worten: die klassische Musikausübung ist in der Spitze mittlerweile derart perfektioniert worden, dass für freiere Musikausübungen schlichtweg keine Zeit mehr übrig ist.
Ich war vor einiger Zeit auf einem "Jugend Musiziert" - Wettbewerb als Juror und da spielte mir eine Dreizehnjährige die Mondscheinsonate - nein, sie haute sie mir derartig um die Ohren, dass ich fast konsterniert war. Das hätte ich als Dreizehnjähriger niemals schaffen können. Ergo: wir haben in der Klassik in den letzten beiden Jahtzehnten eine fast unmenschliche Perfektionierung erlebt, die man eben nur dadurch erreicht, indem man alles andere - wie z.B. Improvisieren etc. - draußen vor läßt.
Oder nimm das Beispiel Julia Fischer: Die ist nicht nur eine begnadete Violinistin, nein - sie spielt "nebenbei" noch Klavierkonzerte wie das nicht gerade leichte von Grieg - und ist gerade 30 Jahre alt. Willst Du von so einer Ausnahme-Musikerin noch Improvisationen erwarten? Sicher nicht. Von Bach & Co. natürlich schon, aber das waren eben die Genies und deshalb betrachte ich es nicht als Schande, sie lediglich zu interpretieren.
 
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Und wie sprichst Du das Akkordsymbol CMA7 auf deutsch aus?

Maj7 nennt man hier großer Dur-Septakkord. Also C groß-7. C-Major oder Major-7 sind aber auch üblich, wenn nicht sogar üblicher.
 
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Hallo anonymusus,

das klingt ja alles schon viel versöhnlicher. :)
Ja, es stimmt, es geht darum, Mauern einzureißen, und es geht um gegenseitige Achtung.
In einem Forum wie diesem kann es einfach passieren (und sei es im Eifer des Gefechts), daß gewisse Übertreibungen oder unbedachte Äußerungen getätigt werden, die aber eher als "Neckerei" aufzufassen sind.

Das mit dem an der falschen Stelle/zu früh klatschenden Publikum kennt wohl jeder - und es tut einem in der Seele weh, daß oft völlig desinteressierte Leute im Konzertpublikum sitzen, nur, weil es gesellschaftlich angezeigt ist.
Ich hab allerdings schon miterleben dürfen, wie bei der Uraufführung Detlev Glanerts Oper "Der Spiegel des großen Kaisers" das Publikum sehr wohl aktiv am Geschehen teilgenommen hat: indem manche wutentbrannt und laut türenschlagend den Saal verließen. Ich war zuerst nicht sicher, ob es sich um beabischtigte "3D-Soundeffekte" handelte...
Und andererseits ist leider Jazz in seiner Extremform oft zu einer völlig verkopften Veranstaltung geworden.

Ich stimme mit Dir völlig überein, daß aus vielerlei Gründen heute Musiker technisch besser als je zuvor ausgebildet sind.

Ein Musikwissenschaflter hat mir mal erzählt, die "Alte Musik" sei zu ihrer Zeit gar nicht einmal sooo beliebt gewesen, was sehr einleuchtend sei, wenn man viele historische Instrumente betrachtet. Heute sei diese Musik mit historischen Instrumenten oder Nachbauten nur erträglich, weil die Musiker über eine weitaus bessere Instrumentalausbildung verfügen und ein für zeitgenössische Musiker nicht für möglich gehaltenes Niveau erreicht haben.
Das ist natürlich auch wieder eine Überspitzung, ich fand das damals aber sehr amüsant. Verzeihung!

Ich habe Hochachtung vor solchen Leistungen und gönne auch jedem sein Spezialgebiet, da darfst Du mich nicht mißverstehen.

Eigentlich ging es mir aber nicht einmal hauptsächlich um Improvisieren kreuz und quer durch alle Harmonien, sondern um ganz einfache Grundfähigkeiten, die man eigentlich auch dem gestreßten, bis zur Leistungsgrenze gedrillten Profi (und es ist Streß - ich denke nur daran, was mir Berufsmusiker schon von Probevorspielen erzählt haben) abverlangen könnte - völlig unabhängig von Jazz oder Nicht-Jazz:

Ich stelle mir die Frage, warum viele klassisch ausgebildeten Musiker nicht in der Lage (oder Willens?) sind, ein einfaches, simples Volkslied mit einfacher Melodie und noch einfacheren Harmonien aus dem Stegreif zu spielen/zu begleiten?
Das ist es, was mich oft (meist aus konkretem Anlaß) beschäftigt. Das ist ja beileibe kein Hexenwerk und ich glaube auch nicht, daß es allzuviel Lern- und Spiel-Energie verzehren würde.

Der Beruf eines Schauspielers besteht ja auch darin, möglichst perfekt zu reproduzieren (und das sogar zwingend auswendig). Trozdem kann er eigene Sätze formulieren und beim Bäcker Brötchen kaufen, ohne den Satz ablesen oder vorher einstudieren zu müssen.
Bitte fasse das nicht wieder als Provokation und Angriff auf, den Vergleich finde ich schon passend - es geht mir um völlig triviale musikalische Betätigung - ich kann einfach nicht verstehen, wieso das für viele (beileibe nicht alle!) eine scheinbar unüberwindliche Hürde darstellt?

Was den "Ton" anbelangt, gibt es wohl tatsächlich verschiedene Ideale, das finde ich nicht schlimm. Ich finde es nur unschön, wenn ein Musiker auf einen anderen herabschaut.
Letztes Jahr (glaube ich) gab es mal beim Radiosender SWR2 ein Liederprojekt "Volkslieder" (sehr empfehlenswert und interessant). Es wurden neben Hintergrundinformationen auch eigens Aufnahmen eingespielt. Da muß ich sagen, fand ich es teilweise komisch (auf jeden Fall höchst unpassend), wenn z. B. ein ausgebildeter Kunst-Bariton mit größter Theatralik und Insbrunst ein schlichtes, gewöhnliches Liedchen zum Besten gab. Wenn's geht, noch mit extrem gekünsteltem (und nicht immer konsequent durchgehaltenem) Berliner Akzent (Stichwort: "Bolle"). ;)
Hier wäre weniger wohl mehr gewesen...

Viele Grüße
Torsten
 
Ich stelle mir die Frage, warum viele klassisch ausgebildeten Musiker nicht in der Lage (oder Willens?) sind, ein einfaches, simples Volkslied mit einfacher Melodie und noch einfacheren Harmonien aus dem Stegreif zu spielen/zu begleiten?
Das ist es, was mich oft (meist aus konkretem Anlaß) beschäftigt. Das ist ja beileibe kein Hexenwerk und ich glaube auch nicht, daß es allzuviel Lern- und Spiel-Energie verzehren würde.

Das möchte ich natürlich nicht verallgemeinern, kann den Sachverhalt aber aus meiner begrenzten persönlichen Erfahrung bestätigen. Meine Vermutung ist: Man lernt in diesem Getriebe nicht vorrangig, Musik zu MACHEN (im Sinne von interpretieren), sondern gewisse Interpretationen zu imitieren, wobei diese Interprerationsvorlagen meist historisch begründet sind. Und das SPIELEN (im eigentlichen Sinne) mit und in der Musik gerät dabei überhaupt ins Abseits.

Genauso, wie der alte Gitarristenwitz ein Körnchen Wahrheit enthält, wonach man einen E-Gitarristen am ehesten dadurch zu leiserem Spiel bringt, indem man ihm Noten vorlegt, so gilt ähnliches analog auch für diesen anderen Teil der Musikerwelt: Den bringt man am ehesten zum schweigen, wenn man ihm die Noten WEGNIMMT und sagt "Spiel einfach, was paßt".

Wenn man von klein auf in dieser Mühle d´rinnen ist, ist es schwer, dem zu entkommen.

Glaube ich halt ...

LG - Thomas
 
Zu der Improvisationssache: Bei uns an der Hochschule kann man Improvisation im klassischen Bereich dazuwählen, was auch einige machen. Einer spielt Chaconnevariationen u.Ä., der andere ist richtig fit im Improvisieren an der Orgel und hat u.a. Mozart-, Regerstil und irgendwas barockes drauf. Fugen improvisieren kann er auch richtig gut, und das ist richtig schwer.
 
Als kleine Anmerkung: Ich finde es schade, dass man bei manchen Leuten hier keine Negativbewertungen geben kann. Da liest sich ein Beitrag ja fast schon wie ein Cliché…

Nicht nur manch ein Musikwissenschaftler scheint in seinem Elfenbeinturm die vermeintliche Wahrheit gefunden zu haben...
 
Als kleine Anmerkung: Ich finde es schade, dass man bei manchen Leuten hier keine Negativbewertungen geben kann. Da liest sich ein Beitrag ja fast schon wie ein Cliché…

Nicht nur manch ein Musikwissenschaftler scheint in seinem Elfenbeinturm die vermeintliche Wahrheit gefunden zu haben...
Du sprichst mir aus der Seele ...
 
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So langsam wird's lustig, also ab in die Plauderecke ;)
 
Maj7 nennt man hier großer Dur-Septakkord. Also C groß-7.
Die Band in der der Bassist zum Organisten sagt "spiel' mal im dritten Takt C groß Sieben" musst Du mir mal zeigen. :D
(Mich würde auch eine Antwort des ursprünglich von mir Gefragten interessieren.)


C-Major oder Major-7 sind aber auch üblich, wenn nicht sogar üblicher.
Das "oder" ist definitiv falsch. C Major ist nichts anderes Als der C Dur Dreiklang und hat mit CMA7 nichts zu tun.



PS
Zur hier laufenden OFF-Topic Sache:

Hier äußert sich Susan McClary (Universität Los Angeles) zum Thema Improvisation --> http://www.artistshousemusic.org/videos/improvisation+and+canon+in+western+music
Man stelle sich vor, Dichter und Schriftsteller würden ebenso wie die klassischen Musiker nur noch alte Werke aufzuführen. Undenkbar!
 
Das liegt vielleicht daran, dass Interpreten klassischer Musik sind, was "Sprecher" zu Gedichten und Prosa sind. Die Dichter und Schriftsteller, das sind die Komponisten in der Musik. Zusätzlich hinkt der Vergleich, weil nämlich Gedichte und Prosa für jeden (es sei denn, er kann nicht lesen, was aber nicht die Norm ist) auch ohne einen Vortragenden zu verstehen sind. Man kann sie ja selbst lesen, aber Musik gleich selbst spielen?
 
L
  • Gelöscht von klaus111
  • Grund: Bitte Forenregel 8 beachten : http://www.musiker-board.de/regeln-news-tipps-bt/1-board-regeln.html

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